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Zur Bedeutung der Berufsfreiheit beim Sozietätswechsel von Rechtsanwälten; hier: Unvereinbarkeit des § 3 Abs. 2 der Berufsordnung der Rechtsanwälte mit Art. 12 Abs. 1 GG
L e i t s a t z
zum [X.]eschluss des [X.] vom 3. Juli 2003
- 1 [X.]vR 238/01 -
Zur [X.]edeutung der [X.]erufsfreiheit beim Sozietätswechsel von Rechtsanwälten.
[X.]
- 1 [X.]vR 238/01 -
der Rechtsanwälte
1. | V..., |
2. | A..., |
3. | M... |
gegen | den [X.]eschluss des [X.] vom 6. November 2000 - [X.] ([X.]) 3/00 - |
hat das [X.]undesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Präsidenten Papier,
der [X.]innen [X.],
[X.],
der [X.] Hömig,
[X.],
der [X.]in Hohmann-Dennhardt
und der [X.] [X.],
[X.]ryde
am 3. Juli 2003 beschlossen:
Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die [X.]eschwerdeführer, die gemeinsam eine Anwaltskanzlei betreiben, gegen die von der zuständigen Rechtsanwaltskammer ausgesprochene und vom [X.]undesgerichtshof in der angegriffenen Entscheidung bestätigte Verpflichtung zur Niederlegung von Mandaten, nachdem sie einen Rechtsanwalt angestellt haben, der zuvor bei einer anderen Kanzlei beschäftigt war, die in [X.]ezug auf diese Mandate die Gegenseite vertritt.
Die Mandatsniederlegung soll der Vermeidung einer widerstreitenden Interessenvertretung dienen. Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen ist in § 43 a der [X.]undesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: [X.]RAO), eingefügt durch Gesetz vom 2. September 1994 ([X.]G[X.]l I S. 2278), geregelt und in § 3 der [X.]erufsordnung für Rechtsanwälte vom 29. November 1996 ([X.]RAK-Mitt. 1996, S. 241; im Folgenden: [X.]) näher ausgestaltet. Die Vorschriften lauten:
§ 43 a [X.]RAO
Grundpflichten des Rechtsanwalts
(1) bis (3) ...
(4) Der Rechtsanwalt darf keine widerstreitenden Interessen vertreten.
(5) und (6) ...
§ 3 [X.]
Widerstreitende Interessen, Versagung der [X.]erufstätigkeit
(1) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er, gleich in welcher Funktion, eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise im Sinne der §§ 45, 46 [X.]undesrechtsanwaltsordnung beruflich befaßt war.
(2) Das Verbot gilt auch, wenn ein anderer Rechtsanwalt oder Angehöriger eines anderen [X.]erufes im Sinne des § 59 a [X.]undesrechtsanwaltsordnung, mit dem der Rechtsanwalt in Sozietät, zur gemeinschaftlichen [X.]erufsausübung in sonstiger Weise (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit) oder in [X.]ürogemeinschaft verbunden ist oder war, in derselben Rechtssache, gleich in welcher Funktion, im widerstreitenden Interesse berät, vertritt, bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise beruflich befaßt ist oder war.
(3) Wer erkennt, daß er entgegen den Absätzen 1 oder 2 tätig ist, hat unverzüglich davon seinen Mandanten zu unterrichten und alle Mandate in derselben Rechtssache zu beenden.
Diese Regelung entspricht weitgehend den früheren Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts, die durch [X.]eschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1987 ([X.]VerfGE 76, 171) als eine nicht hinreichende Grundlage für Eingriffe in die freie [X.]erufsausübung der Rechtsanwälte beanstandet worden waren. Nach den Standesrichtlinien war allerdings schon der Anschein der Vertretung widerstreitender Interessen zu vermeiden, weshalb es nicht darauf ankam, ob der die Kanzlei wechselnde Rechtsanwalt in der alten Kanzlei mit der fraglichen Rechtsangelegenheit jemals befasst gewesen war. Allein die Möglichkeit einer Zwielichtigkeit reichte aus, um die Nichtbefassung mit der Sache zur Standespflicht zu machen (vgl. [X.]/Hummel/Zuck/[X.], Kommentar zu den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts, 2. Aufl. 1988, § 46 Rn. 23). Mit der [X.]erufsrechtsnovelle 1994 nahm der Gesetzgeber das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen in Gestalt von § 43 a Abs. 4 [X.]RAO in das Gesetz auf. Nach der [X.]egründung zum Gesetzentwurf bedarf es der Regelung als Grundlage für das Vertrauensverhältnis zum Mandanten sowie zur Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und der im Interesse der Rechtspflege gebotenen Geradlinigkeit der anwaltlichen [X.]erufsausübung. Die anwaltliche [X.]erufspflicht gehe deshalb über die Strafbestimmung des § 356 StG[X.] hinaus (vgl. [X.]TDrucks 12/4993, S. 27). Die nähere Ausgestaltung wurde gemäß § 59 b Abs. 2 Nr. 1 [X.]uchstabe e [X.]RAO der [X.]erufsordnung überlassen, weil im Zusammenhang mit dem Entstehen immer größerer Kanzleien und überörtlicher Sozietäten sowie der zunehmenden anwaltlichen Spezialisierung praxisorientierte Leitlinien zu entwickeln seien (vgl. [X.]TDrucks 12/4993, S. 34 f.).
