Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2012, Az. WpSt (R) 1/12

Senat für Wirtschaftsprüfersachen | REWIS RS 2012, 3970

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Nachschlagewerk: ja

[X.]St : ja

Veröffentlichung : ja

[X.] §§ 67, 68
[X.] § 264

1.
Die Nichtbezahlung einer wegen einer [X.]erufspflichtverlet-zung verhängten Geldbuße begründet regelmäßig keine
gesondert zu ahndende [X.]erufspflichtverletzung.

2.
Der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung im berufs-gerichtlichen Verfahren gebietet die Einbeziehung erkenn-bar sachlich und zeitlich zusammenhängender Pflichtverlet-zungen in ein gerichtliches Verfahren. Nach berufsgerichtli-cher Verurteilung hindert dies die spätere Ahndung so zu-sammenhängender Pflichtverletzungen in einem neuen
Verfahren.

[X.], Urteil vom 14. August 2012

[X.]([X.])
1/12

[X.]

[X.] ([X.]) 1/12

[X.]UNDESGE[X.]ICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

U[X.]TEIL

vom 14. August 2012
in dem berufsgerichtlichen Verfahren
gegen

den vereidigten [X.]uchprüfer

wegen [X.]erufspflichtverletzung

-
2
-
Der [X.] für [X.] des [X.] hat in der Sitzung vom 14. August 2012, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender [X.]ichter [X.]asdorf,

[X.]ichter Dr. [X.]aum,
[X.]ichter Prof. Dr. König,
[X.] [X.]uchprüfer [X.],
Wirtschaftsprüfer Dr. Aicher

als beisitzende [X.]ichter,

Oberst[X.]tsanwalt
beim [X.]undesgerichtshof

als Vertreter der [X.],

[X.]echtsanwältin

als Verteidigerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

-
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-
für [X.]echt erkannt:

1.
Auf die [X.]evision der Generalst[X.]tsanwaltschaft wird
das Urteil des [X.] in [X.] vom 15. Septem-ber
2011 insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, als der vereidigte [X.]uchprüfer vom Vorwurf der Nichtzahlung der Kammerbeiträge 2004, 2005, 2007
und 2008 freigesprochen wurde.

Im Übrigen wird die [X.]evision verworfen.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.]echtsmittels, an einen anderen [X.] für Wirtschafts-prüfersachen des [X.] zurückverwiesen.

Von [X.]echts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat das Urteil des [X.]s [X.]

Kammer für [X.]

auf die [X.]erufung des vereidigten [X.]uchprüfers aufgehoben und ihn freigesprochen. Zugleich hat es die [X.]erufung der [X.] [X.] verworfen, die eine härtere Ahndung als das vom [X.] ausgesprochene [X.] von drei Jahren erstrebt hatte. Hiergegen richtet sich die

vom [X.] zugelassene

[X.]evision der St[X.]tsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten wird.

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I.

1. Dem [X.]erufsangehörigen liegen folgende

dem Schuldspruch des landgerichtlichen Urteils entsprechende

Verletzungen seiner [X.]erufspflicht zur Last:

Der vereidigte [X.]uchprüfer hat eine ihm durch Urteil des [X.]s [X.] vom 6. Juni 2003 im berufsgerichtlichen Verfahren auferlegte Geldbu-n-n-zahlungsvereinbarungen hielt der [X.]erufsangehörige nicht ein. Weiterhin ent-richtete er seine Kammerbeiträge für die Jahre 2004, 2005, 2007 und 2008 e-stand. Die Kammerbeiträge beglich der [X.]erufsangehörige am 4. März 2009, auf die Geldbuße leistete er allerdings nur einen weiteren Teilbetrag von knapp 2.

2. Das [X.] hat die Auffassung vertreten, die Nichtzahlung der Geldbuße stelle keine [X.]erufspflichtverletzung dar. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Gesetzgeber die Nichtbeachtung einer Sanktion in der Wirtschaftsprüferordnung jedenfalls für den Verstoß gegen ein Tätigkeits-
oder [X.]erufsverbot einer eigenständigen Sanktionierung unterworfen habe. Dies schließe es auch für die Geldbuße aus, auf die allgemeine [X.]egelung des § 67 [X.] zurückzugreifen. Im Übrigen

und dies gelte sowohl
für die [X.]ückstände bei der [X.]ezahlung der Geldbuße als auch die bei den Kamm-erbeiträgen

stehe das rechtskräftige Urteil des [X.]s [X.]

