Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.03.2015, Az. 4 StR 525/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 13420

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Gegenstand

Strafrechtliche Rehabilitierung wegen der Unterbringung in einem Kinderheim der ehemaligen DDR nach Inhaftierung der Eltern als Opfer politischer Verfolgung


Leitsatz

Die Anordnung der Unterbringung eines Betroffenen in einem Heim für Kinder oder Jugendliche hat nicht allein deshalb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG der politischen Verfolgung gedient, weil sie aus Anlass des Umstandes erfolgte, dass die Eltern des Betroffenen infolge ihrer Inhaftierung als Opfer politischer Verfolgung an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert waren.

Tenor

Die Anordnung der Unterbringung eines Betroffenen in einem Heim für Kinder oder Jugendliche hat nicht allein deshalb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] der politischen Verfolgung gedient, weil sie aus Anlass des Umstandes erfolgte, dass die Eltern des Betroffenen infolge ihrer Inhaftierung als Opfer politischer Verfolgung an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert waren.

Gründe

I.

1

Die Betroffene begehrt ihre Rehabilitierung wegen der Unterbringung in einem Kinderheim der ehemaligen [X.].

2

Die zum damaligen [X.]punkt geschiedene Mutter der Betroffenen wurde durch Urteil des [X.] vom 20. Oktober 1961 wegen staatsgefährdender Hetze gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 des Strafrechtsergänzungsgesetzes der [X.] zu der Gefängnisstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Sie befand sich vom 9. September 1961 bis zum 9. Mai 1963 in Untersuchungs- und Strafhaft. Mit Beschluss vom 6. Oktober 1992 hob das Bezirksgericht [X.] das Urteil desselben Gerichts vom 20. Oktober 1961 auf und rehabilitierte die Mutter der Betroffenen.

3

Nach ihren im Rehabilitierungsverfahren als zutreffend zugrunde gelegten Angaben wurde die damals 7-jährige Betroffene am Tag der Inhaftierung ihrer Mutter in das [X.] „        “ in S.               verbracht, wo sie vom 9. September 1961 bis Anfang Juli 1963 verblieb.

4

Das Landgericht [X.] erklärte mit Beschluss vom 29. Oktober 2012 die vom Rat des [X.]       – Jugendhilfeausschuss – vorgenommene Anordnung der Unterbringung der Betroffenen in Heimerziehung für rechtsstaatswidrig, hob sie auf und stellte – unter Zurückweisung des Rehabilitierungsantrags im Übrigen – fest, dass die Betroffene vom 9. September 1961 bis 9. Mai 1963 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft, die dem Rehabilitierungsantrag der Betroffenen entgegengetreten war, mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde.

II.

5

Das [X.] möchte die Beschwerde der Staatsanwaltschaft verwerfen. Es ist der Auffassung, dass in Fällen, in denen Kinder oder Jugendliche von den Jugendbehörden der [X.] nur deshalb in Heimen untergebracht wurden, weil ihre Eltern als Opfer politischer Verfolgung inhaftiert worden waren und deshalb als Betreuungspersonen nicht mehr zur Verfügung standen, die Anordnung der Heimunterbringung gleichfalls Ausdruck politischer Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] sei und es keiner weiteren Prüfung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit bedürfe. Denn das Handeln der Verwaltungs- bzw. Jugendbehörde sei eine notwendige Folge des rechtsstaatswidrigen Handelns der Justizbehörden, dessen Unrechtsgehalt damit auf die Bewertung des Handelns der Jugendbehörde durchschlage ([X.], [X.] 2013, 124; vgl. auch [X.] 2012, 274; [X.] 2012, 134).