Dem Erlass von § 3 [X.] gingen längere kontroverse Diskussionen, insbesondere im Hinblick auf die Stellung der freien Mitarbeiter und der angestellten Rechtsanwälte, voraus (vgl. Protokoll über die 3. Sitzung der Satzungsversammlung bei der [X.]undesrechtsanwaltskammer vom 20. bis 21. April 1996, S. 23 ff.). In der Folgezeit wurde eine Änderung oder Ergänzung der Vorschrift erörtert (vgl. Protokoll über die 5. Sitzung der Satzungsversammlung vom 28. bis 29. November 1996, S. 7; Protokoll über die 6. Sitzung der Satzungsversammlung vom 5. bis 6. November 1998, S. 23 ff.) und schließlich eine Änderung des § 3 [X.] beschlossen; ein neuer Absatz 3 wurde eingefügt, der bisherige Absatz 3 wurde Absatz 4 (vgl. Protokoll über die 7. Sitzung der Satzungsversammlung vom 21. bis 22. März 1999, S. 16 ff.). In der Fassung vom 22. März 1999 ([X.]RAK-Mitt. 1999, S. 123) hat § 3 [X.] folgenden Wortlaut:
Widerstreitende Interessen, Versagung der [X.]erufstätigkeit
(1) und (2) ...
(3) Die Verbote der Abs. 1 und 2 gelten nicht, wenn eine Verbindung zur gemeinsamen [X.]erufsausübung beendet ist und der Rechtsanwalt während der [X.] gemeinsamer [X.]erufsausübung weder Sozius war noch wie ein solcher nach außen hervorgetreten ist und auch selbst mit der Rechtssache nicht befaßt war.
(4) ...
1. Die [X.]eschwerdeführer betreiben als Gesellschafter bürgerlichen Rechts in der Stadt [X.] eine Anwaltskanzlei. Ab 1. Oktober 1999 wurde Rechtsanwalt Dr. L. angestellt und auch im [X.]riefkopf neben den drei [X.] genannt. Zuvor war Dr. L. in der ebenfalls in [X.] ansässigen Sozietät W. D. & M. als angestellter Rechtsanwalt beschäftigt und auf dem [X.]riefbogen erwähnt. Im [X.]punkt des Wechsels bearbeiteten die beiden Kanzleien neun Fälle, in denen sie als Auftragnehmer jeweils die gegnerischen Parteien vertraten. Rechtsanwalt Dr. L. hat in der abgebenden Kanzlei keines dieser Mandate vor seinem Wechsel selbst bearbeitet. In der aufnehmenden Kanzlei wurde durch interne Weisungen sichergestellt, dass er mit diesen Rechtssachen nicht befasst wird. Das Gebühreninteresse der [X.]eschwerdeführer belief sich für diese Mandate auf knapp 85.000 DM.
Im [X.] an ein [X.]elehrungsschreiben stellte die zuständige Rechtsanwaltskammer fest, dass die Fortführung der Mandate, bei denen die abgebende Kanzlei auf der Gegenseite stehe, gegen § 3 [X.] verstoße, und verpflichtete die [X.]eschwerdeführer, die Mandatsniederlegungen schriftlich zu bestätigen. Die [X.]eschwerdeführer stellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der [X.]setzte zunächst durch einstweilige Anordnung den Vollzug der Verpflichtung aus und hob sodann die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer auf. Nach seiner Auffassung stellt § 3 Abs. 2 und 3 [X.] keine geeignete Rechtsgrundlage für einen Eingriff in die freie [X.]erufsausübung dar. Für die Konkretisierung des Tätigkeitsverbots bei einem Sozietätswechsel einzelner Rechtsanwälte, das von grundsätzlicher [X.]edeutung für die [X.]erufsausübung sei und zugleich die Interessen der Allgemeinheit an der Art und Weise anwaltlicher Tätigkeit berühre, fehle eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage, weshalb die Satzungsregelung unwirksam sei. Die Ausweitung des Vertretungsverbots auf [X.] und [X.]sei gesetzlich nicht fundiert. § 43 a Abs. 4 [X.]RAO wende sich ausschließlich an den einzelnen mandatierten Anwalt, ohne das Verbot auf Sozietäten zu erstrecken, wie es beispielsweise in § 45 Abs. 3 [X.]RAO geschehen sei. Darüber hinaus würden berechtigte [X.]elange der Mandanten missachtet, die eine bestimmte Sozietät beauftragt und auf die Anstellung eines Rechtsanwalts nach Auftragserteilung keinen Einfluss hätten. Rechtsanwalt Dr. L. werde als später [X.] Scheinsozius nicht zum Vertragspartner dieser Mandanten.
