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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Mitsichführen von Waffen beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit es den Angeklagten Ku. betrifft, im Strafausspruch auch zu seinen Gunsten;
b) soweit es die Angeklagte [X.] betrifft, im Fall II. 2. der Urteilsgründe, im Einzelstrafausspruch und im [X.] auch zu ihren Gunsten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das [X.] hat die Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die Angeklagte [X.] zudem wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe (Angeklagter Ku. ) bzw. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe (Angeklagte [X.] ) von jeweils zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheits- bzw. Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen ausschließlich den beide Angeklagte betreffenden Schuldspruch im [X.] 2. der Urteilsgründe und die darauf bezogenen Strafaussprüche sowie - hinsichtlich der Angeklagten [X.] - den [X.]. Die rechtswirksam beschränkten Rechtsmittel haben - hinsichtlich der Strafaussprüche auch zu Gunsten der Angeklagten - Erfolg.
1. Das [X.] hat im [X.] 2. der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Die Angeklagten, seit vielen Jahren drogenabhängig und mit Methadon bzw. Polamidon substituiert, sind miteinander verheiratet und bewohnen zusammen eine Wohnung in M. . Dort befand sich am 17. März 2016 in der linken Ecke des Flures neben der Wohnungseingangstür ein Baseballschläger aus Holz. Etwa zwei Meter von der Wohnungseingangstür entfernt stand an der Wand des [X.] ein etwa ein Meter hohes Sideboard. Auf einer Ablagefläche, die sich etwa in der [X.] dieses Sideboards befand, lag eine Gasdruckpistole „[X.]“, die unter Gasdruck stand und mit Stahlkugeln geladen war. Der Griff der Gasdruckpistole zeigte in Richtung Flur, während der [X.] parallel zur Wand ausgerichtet und von einem am Sideboard angelehnten [X.] verdeckt war.
In dem an der Kopfseite des Flures befindlichen Arbeitszimmer lag in der hinteren Ecke u. a. ein Beutel mit „insgesamt 21,08 g“ (richtig: 22,08 g) Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 15,7 %, das zum Eigenkonsum bestimmt war. Von der rechten vorderen Seite des Flures ging das Wohnzimmer ab, durch das man auf den Balkon gelangte. Auf der außenliegenden Fensterbank des parallel zur Balkontür verlaufenden Fensters lag ein Beutel mit 49,46 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 18,2 %, das zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. „Die außerhalb der Wohnung gelegene Fensterbank diente ausschließlich dem Vorrätighalten des [X.]. Der Verkauf sowie auch das Portionieren und Strecken des [X.] erfolgte außerhalb der Wohnung“.
b) Das [X.] konnte zwar angesichts der Einlassungen der Angeklagten nicht ausschließen, dass das im Arbeitszimmer aufgefundene Heroin zum Eigenkonsum der Angeklagten bestimmt war. Mit Blick auf den [X.] und die - die finanzielle Situation der Angeklagten übersteigende - erhebliche Menge des auf dem Balkon aufbewahrten [X.] hat es sich allerdings davon überzeugt, dass jedenfalls dieses zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt war; die Einlassungen der Angeklagten, auch insoweit handele es sich um Betäubungsmittel, das zum Eigenkonsum bestimmt war, hat es als Schutzbehauptung gewertet. Da allerdings weder eine Waage noch nennenswerte Geldbeträge in der Wohnung gefunden wurden, ist die [X.] davon ausgegangen, dass die Angeklagten das zum - nicht näher konkretisierbaren - Weiterverkauf bestimmte Heroin dort lediglich vorrätig hielten.
c) Die [X.] hat den [X.] des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG als nicht erfüllt angesehen. Angesichts der festgestellten Zugriffshemmnisse zwischen Waffen und Betäubungsmittel („geschlossene Balkontür bzw. das entsprechende Fenster, das gesamte Wohnzimmer, die Wohnzimmertür und die Breite des Flures“) hätten die Angeklagten nicht ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die Waffe zugreifen können.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind rechtswirksam jeweils auf den Schuld- und Strafausspruch zu [X.] 2. der Urteilsgründe und auf den [X.] beschränkt und haben Erfolg. Sie haben aber auch zu Gunsten des Angeklagten - was der Senat gemäß § 301 StPO zu prüfen hat - einen Teilerfolg und führen - wie aus dem Tenor ersichtlich - zur Aufhebung der Strafaussprüche.
a) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das [X.] die Voraussetzungen des [X.] des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zugrunde gelegt. Danach muss der Täter die Waffe oder den gefährlichen Gegenstand bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich haben, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Setzt sich die Tat aus mehreren [X.]en zusammen, so reicht es nach ständiger Rechtsprechung zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand auch nur bei einem [X.] verwirklicht ist (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 2017 - 2 StR 74/17, BeckRS 2017, 139279; [X.], Beschluss vom 28. November 2013 - 5 StR 576/13, [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 Gegenstand 1; Senat, Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 [X.], [X.]St 43, 8, 10 f., jeweils mwN).
b) Das [X.] hat zudem hinsichtlich beider Gegenstände zutreffend angenommen, dass diese grundsätzlich zur Erfüllung der Qualifikation geeignet sind (zum Baseballschläger aus Holz vgl. nur [X.], Urteil vom 18. Juli 2018 - 5 StR 547/17, BeckRS 2018, 17706). Die geladene Gasdruckpistole kann durch den Senat ungeachtet fehlender Feststellungen zur Bauart aufgrund ihrer Bezeichnung („[X.]“) wegen Allgemeinkundigkeit (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 2014 - 3 [X.], BeckRS 2015, 464 mwN) als Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG eingestuft werden, da bei ihr der Gasdruck nach vorne austritt (vgl. Senat, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 2 [X.], [X.], 73, 74).
c) Für den [X.] gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG genügt es schließlich, dass die Schusswaffe bzw. der gefährliche Gegenstand sich so in der räumlichen Nähe des [X.] befinden, dass er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 5. April 2016 - 1 StR 38/16, [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13 mwN). Ein Tragen der Waffe oder des Gegenstandes am Körper ist nicht erforderlich (Senat, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 [X.], [X.], 99); es genügt, wenn sie sich in Griffweite befindet ([X.], Beschluss vom 10. Februar 2015 - 5 StR 594/14, [X.], 349).
aa) Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann angesichts der Vielgestaltigkeit der in Frage kommenden Lebensverhältnisse lediglich anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden ([X.], Urteil vom 12. Januar 2017 - 1 [X.], [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 14 mwN). Zu diesen Umständen gehört etwa außer den individuellen Fähigkeiten des [X.] und den tatsächlichen Möglichkeiten seines Zugriffs einschließlich möglicher Zugangserschwernisse auch die räumliche Nähe des [X.] zu der Schusswaffe oder zu dem gefährlichen Gegenstand während irgendeines Stadiums der Tatausführung.
bb) Die in der Rechtsprechung des [X.] zur Konkretisierung der räumlichen Komponente des Mitsichführens verwendete Formulierung, es genüge, wenn sich die Schusswaffe bzw. der Gegenstand in Griffweite befinde (vgl. [X.], aaO, mwN), ist dabei als stets hinreichende, aber nicht als notwendige Bedingung des Mitsichführens verstanden worden. Denn der [X.] hat die Annahme des Merkmals, „Griffweite“ im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtung auch in Konstellationen für möglich gehalten, in denen sich innerhalb derselben Wohnung die zum Handeltreiben bestimmten Betäubungsmittel und die Waffe bzw. der Gegenstand in unterschiedlichen Räumen befanden ([X.], aaO, mit zahlr. Nachw.). Allerdings ist der Tatrichter bei derartigen Fallgestaltungen räumlich getrennter Aufbewahrung von Betäubungsmitteln und Waffen gehalten, die konkreten räumlichen Verhältnisse und die Orte, an denen die Betäubungsmittel sowie die Waffen bzw. die gefährlichen Gegenstände aufbewahrt wurden, näher im Urteil darzulegen ([X.], aaO). Bei getrennter Aufbewahrung in verschiedenen Räumen einer Wohnung ist ein Mitsichführen regelmäßig dann verneint worden, wenn sich die Waffe in einem seinerseits verschlossenen Behältnis befindet und das Öffnen eine Zeitspanne in Anspruch nimmt, die es ausschließt, von einer Zugriffsmöglichkeit „ohne nennenswerten Zeitaufwand“ und „ohne größere Schwierigkeiten“ sprechen zu können (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 [X.], [X.], 99 f.: Waffe in einem mit Zahlencode gesicherten Tresor; Urteil vom 12. März 2002 - 3 [X.], [X.], 489 f.: Gaspistole unter einem hochzuklappenden Sofa).
