Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2004, Az. WpSt (R) 1/04

Senat für Wirtschaftsprüfersachen | REWIS RS 2004, 1225

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Nachschlagewerk: ja

[X.]: ja

Veröffentlichung : ja

[X.] § 83a Abs. 1 und 3 [X.] § 38 Nr. 3 [X.] § 47

1. Bei mehrfach qualifizierten Berufsträgern sperrt der Frei-

spruch nach einer Berufsordnung nicht die Verfolgung einer

möglichen Pflichtverletzung nach einer anderen Berufs-

ordnung, soweit ein bereichsspezifischer disziplinarischer

Überhang in der anderen Berufsordnung besteht.

2. Ein auswärtiges Büro, in dem ein Wirtschaftsprüfer ohne Hinweis

auf seinen Beruf als Wirtschaftsprüfer und ohne Angebot oder

Durchführung berufsspezifischer Kerntätigkeiten lediglich Auf-

gaben als Insolenzverwalter wahrnimmt, ist keine Zweignieder-

lassung im Sinne von § 47 und § 38 Nr. 3 [X.].

[X.], Urteil vom 12. Oktober 2004 [X.] (R) 1/04

[X.] (R) 1/04
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 12. Oktober 2004 in dem berufsgerichtlichen Verfahren gegen

den Wirtschaftsprüfer

wegen Berufspflichtverletzung

- 2 - Der Senat für [X.] beim [X.] hat in der Sitzung vom 12. Oktober 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin [X.],

[X.], [X.]

als beisitzende Richter,

Wirtschaftsprüfer [X.], Wirtschaftsprüfer Prof. Dr. He

als [X.],

Bundesanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 - für Recht erkannt:

Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft gegen das Urteil des Senats für [X.] bei dem [X.] vom 24. Oktober 2003 wird verworfen.

Die [X.] hat die Kosten des Rechtsmit-tels und die dabei entstandenen notwendigen Auslagen des Berufsangehörigen zu tragen.

[X.] Von Rechts wegen [X.]