Der [X.]undesgerichtshof hob mit dem angegriffenen [X.]eschluss die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs auf und bestätigte die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer (NJW 2001, S. 1572). Zur [X.]egründung führte er aus, die Verpflichtung zur Niederlegung der Mandate ergebe sich unmittelbar aus § 43 a Abs. 4 [X.]RAO. In diesem Sinne sei auch § 3 Abs. 2 und 3 [X.] auszulegen. Jeder Rechtsanwalt einer Sozietät handele regelmäßig namens der Sozietät, auch wenn er das Mandat nicht persönlich bearbeite. Die Vertretung im Sinne des § 43 a Abs. 4 [X.]RAO sei im weitesten Sinne zu verstehen und setze ein [X.]earbeiten nicht voraus. Das gelte auch für den so genannten Außensozius, weil er den Auftraggebern in gleicher Weise wie die [X.] hafte. In Ansehung des Schutzzwecks von § 43 a Abs. 4 [X.]RAO gelte nichts anderes. Die Erstreckung des für einen Rechtsanwalt geltenden Tätigkeitsverbots auf alle [X.], auch die Scheinsozien, sei von jeher anerkannt und beuge dem berechtigten Misstrauen der Mandanten vor. Zwar werde hierdurch die Möglichkeit eines [X.]s erschwert; der Schutz des Vertrauens der Mandanten in die Unabhängigkeit ihres Rechtsanwalts und in die Integrität der Rechtspflege habe indessen Vorrang.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die [X.]eschwerdeführer im Wesentlichen die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. § 43 a Abs. 4 [X.]RAO sei als Rechtsgrundlage für den Eingriff nicht einschlägig, da sich diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur an den einzelnen Rechtsanwalt wende. Anders als in § 45 Abs. 3 und § 46 Abs. 3 [X.]RAO fehle eine Erstreckungsregelung auf [X.]. Abweichend von den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts habe der Gesetzgeber auch nicht mehr dem Anschein der Vertretung widerstreitender Interessen entgegentreten wollen. Deshalb sei § 3 [X.] von der Ermächtigungsnorm nicht gedeckt. Ein derart einschneidendes Verbot habe auch wesentliche [X.]edeutung für die [X.]erufsausübung der Anwaltschaft und hätte deshalb vom Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen.
3. Der Antrag der [X.]eschwerdeführer, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung des [X.]eschlusses des [X.] auszusetzen, hatte Erfolg, nachdem die von dem Wechsel betroffenen Mandanten beider Kanzleien keine widerstreitenden Interessen gesehen und sich mit der Fortführung der Mandate ausdrücklich einverstanden erklärt hatten ([X.]VerfG, 2. Kammer des [X.], NJW 2001, S. 1562). Inzwischen sind die vom Tätigkeitsverbot erfassten Streitigkeiten abgeschlossen.
4. Das [X.]undesministerium der Justiz sowie der Präsident des [X.] haben von einer Äußerung in der Sache abgesehen. Zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen haben die [X.]undesrechtsanwaltskammer, die [X.]undesnotarkammer, der [X.] [X.]bund, der [X.] und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein sowie die [X.]eklagte des Ausgangsverfahrens.