cc) Die räumliche Entfernung zwischen dem Aufbewahrungsort der Betäubungsmittel und dem der Waffe bzw. des gefährlichen Gegenstandes zu einem bestimmten Zeitpunkt - etwa dem der Durchsuchung einer Wohnung - hat allerdings lediglich indizielle Bedeutung für die Beurteilung einer jederzeitigen ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne größere Schwierigkeiten zu realisierenden Zugriffsmöglichkeit des [X.]. Denn für das Mitsichführen ist angesichts des Zwecks der Qualifikation (dazu näher [X.], Beschluss vom 5. April 2016 - 1 StR 38/16, [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13) die Zugriffsmöglichkeit des [X.] des Betäubungsmitteldelikts auf Waffen oder sonstige Gegenstände gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 [X.]. 2 BtMG während irgendeines, aber näher zu bestimmenden Zeitpunkts im gesamten Tatverlauf ausschlaggebend ([X.], Urteil vom 12. Januar 2017 - 1 [X.], [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 14 mwN).
d) Diese Maßstäbe hat das [X.] im Rahmen seiner Würdigung nicht ausreichend in den Blick genommen.
Nach den Feststellungen befanden sich die Gasdruckpistole und der Baseballschläger zum Zeitpunkt der Durchsuchung zwar in einem anderen Raum als die zum Handeltreiben bestimmten Betäubungsmittel. Die räumliche Distanz hat aber - wie ausgeführt - lediglich indizielle Bedeutung für die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit des [X.] während der Tat. Für ein konkretes Verkaufsgeschäft mit dem auf der außenliegenden Fensterbank des Balkonfensters aufbewahrten [X.] hätte es ohnehin des [X.] wenigstens eines Teils davon bedurft, so dass dem Aufbewahrungsort zum Zeitpunkt der Durchsuchung für das Mitsichführen der Waffe bzw. des Gegenstandes für sich genommen keine entscheidende Bedeutung zukommen kann (vgl. auch [X.] aaO). Insoweit verhält es sich anders als in Konstellationen, in denen die Waffe bzw. der gefährliche Gegenstand in einer Art und Weise gelagert wird, die - wie etwa bei Aufbewahrung in einem verschlossenen Behältnis (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 [X.], [X.], 99 f.) - den Zugriff auf die Waffe erschwert. Derartige Schwierigkeiten des Zugangs zu der fertig geladenen Gasdruckpistole und dem Baseballschläger sind in objektiver Hinsicht gerade nicht festgestellt. Die Feststellung, dass die Waffe und der Baseballschläger im Flur unmittelbar in Nähe der Wohnungseingangstür lagen, legt vielmehr nahe, dass der zum Handel vorgesehene [X.] durch das durch Waffen vermittelte Gefühl von Sicherheit und Überlegenheit abgesichert werden sollte, was der gesetzgeberischen Zweckbestimmung der Qualifikation entspräche (dazu [X.], Beschluss vom 5. April 2016 - 1 StR 38/16, [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13).
e) Die Aufhebung im [X.] 2. der Urteilsgründe entzieht den Einzelstrafaussprüchen und - soweit es die Angeklagte [X.] betrifft - dem [X.] die Grundlage.
f) Die nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils deckt auch einen die Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf. Die im [X.] 2. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen und dementsprechend die Gesamtstrafe können nicht bestehen bleiben, weil der Schuldgehalt dieser Tat mangels ausreichender Feststellungen zu dem hierfür maßgeblichen Wirkstoffgehalt und der Wirkstoffmenge des gehandelten Betäubungsmittels nicht belegt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Mai 2018 - 4 StR 100/18, NStZ-RR 2018, 286; [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 4 StR 517/11, [X.]2, 339). Angesichts der aufgefundenen 49,46 g Heroin kann allerdings ausgeschlossen werden, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auch auf den Schuldspruch ausgewirkt hat.
3. Sollte der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter sich ebenfalls die Überzeugung verschaffen, dass die in der Wohnung aufgefundenen Betäubungsmittel teilweise zum Eigenverbrauch bestimmt waren, wird er dieses unter dem Gesichtspunkt des (tateinheitlichen) unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu würdigen haben.
[X.] |
Zeng |
Grube |
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Ri[X.] Schmidt ist |
Wenske |
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[X.] |
Meta
23.10.2019
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Urteil
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Marburg, 28. Januar 2019, Az: 2 Js 25623/14 - 1 KLs
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.10.2019, Az. 2 StR 294/19 (REWIS RS 2019, 2333)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 2333
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 394/16 (Bundesgerichtshof)
Bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Mitsichführen von Waffen; räumliche Entfernung zwischen Aufbewahrungsort der Betäubungsmittel und …
3 StR 433/19 (Bundesgerichtshof)
Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Räumliche Nähe von Betäubungsmitteln und Waffe
3 StR 445/20 (Bundesgerichtshof)
Strafverurteilung wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines …
1 StR 394/16 (Bundesgerichtshof)
2 StR 219/22 (Bundesgerichtshof)
Erforderliche Feststellungen zum Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln