Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.12.2017, Az. 5 StR 108/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 695

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Gegenstand

Bewaffneter Handel mit Betäubungsmitteln: Mitsichführen einer Schusswaffe


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 10. August 2016 hinsichtlich des Angeklagten   [X.]aufgehoben,

a) soweit dieser wegen des Geschehens vom 25. September 2015 verurteilt worden ist, wobei die Feststellungen aufrechterhalten bleiben,

b) mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen „eines Verstoßes gegen das Waffengesetz“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft hinsichtlich des in den Urteilsgründen geschilderten Geschehens vom 25. September 2015 eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG). Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel erweist sich insoweit als unbegründet, führt jedoch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) zur Aufhebung der diesbezüglichen Schuldsprüche sowie des Gesamtstrafausspruchs.

2

1. Das [X.] hat festgestellt:

3

a) Am 12. August 2015 verkaufte der Angeklagte im „[X.]  “ in [X.] 0,497 g [X.] gewinnbringend an eine [X.] der Polizei.

4

b) Am 25. September 2015 verfügte er über 25 g [X.], das zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt war. Davon verkaufte er in dem genannten Café 20,93 g mit einem Wirkstoffgehalt von 17,48 [X.] zum Preis von 1.400 € an eine [X.] der Polizei. Um das Kokain abzuwiegen, ging er mit der [X.] in einen Nebenraum, zu dem er einen Schlüssel hatte. Dort befanden sich unter anderem ein Tisch und eine Feinwaage. Neben dem Tisch stand ein etwa [X.] Regal, in und auf dem Kartons lagen. In oder auf einem der Kartons bewahrte der Angeklagte wissentlich eine Pistole Kaliber 7,65 mm mit sechs Patronen im Magazin und einer Patrone im Patronenlager auf.

5

Ebenfalls am 25. September 2015 verwahrte er im Café 56,609 g Cannabisprodukte mit einem Wirkstoffgehalt von 8,728 g THC und in der Wohnung seiner Eltern 20 g [X.] mit einem Wirkstoffgehalt von 16,5 [X.] zum gewinnbringenden Verkauf und teilweise zum Eigenkonsum.

6

2. [X.] vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte die Schusswaffe beim Verkauf des Kokains im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich führte. Zwar sei dessen Einlassung widerlegt, dass er von der Waffe nichts gewusst habe. Es hätten jedoch keine Feststellungen getroffen werden können, wie die Waffe aufbewahrt worden sei. Deswegen sei nach dem [X.] davon auszugehen, dass sie nicht „griffbereit“ gelegen habe.

7

Das [X.] hat das Mitführen der 25 g Kokain und das Aufbewahren von Cannabisprodukten im Café sowie den Besitz der weiteren 20 g Kokain in der elterlichen Wohnung als eine Tat im Rechtssinn gewertet und den Angeklagten insoweit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt (Freiheitsstrafe: zwei Jahre). Den Besitz der Schusswaffe hat es als tatmehrheitlich verwirklichtes Waffendelikt ausgeurteilt (Freiheitsstrafe: ein Jahr).

8

3. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf das „Geschehen vom 25. September 2015“ beschränkt, erfasst aber aufgrund untrennbaren Zusammenhangs diesen Vorgang insgesamt. Demgegenüber wird die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln am 12. August 2015 (Freiheitsstrafe: sechs Monate) von der Beschwerdeführerin nicht angegriffen. Gleiches gilt für die Nichtanordnung einer Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), die nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten in Betracht gekommen wäre. Die Staatsanwaltschaft hat ausdrücklich die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs beantragt.

9

4. Die Erwägungen des [X.]s, mit denen es eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG abgelehnt hat, begegnen auch angesichts des zur Beweiswürdigung eingeschränkten revisionsgerichtlichen [X.] (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 [X.], [X.], 378 Rn. 6 mwN) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Demgemäß muss der hiergegen gerichteten Revision der Staatsanwaltschaft der Erfolg versagt bleiben.

a) Ein Mitsichführen einer Schusswaffe ist gegeben, wenn der Täter diese in irgendeinem Stadium des Tathergangs bewusst gebrauchsbereit so in seiner Nähe hat, dass er sich ihrer jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 [X.], aaO Rn. 7; Beschluss vom 10. Februar 2015 – 5 StR 594/14, [X.], 349, jeweils mwN). Das Merkmal ist dementsprechend gegeben, wenn sich die Waffe in Griffweite des [X.] befindet (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Februar 2015 – 5 StR 594/14, aaO mwN).

