Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.08.2012, Az. WpSt (R) 1/12

Senat für Wirtschaftsprüfersachen | REWIS RS 2012, 3944

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Berufsgerichtliches Verfahren: Erneute Berufspflichtverletzung eines vereidigten Buchprüfers bei Nichtzahlung einer verhängten Geldbuße; Verpflichtung von Staatsanwaltschaft und Berufsgericht zur Zusammenfassung mehrerer Pflichtverletzungen in einem einheitlichen Verfahren


Leitsatz

1. Die Nichtbezahlung einer wegen einer Berufspflichtverletzung verhängten Geldbuße begründet regelmäßig keine gesondert zu ahndende Berufspflichtverletzung.

2. Der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung im berufsgerichtlichen Verfahren gebietet die Einbeziehung erkennbar sachlich und zeitlich zusammenhängender Pflichtverletzungen in ein gerichtliches Verfahren. Nach berufsgerichtlicher Verurteilung hindert dies die spätere Ahndung so zusammenhängender Pflichtverletzungen in einem neuen Verfahren.

Tenor

Auf die Revision der Generalstaatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] in [X.] vom 15. September 2011 insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, als der vereidigte Buchprüfer vom Vorwurf der Nichtzahlung der Kammerbeiträge 2004, 2005, 2007 und 2008 freigesprochen wurde.

Im Übrigen wird die Revision verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat für Wirtschaftsprüfersachen des [X.] zurückverwiesen.

– Von Rechts wegen –

Gründe

1

Das [X.] hat das Urteil des [X.] – Kammer für Wirtschaftsprüfersachen – auf die [X.]erufung des vereidigten [X.]uchprüfers aufgehoben und ihn freigesprochen. Zugleich hat es die [X.]erufung der [X.] verworfen, die eine härtere Ahndung als das vom [X.] ausgesprochene [X.] von drei Jahren erstrebt hatte. Hiergegen richtet sich die – vom [X.] zugelassene – [X.]evision der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten wird.

I.

2

1. Dem [X.]erufsangehörigen liegen folgende – dem Schuldspruch des landgerichtlichen Urteils entsprechende – Verletzungen seiner [X.]erufspflicht zur Last:

3

Der vereidigte [X.]uchprüfer hat eine ihm durch Urteil des [X.] vom 6. Juni 2003 im berufsgerichtlichen Verfahren auferlegte Geldbuße in Höhe von 10.000 € nicht vollständig bezahlt; bis zum Zeitpunkt der [X.] im Februar 2009 waren noch 9.200 € offen. Auch [X.] hielt der [X.]erufsangehörige nicht ein. Weiterhin entrichtete er seine Kammerbeiträge für die Jahre 2004, 2005, 2007 und 2008 nicht, so dass Anfang 2009 ein [X.]ückstand in Höhe von über 1.500 € bestand. Die Kammerbeiträge beglich der [X.]erufsangehörige am 4. März 2009, auf die Geldbuße leistete er allerdings nur einen weiteren Teilbetrag von knapp 2.000 €.

4

2. Das [X.] hat die Auffassung vertreten, die Nichtzahlung der Geldbuße stelle keine [X.]erufspflichtverletzung dar. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Gesetzgeber die Nichtbeachtung einer Sanktion in der Wirtschaftsprüferordnung jedenfalls für den Verstoß gegen ein Tätigkeits- oder [X.]erufsverbot einer eigenständigen Sanktionierung unterworfen habe. Dies schließe es auch für die Geldbuße aus, auf die allgemeine [X.]egelung des § 67 [X.] zurückzugreifen. Im Übrigen – und dies gelte sowohl für die [X.]ückstände bei der [X.]ezahlung der Geldbuße als auch die bei den [X.] – stehe das rechtskräftige Urteil des [X.] – Kammer für Wirtschaftsprüfersachen – vom 14. Dezember 2007 einer Ahndung entgegen. Dies sei die Konsequenz des Grundsatzes, dass Pflichtverletzungen berufsrechtlich einheitlich zu würdigen und zu ahnden seien. Die [X.]echtskraft einer berufsgerichtlichen Entscheidung umfasse deshalb auch eine [X.]erufspflichtverletzung, die vor diesem Zeitpunkt liege und nicht Gegenstand des berufsgerichtlichen Verfahrens gewesen sei. Auch deshalb könne eine den Verfolgungsorganen bekannte Pflichtverletzung durch Nichtbegleichung dieser Zahlungspflichten nicht mehr geahndet werden, weil die vorgenannte Entscheidung des [X.]s insoweit eine Zäsur bilde.

II.

5

Die [X.]evision hat nur teilweise Erfolg.

6

1. Anders als die Verteidigung stellt der [X.] die berufsrechtliche Generalklausel des § 43 [X.] (inhaltlich übereinstimmend: § 57 St[X.]erG und § 43 [X.][X.][X.]) allerdings nicht grundsätzlich unter dem Aspekt des [X.]estimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) in Frage. Namentlich bildet die Generalklausel für außerberufsrechtliche Gebots- und Verbotsnormen (z. [X.]. aus dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht) in hinreichend normenklarer Weise den notwendigen berufsrechtlichen [X.] ([X.], NJW 1988, 1888, 1889) und wird umgekehrt durch diese außerberufsrechtlichen Normen inhaltlich ausgefüllt (vgl. [X.] 60, 215, 230; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2008, vor §§ 43 ff. [X.]n. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.][X.][X.], 8. Aufl., § 43 [X.]n. 9 ff.; [X.]Maxl, St[X.]erG, 3. Aufl., § 57 [X.]n. 3 ff.). Ferner vermag sie ihrerseits Wirkung auf die [X.]eichweite normierter [X.]erufspflichten zu entfalten (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 30. November 2009 – [X.] ([X.]) 11/08, [X.], 1972 [X.]n. 10), uU auch den Kreis ahndbarer Normverstöße einzugrenzen ([X.], aaO, S. 1889 f.).

7

Letztlich bedürfen diese Fragen aber keiner abschließenden Entscheidung, weil hier die [X.] nicht aus der Generalklausel, sondern aus der Verletzung spezieller berufsrechtlicher Vorschriften hergeleitet werden, nämlich der Zahlungspflicht aus einer berufsgerichtlichen Maßnahme nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und der gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 [X.] für den [X.]erufsangehörigen bestehenden Pflicht, die Kammerbeiträge gemäß der [X.]eitragsordnung zu entrichten. Deshalb ist allein maßgebend, ob sich aus diesen Normen berufliche Pflichten der [X.]erufsangehörigen ergeben, deren schuldhafte Verletzung (§ 67 Abs. 1 [X.]) die Grundlage einer berufsgerichtlichen Ahndung bilden kann.

8

2. Ohne [X.]echtsverstoß hat das [X.] die unterbliebene vollständige [X.]ezahlung der Geldbuße nicht als [X.]erufspflichtverletzung gewertet. Die Geldbuße hat [X.]; ihre Vollstreckung ist – worauf das [X.] zutreffend hingewiesen hat – ausdrücklich geregelt. Nach § 126 Abs. 2 i.V.m. § 127 [X.] erfolgt sie nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (§§ 449, 459 [X.]). Anders als bei [X.]erufspflichten endet die Zahlungspflicht – wie es in § 126 Abs. 2 Satz 1 [X.] ausdrücklich bestimmt ist – auch nicht dadurch, dass der [X.]erufsangehörige aus dem [X.]eruf ausscheidet. Dies verdeutlicht den ausschließlich ahndenden Charakter der Geldbuße. Die Geldbuße begründet demnach keine eigenständige berufliche Pflicht, sondern sie ist die Sanktion, die auf eine Verletzung beruflicher Pflichten folgt (a. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2008, § 126 [X.]n. 3; [X.], St[X.]erG, 3. Aufl., § 151 [X.]n. 16). Das bedeutet, dass die Nichtbefolgung des Zahlungsgebots aus einer berufsgerichtlich verhängten Geldbuße nicht zugleich als [X.]erufspflichtverletzung geahndet werden kann. Die der berufsgerichtlichen Sanktionierung unterliegenden [X.] müssen dem verfassungsrechtlichen [X.]estimmtheitserfordernis nach Art. 103 Abs. 2 GG genügen (vgl. [X.] 42, 261, 262 f.; [X.], Urteil vom 5. März 1979 – [X.] ([X.]) 15/78, [X.]St 28, 333, 336; [X.] in Festschrift für [X.], 1988, [X.], 950).

9

Es kommt maßgeblich hinzu, dass es dem [X.] Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht grundsätzlich fremd ist, die Nichterfüllung einer straf- oder bußgeldrechtlichen Verurteilung wiederum als Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu verfolgen. Lediglich bei Sanktionen, die nicht im eigentlichen Sinne vollstreckt werden können, sind Ausnahmen vorgesehen (etwa § 21 StVG für das straf- und bußgeldrechtliche Fahrverbot). Ähnlich liegt es bei der auch vom [X.] in der [X.]egründung herausgestellten Vorschrift des § 117 [X.] betreffend Verstöße gegen vorläufige [X.]erufs- und [X.]e. Sonst beschränken sich die Sanktionen einer Nichtbefolgung hingegen auf die Instrumentarien, die die vollstreckungsrechtlichen [X.]egelungen vorsehen. Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber, hätte er für die nicht vollständige [X.]ezahlung von Geldbußen aus berufsgerichtlichen Urteilen über die bloßen vollstreckungsrechtlichen Folgen hinaus die Schaffung eines eigenständigen und sanktionsbewehrten Pflichtverstoßes begründen wollen, dies ausdrücklich hätte regeln müssen. Daran fehlt es hier.

Der [X.] kann dahinstehen lassen, ob die Nichtzahlung der Geldbuße überhaupt geeignet wäre, das Ansehen des Standes zu beschädigen, und aus diesem Grunde eine Pflichtverletzung darstellt (in diesem Sinne [X.] aaO; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2008, § 43 [X.]n. 287 f.). Denn der [X.]egelungszusammenhang und die hierin liegende [X.]eschränkung auf die Vollstreckung der Geldbuße sind abschließend und stehen einem [X.]ekurs auf die – dann allein in [X.]etracht kommende – Generalklausel des § 43 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 67 Abs. 1 oder 2 [X.] wegen schuldhafter, dem Ansehen des [X.]erufsstandes zuwiderlaufender Nichterfüllung fälliger Forderungen entgegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn es an – hier selbst bei Nichteinhaltung von Teilzahlungszusagen nicht ersichtlichen – gravierenden [X.]esonderheiten fehlt. Der [X.] weist im Übrigen darauf hin, dass bei der Erfüllung und Vollstreckung von Forderungen auftretende Probleme eines [X.]erufsangehörigen regelmäßig nicht Anlass zu berufsgerichtlicher Verfolgung, sondern zu verwaltungsrechtlichen Eingriffen der Kammer (vgl. nur § 20 Abs. 2 Nr. 5 und 6 [X.]) geben sollten.

3. Hinsichtlich der Nichtbezahlung der Kammerbeiträge ist die [X.]evision der Staatsanwaltschaft im Ergebnis begründet.

a) Zutreffend hat das [X.] ausgeführt, dass die Pflicht zur Leistung der Kammerbeiträge (§ 61 Abs. 1 Satz 1 [X.]) eine [X.]erufspflicht im Sinne des § 67 Abs. 1 [X.] darstellt. Die schuldhafte Nichtzahlung ist deshalb eine ahndungsfähige [X.]erufspflichtverletzung.