a) [X.]undesrechtsanwaltskammer und [X.]undesnotarkammer halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Auslegung von § 43 a Abs. 4 [X.]RAO durch den [X.]undesgerichtshof sei nicht zu beanstanden. Letztlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl zwischen den Rechtsanwälten der abgebenden Kanzlei als auch zwischen den Rechtsanwälten der aufnehmenden Kanzlei ein Transfer sensiblen Wissens bezüglich der betroffenen Mandate erfolgt sei oder noch stattfinde. Neben den haftungsrechtlichen Problemen des Sozietätswechslers seien die [X.]elange des Gemeinwohls in Gestalt der Mandanteninteressen, des Erhalts des Ansehens der Anwaltschaft und der Integrität der Rechtspflege zu berücksichtigen. In der abgebenden Kanzlei sei eine Mandatskündigung kein geeignetes Mittel, da das abgewanderte Insiderwissen nicht rückholbar sei. Der Verweis auf die fortbestehende Verschwiegenheitspflicht genüge angesichts des äußeren [X.]ildes und des hierdurch hervorgerufenen [X.]nicht, zumal die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht von keinem der Mandanten überwacht werden könne. Das Ohnmachtsgefühl erschüttere das Vertrauen in die Verschwiegenheit, die Interessenkollisionsfreiheit und Unabhängigkeit der Anwaltschaft. Dem könne nur mit einer berufsrechtlichen Pflicht zur Mandatsniederlegung in der aufnehmenden Kanzlei begegnet werden. Die [X.]eeinträchtigung der [X.]erufsfreiheit der aufnehmenden Sozietät sei zumutbar. Es stehe der Kanzlei frei, ihren Mitarbeiterkreis durch geeignete Personen ihrer Wahl zu erweitern. Man sei nicht auf einen durch Vormandate belasteten Kanzleiwechsler angewiesen. Auch der Wechsler selbst werde allenfalls geringfügig in seiner Freiheit eingeschränkt. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich, weil das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht zur Disposition der jeweiligen Mandanten stehe, soweit es auch dem Interesse der Rechtspflege an der gebotenen Geradlinigkeit anwaltlicher [X.]erufsausübung diene.
b) Dem schließt sich die [X.]eklagte des Ausgangsverfahrens an. Trotz teilweise geänderter Verhältnisse seien die früheren Argumente weiterhin tragfähig. Zur Vermeidung des bösen Scheins sei die Pflicht zur Niederlegung der Mandate im vorliegenden Fall zu Recht bejaht worden. In der anwaltlichen Praxis gebe es einen Wissenstransfer durch wechselseitige Vertretung, durch [X.]eratung mit [X.]egen, durch [X.] und gemeinsame Veranstaltungen, so dass der Schutz der Vertrauenserwartung des Mandanten nahezu bei jedem Sozietätswechsel berührt sei.
c) Diese Auffassung teilt auch der [X.] [X.]bund, der allerdings die erhebliche Erschwerung eines Wechsels zwischen Sozietäten bei einer Prüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG für problematisch hält. Auf eine konkrete [X.]etrachtungsweise, insbesondere hinsichtlich des Kenntnisstandes und der Vorbefassung des wechselnden Rechtsanwalts, dürfe aber nicht abgestellt werden, weil im Interesse des Vertrauens in eine geordnete Rechtspflege ein strenger Maßstab nicht unverhältnismäßig sei.
d) Demgegenüber halten der [X.] und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein die Verfassungsbeschwerde für begründet. Abweichend von anderen Normen verpflichte § 43 a Abs. 4 [X.]RAO nur den Anwalt selbst, nicht aber die Sozietät als Ganzes. Mit dem Wortlaut dieser Vorschrift sei die Auslegung des [X.] nicht zu vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts könne die Rechtsetzungskompetenz für Vertretungsverbote durch Sozietätswechsler nicht auf den Satzunggeber übertragen werden, da neben den Interessen der Rechtsanwälte, die selbst empfindlich in ihrer [X.]erufsausübungsfreiheit betroffen seien, auch Mandanteninteressen und das Vertrauen in die Anwaltschaft insgesamt berührt würden. Das im Wege der Auslegung erweiterte Verbot sei jedenfalls unverhältnismäßig. Insbesondere werde die [X.]erufsausübung junger Anwälte übermäßig behindert. Sowohl große überörtliche Sozietäten als auch kleinere Sozietäten in mittelgroßen Städten hätten häufig in gleichen Sachen Mandanten auf verschiedenen Seiten. Für junge Anwälte sei ein Sozietätswechsel für das Fortkommen von großer [X.]edeutung. Führe der Wechsel zur Notwendigkeit der Niederlegung von Mandaten mit erheblichen Gebührenaufkommen, würde ein solcher Wechsel sehr erschwert. Die jungen Anwälte würden faktisch an die erste anstellende Sozietät gebunden. Mit der entsprechenden Zustimmung der Mandanten könne ein Vertrauensverlust ausgeschlossen werden; ein allgemeiner Ansehensverlust für die Anwaltschaft sei nicht nachvollziehbar, zumal es primär auf die Wahrung der Verschwiegenheitspflicht ankomme. Im Übrigen sei zu beachten, dass es auch legitime Interessen der Mandanten an der Fortführung der Mandate durch den Anwalt ihres Vertrauens gebe.
e) Auf Veranlassung der [X.]undesrechtsanwaltskammer und des [X.] hat die [X.] Delegation beim Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft ergänzend unterschiedliche europäische Ansätze zur Konfliktlösung beim Sozietätswechsel dargestellt.