G r ü n d e

Die Kammer für [X.] des [X.] und der Senat für [X.] beim [X.] haben den Be-rufsangehörigen vom Vorwurf einer Berufspflichtverletzung aus [X.] freigesprochen. Hiergegen wendet sich die [X.] vom [X.] ge-mäß § 107 Abs. 2 [X.] wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene [X.] Revision der Generalstaatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
[X.] 1. Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Berufsangehörige ist seit 1984 als Rechtsanwalt in Bürogemein-schaft mit einem Steuerberater tätig. 1987 wurde er zum Steuerberater und 1991 zum vereidigten Buchprüfer bestellt. Er arbeitet in diesem Beruf in ei-- 4 - gener Praxis in [X.]. Seit 1995 betreibt er in [X.] und seit 1998 in [X.] je ein Abwicklungsbüro für Insolvenzen nach der (früheren) Gesamtvollstreckungsordnung und der [X.]. Die Büros hat er am Eingang durch ein Schild mit dem Hinweis —Büro N fi kenntlich gemacht. In [X.] beschäftigt er zehn und in [X.] acht Angestellte mit kaufmännischer oder vergleichbarer Ausbildung, welche überwiegend aus den sich im Insolvenzverfahren befindlichen Betrieben übernommen [X.].
Der Berufsangehörige hat die Büros in [X.] und [X.] nicht als Zweigniederlassungen zum [X.] der [X.] [X.]. Keines der Büros wird von einem anderen vereidigten Buchprüfer oder Wirtschaftsprüfer geleitet.
2. Wegen dieses Sachverhaltes hatte die Kammer für Steuerberater-sachen beim [X.] den Berufsangehörigen als Steuerbera-ter bereits mit Urteil vom 27. Juli 2001 [X.] 45 StL 30/99 [X.] rechtskräftig vom Vorwurf einer Berufspflichtverletzung nach den für Steuerberater geltenden Rechtsvorschriften freigesprochen.
3. [X.] und [X.] haben einen Verstoß des [X.] gegen die Bestimmungen über die Führung von Zweignieder-lassungen (§ 47 [X.], § 19 Abs. 3 [X.]/[X.] i.V.m. § 130 Abs. 1 [X.]) und entsprechende Pflichten zur Eintragung in das [X.] (§ 38 Nr. 3 [X.] i.V.m. § 130 Abs. 1 [X.]) verneint. Das [X.] und [X.] ihm fol-gend [X.] das Berufungsgericht haben die Tätigkeit als Insolvenzverwalter im wesentlichen als nicht den Vorschriften der Wirtschaftsprüferordnung [X.] —[X.] gewertet.
4. Im Revisionsverfahren hat die [X.] mit [X.] vom 25. August 2004 mitgeteilt, daß der vereidigte Buchprüfer nunmehr mit Wirkung zum 26. Juli 2004 als Wirtschaftsprüfer bestellt wurde. - 5 - I[X.]
Verfahrenshindernisse im Hinblick auf die freisprechende Entschei-dung des [X.]s Düsseldorf bestehen für das vorliegende Verfahren nicht. § 83a Abs. 3 [X.], der systematisch im Zusammenhang mit den [X.] über das berufgerichtliche Verfahren steht, sperrt eine Ahndung nach der [X.] vorliegend nicht.
Nach § 83a Abs. 3 [X.] sind die Gerichte für [X.] an die Entscheidung eines Gerichts einer anderen [X.] ge-bunden, soweit dieses [X.] wie hier inzident mit der Sachentscheidung der Kammer für Steuerberatersachen bei dem [X.] gesche-hen [X.] rechtskräftig seine [X.] über die Pflichtverletzung eines Berufsangehörigen, der zugleich der [X.] eines ande-ren Berufs (hier: Wirtschaftsprüfer) untersteht, bejaht hat.
Diese Kollisionsnorm will indes nur eine zeitgleiche Behandlung des selben Sachverhalts in unterschiedlichen berufsgerichtlichen Verfahren ver-hindern. Eine Sperrwirkung im Sinne einer materiellen Ne-bis-in-idem-Regelung dergestalt, daß der rechtskräftige Abschluß des Verfahrens nach einer Berufsordnung gegen den Angehörigen mehrerer Berufsordnungen die spätere Ahndung desselben Pflichtenverstoßes nach einer anderen Berufs-ordnung stets verhindern würde, ist § 83a Abs. 3 [X.] nicht zu entnehmen (vgl. allgemein dazu [X.] in Festschrift für [X.] 1988, [X.] anwaltlicher Ehrengerichtsbarkeit mit Rücksicht auf den Grundsatz ne bis in idem, S. 985 ff.). Dies folgt bereits aus der systematischen Stellung des § 83a [X.] im Gefüge der Vorschriften über das berufsgerichtliche [X.].