6

An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das [X.] durch den Beschluss des [X.] vom 13. Dezember 2011 – 2 [X.]/11 REHA – gehindert. In dieser Entscheidung hat das [X.] eine wegen einer Heimunterbringung in der [X.] begehrte Rehabilitierung versagt und dies – entscheidungstragend – damit begründet, dass sich die Einweisung eines Betroffenen in ein Kinderheim nicht schon deshalb als Maßnahme politischer Verfolgung darstelle, weil sie Folge der Verhaftung und Verurteilung seiner Eltern aus Gründen politischer Verfolgung gewesen sei. Die Einweisung in ein Kinderheim sei in diesen Fällen keine unmittelbare, sondern mittelbare Folge der politischen Verfolgung der Eltern. Deshalb müsse sie, um der Rehabilitierung zugänglich zu sein, ihrerseits politisch begründetes Unrecht sein und sachfremden Erwägungen folgen, die nicht durch den üblichen rechtskonformen Zweck der Einweisung – hier: fürsorgerische Erwägungen – gedeckt seien (vgl. auch KG, [X.] 2011, 166; [X.] 2011, 211; [X.] 1997, 663).

7

Das [X.] hat daher mit Beschluss vom 7. Mai 2013 ([X.] 2013, 124) die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 13 Abs. 4 [X.] dem [X.] zur Beantwortung folgender Rechtsfrage vorgelegt:

„Ist es in den Fällen der Einweisung in ein Kinderheim in der ehemaligen [X.] für die Rehabilitierung des/der Betroffenen gemäß § 2 [X.] ausreichend, wenn die Heimunterbringung ausschließlich deshalb erfolgt, weil die Eltern ihrerseits Opfer politischer Verfolgung und deshalb inhaftiert wurden (sog. ‚mittelbare‘ politische Verfolgung) oder bedarf es der Feststellung einer darüber hinausgehenden (‚unmittelbaren‘) eigenen politischen Verfolgung des betroffenen Kindes/Jugendlichen bzw. weiterer sachfremder Erwägungen, die – über den haftbedingten Ausfall der bisherigen Erziehungsberechtigten hinaus – für die Heimunterbringung ursächlich geworden sind?“

8

Der [X.] ist im Ergebnis der Rechtsauffassung des vorlegenden [X.]s beigetreten und hat beantragt zu beschließen:

„Die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche in der ehemaligen [X.] ist mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar und damit nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 [X.] für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben, wenn sie ausschließlich deshalb erfolgte, weil die Eltern als Opfer politischer Verfolgung inhaftiert wurden.“

III.

9

Die Rechtsansicht des vorlegenden [X.]s wird von den [X.] ([X.] 2013, 63; [X.] 2012, 140) und [X.] (OLGSt [X.] § 2 Nr. 4) geteilt.

IV.

Die [X.] gemäß § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 13 Abs. 4 [X.] sind erfüllt. Die [X.] betrifft die – hier entscheidungserhebliche – Auslegung des Begriffs der politischen Verfolgung in § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.], mithin einer Rechtsfrage, die bereits durch ein anderes [X.] entschieden worden ist. Das [X.] kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der Entscheidung des [X.] abzuweichen.