Kam-mer für [X.]

vom 14. Dezember 2007 einer Ahndung entgegen. Dies sei die Konsequenz des Grundsatzes, dass [X.] berufsrechtlich einheitlich zu würdigen und zu ahnden seien. Die [X.]echtskraft einer berufsgerichtlichen Entscheidung umfasse deshalb auch eine [X.]erufspflichtverletzung, die vor diesem Zeitpunkt liege und nicht Gegen-stand des berufsgerichtlichen Verfahrens gewesen sei. Auch deshalb könne 2
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eine den Verfolgungsorganen bekannte Pflichtverletzung durch Nichtbeglei-chung dieser Zahlungspflichten nicht mehr geahndet werden, weil die vorge-nannte Entscheidung des [X.]s insoweit eine Zäsur bilde.

II.

Die [X.]evision hat nur teilweise Erfolg.

1. Anders als die Verteidigung stellt der [X.] die berufsrechtliche Generalklausel des § 43 [X.] (inhaltlich übereinstimmend: § 57 St[X.]erG und § 43 [X.][X.][X.]) allerdings nicht grundsätzlich unter dem Aspekt des [X.]e-stimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) in Frage. Namentlich bildet die [X.] für außerberufsrechtliche Gebots-
und Verbotsnormen (z. [X.]. aus dem Straf-
und Ordnungswidrigkeitenrecht) in hinreichend normenklarer Weise den notwendigen berufsrechtlichen [X.] ([X.], [X.], 1888, 1889) und wird umgekehrt durch diese außerberufs-rechtlichen Normen inhaltlich ausgefüllt (vgl. [X.] 60, 215, 230; Schne-pel in [X.]/[X.], [X.], 2008, vor §§ 43 ff. [X.]n. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.][X.][X.], 8. Aufl., § 43 [X.]n. 9 ff.; [X.]Maxl, St[X.]erG, 3. Aufl., § 57 [X.]n. 3 ff.). Ferner vermag sie ihrerseits Wirkung auf die [X.]eichweite normierter [X.]erufspflichten zu entfalten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 30. November 2009

[X.] ([X.]) 11/08, [X.], 1972 [X.]n. 10), uU auch den Kreis ahndbarer Normverstöße einzugrenzen ([X.], [X.]O, S. 1889 f.).

Letztlich bedürfen diese Fragen aber keiner abschließenden Entschei-dung, weil hier die [X.]
nicht aus der Generalklausel, sondern aus der Verletzung spezieller berufsrechtlicher Vorschriften hergeleitet werden, nämlich der Zahlungspflicht aus einer berufsgerichtlichen Maßnahme nach §
68 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und der gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 [X.] für den [X.]e-rufsangehörigen bestehenden Pflicht, die Kammerbeiträge gemäß der [X.]ei-tragsordnung zu entrichten. Deshalb ist allein maßgebend, ob sich aus die-sen Normen berufliche Pflichten der [X.]erufsangehörigen ergeben, deren 5
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schuldhafte Verletzung (§ 67 Abs. 1 [X.]) die Grundlage einer berufsge-richtlichen Ahndung bilden kann.

2. Ohne [X.]echtsverstoß hat das [X.] die unterbliebene voll-ständige [X.]ezahlung der Geldbuße nicht als [X.]erufspflichtverletzung gewertet. Die Geldbuße hat [X.]; ihre Vollstreckung ist

worauf das [X.] zutreffend hingewiesen hat

ausdrücklich geregelt. Nach §
126 Abs. 2 i.V.m. § 127 [X.] erfolgt sie nach den Vorschriften der Straf-prozessordnung (§§ 449, 459 [X.]). Anders als bei [X.]erufspflichten endet die Zahlungspflicht