Einer Interpretation des § 83a Abs. 3 [X.], die der Norm einen dar-über hinausgehenden materiellen Gehalt zubilligen würde, stünden aber auch weitere systematische Erwägungen entgegen. Nach § 69a Satz 1 - 6 - [X.], der im Zusammenhang mit den materiellen Vorschriften der berufsge-richtlichen Ahndung von Pflichtverletzungen im Ersten Abschnitt des Fünften Teils der [X.] steht, ist unter anderem dann von einer berufsgerichtlichen Ahndung desselben Verhaltens abzusehen, wenn eine anderweitige berufs-gerichtliche Maßnahme (d.h. die Maßnahme des Gerichts einer anderen Be-rufsordnung) verhängt worden ist und eine berufsgerichtliche Maßnahme nach der [X.] nicht zusätzlich erforderlich ist, um den Wirtschaftsprüfer zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und das Ansehen des Berufs zu wah-ren. Hiermit korrespondiert § 103 Abs. 3 Nr. 2 [X.], wonach das Gericht über die Fälle des § 260 Abs. 3 StPO hinaus das Verfahren durch Urteil ein-stellt, wenn nach § 69a Satz 1 [X.] von einer berufsgerichtlichen Ahndung abzusehen ist. Sowohl § 69a Satz 1 [X.] als auch § 103 Abs. 3 Nr. 2 [X.] wären obsolet, wenn § 83a Abs. 3 [X.] eine dem strafprozessualen Straf-klageverbrauch vergleichbare Wirkung zukäme.
Bei sachgerechter Auslegung begründet § 83a Abs. 3 [X.] vorliegend lediglich ein temporäres, der anderweitigen Rechtshängigkeit vergleichbares Verfahrenshindernis (so für das Recht der Steuerberater im Ergebnis auch [X.], Steuerberatungsgesetz 4. Aufl. § 92 Rdn. 1). Jedenfalls der Frei-spruch nach einer Berufsordnung kann die Verfolgung nach einer anderen Berufsordnung nicht sperren. Ansonsten würden möglicherweise bestehende Unterschiede in der Ausprägung einzelner Berufspflichten unterschiedlicher Berufsordnungen potentiell nivelliert. Dieses Auslegungsergebnis folgt im übrigen auch aus dem Rechtsgedanken des Verhältnisses zwischen Strafprozeß und berufsgerichtlichem Verfahren (vgl. § 83 Abs. 1 [X.]). So wie dort im Anschluß an einen strafgerichtlichen Freispruch noch Raum für die Ahndung des disziplinarischen Überhangs besteht, muß auch im [X.] mehrerer Berufsordnungen nach dem Freispruch in einer Berufsordnung Raum für den bereichsspezifischen disziplinarischen Überhang einer ande-ren Berufsordnung verbleiben. In den Grenzen des § 69a [X.] kann das vorliegende Verfahren daher wegen des spezifisch [X.]-rechtlichen diszipli-- 7 - narischen Überhangs durchgeführt werden, sobald das vorgreifliche [X.] nach der anderen Berufsordnung abgeschlossen ist.
Allerdings wird die [X.] in Fällen dieser Art schon im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße vor Einleitung oder Fortführung eines weiteren berufsgerichtlichen [X.]s zu prüfen haben, ob ein weiterer, spezifisch [X.]-rechtlicher disziplina-rischer Überhang im Sinne von § 69a [X.] besteht und diesen [X.] im einzelnen darzulegen haben.
Vorliegend wurde das temporäre Verfahrenshindernis mit dem rechts-kräftigen Abschluß des Verfahrens vor der Kammer für Steuerberatersachen bei dem [X.] beseitigt. Im Hinblick auf den dort erfolgten Freispruch steht § 69a Satz 1 [X.] der Durchführung dieses Verfahrens nicht entgegen.
II[X.]

Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft ist im Ergebnis unbegrün-det. Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.]s verstößt der Berufsangehörige weder gegen die Bestimmungen über die Führung von Zweigniederlassungen (§ 47 [X.], § 19 Abs. 3 [X.]/[X.]) noch gegen entsprechende Pflichten zur Eintragung in das [X.] (§ 38 Nr. 3 [X.]) oder die Verpflichtung, im beruflichen Verkehr die Berufsbezeichnung —[X.] zu führen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]).
1. Zunächst steht § 83a Abs. 1 [X.] der Zulässigkeit einer Verfolgung im Verfahren nach der Wirtschaftsprüferordnung nicht entgegen. Hiernach wird über eine Pflichtverletzung eines Wirtschaftsprüfers, der zugleich der [X.] eines anderen Berufs untersteht, in Fällen unterhalb der möglichen Ausschließung aus dem Beruf nur dann nach der [X.] - prüferordnung entschieden, wenn die Pflichtverletzung überwiegend mit der Ausübung des Berufs des Wirtschaftsprüfers im Zusammenhang steht.
Hieraus folgt zunächst, daß bei eindeutiger Zurechenbarkeit des [X.] zu nur einer Berufsordnung, auch nur diese gilt (so auch [X.], 1, 4). Insoweit sperren § 83a Abs. 1 [X.] und die korrespon-dierenden Vorschriften anderer Berufsordnungen (vgl. z.B. § 110 [X.], § 118a [X.]) die Anwendung verschiedener Berufsordnungen auf den mehrfach qualifizierten Berufsangehörigen.
Ist die Pflichtwidrigkeit [X.] ohne daß insoweit ein Schwerpunkt erkenn-bar ist [X.] hingegen mehreren Berufsordnungen zuzurechnen, gelten alle in Betracht kommenden Berufsordnungen. Daraus folgt, daß ein Berufsträger, der mehreren Berufsordnungen unterliegt, damit zugleich im Einzelfall den Vorschriften der strengsten Berufsordnung zu folgen hat ([X.] 54, 237, 247; 17, 371, 380; [X.]St 42, 55, 58). Dies ist die Kehrseite seiner die [X.] beruflicher Betätigung und damit zugleich seine wirtschaftlichen [X.] erweiternden Mehrfachqualifikation.