Die vereidigten [X.]uchprüfer sind nach § 128 Abs. 3 [X.] Mitglieder der [X.]. Schon aufgrund dieser Mitgliedschaft unterliegt ein vereidigter [X.]uchprüfer der [X.]eitragspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 1 [X.], weil insoweit Sonderregelungen für vereidigte [X.]uchprüfer nicht bestehen, und zwar ohne dass es hierfür etwa einer weitergehenden Verweisung in § 130 [X.] bedürfte. Die [X.]eiträge werden durch die Mitgliederversammlung festgesetzt. Sie dienen der Erfüllung der Aufgaben der Kammern und mithin der Selbstverwaltung der [X.]erufsangehörigen. Insofern hat diese Leistungspflicht einen unmittelbaren [X.]ezug zu dem beruflichen Tätigkeitsfeld des [X.]erufsangehörigen, weil sie die Funktionsfähigkeit der Kammern als Körperschaft des Öffentlichen [X.]echts sicherstellen soll. Deshalb hat die [X.]echtsprechung auch die schuldhafte Nichtzahlung dieser [X.]eiträge als eine aus der [X.]eitragspflicht selbst folgende [X.]erufspflichtverletzung angesehen ([X.], Urteil vom 25. April 1988 – StbSt[X.] 2/87, [X.]St 35, 263, 266).

b) Gleichfalls zutreffend hat das [X.] ausgeführt, dass im [X.]erufsrecht allgemein der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung gilt (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 1977 – [X.] ([X.]) 5/77, [X.]St 27, 305, und vom 20. Mai 1985 – StbSt[X.] 9/84, [X.]St 33, 225, 229; Wagner, Die Konkurrenz zwischen dem Strafverfahren und dem anwaltsgerichtlichen Verfahren, [X.]erlin 2005, S. 48; [X.]/[X.], St[X.]erG, 6. Aufl., § 89 [X.]n. 9; [X.] in [X.]/[X.], [X.][X.][X.], 8. Aufl., § 113 [X.]n. 25 ff.), der auch für Disziplinarmaßnahmen nach der Wirtschaftsprüferordnung Anwendung findet (Pickel in [X.]/[X.], [X.], 2008, § 67 [X.]n. 9). Dies hat zur Folge, dass das zu ahndende [X.] eine einzige Verfehlung bildet, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich jeweils um selbstständige Taten im Sinne des § 264 [X.] handelt. Dieses [X.] wird zu einer einheitlich zu bewertenden Pflichtverletzung zusammengefasst ([X.] in Henssler/Prütting, [X.][X.][X.], 3. Aufl., § 113 [X.]n. 5). Der Grundsatz legt Staatsanwaltschaft und [X.]erufsgericht regelmäßig eine besondere Verpflichtung auf, dass mehrere Pflichtverletzungen desselben [X.]erufsangehörigen tunlichst nicht in getrennten, sondern in einem einheitlichen Verfahren verhandelt und beurteilt werden, zumal sich regelmäßig auch nur so eine dem maßgeblichen [X.] angemessene Sanktion finden lässt.

c) Allerdings muss der materiell-rechtliche Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung nicht zwangsläufig dazu führen, dass damit zugleich eine berufsrechtlich einheitliche Tat im verfahrensrechtlichen Sinne geschaffen wird. Vielmehr werden hierdurch die mehreren Pflichtverletzungen nicht zu einer rechtlichen Einheit verbunden, wie dies im Kriminalstrafrecht regelmäßig üblich ist. Die [X.]echtskraft eines im Disziplinarverfahren ergangenen Urteils, durch welches der Täter zu einer Disziplinarstrafe verurteilt worden ist, hindert grundsätzlich nicht daran, den Täter wegen einer vor jenem Urteil begangenen Pflichtverletzung in einem neuen Disziplinarverfahren zu verfolgen und zu sanktionieren ([X.], Urteil vom 22. Juli 1963 – [X.] ([X.]rfg) 2/62, [X.]St 19, 90, 93; vgl. auch [X.]VerwGE 73, 178, 180; [X.] in Festschrift für [X.], 1988, [X.], 942; kritisch hierzu [X.] in [X.]/[X.] [X.][X.][X.], 8. Aufl., § 113 [X.]n. 49).