wie es in § 126 Abs. 2 Satz 1
[X.] ausdrücklich bestimmt ist

auch nicht dadurch, dass der [X.]erufsangehörige aus dem [X.]eruf aus-scheidet. Dies verdeutlicht den ausschließlich ahndenden Charakter der Geldbuße. Die Geldbuße begründet demnach keine eigenständige berufliche Pflicht, sondern sie ist die Sanktion, die auf eine Verletzung beruflicher Pflichten folgt (a. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2008, § 126 [X.]n. 3; [X.], St[X.]erG, 3. Aufl., § 151 [X.]n. 16). Das bedeutet, dass die Nichtbefol-gung des Zahlungsgebots aus einer berufsgerichtlich verhängten Geldbuße nicht zugleich als [X.]erufspflichtverletzung geahndet werden kann. Die der berufsgerichtlichen Sanktionierung unterliegenden [X.] müssen dem verfassungsrechtlichen [X.]estimmtheitserfordernis nach Art. 103 Abs. 2 GG genügen (vgl. [X.] 42, 261, 262 f.; [X.], Urteil vom 5. März 1979

[X.] ([X.]) 15/78, [X.]St 28, 333, 336; [X.] in Festschrift für [X.], 1988, [X.], 950).

Es kommt maßgeblich hinzu, dass es dem [X.] Straf-
und Ord-nungswidrigkeitenrecht grundsätzlich fremd ist, die Nichterfüllung einer straf-
oder bußgeldrechtlichen Verurteilung wiederum als Straftat oder Ordnungs-widrigkeit zu verfolgen. Lediglich bei Sanktionen, die nicht im eigentlichen Sinne vollstreckt werden können, sind Ausnahmen vorgesehen (etwa § 21 StVG für das straf-
und bußgeldrechtliche Fahrverbot). Ähnlich liegt es bei der auch vom [X.] in der [X.]egründung herausgestellten Vorschrift des § 117 [X.] betreffend Verstöße gegen vorläufige [X.]erufs-
und Tätig-8
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keitsverbote. Sonst beschränken sich
die Sanktionen einer Nichtbefolgung hingegen auf die Instrumentarien, die die vollstreckungsrechtlichen [X.]egelun-gen vorsehen. Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber, hätte er für die nicht vollständige [X.]ezahlung von Geldbußen aus berufsgerichtlichen Urteilen über die bloßen vollstreckungsrechtlichen Folgen hinaus die Schaffung eines ei-genständigen und sanktionsbewehrten Pflichtverstoßes begründen wollen, dies ausdrücklich hätte regeln müssen. Daran fehlt es hier.

Der [X.] kann dahinstehen lassen, ob die Nichtzahlung der Geldbu-ße überhaupt geeignet wäre, das Ansehen des Standes zu beschädigen, und aus diesem Grunde eine Pflichtverletzung darstellt (in diesem Sinne [X.] [X.]O; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2008, § 43 [X.]n. 287 f.). Denn der [X.]egelungszusammenhang und die hierin liegende [X.]eschränkung auf die Vollstreckung der Geldbuße sind abschließend und stehen einem [X.]ekurs auf die

dann allein in [X.]etracht kommende

Generalklausel des §
43 Abs. 2 Satz 3 i.V.m.
§ 67 Abs. 1 oder 2 [X.] wegen schuldhafter, dem Ansehen des [X.]erufsstandes zuwiderlaufender Nichterfüllung fälliger Forde-rungen entgegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn es an

hier selbst bei Nichteinhaltung von [X.] nicht ersichtlichen

gravierenden [X.]esonderheiten fehlt. Der [X.] weist im Übrigen darauf hin, dass bei der Erfüllung und Vollstreckung von Forderungen auftretende Probleme eines [X.]erufsangehörigen regelmäßig nicht Anlass zu berufsgerichtlicher Verfol-gung, sondern zu verwaltungsrechtlichen Eingriffen der Kammer (vgl. nur §
20 Abs. 2 Nr. 5 und 6 [X.]) geben sollten.

3. Hinsichtlich der Nichtbezahlung der Kammerbeiträge ist die [X.]evisi-on der St[X.]tsanwaltschaft im Ergebnis begründet.