Die Entscheidungserheblichkeit der [X.] wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das [X.] keine Feststellungen zu den Unterbringungsbedingungen während des [X.] der Betroffenen getroffen hat. Das vorlegende [X.] ist insoweit der Ansicht, dass bei der Entscheidung über die Rehabilitierung einer Heimunterbringung infolge der Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] durch das am 9. Dezember 2010 in [X.] getretene Vierte Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen [X.] vom 2. Dezember 2010 ([X.]), durch welche die Vorschrift um die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche erweitert worden ist, nicht mehr zu prüfen sei, ob sich diese Unterbringung im konkreten Fall als Freiheitsentziehung darstellte oder zumindest unter haftähnlichen Bedingungen erfolgte, weil der Gesetzgeber durch die Gesetzesänderung zum Ausdruck gebracht habe, dass jede Heimeinweisung als Freiheitsentziehung zu behandeln sei. Diese in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung einhellig vertretene Rechtsansicht (vgl. [X.], [X.] 2012, 134; KG, [X.] 2014, 21; OLG [X.], OLGSt [X.] § 2 Nr. 4; [X.], OLGSt [X.] § 1 Nr. 11; [X.], Beschluss vom 14. November 2011 – [X.] 24/11; [X.], [X.] 2013, 98, 100; aA LG [X.], [X.] 2011, 212; Toberer/[X.], NJ 2012, 328), die sich darauf stützen kann, dass mit der Aufnahme der Heimeinweisung in die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche mit der Einweisung in eine psychiatrische Anstalt gleichgestellt worden ist, für die eine gesetzliche Vermutung ihres freiheitsentziehenden Charakters angenommen wird (vgl. [X.], [X.] 2014, 237 [bei juris Rn. 50]; [X.], [X.] 2012, 134; Gesetzentwurf der Bundesregierung zum [X.] von [X.], [X.]. 92/93, [X.]; [X.] aaO), ist zumindest vertretbar und damit für den Senat im [X.] bindend (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Mai 1974 – 1 StR 366/73, [X.]St 25, 325, 328).

Im Hinblick darauf, dass die für das [X.] maßgebliche rechtliche Divergenz die Auslegung des Merkmals der politischen Verfolgung in § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] betrifft, hat der Senat die [X.] wie folgt präzisiert und neu gefasst:

„Hat die Anordnung der Unterbringung eines Betroffenen in einem Heim für Kinder oder Jugendliche allein deshalb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] der politischen Verfolgung gedient, weil sie aus Anlass des Umstands erfolgte, dass die Eltern des Betroffenen infolge ihrer Inhaftierung als Opfer politischer Verfolgung an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert waren?“

V.

Der Senat beantwortet die [X.] wie aus dem Tenor ersichtlich.

1. Nach § 1 Abs. 1 [X.] ist die strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen [X.] Gerichts im Beitrittsgebiet aus der [X.] vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben, soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist. Mit der Anknüpfung an wesentliche Grundsätze einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung wollte der Gesetzgeber dasjenige Staatsunrecht erfassen, das als „Systemunrecht“ den Einzelnen unter Missachtung seiner Individualität und Menschenwürde zum Objekt gesellschaftspolitischer Zielsetzungen degradierte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum [X.] von [X.], BT-Drucks. 12/1608, [X.]). Der in § 1 Abs. 1 [X.] im Sinne einer Generalklausel geregelte Maßstab für die strafrechtliche Rehabilitierung wird durch die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] normierten Regelbeispiele dahin konkretisiert, dass eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung insbesondere dann gegeben ist, wenn die Entscheidung politischer Verfolgung gedient hat oder die angeordneten Rechtsfolgen in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stehen.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] finden die Vorschriften des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, entsprechende Anwendung. Dies gilt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] insbesondere für eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt sowie eine Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat. Aufgrund der in § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] enthaltenen Verweisung auf die Generalklausel des § 1 Abs. 1 [X.] setzt die Rehabilitierung wegen einer Heimunterbringung voraus, dass die gerichtliche oder behördliche Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar war. Durch die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.], die ausweislich ihres die Formulierung „insbesondere“ verwendenden Wortlauts und der Intentionen des Gesetzgebers (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum [X.] von [X.], [X.]. 92/93, [X.]) als Regelbeispiel ausgestaltet ist, wird klargestellt, dass die materiellen Rehabilitierungsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn die Anordnung der Heimunterbringung der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat.