[X.] ist begründet.
Die angegriffene Entscheidung bestätigt eine gegen die [X.]eschwerdeführer gerichtete Verfügung der Rechtsanwaltskammer. Ob eine solche Verfügung schon deshalb rechtswidrig sein könnte, weil es der Rechtsanwaltskammer an einer Rechtsgrundlage fehlt, [X.]erufspflichtverletzungen mit dem Erlass von Ge- und Verboten zu begegnen (vgl. [X.]GH, [X.], S. 418 mit ablehnender Anmerkung von [X.]), bedarf vorliegend keiner Vertiefung. Denn die an die [X.]eschwerdeführer gerichtete Aufforderung der Rechtsanwaltskammer, die Mandate niederzulegen, findet der Sache nach im Gesetz keine der Verfassung entsprechende Grundlage. Die dem § 43 a Abs. 4 [X.]RAO durch den [X.]undesgerichtshof gegebene Auslegung verletzt die [X.]eschwerdeführer in ihrer [X.]erufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ([X.]). Die vom [X.]undesgerichtshof bestätigend herangezogene Vorschrift des § 3 Abs. 2 [X.] ist aus diesem Grund nichtig (I[X.]); hingegen ermöglicht § 43 a Abs. 4 [X.]RAO eine der Verfassung entsprechende Auslegung und Anwendung.
1. Die Vertretung von Mandanten ist ein wesentlicher Teil der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten anwaltlichen [X.]erufsausübung.
Anwälte streiten berufsmäßig für die Interessen ihrer Mandanten, die ihrerseits frei sind, den ihnen zusagenden Rechtsvertreter zu wählen und zu mandatieren. Das personale Vertrags- und Vertrauensverhältnis betrifft einen [X.]eruf, der staatliche Kontrolle und [X.]evormundung prinzipiell ausschließt (vgl. [X.]VerfGE 34, 293 <302>) und unter der [X.] der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des Einzelnen überantwortet ist, soweit sie nicht durch verfassungsgemäße Regelungen beschränkt ist (vgl. [X.]VerfGE 50, 16 <29>). Ihre eigenständige und unabhängige Funktion in der Durchsetzung des Rechts nehmen die Rechtsanwälte gerade in [X.]ezug auf ihre jeweiligen Mandanten wahr.
Das in erster Linie durch persönliche und eigenverantwortliche Dienstleistung charakterisierte Verhältnis zum Mandanten wird durch berufliche Zusammenschlüsse nicht aufgehoben oder wesentlich verändert (so für den Strafverteidiger [X.]VerfGE 43, 79 <91 f.>). Gesetzliche Einschränkungen der beruflichen [X.]etätigung treffen den einzelnen Anwalt persönlich und sind in erster Linie den Interessen der Mandanten geschuldet. Diesem Mandatsverhältnis dienen die in § 43 a [X.]RAO normierten Grundpflichten des Rechtsanwalts. Dazu zählen insbesondere die strafbewehrte (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StG[X.]) und durch ein Zeugnisverweigerungsrecht geschützte (§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, § 53 StPO, § 84 Abs. 1 FGO i.V.m. § 102 AO) Pflicht zur Verschwiegenheit nach § 43 a Abs. 2 Satz 1 [X.]RAO sowie das ebenfalls in bestimmten [X.]egehungsformen strafbewehrte (vgl. § 356 StG[X.]) Verbot in § 43 a Abs. 4 [X.]RAO, widerstreitende Interessen zu vertreten. In Verbindung mit dem in § 43 a Abs. 1 [X.]RAO enthaltenen Gebot, dass der Rechtsanwalt keine [X.]indungen eingehen darf, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden, garantieren diese Grundpflichten dem Mandanten, dass ihm als Rechtsuchendem unabhängige Anwälte als berufene [X.]erater und Vertreter gegenüber dem Staat oder gegenüber Dritten zur Seite stehen (vgl. §§ 1, 3 [X.]RAO).