a) Zutreffend hat das [X.] ausgeführt, dass die Pflicht zur Leistung
der Kammerbeiträge (§ 61 Abs. 1 Satz 1 [X.]) eine [X.]erufspflicht im Sinne des § 67 Abs. 1 [X.] darstellt. Die schuldhafte Nichtzahlung ist [X.] eine ahndungsfähige [X.]erufspflichtverletzung.
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Die vereidigten [X.]uchprüfer sind nach § 128 Abs. 3 [X.] Mitglieder der [X.]. Schon aufgrund dieser Mitgliedschaft unterliegt ein vereidigter [X.]uchprüfer der [X.]eitragspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 1 [X.], weil insoweit Sonderregelungen für vereidigte [X.]uchprüfer nicht bestehen, und zwar ohne dass es hierfür etwa einer weitergehenden Verweisung in §
130 [X.] bedürfte. Die [X.]eiträge werden durch die Mitgliederversammlung festgesetzt. Sie dienen der Erfüllung der Aufgaben der Kammern und mithin der Selbstverwaltung der [X.]erufsangehörigen. Insofern hat diese Leistungs-pflicht einen unmittelbaren [X.]ezug zu dem beruflichen Tätigkeitsfeld des [X.]e-rufsangehörigen, weil sie die Funktionsfähigkeit der Kammern als Körper-schaft des Öffentlichen [X.]echts sicherstellen soll. Deshalb hat die [X.]echtspre-chung auch die schuldhafte Nichtzahlung dieser [X.]eiträge als eine aus der [X.]eitragspflicht selbst folgende [X.]erufspflichtverletzung angesehen ([X.], Ur-teil vom 25. April 1988

StbSt[X.] 2/87, [X.]St 35, 263, 266).

b) Gleichfalls zutreffend hat das [X.] ausgeführt, dass im [X.]erufsrecht allgemein der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung gilt (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 1977

[X.] ([X.]) 5/77, [X.]St 27, 305, und vom 20. Mai 1985

StbSt[X.] 9/84, [X.]St 33, 225, 229; Wagner, Die Konkurrenz zwischen dem Strafverfahren und dem anwaltsgerichtlichen Ver-fahren, [X.] 2005, S. 48; [X.]/[X.], St[X.]erG, 6. Aufl., § 89 [X.]n. 9; [X.] in [X.]/[X.], [X.][X.][X.], 8. Aufl., § 113 [X.]n. 25 ff.), der auch für Disziplinarmaßnahmen nach der Wirtschaftsprüferordnung Anwendung findet (Pickel in [X.]/[X.], [X.], 2008, § 67 [X.]n. 9). Dies hat zur Folge, dass das zu ahndende [X.] eine einzige Verfehlung bildet, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich jeweils um selbstständige Taten im Sinne des § 264 [X.] handelt. Dieses [X.] wird zu einer einheitlich zu bewertenden Pflichtverletzung zusammengefasst ([X.] in Henssler/ Prütting, [X.][X.][X.], 3. Aufl., § 113 [X.]n. 5). Der Grundsatz legt St[X.]tsanwaltschaft und [X.]erufsgericht regelmäßig eine besondere Verpflichtung auf, dass mehre-re Pflichtverletzungen desselben [X.]erufsangehörigen tunlichst nicht in ge-trennten, sondern in einem einheitlichen Verfahren verhandelt und beurteilt 13
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werden, zumal sich regelmäßig auch nur so eine dem maßgeblichen [X.] angemessene Sanktion finden lässt.

c) Allerdings muss der materiell-rechtliche Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung nicht zwangsläufig dazu führen, dass damit zugleich eine berufsrechtlich einheitliche Tat im verfahrensrechtlichen Sinne geschaffen wird. Vielmehr werden hierdurch die mehreren Pflichtverletzungen nicht zu einer rechtlichen Einheit verbunden, wie dies im Kriminalstrafrecht regelmä-ßig üblich ist. Die [X.]echtskraft eines im Disziplinarverfahren ergangenen Ur-teils, durch welches der Täter zu einer Disziplinarstrafe verurteilt worden ist, hindert grundsätzlich nicht daran, den Täter wegen einer vor jenem Urteil begangenen Pflichtverletzung in einem neuen Disziplinarverfahren zu verfol-gen und zu sanktionieren ([X.], Urteil vom 22. Juli 1963

[X.] ([X.]rfg) 2/62, [X.]St 19, 90, 93; vgl. auch [X.]VerwGE 73, 178, 180; [X.] in Festschrift für [X.], 1988, S.
941, 942; kritisch hierzu [X.] in [X.]/[X.] [X.][X.][X.], 8. Aufl.,
§ 113 [X.]n. 49).