b) Von diesem durch die Rechtsprechung ausgeformten rechtlichen Maßstab ist das [X.] ausgegangen. Jedoch konnte es aufgrund widersprüchlicher und unklarer Angaben der die Durchsuchung durchführenden Polizeibeamten keine Feststellungen zum exakten Auffindeort der Schusswaffe treffen. So hatte ein Beamter ausgeführt, ein unmittelbarer Zugriff auf die Waffe sei nicht möglich gewesen, weil erst etliche Kartons hätten beiseitegelegt werden müssen, um an die Waffe zu kommen. Auch wenn man um den Aufbewahrungsort gewusst habe, sei sie seiner Einschätzung nach nicht „griffbereit“ gewesen. Später bekundete er, das Auffinden der Waffe nicht selbst beobachtet zu haben. Vielmehr sei sie ihm von einem Kollegen übergeben worden, der sie in einem Kartonstapel gefunden habe. Weitere Polizeibeamte konnten keine oder keine verlässlichen Angaben machen. Eine Videoaufzeichnung stellte nach den Bekundungen der polizeilichen Zeugen nicht die [X.] dar. Vielmehr müsse es sich um eine von der Einsatzhundertschaft nachgestellte Szene handeln.

Unter diesen Vorzeichen ist die durch das [X.] vorgenommene Wertung rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist die notwendige räumliche Nähe in der Regel vorhanden, wenn sich die Waffe in dem Raum befindet, in dem Handel getrieben wird [X.], BtMG, 5. Aufl., § 30a Rn. 139 mwN). Auch dann muss jedoch festgestellt werden, welche Maßnahmen und welcher Zeitaufwand im Einzelnen erforderlich ist, damit der Täter auf die Waffe zugreifen kann (vgl. [X.], Urteil vom 12. März 2002 – 3 [X.], [X.], 489 [Hochklappen eines Sofas]; [X.], aaO; siehe auch [X.], Beschluss vom 8. Januar 2014 – 5 [X.], [X.], 466). Diesbezügliche Feststellungen vermochte das [X.] aber nicht zu treffen.

Eine Zugriffsnähe im vorbezeichneten Sinn verstand sich nach den auf der Grundlage der Zeugenaussagen im Urteil geschilderten Gegebenheiten (unter Umständen zeitaufwendiges Weglegen von Kartons) auch nicht von selbst. Deswegen durfte das [X.] nach dem [X.] vom Nichtvorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Mitsichführens ausgehen. Darin liegt entgegen der Auffassung des [X.]s keine fehlerhafte Anwendung des Satzes „in dubio pro reo“ auf einen Rechtsbegriff. Eine Verfahrensrüge hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.

5. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt gemäß § 301 StPO zur Aufhebung der in Bezug auf das relevante Geschehen ausgeurteilten Schuldsprüche.

a) Der Schuldspruch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den Feststellungen nicht getragen. Der [X.] weist mit Recht darauf hin, dass das [X.] weder hinsichtlich des Kokains noch in Bezug auf die Cannabisprodukte die zugrunde gelegten Eigenkonsummengen festgestellt hat. Deswegen kann nicht beurteilt werden, ob der Grenzwert der nicht geringen Menge überschritten ist. Damit verfällt auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) der Aufhebung (vgl. etwa [X.], Urteil vom 7. Juli 2011 – 5 StR 561/10, [X.]St 56, 277, 286 mwN).

b) Auch die Verurteilung wegen Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe kann nicht bestehen bleiben. Denn das [X.] hat – wie der [X.] richtig bemerkt – keine Feststellungen zur fehlenden behördlichen Besitzerlaubnis gemäß § 10 [X.] getroffen.

6. Mit der Aufhebung der Schuldsprüche entfallen die aufgrund des Geschehens ausgeurteilten Freiheitsstrafen. Zugleich ist dem Gesamtstrafaus-spruch die Grundlage entzogen.

Die [X.] Feststellungen zum Tatgeschehen haben hingegen Bestand. Das neue Tatgericht wird allerdings ergänzende Feststellungen zu den Eigenkonsummengen und zur [X.] zu treffen haben. Insoweit und im Übrigen sind neue Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

Mutzbauer     

      

Sander     

      

Dölp   

      

König     

      

[X.]     

      

Meta

5 StR 108/17

13.12.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 31. Mai 2017, Az: 5 StR 108/17, Beschluss

§ 30a Abs 2 Nr 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.12.2017, Az. 5 StR 108/17 (REWIS RS 2017, 695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 695


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 StR 108/17

Bundesgerichtshof, 5 StR 108/17, 13.12.2017.


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