2. Der Begriff der politischen Verfolgung wird in den Bestimmungen des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nicht näher definiert. Die Gesetzesmaterialien beschränken sich insoweit auf den pauschal gehaltenen Hinweis auf eine politisch-ideologisch motivierte Verfolgung Andersdenkender (vgl. Entwurf der Bundesregierung zum [X.] von [X.], BT-Drucks. 12/1608, [X.]). Zur Auslegung kann indes auf die zum Asylrecht ergangene Rechtsprechung rekurriert werden (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 1 Rn. 80 f.). Danach wohnt dem Begriff der politischen Verfolgung ein finales Element inne (vgl. [X.]E 87, 141, 145 [X.]). Erfasst werden Maßnahmen, die ihrem inhaltlichen Charakter nach erkennbar darauf gerichtet sind, den Betroffenen wegen seiner – tatsächlich oder vermeintlich gegebenen – politischen Überzeugung, religiösen Grundentscheidung oder eines anderen für ihn unverfügbaren persönlichen Merkmals zu diskriminieren (vgl. [X.]E 80, 315, 333 ff. [X.]; [X.] aaO; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., Art. 16a Rn. 19). Erforderlich ist eine dem Einzelnen in Anknüpfung an eines der genannten Merkmale zielgerichtet zugefügte Rechtsverletzung (vgl. [X.] aaO). Das mithin bereits aus dem Begriff der politischen Verfolgung abzuleitende Erfordernis einer auf die Benachteiligung aus politischen Gründen abzielenden Zweckbestimmung der Maßnahme wird für die hier in Rede stehende rehabilitierungsrechtliche Bewertung der Anordnung einer Heimunterbringung durch eine grammatikalische und systematische Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] bestätigt. Denn gemäß dem Wortlaut der Vorschrift muss die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche der politischen Verfolgung gerade „gedient“ haben und nach dem Regelungsgefüge des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] handelt es sich bei dem Merkmal der politischen Verfolgung lediglich um einen benannten Unterfall eines mit der Unterbringungsanordnung verfolgten sachfremden Zwecks. Schließlich gehen auch die Gesetzesmaterialien zum Ersten [X.]sbereinigungsgesetz für die Auslegung der gleichgelagerten Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 1. Halbsatz [X.] davon aus, dass die Qualifizierung einer Entscheidung als Akt politischer Verfolgung eine politisch-ideologische Zwecksetzung erfordert, die in der Entscheidung erkennbar geworden sein muss (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/1608, [X.]).

Die Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche hat nach den dargelegten Maßstäben nur dann im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] der politischen Verfolgung gedient, wenn sie nach der ihr erkennbar innewohnenden Zweckbestimmung zumindest auch darauf abzielte, eine politische intendierte Benachteiligung herbeizuführen. Da die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht auf die Verfolgung gerade des von der Unterbringung Betroffenen abstellt, ist dabei unerheblich, ob sich der mit der Anordnung der Unterbringung verfolgte [X.] gegen die unterzubringende Person selbst oder Dritte richtete. Auch die zur politischen Disziplinierung von Eltern oder Verwandten angeordnete Heimunterbringung stellt sich als politische Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] dar (vgl. KG, [X.] 2014, 21; [X.], [X.] 2011, 259; [X.], Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 88/13; [X.], [X.] 2013, 98, 102). Der bloße ursächliche Zusammenhang mit einer gegen die Eltern gerichteten Verfolgungsmaßnahme, der bestehen kann, wenn die Anordnung der Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche durch die Inhaftierung der die elterliche Sorge ausübenden Eltern veranlasst wurde, reicht dagegen nicht aus, um die Unterbringungsanordnung selbst als Akt der politischen Verfolgung zu qualifizieren.