Dies bedeutet aber nicht, dass berufsgerichtliche Maßnahmen nicht auch die Ahndungsmöglichkeit für eine neuerliche Disziplinarmaßnahme ver-brauchen können. Auch für die [X.] gilt, dass jedenfalls der aus dem [X.]echtsst[X.]tsprinzip zu folgernde [X.] die neuerliche disziplinarische Ahndung dessen untersagt, was bereits Gegenstand berufs-gerichtlicher Prüfung war. Soweit daher weitere Verstöße in einem unmittel-baren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ausdrücklich angeklag-ten [X.] stehen und als solche für das [X.]erufsgericht erkennbar waren, ist
eine spätere Ahndung ausgeschlossen. Das gilt gleichermaßen für dem [X.]erufsgericht bekannte Vorgänge, die dieses selbst in die Prüfung im Disziplinarverfahren einbezogen hat.

Solche können dann auch der richterlichen Kognition unterworfen werden. Zwar gilt auch im berufsgerichtlichen Verfahren der Anklagegrund-satz mit der Folge, dass Gegenstand des Verfahrens nur [X.] sein 15
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dürfen, die Gegenstand der Anschuldigungsschrift und des Eröffnungsbe-schlusses waren ([X.], Urteil vom 25. Januar 1971

[X.] ([X.]) 7/70, [X.]St 24, 81, 86). Das berufsgerichtliche Verfahren zielt aber auf die [X.]eur-teilung der Frage, ob und inwieweit der [X.]erufsangehörige aufgrund seiner Persönlichkeit für seinen [X.]eruf noch tragbar ist oder bei ihm eine erzieheri-sche Einwirkung mit dem Ziel geboten erscheint, den Eintritt der [X.] abzuwenden. Dementsprechend hat die berufsgerichtliche [X.]echtspre-chung bei der Prüfung eines sogenannten disziplinarischen Überhangs (vgl. § 115b [X.][X.][X.]; § 69b [X.]; § 92 St[X.]erG) immer verlangt, dass [X.]erufspflicht-verletzungen einheitlich zu bewerten sind, soweit zwischen ihnen ein sachli-cher und zeitlicher Zusammenhang vorhanden ist (vgl. [X.]VerwGE 73, 166, 167 f.; [X.] [X.]O S. 945). Dies gilt im Übrigen vor allem bei [X.], die ihre Grundlage in der mangelnden Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit des [X.]erufsangehörigen haben. Hier liegt es in besonderem Maße auf der Hand, dass das Fehlverhalten des [X.]erufsangehörigen nur dann sachgerecht beurteilt werden kann, wenn der Umfang seiner nicht befriedigten Verbind-lichkeiten und die Ursachen hierfür möglichst umfassend im berufsgerichtli-chen Verfahren gewürdigt werden.

[X.]esteht eine entsprechende Kognitionspflicht für das [X.]erufsgericht, dann bestimmt diese auch den Umfang des [X.]verbrauchs. [X.] korrespondiert das durch das [X.]echtsst[X.]tsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) geschützte Vertrauen mit den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten der Sach-verhaltsaufklärung ([X.], [X.]eschluss vom 26. August 2003

5 St[X.] 145/03, [X.]St 48, 331, 336). Das [X.]erufsgericht muss schon aufgrund seiner Ver-pflichtung, die charakterliche Eignung und einen etwaigen [X.] möglichst sachgerecht zu erfassen, ihm erkennbare Pflichtverletzungen ein-beziehen. [X.]esteht ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zu den in der Anschuldigungsschrift aufgeführten Einzelvorgängen (vgl. [X.], St[X.]erG, 3.
Aufl., § 90 [X.]n. 68 ff.; [X.], [X.] 1/2007, [X.], 40), ist insoweit auch keine Nachtragsanschuldigung erforderlich. Die hierin liegende gewisse Lockerung des Anklagegrundsatzes ist eine sachgerechte Konsequenz aus 18
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dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Pflichtverletzung. Dem verfahrens-rechtlichen Schutz des [X.]erufsangehörigen ist dann ausreichend Genüge ge-tan, wenn ihm durch das [X.]erufsgericht in Form des Hinweises (§ 265 [X.]) verdeutlicht wird, worin es eine erweiterte Pflichtverletzung möglicherweise sieht. Hiergegen kann sich der [X.]erufsangehörige dann ausreichend verteidi-gen, bei gravierenden und überraschenden Erkenntnissen notfalls in ent-sprechender Anwendung von § 265 Abs. 3, 4 [X.]. Darf das [X.]erufsgericht bei seinem Erkenntnis in der Sachverhaltsfeststellung umfassend auf die zu-sammengehörigen Einzelvorgänge als [X.]estandteile der Pflichtverletzung zu-greifen, dann fordert es der aus dem [X.]echtsst[X.]tsprinzip folgenden Vertrau-ensschutzgedanke, insoweit auch einen [X.]verbrauch anzu-nehmen.