So liegt der Fall hier: Zutreffend geht das [X.] zunächst davon aus, daß die Tä-tigkeit als Insolvenzverwalter zu den Tätigkeiten gehört, zu denen der [X.] im Sinne von § 2 Abs. 3 [X.] befugt ist. Insolvenzverwaltung ist treuhänderische Tätigkeit (vgl. nur [X.], Steuerberatungsgesetz 4. Aufl. § 57 Rdn. 105 m.w.[X.]); das Amt des Insolvenzverwalters ist daher als Unter-fall der treuhänderischen Verwaltung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 [X.] zu [X.]. Die Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer ([X.]/[X.]) geht in § 31 Satz 2 mithin auch selbstverständlich und ausdrücklich von einer Zulässigkeit der Verwendung der Kennzeichnung —[X.] als weiterer Tätigkeitsbezeichnung aus. Insbesondere handelt es sich bei dieser Tätigkeit [X.] ungeachtet abweichender steuerrechtlicher Beurteilung - 9 - (vgl. [X.], 990) [X.] im berufsrechtlichen Sinne nicht um eine im Sinne von § 43a Abs. 3 Nr. 1 [X.] verbotene gewerbliche Tätigkeit (vgl. nur [X.] aaO).
Die Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers als Insolvenzverwalter ist jedoch vorliegend nicht als —echterfi Zweitberuf zu werten (vgl. [X.], [X.], 1965, 1968). Ungeachtet dessen, daß es sich dabei nicht um eine Vorbe-haltsaufgabe handelt, zu der allein der Wirtschaftsprüfer berufen wäre, prägt die Insolvenzverwaltung das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers doch im weite-ren Sinne mit, was sich nicht zuletzt auch aus der Überschrift zu § 2 [X.] (—Inhalt der Tätigkeitfi) ergibt. Insolvenzverwaltung ist mithin auch dem Beruf des Wirtschaftsprüfers zuzuordnen und daher auch nach den für diesen Be-ruf geltenden Vorschriften zu beurteilen, soweit die Insolvenzverwaltertätig-keit von einem vereidigten Buchprüfer oder Wirtschaftsprüfer ausgeübt wird (vgl. zu dem Fall, daß eine Tätigkeit eindeutig einem anderen Beruf zuzuord-nen und daher ausschließlich nach den für den anderen Beruf geltenden [X.] zu beurteilen ist, [X.], 1, 4). Der Wirtschaftsprüfer kann sich nämlich nicht in Teilbereichen befugter oder auch bloß vereinbarer Tätigkeit (vgl. § 43a Abs. 4 [X.]) allen Berufsordnungen dadurch entziehen, daß er Tätigkeiten entfaltet, die für sich betrachtet keiner Berufsordnung un-terfallen (vgl. [X.], 1, 5).
So wäre es aber, wenn der Berufsangehörige [X.] wie vorliegend ge-schehen [X.] seine Insolvenzverwaltertätigkeiten in [X.] und [X.] durch eigenen Organisationsakt vollständig aus der Geltung der [X.] herauslösen könnte, denn die [X.] stellt keine Berufsordnung in diesem Sinne dar.
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die [X.] sich überhaupt zu einem Berufsbild im herkömmlichen Sinne verdichtet hat (wohl bejahend [X.], NJW 2004, 2725, 2727; verneinend z.B. MünchKomm-Graeber [X.], § 56 Rdn. 39 ff. m.w.[X.]). Jedenfalls enthal-- 10 - ten die Normen der [X.], welche die Aufsicht des [X.] über die Tätigkeit des Insolvenzverwalters regeln, keine den berufs-rechtlichen Organisationsstrukturen der Wirtschaftsprüferordnung vergleich-baren Regelungen, die im Einzelfall geeignet wären, die berufsrechtlichen Regelungen der Wirtschaftsprüferordnung zu verdrängen (vgl. zu einer ande-ren Fallkonstellation und zum Verhältnis [X.]/StBerG: [X.], 1 ff.). Der Insolvenzverwalter kann grundsätzlich aus jeder Berufsgruppe kommen (MünchKomm-Graeber aaO Rdn. 38). Der Zugang zu dem Amt des [X.]s ist nicht von der erfolgreichen Ablegung einer Prüfung und einer anschließenden allgemeinen Bestellung abhängig; vielmehr erfolgt die Bestellung (§ 56 Abs. 1 [X.]) und die jeweilige insolvenzgerichtliche Über-wachung (§ 58 Abs. 1 [X.]) ausschließlich bezogen auf den jeweiligen Ein-zelfall (MünchKomm-Graeber aaO Rdn. 39).
Indessen sind gerade die rechtsberatenden, wirtschaftsrechtlich aus-gerichteten Berufe besonders geeignet für die Bestellung als Insolvenzver-walter, weil bei diesen Berufsgruppen [X.] bei der hier gebotenen typisierenden Betrachtungsweise [X.] die erforderlichen Rechtskenntnisse und betriebswirt-schaftlichen Erfahrungen ohne weitere Überprüfung vorausgesetzt werden können. Folglich werden Angehörige dieser Berufsgruppen auch bevorzugt bestellt (vgl. [X.], NJW 2004, 2725, 2727). Damit prägt diese Tätigkeit auch das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers mit.