Dies bedeutet aber nicht, dass berufsgerichtliche Maßnahmen nicht auch die Ahndungsmöglichkeit für eine neuerliche Disziplinarmaßnahme verbrauchen können. Auch für die [X.] gilt, dass jedenfalls der aus dem [X.]echtsstaatsprinzip zu folgernde [X.] die neuerliche disziplinarische Ahndung dessen untersagt, was bereits Gegenstand berufsgerichtlicher Prüfung war. Soweit daher weitere Verstöße in einem unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ausdrücklich angeklagten [X.] stehen und als solche für das [X.]erufsgericht erkennbar waren, ist eine spätere Ahndung ausgeschlossen. Das gilt gleichermaßen für dem [X.]erufsgericht bekannte Vorgänge, die dieses selbst in die Prüfung im Disziplinarverfahren einbezogen hat.

Solche können dann auch der richterlichen Kognition unterworfen werden. Zwar gilt auch im berufsgerichtlichen Verfahren der Anklagegrundsatz mit der Folge, dass Gegenstand des Verfahrens nur [X.] sein dürfen, die Gegenstand der [X.] und des [X.] waren ([X.], Urteil vom 25. Januar 1971 – [X.] ([X.]) 7/70, [X.]St 24, 81, 86). Das berufsgerichtliche Verfahren zielt aber auf die [X.]eurteilung der Frage, ob und inwieweit der [X.]erufsangehörige aufgrund seiner Persönlichkeit für seinen [X.]eruf noch tragbar ist oder bei ihm eine erzieherische Einwirkung mit dem Ziel geboten erscheint, den Eintritt der Untragbarkeit abzuwenden. Dementsprechend hat die berufsgerichtliche [X.]echtsprechung bei der Prüfung eines sogenannten disziplinarischen Überhangs (vgl. § 115b [X.][X.][X.]; § 69b [X.]; § 92 St[X.]erG) immer verlangt, dass [X.]erufspflichtverletzungen einheitlich zu bewerten sind, soweit zwischen ihnen ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang vorhanden ist (vgl. [X.]VerwGE 73, 166, 167 f.; [X.] aaO S. 945). Dies gilt im Übrigen vor allem bei [X.]n, die ihre Grundlage in der mangelnden Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit des [X.]erufsangehörigen haben. Hier liegt es in besonderem Maße auf der Hand, dass das Fehlverhalten des [X.]erufsangehörigen nur dann sachgerecht beurteilt werden kann, wenn der Umfang seiner nicht befriedigten Verbindlichkeiten und die Ursachen hierfür möglichst umfassend im berufsgerichtlichen Verfahren gewürdigt werden.

[X.]esteht eine entsprechende Kognitionspflicht für das [X.]erufsgericht, dann bestimmt diese auch den Umfang des [X.]verbrauchs. Dabei korrespondiert das durch das [X.]echtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) geschützte Vertrauen mit den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung ([X.], [X.]eschluss vom 26. August 2003 – 5 St[X.] 145/03, [X.]St 48, 331, 336). Das [X.]erufsgericht muss schon aufgrund seiner Verpflichtung, die charakterliche Eignung und einen etwaigen [X.] möglichst sachgerecht zu erfassen, ihm erkennbare Pflichtverletzungen einbeziehen. [X.]esteht ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zu den in der [X.] aufgeführten Einzelvorgängen (vgl. [X.], St[X.]erG, 3. Aufl., § 90 [X.]n. 68 ff.; [X.], [X.] 1/2007, [X.], 40), ist insoweit auch keine Nachtragsanschuldigung erforderlich. Die hierin liegende gewisse Lockerung des Anklagegrundsatzes ist eine sachgerechte Konsequenz aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Pflichtverletzung. Dem verfahrensrechtlichen Schutz des [X.]erufsangehörigen ist dann ausreichend Genüge getan, wenn ihm durch das [X.]erufsgericht in Form des Hinweises (§ 265 [X.]) verdeutlicht wird, worin es eine erweiterte Pflichtverletzung möglicherweise sieht. Hiergegen kann sich der [X.]erufsangehörige dann ausreichend verteidigen, bei gravierenden und überraschenden Erkenntnissen notfalls in entsprechender Anwendung von § 265 Abs. 3, 4 [X.]. Darf das [X.]erufsgericht bei seinem Erkenntnis in der Sachverhaltsfeststellung umfassend auf die zusammengehörigen Einzelvorgänge als [X.]estandteile der Pflichtverletzung zugreifen, dann fordert es der aus dem [X.]echtsstaatsprinzip folgenden Vertrauensschutzgedanke, insoweit auch einen [X.]verbrauch anzunehmen.