2. Der Eingriff in die [X.]erufsausübungsfreiheit der [X.]eschwerdeführer in Gestalt der Verpflichtung zur [X.]eendigung eines Mandats darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen (vgl. § 3 Abs. 2 [X.]RAO), das den Anforderungen von Art. 12 Abs. 1 GG genügt.
a) An einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung der Pflicht zur Mandatsbeendigung für Sozietäten fehlt es. § 43 a Abs. 4 [X.]RAO bezieht sich auf den Einzelanwalt, der in derselben Sache nicht Parteien mit gegenläufigem Interesse vertreten darf. Die Wortfassung ist von besonderer [X.]edeutung, weil dasselbe Gesetz an anderer Stelle die Erstreckung von Verboten auf die mit dem Rechtsanwalt in Sozietät oder sonstiger Weise zur gemeinschaftlichen [X.]erufsausübung verbundenen Rechtsanwälte im Wortlaut vorsieht (§ 45 Abs. 3 und § 46 Abs. 3 [X.]RAO).
b) Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung bedeutet allerdings nicht notwendig, dass eine die [X.]erufsausübung einschränkende Verfügung und eine sie bestätigende Gerichtsentscheidung den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG widersprechen. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, die Grenzen richterlicher Rechtsauslegung und -fortbildung bei Einschränkungen der freien [X.]erufsausübung allgemein und abschließend festzulegen. Die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Methode ist Sache der Fachgerichte. Auch aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG angeordneten Vorrang des Gesetzes folgt kein Verbot für den [X.], gegebenenfalls vorhandene gesetzliche Lücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen.
Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes jedoch die [X.]edeutung des betroffenen Grundrechts und den Umfang seines Schutzbereichs zu beachten. Sie müssen eine unverhältnismäßige [X.]eschränkung der grundrechtlichen Freiheit vermeiden. Die Gerichte sind, wenn sie Einschränkungen der grundsätzlich freien [X.]erufsausübung für geboten erachten, an dieselben Maßstäbe gebunden, die nach Art. 12 Abs. 1 GG den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einschränken (vgl. [X.]VerfGE 54, 224 <235>; 97, 12 <27>).
3. Dem wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht, die Rechtsanwälte oder Anwaltssozietäten zur [X.]eendigung eines Mandats verpflichtet, obwohl diese zuvor selbst die widerstreitenden Interessen auf der Gegenseite nicht vertreten haben und sie auch nicht zu vertreten beabsichtigen. Eine solche [X.]erufsausübungseinschränkung, die damit begründet wird, dass sich die Rechtsanwälte zur [X.]erufsausübung mit einem Anwalt verbinden, der zuvor auf der Gegenseite angestellt war, kann vor Art. 12 Abs. 1 GG nur [X.]estand haben, wenn das Verbot durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und der Eingriff nicht weiter geht, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. [X.]VerfGE 54, 301 <313>). [X.] und Eingriffsintensität müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. [X.]VerfGE 101, 331 <347>).
a) Ersichtlich dient § 43 a Abs. 4 [X.]RAO der Wahrung des Vertrauensverhältnisses zum eigenen Mandanten und der Sicherung der Unabhängigkeit insoweit, als ein Anwalt, der sich zum Diener gegenläufiger Interessen macht, jegliche unabhängige Sachwalterstellung im Dienste des Rechtsuchenden verliert.
aa) Es ist hier nicht darüber zu entscheiden, welche Folgerungen zu ziehen wären, wenn der die Sozietät wechselnde Rechtsanwalt das "widerstreitende" Mandat selbst betreut, es gar in die aufnehmende Kanzlei einbringt. Nicht zu behandeln sind auch Fälle, in denen der bekannt gewordene Sozietätswechsel die Mandanten in ihrem Vertrauen tatsächlich erschüttert, so dass sie das Mandatsverhältnis zur abgebenden oder zur aufnehmenden Kanzlei von sich aus beenden. Des Weiteren steht hier nicht zur Entscheidung, wie zu verfahren ist, wenn durch den Sozietätswechsel die Verschwiegenheitspflicht des § 43 a Abs. 2 [X.]RAO gefährdet oder verletzt würde. Dafür bieten die Ausgangsverfahren keine Anhaltspunkte.
bb) Wenn die vom Sozietätswechsel betroffenen Mandanten beider Seiten das Vertrauensverhältnis zu ihren jeweiligen Rechtsanwälten nicht als gestört ansehen und mit einer Fortführung der eigenen ebenso wie der gegnerischen Mandate einverstanden sind, können der Schutz anwaltlicher Unabhängigkeit und der Erhalt des konkreten Vertrauensverhältnisses zum Mandanten nicht als Gemeinwohlgründe angeführt werden.