2. Im Bereich der —Kerntätigkeitfi des Wirtschaftsprüfers (vgl. für [X.]: § 2 und § 3 StBerG; für Rechtsanwälte: § 1 und § 3 [X.]; für No-tare: § 1 BNotO) gelten die Wirtschaftsprüferordnung und die Berufssatzung uneingeschränkt. Grundsätzlich unterliegt der Wirtschaftsprüfer aber auch dann den Regeln der Wirtschaftsprüferordnung und der [X.]/[X.], wenn er als Insolvenzverwalter tätig wird.
Wie weit diese grundsätzliche Geltung der Berufspflichten über die Kerntätigkeit hinaus reicht, ist bisher nicht abschließend höchstrichterlich ge-- 11 - klärt. Für die vergleichbaren Vorschriften im Steuerberatungsgesetz wird ver-treten, daß sich die Berufspflichten auf den gesamten Bereich der Berufstä-tigkeit unter Einschluß auch der vereinbaren Tätigkeiten erstrecken (siehe z.B. [X.], Steuerberatungsgesetz 4. Aufl. § 57 Rdn. 6; [X.]/Meu-rers/[X.]/[X.]/Goez, Steuerberatungsgesetz § 57 Rdn. 13 ff. jeweils m.w.[X.]; vgl. auch [X.] in Mittelsteiner/Gilgan/[X.], Berufsordnung der Steuerberater § 39 Rdn. 2). Begründet wird dies überwiegend damit, daß der Auftraggeber nicht zwischen der Steuerberatung im engeren Sinne und sons-tigen Tätigkeiten unterscheide (differenzierend [X.] aaO § 57 Rdn. 15 ff.). Einer solch schematischen Übertragung der Berufspflichten nach der Wirtschaftsprüferordnung auf die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers als [X.] stünden indes die Grundsätze der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) und das Verhältnismäßigkeitsprinzip entgegen (vgl. jüngst z.B. [X.], NJW 2004, 2725, 2726 f.). Der Senat trägt mit die-ser Beurteilung zum einen der Rechtsprechung des [X.], die von der Tendenz gekennzeichnet ist, das Recht der freien Berufe im Bereich aufsichtsrechtlicher (und anderer, namentlich wer-berechtlicher) Regelungen [X.] unter maßgeblicher Betonung der Berufsaus-übungsfreiheit und unter Relativierung der entgegenstehenden Interessen der beteiligten Verkehrskreise [X.] aufzulockern. Zum anderen ist bei der [X.] innerstaatlicher Regelungen im Recht der freien Berufe vor allem auch auf die Gewährleistung der [X.] Wettbewerbsbestimmungen Bedacht zu nehmen. Die [X.] erkennt gerade in den branchenspezifischen Regeln über die Unterneh-mensstruktur, namentlich auch soweit diese die Gründung von [X.] beeinträchtigen könnten, potentiell negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und den freien Wettbewerb (vgl. [X.], Mitteilung der [X.] [X.] Bericht der [X.] über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen, [X.] (2004) 83 endg. [X.]. 59 ff.). - 12 - Jedenfalls im Bereich der befugten und vereinbaren Tätigkeiten müs-sen die Regelungen der Wirtschaftsprüferordnung daher [X.] wie auch die Re-gelungen anderer Berufsordnungen [X.] unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Zwecks und mit Bedacht auf entgegenstehende Rechtspositionen und Ord-nungsvorschriften bereichsspezifisch ausgelegt werden (a.[X.] z.B. [X.] aaO Rdn. 17 m.w.[X.]). So wie sich das Berufsverbot (§ 116 [X.]) nur auf die Kerntätigkeit des Wirtschaftsprüfers erstreckt und der mit einem Berufsverbot belegte Wirtschaftsprüfer somit gleichwohl außerhalb seiner Kerntätigkeit befugter und vereinbarer Tätigkeit nachgehen darf, so gelten die Berufspflichten in ihrer Gesamtheit daher auch nur im Bereich der Kerntätigkeit des Berufsangehörigen.
So bedarf es keiner näheren Erörterung, daß der Wirtschaftsprüfer et-wa bei freier künstlerischer Tätigkeit (als vereinbarer Tätigkeit im Sinne des § 43a Abs. 4 Nr. 7 [X.]) weder zur Verwendung der Berufsbezeichnung —[X.] verpflichtet ist (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]) noch inso-weit etwa den Bestimmungen über Zweigniederlassungen (vgl. § 47 [X.]) unterliegen kann.
Gleichwohl unterliegt der Wirtschaftsprüfer auch bei befugter und ver-einbarer Tätigkeit aber stets seinen allgemeinen Berufspflichten aus § 43 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]. Daneben hat er außerhalb seiner beruflichen Tä-tigkeit im privaten Bereich noch der allgemeinen Wohlverhaltenspflicht aus § 43 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu genügen.
Die notwendig bereichsspezifische Auslegung der Berufspflichten er-gibt für die vorliegend zu beurteilende Tätigkeit als Insolvenzverwalter [X.]: Sinn und Zweck der Regelungen über die Verpflichtung zur Führung der Berufsbezeichnung und der Bestimmungen über die Führung von [X.] sind der Schutz der Verkehrskreise, die Gewährleistung einer funktionsfähigen Kammeraufsicht sowie die Sicherstellung der persön-lichen Verantwortlichkeit des [X.]. Die Vorschriften über die [X.] 13 - lassung im Recht der freien Berufe fußten dabei ursprünglich auch auf dem Gedanken, daß der Berufsangehörige für Mandanten und Behörden jederzeit erreichbar zu sein habe. Jedenfalls der zuletzt genannte Gesichtspunkt dürf-te indes angesichts der Entwicklung moderner Bürokommunikation und der gestiegenen —Verkehrsfähigkeitfi freiberuflicher Dienstleistungen nunmehr allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, daß der Berufsangehö-rige mit seinen Büros in [X.] und [X.] keine Zweigniederlassung im Sinne von § 47 [X.] unterhält. Nach den unangefochtenen Feststellungen des [X.]s werden von dem Berufsangehörigen weder in [X.] noch in [X.] Kerntätigkeiten eines Wirtschaftsprüfers wahrgenommen oder [X.] in Ermangelung z. B. einer entsprechenden Bürobeschilderung oder der Verwendung der Berufsbezeichnung [X.] auch nur angeboten. Vielmehr führt der Berufsangehörige in diesen Büros mit Hilfe der aus den insolventen Unternehmen herangezogenen Mitarbeiter ausschließlich die ihm als [X.] obliegenden Geschäfte. Trennt der Berufsangehörige aber seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter, welche am Ort seiner Hauptniederlas-sung selbstverständlich im Rahmen seiner Wirtschaftsprüfertätigkeit durch-geführt werden darf, durch geeignete Maßnahmen vollständig von seiner Kerntätigkeit als Wirtschaftsprüfer dadurch ab, daß er die Insolvenzverwal-tung bewußt räumlich und organisatorisch ausgliedert, dann kann der Schutzzweck der hier in Rede stehenden Normen der [X.] nicht betroffen sein, weil der Berufsträger in der ausgegliederten Einheit nicht zugleich Kernaufgaben des Wirtschaftsprüfers anbietet oder wahr-nimmt. Vielmehr bleibt der Berufsangehörige durch die von ihm gewählte Organisationsform Wirtschaftsprüfer am Sitz seiner Hauptniederlassung; zugleich ist er anderenorts Insolvenzverwalter. Die uneingeschränkte [X.] der Verpflichtungen aus § 47 [X.] und der korrespondierenden Registerbestimmungen auf die Büros in [X.] und [X.] verkämen bei dieser Fallkonstellation aber zur bloßen, im Lichte der Grundrechtsgewähr-leistungen des [X.] nicht hinnehmbaren Formalie. - 14 - Diese restriktive Auslegung des Begriffs —Zweigniederlassungfi steht auch nicht im Widerspruch zu § 19 [X.]/[X.], nach dem —jede organisato-risch selbständige Einheit ... eine Zweigniederlassung im Sinne der §§ 3, 47 [X.] (begründet)fi. Organisatorisch selbständig im Sinne dieser Vorschrift ist eine Einheit nämlich nur dann, wenn dort Kerntätigkeiten der Wirtschaftsprü-fung zusammengefaßt werden. Auch eine vergleichende Betrachtung zu den für Steuerberater geregelten —auswärtigen [X.], die nach § 49 Abs. 1 Satz 2 [X.] in einem [X.] hier sicher nicht gegebenen [X.] örtlichen und funktionalen Zusammenhang mit der Beratungsstelle stehen müssen, läßt [X.] nicht befürchten, da der Berufsangehörige vorliegend in [X.] und [X.] keine Hilfstätigkeiten seiner Kerntätigkeit als [X.] verrichten läßt.
3. Da der Berufsangehörige bei der hier gefundenen Auslegung auch hinsichtlich seiner Insolvenzverwaltertätigkeit [X.] anders als möglicherweise bei der Qualifizierung als —echterfi Zweitberuf [X.] uneingeschränkt der Aufsicht der [X.] unterstellt bleibt, kann diese im Rahmen ihrer Prüfungen überwachen, daß der Berufsangehörige in [X.] und [X.] [X.] nach außen und innen konsequent vollzogen [X.] keine Kerntätigkeiten [X.] 15 - nimmt oder anbietet, die zu einer abweichenden rechtlichen Qualifizierung dieser Büros führen würden.
[X.] Häger [X.]

Meta

WpSt (R) 1/04

12.10.2004

Bundesgerichtshof Senat für Wirtschaftsprüfersachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2004, Az. WpSt (R) 1/04 (REWIS RS 2004, 1225)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1225

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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