3. Die gegenteilige Auffassung des vorlegenden [X.]s ist zudem mit dem Regelungskonzept des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nicht zu vereinbaren. Anknüpfend an die in Art. 18 Abs. 1 und Art. 19 des [X.] vom 31. August 1990 ([X.] [X.] 889) geregelte fortbestehende Wirksamkeit von Entscheidungen der Gerichte und der Verwaltungsbehörden der [X.] hat sich der Gesetzgeber mit dem durch das Erste [X.]sbereinigungsgesetz vom 29. Oktober 1992 ([X.] I S. 1814) geschaffenen Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz für eine Konzeption der Rehabilitierung entschieden, die eine einzelfallbezogene Überprüfung der vom Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz formell erfassten Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Gerichte und Behörden der [X.] auf Antrag des Betroffenen anhand gesetzlich festgelegter materieller Kriterien vorsieht (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/1608, [X.]). Eine die angegriffene Entscheidung aufhebende und den Betroffenen rehabilitierende Entscheidung kann nur ergehen, wenn im Einzelfall festzustellen ist, dass hinsichtlich der konkret in Rede stehenden Entscheidung die materiellen Rehabilitierungsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. zu dem aus § 10 Abs. 2 [X.] resultierenden Beweismaß [X.], [X.] 2014, 237 [bei juris Rn. 55]). Die Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen geht zu Lasten des Antragstellers; der strafprozessuale Zweifelssatz findet keine Anwendung (vgl. [X.] aaO und [X.] 2000, 376). Dieses auf eine einzelfallbezogene Überprüfung einzelner Entscheidungen und Maßnahmen abstellende Regelungskonzept des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes schließt es aus, für die Anwendung des Regelbeispiels des § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf ein nicht näher konkretisiertes unteilbares Verfolgungsschicksal der Familie abzustellen (so OLG [X.], OLGSt [X.] § 2 Nr. 4) oder den Unrechtscharakter der politischen Verfolgung der Eltern allein deshalb auf die Anordnung der Heimunterbringung „durchschlagen“ zu lassen, weil die Heimeinweisung der durch die Inhaftierung der Eltern entstandenen tatsächlichen Situation Rechnung trug.

4. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. [X.], [X.] 2013, 98, 103; Wapler in Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Aufarbeitung der Heimerziehung in der [X.] – Expertisen, 5, 95) kann die Einstufung einer in der Folge der politisch intendierten Inhaftierung der Eltern erfolgten Heimeinweisung als Akt politischer Verfolgung schließlich nicht unter Rückgriff auf die in der asylrechtlichen Rechtsprechung anerkannte, unter bestimmten Voraussetzungen für die minderjährigen Kinder eines Verfolgten geltende Vermutung einer eigenen politischen Verfolgung (vgl. [X.]E 75, 304, 312; 79, 244, 245 f.; Randelzhofer in Maunz/[X.]/[X.]/[X.], [X.], Art. 16a Abs. 1 Rn. 64 [Stand: März 2007]; [X.] aaO Rn. 12) begründet werden. Denn einer Übertragung dieser asylrechtlichen Vermutung in das Recht der Rehabilitierung stehen die unterschiedlichen Zielrichtungen des Asylrechts einerseits und des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes andererseits entgegen. Während im Asylrecht die Frage der Gewährung von Schutz vor staatlicher Verfolgung im Fokus steht und die widerlegbare Vermutung einer eigenen politischen Verfolgung der minderjährigen Kinder in diesem Kontext dazu dient, den personellen Schutzbereich des Asylrechts zu erweitern, um einer prognostisch zu berücksichtigenden potentiellen Gefährdungslage Rechnung zu tragen (vgl. [X.] aaO), geht es im Rahmen des [X.] um die Wiedergutmachung für staatliches Unrecht der [X.] und die in diesem Zusammenhang vorzunehmende retrospektive Bewertung von durch Gericht und Behörden der [X.] getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen.

[X.]     

        

Rin[X.] Roggenbuck ist infolge
Urlaubs an der Unterschriftsleistung
gehindert.

        

[X.]     

                 

[X.]

                 
        

[X.]     

        

     Bender     

        

Meta

4 StR 525/13

25.03.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 7. Mai 2013, Az: 1 Ws Reha 3/13, Vorlagebeschluss

§ 2 Abs 1 S 2 StrRehaG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.03.2015, Az. 4 StR 525/13 (REWIS RS 2015, 13420)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1702 REWIS RS 2015, 13420

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 547/16

22 Ws_Reha 6/17

4 StR 525/13

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