b) § 43 a Abs. 4 [X.]RAO dient aber nicht nur dem Schutz des individuellen Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant und der Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts, sondern darüber hinaus dem Gemeinwohl in Gestalt der Rechtspflege, die auf eine Geradlinigkeit der anwaltlichen [X.]erufsausübung angewiesen ist (vgl. [X.]TDrucks 12/4993, S. 27), also darauf, dass ein Anwalt nur einer Seite dient. Alle diese [X.]elange treten nebeneinander und bedingen einander.
aa) Als unabhängige Organe der Rechtspflege und als berufene [X.]erater und Vertreter der Rechtsuchenden haben Anwälte die Aufgabe, sachgerechte Konfliktlösungen herbeizuführen, vor Gericht zugunsten ihrer Mandanten den Kampf um das Recht zu führen und dabei zugleich staatliche Stellen möglichst vor Fehlentscheidungen zu Lasten ihrer Mandanten zu bewahren (vgl. [X.]VerfGE 76, 171 <192>). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus. Diese Eigenschaften stehen nicht zur Disposition der Mandanten. Der Rechtsverkehr muss sich darauf verlassen können, dass der [X.]des § 43 a [X.]RAO befolgt wird, damit die angestrebte Chancen- und Waffengleichheit der [X.]ürger untereinander und gegenüber dem Staat gewahrt wird und die Rechtspflege funktionsfähig bleibt (vgl. [X.]VerfGE 63, 266 <284>; 93, 213 <236>).
Dies bedeutet indessen nicht, dass die Definition, was den Interessen des eigenen Mandanten und damit zugleich der Rechtspflege dient, abstrakt und verbindlich von Rechtsanwaltskammern oder Gerichten ohne Rücksicht auf die konkrete Einschätzung der hiervon betroffenen Mandanten vorgenommen werden darf. Kann sich durch einen Sozietätswechsel bei generalisierender [X.]etrachtung eine Gefahr für die Verschwiegenheit und die geradlinige Interessenvertretung ergeben, kommt die Einschätzung, ob eine Rechtsbeeinträchtigung konkret droht, in erster Linie den Mandanten beider Kanzleien zu, die deshalb wahrheitsgemäß und umfassend zu informieren sind. Daneben liegt es in der gesetzesgeleiteten verantwortlichen Einschätzung der betroffenen Rechtsanwälte, ob die Konfliktsituation oder doch jedenfalls das Ziel der Vermeidung zukünftiger Störungen des Vertrauensverhältnisses eine Mandatsniederlegung gebietet (vgl. das in der Stellungnahme der [X.]n Delegation beim Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaft erwähnte Institut der délicatesse im französischen Recht, das den Grad an eigenverantwortlicher Selbsteinschätzung des Rechtsanwalts umschreibt). Ein verantwortlicher Umgang mit einer solchen Situation kann von einem Rechtsanwalt ebenso erwartet werden wie von einem [X.] bei der Offenlegung von Gründen zur Selbstablehnung (vgl. § 19 Abs. 3 [X.]VerfGG und hierzu [X.]VerfGE 46, 34 <41 f.>).
Soweit die [X.]undesnotarkammer in ihrer Stellungnahme davon ausgeht, das wirtschaftliche Interesse eines Rechtsanwalts, ein Mandat fortzuführen, nehme ihm die nötige Unabhängigkeit und Unparteilichkeit für ein am Maßstab des § 43 a Abs. 4 [X.]RAO ausgerichtetes gesetzeskonformes Handeln, entspricht dies nicht der gesetzgeberischen Einschätzung. Der Gesetzgeber bezeichnet die Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege (§ 1 [X.]RAO). Auf deren Integrität, Professionalität und Zuverlässigkeit ist die Rechtspflege angewiesen (vgl. [X.]VerfGE 87, 287 <320>). Das Gesetz geht nicht davon aus, dass ein berufswürdiges und gesetzeskonformes Handeln der Rechtsanwälte nur im Wege der Einzelkontrolle oder mit Mitteln des Strafrechts gewährleistet werden kann. Das anwaltliche [X.]erufsrecht beruht auch nicht auf der Annahme, dass eine situationsgebundene Gelegenheit zur Pflichtverletzung im Regelfall pflichtwidriges Handeln zur Folge hat.
bb) In tatsächlicher Hinsicht können die Fallgestaltungen, auf die sich die Verbotsnorm des § 43 a Abs. 4 [X.]RAO bezieht, sehr vielseitig sein (vgl. hierzu Zuck, NJW 1999, S. 263 <265>; Henssler, NJW 2001, S. 1521 <1525 f.>; Müller, Anw[X.]l 2001, S. 491 <493>; Schlosser, NJW 2002, S. 1376 <1379 f.>). So kann die Arbeitsteilung in der abgebenden Kanzlei durch räumliche Trennung (bei überörtlichen Sozietäten und bei [X.]ürogemeinschaften), durch organisatorische Vorkehrungen (chinese wall), durch Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses (Sozius, Angestellter oder freier Mitarbeiter), durch die schiere Größe oder die fachliche Abschottung der verschiedenen [X.]ereiche einer Kanzlei (beispielsweise [X.]aurecht, Familienrecht, Patentrecht) gewährleisten, dass die Verschwiegenheitspflicht schon deshalb nicht gefährdet ist, weil es für den wechselnden Anwalt nichts zu verschweigen gibt.