d) Einen entsprechenden [X.]verbrauch für das berufsgerichtliche Verfahren, der dann eine Teileinstellung hinsichtlich der betroffenen Vorwürfe, keine Teilfreisprechung, zur Folge hätte, vermag der [X.] im vorliegenden Fall jedoch nicht ohne Weiteres zu erkennen. Das hier vom [X.] als zäsurbildend herangezogene Urteil des [X.] datiert vom 14. Dezember 2007. Gegenstand der Verurteilung dort ist aber, dass der [X.]erufsangehörige zu Unrecht in etlichen Fällen einen Doktortitel geführt hatte. Diese Pflichtverletzungen stehen nicht in innerem Zusammenhang mit der im hiesigen Verfahren dem vereidigten [X.]uchprüfer vorgeworfenen Nichtzahlung der Kammerbeiträge.

Allerdings hat das [X.] [X.]erlin in dem vorgenannten Urteil vom 14. Dezember 2007 ausgeführt, dass der [X.]erufsangehörige die Geldbuße noch nicht bezahlt habe. In den Urteilsgründen geht das [X.] weiter auf die wirtschaftliche Situation des [X.]erufsangehörigen ein. Der [X.] kann deshalb nicht gänzlich ausschließen, dass auch die unterbliebene Zahlung der Kammerbeiträge Gegenstand jenes Verfahrens war und, ohne dass sich das im Urteil ausdrücklich niedergeschlagen hat, im [X.]ahmen der zu treffenden Sanktionen erörtert wurde. Dies bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung im Freibeweis. Der [X.]undesgerichtshof sieht davon ab, diese Frage im Freibeweisverfahren selbst zu klären, und verweist das Verfahren zur Prüfung an das insoweit sachnähere [X.] zurück (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 6. März 2007 – K[X.][X.] 1/07, NJW 2007, 2648).

e) Im [X.]ahmen dieser Prüfung ist indes Folgendes zu beachten:

aa) Ein [X.]verbrauch kann nur insoweit eintreten, als das erkennende Gericht überhaupt von dem Pflichtverstoß Kenntnis nehmen konnte (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 1956 – 6 St[X.] 28/56, [X.]St 9, 324; [X.]eschluss vom 23. Oktober 2008 – 1 St[X.] 526/08). Entgegen der Auffassung des [X.]s kommt es deshalb nicht auf den Zeitpunkt der [X.]echtskraft an, sondern auf den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung, die dem in [X.]echtskraft erwachsenen Urteil vorangegangen ist (vgl. auch [X.], [X.], 55. Aufl., Einleitung [X.]n. 175). Da der [X.] 2008 laut [X.] und Auskunft der Wirtschaftsprüferkammer erst im Februar 2008 fällig wurde, kann dessen unterbliebene [X.]egleichung schon aus diesem Grund nicht von einem etwaigen Verbrauch der Disziplinarmaßnahme erfasst sein. Dass eine [X.]erufungsrücknahme erst in einer späteren [X.]erufungsverhandlung erfolgt ist, vermag daran nichts zu ändern.

bb) Hinsichtlich der Jahre 2004, 2005 und 2007 könnte dagegen eine Ahndung durch das vorbezeichnete Urteil des [X.] ausgeschlossen sein, soweit die vorstehend ausgeführten Voraussetzungen vorliegen. Zwar reicht die Verbindlichkeit des [X.]erufsangehörigen auch in diesen Fällen über den Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Verhandlung hinaus. Dieser Umstand begründet aber in berufsrechtlicher Hinsicht kein [X.]. Denn der andauernde rechtswidrige Zustand wird dadurch herbeigeführt, dass der [X.]etreffende eine ihm obliegende gesetzliche Pflicht nicht erfüllt hat. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der Nichtabführung von [X.] (§ 266a Abs. 1 StG[X.]) oder der Nichtabgabe einer Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Anders als etwa beim Straftatbestand der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 StG[X.]), der bis zu deren Erlöschen sich ständig erweiternde Unterhaltsleistungen verlangt und deren Nichterbringung unter Strafe stellt, sind hier durch das Unterlassen der gebotenen Handlung, zu dem Zeitpunkt, zu dem sie hätte vorgenommen werden müssen, der [X.] gesetzt und der rechtswidrige Zustand geschaffen worden. In der Folge wirkt dieser mit zunehmender Zeit der Nichterfüllung nicht erweiterte [X.] dann nur noch fort.