d) Einen entsprechenden [X.]verbrauch für das berufsge-richtliche Verfahren, der dann eine Teileinstellung hinsichtlich der betroffenen Vorwürfe, keine Teilfreisprechung, zur Folge hätte, vermag der [X.] im vor-liegenden Fall jedoch nicht ohne Weiteres zu erkennen. Das hier vom [X.] als zäsurbildend herangezogene Urteil des [X.]s [X.] datiert vom 14. Dezember 2007. Gegenstand der Verurteilung dort ist aber, dass der [X.]erufsangehörige zu Unrecht in etlichen Fällen einen Doktortitel geführt hatte. Diese Pflichtverletzungen stehen nicht in innerem Zusammen-hang mit der im hiesigen Verfahren dem vereidigten [X.]uchprüfer vorgeworfe-nen Nichtzahlung der Kammerbeiträge.

Allerdings hat das [X.] [X.] in dem vorgenannten Urteil vom 14. Dezember 2007 ausgeführt, dass der [X.]erufsangehörige die Geldbuße noch nicht bezahlt habe. In den Urteilsgründen geht das [X.] weiter auf die wirtschaftliche Situation des [X.]erufsangehörigen ein. Der [X.] kann deshalb nicht gänzlich ausschließen, dass auch die unterbliebene Zahlung der Kammerbeiträge Gegenstand jenes Verfahrens war und, ohne dass sich das im Urteil ausdrücklich niedergeschlagen hat, im [X.]ahmen der zu treffen-den Sanktionen erörtert wurde. Dies bedarf deshalb neuer tatrichterlicher 19
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Prüfung im [X.]. Der [X.]undesgerichtshof sieht davon ab, diese Frage im [X.]verfahren selbst zu klären, und verweist das Verfahren zur [X.] an das insoweit sachnähere [X.] zurück (vgl. [X.], [X.]e-schluss vom 6. März 2007

K[X.][X.] 1/07, NJW 2007, 2648).

e) Im [X.]ahmen dieser Prüfung ist indes Folgendes zu beachten:

[X.]) Ein [X.]verbrauch kann nur insoweit eintreten, als das erkennende Gericht überhaupt von dem Pflichtverstoß Kenntnis nehmen konnte (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 1956

6 St[X.] 28/56, [X.]St 9, 324; [X.]e-schluss vom 23. Oktober 2008

1 St[X.] 526/08). Entgegen der Auffassung des [X.] kommt es deshalb nicht auf den Zeitpunkt
der [X.]echts-kraft an, sondern auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung, die dem in [X.]echtskraft erwachsenen Urteil vorangegangen ist (vgl. auch [X.], [X.], 55. Aufl., Einleitung [X.]n. 175). Da der [X.] 2008 laut Anschuldigungsschrift
und Auskunft der Wirtschaftsprüferkammer erst im Februar 2008 fällig wurde, kann dessen unterbliebene [X.]egleichung schon aus diesem Grund nicht von einem etwaigen Verbrauch der Disziplinarmaß-nahme erfasst sein. Dass eine [X.]erufungsrücknahme erst in einer späteren [X.]erufungsverhandlung erfolgt ist, vermag daran nichts zu ändern.

bb) Hinsichtlich der Jahre 2004, 2005 und 2007 könnte dagegen eine Ahndung durch das vorbezeichnete Urteil des [X.]s [X.] ausge-schlossen sein, soweit die vorstehend ausgeführten Voraussetzungen vorlie-gen. Zwar reicht die Verbindlichkeit des [X.]erufsangehörigen auch in diesen Fällen über den Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Verhandlung hinaus. Dieser Umstand begründet aber in berufsrechtlicher Hinsicht kein Dauerde-likt. Denn der andauernde rechtswidrige Zustand wird dadurch herbeigeführt, dass der [X.]etreffende eine ihm obliegende gesetzliche Pflicht nicht erfüllt hat. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der Nichtabführung von Arbeitsent-gelten (§ 266a Abs. 1 StG[X.]) oder der Nichtabgabe einer Steuererklärung (§
370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Anders als etwa beim Straftatbestand der Verlet-21
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zung der Unterhaltspflicht (§ 170 StG[X.]), der bis zu deren Erlöschen sich ständig erweiternde Unterhaltsleistungen verlangt und deren Nichterbringung unter Strafe stellt, sind hier durch das Unterlassen der gebotenen Handlung, zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hätte vorgenommen werden müssen, der [X.] gesetzt und der rechtswidrige Zustand geschaffen worden. In der Folge wirkt dieser mit zunehmender Zeit der Nichterfüllung nicht erweiterte [X.] dann nur noch fort.

Ebenso wie sich bei einer [X.]estrafung wegen Nichtabführung der Ar-beitsentgelte oder Nichtabgabe einer Steuererklärung die Strafklage ver-braucht, verbraucht sich auch eine [X.], wenn die Ursache für die [X.]egründung des rechtswidrigen Zustandes berufsgerichtlich geahndet ist. Eine neuerliche Ahndung hätte mithin nur [X.]eugecharakter und wäre mit dem auch im [X.]erufsrecht geltenden Schuldprinzip unvereinbar ohne
dass es da-rauf ankommt, wann eine entsprechende Aburteilung erfolgt ist, weil dies von der durch Zufälligkeiten bedingten Geschwindigkeit des Verfahrens abhinge (vgl. [X.]VerfG [Kammer] [X.] 2007, 369). Daraus folgt, dass der Umstand einer nicht vollständigen [X.]ezahlung der Kammerbeiträge dann nicht mehr in einem nachfolgenden berufsgerichtlichen Verfahren sanktioniert werden kann, wenn er in die Ahndung einer (einheitlichen) Pflichtverletzung in einem vorherigen Verfahren eingeschlossen ist.

III.

Der [X.] hebt das Urteil allein hinsichtlich der unterlassenen Zahlung der Kammerbeiträge auf, weil das Urteil des [X.] nur insoweit mit einem [X.]echtsfehler behaftet ist. Zwar führen [X.]echtsfehler grundsätzlich da-zu, dass das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben ist. Dies folgt [X.], dass das Verhalten des [X.]erufsangehörigen nur einheitlich beurteilt wer-den kann. Ebenso ist grundsätzlich im [X.]evisionsverfahren, wenn sich im Schuldspruch bezüglich auch nur eines Anschuldigungspunktes ein [X.]echts-fehler herausstellt, das gesamte Urteil aufzuheben ([X.], Urteil vom 25. Ap-24
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ril
1988

StbSt[X.] 2/87, [X.]St 35, 263, 267). Hiervon hat der [X.]undesge-richtshof aber dann eine Ausnahme zugelassen, wenn der [X.]erufsangehörige wegen eines Anschuldigungspunktes rechtsfehlerfrei freigesprochen wurde. In diesen Fällen ist dann von einer Aufhebung des freisprechenden [X.] der Vorinstanz nur die den [X.]erufsangehörigen vorgeworfene Pflicht-verletzung erfasst, die von
dem [X.]echtsfehler betroffen ist ([X.], Urteil vom 14. Dezember 1981

[X.] ([X.]) 20/81, [X.]St 30, 312; [X.] [X.]O S. 947).

Der [X.] lässt das Urteil des [X.] auch insoweit beste-hen, als es die [X.]erufung der St[X.]tsanwaltschaft verworfen hat. Es ist ausge-schlossen, dass wegen des allein nochmals zu prüfenden Vorwurfs der Nichtzahlung von [X.] eine höhere Ahndung als allenfalls eine Geldbuße oder gar als das vom [X.] verhängte dreijährige Tätigkeits-verbot in [X.]etracht kommt.

[X.]asdorf [X.]aum

König

Sauter Aicher

26

Meta

WpSt (R) 1/12

14.08.2012

Bundesgerichtshof Senat für Wirtschaftsprüfersachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2012, Az. WpSt (R) 1/12 (REWIS RS 2012, 3970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3970

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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