Ebenso wie sich bei einer [X.]estrafung wegen Nichtabführung der Arbeitsentgelte oder Nichtabgabe einer Steuererklärung die Strafklage verbraucht, verbraucht sich auch eine [X.], wenn die Ursache für die [X.]egründung des rechtswidrigen Zustandes berufsgerichtlich geahndet ist. Eine neuerliche Ahndung hätte mithin nur [X.]eugecharakter und wäre mit dem auch im [X.]erufsrecht geltenden Schuldprinzip unvereinbar ohne dass es darauf ankommt, wann eine entsprechende Aburteilung erfolgt ist, weil dies von der durch Zufälligkeiten bedingten Geschwindigkeit des Verfahrens abhinge (vgl. [X.]VerfG [Kammer] [X.] 2007, 369). Daraus folgt, dass der Umstand einer nicht vollständigen [X.]ezahlung der Kammerbeiträge dann nicht mehr in einem nachfolgenden berufsgerichtlichen Verfahren sanktioniert werden kann, wenn er in die Ahndung einer (einheitlichen) Pflichtverletzung in einem vorherigen Verfahren eingeschlossen ist.

III.

Der [X.] hebt das Urteil allein hinsichtlich der unterlassenen Zahlung der Kammerbeiträge auf, weil das Urteil des [X.]s nur insoweit mit einem [X.]echtsfehler behaftet ist. Zwar führen [X.]echtsfehler grundsätzlich dazu, dass das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben ist. Dies folgt daraus, dass das Verhalten des [X.]erufsangehörigen nur einheitlich beurteilt werden kann. Ebenso ist grundsätzlich im [X.]evisionsverfahren, wenn sich im Schuldspruch bezüglich auch nur eines Anschuldigungspunktes ein [X.]echtsfehler herausstellt, das gesamte Urteil aufzuheben ([X.], Urteil vom 25. April 1988 – StbSt[X.] 2/87, [X.]St 35, 263, 267). Hiervon hat der [X.]undesgerichtshof aber dann eine Ausnahme zugelassen, wenn der [X.]erufsangehörige wegen eines Anschuldigungspunktes rechtsfehlerfrei freigesprochen wurde. In diesen Fällen ist dann von einer Aufhebung des freisprechenden Erkenntnisses der Vorinstanz nur die den [X.]erufsangehörigen vorgeworfene Pflichtverletzung erfasst, die von dem [X.]echtsfehler betroffen ist ([X.], Urteil vom 14. Dezember 1981 – [X.] ([X.]) 20/81, [X.]St 30, 312; [X.] aaO S. 947).

Der [X.] lässt das Urteil des [X.]s auch insoweit bestehen, als es die [X.]erufung der Staatsanwaltschaft verworfen hat. Es ist ausgeschlossen, dass wegen des allein nochmals zu prüfenden Vorwurfs der Nichtzahlung von [X.] eine höhere Ahndung als allenfalls eine Geldbuße oder gar als das vom [X.] verhängte dreijährige [X.] in [X.]etracht kommt.

[X.]asdorf                                                   [X.]aum                                              König

                               [X.]                                                 [X.]

Meta

WpSt (R) 1/12

14.08.2012

Bundesgerichtshof Senat für Wirtschaftsprüfersachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend KG Berlin, 15. September 2011, Az: 1 WiO 1/09

§ 61 Abs 1 S 1 WiPrO, § 67 WiPrO, § 68 WiPrO, § 128 Abs 3 WiPrO, § 264 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.08.2012, Az. WpSt (R) 1/12 (REWIS RS 2012, 3944)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3944

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.