Die gesetzliche Pflicht zur Verschwiegenheit und das Vertrauen der Mandanten in die Verschwiegenheit des einzelnen Anwalts kommen erst zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt über geheimhaltungsbedürftige Informationen verfügt. Diese können dem Rechtsanwalt die innere Unabhängigkeit nehmen oder den Mandanten verunsichern und deshalb zur [X.]eendigung des Mandats durch Auftragnehmer oder Auftraggeber führen. Möglicherweise hält aber ein Mandant der abgebenden Kanzlei solche Kenntnisse über Sachverhalt und Rahmenbedingungen oder von [X.] im konkreten Fall für unschädlich, sofern der wechselnde Rechtsanwalt in der aufnehmenden Kanzlei von jeder Rechtsbesorgung (im Sinne von beraten, unterstützen, vertreten) fern gehalten wird. Auf die Verschwiegenheit ihrer Anwälte sind Mandanten bei einem Sozietätswechsel in derselben Weise angewiesen wie in den Fällen, in denen der eigene Anwalt bei späteren und anderen Auseinandersetzungen von der Gegenseite mandatiert wird.
cc) Im Interesse der Rechtspflege sowie eindeutiger und geradliniger Rechtsbesorgung verlangt § 43 a Abs. 4 [X.]RAO lediglich, dass im konkreten Fall die Vertretung widerstreitender Interessen vermieden wird. Soweit die vom [X.] unterrichteten und beiderseits betroffenen Mandanten einen solchen Widerstreit nicht befürchten und Vertrauen in die getroffenen Vorkehrungen sowie die Verschwiegenheit ihrer Anwälte zeigen, besteht im Interesse der Rechtspflege nur Anlass zum Eingreifen, wenn hierfür sonstige Indizien sprechen, die den Mandanten verborgen geblieben oder von ihnen unzutreffend eingeschätzt worden sind. Die Rechtsanwaltskammern sind insoweit berechtigt und verpflichtet, allen Hinweisen nachzugehen. Eine Vermutung oder einen Anschein pflichtwidrigen Verhaltens dürfen sie indessen ihren Maßnahmen nicht zugrunde legen. Die [X.]undesrechtsanwaltsordnung knüpft an solche abstrakten Gefährdungen der Rechtspflege nur in Ausnahmefällen an (vgl. § 7 Nr. 9 und 10). Dem entspricht die Fassung von § 43 a Abs. 4 [X.]RAO nicht.
c) Diesen Grundsätzen wird die an § 3 Abs. 2 [X.] ausgerichtete Auslegung von § 43 a Abs. 4 [X.]RAO durch den [X.]undesgerichtshof nicht gerecht. Sie beschränkt die Freiheit der [X.]erufsausübung in der aufnehmenden Kanzlei über das zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter erforderliche Maß hinaus, weil sie die Möglichkeit verstellt, den [X.]esonderheiten des jeweiligen Falles Rechnung zu tragen. § 43 a Abs. 4 [X.]RAO gebietet eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung aller [X.]elange unter besonderer [X.]erücksichtigung der konkreten Mandanteninteressen.
§ 3 Abs. 2 [X.], der keinen Raum für eine Einzelabwägung lässt, ist aus diesem Grund in der ursprünglichen wie in der Fassung späterer [X.]ekanntmachungen mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig. Die Vorschrift vernachlässigt nicht nur die Interessen der Mandanten; sie berücksichtigt - soweit die [X.]efugnis zur Ausgestaltung nach § 59 b Abs. 2 Nr. 1 [X.]uchstabe e [X.]RAO reicht - auch weder die [X.]erufsausübungsfreiheit des die Sozietät wechselnden Rechtsanwalts noch die der Mitglieder der aufnehmenden Sozietät in hinreichendem Maße.
1. a) Art. 12 Abs. 1 GG schützt jede berufliche Tätigkeit, gleichgültig ob sie selbständig oder unselbständig ausgeübt wird (vgl. [X.]VerfGE 7, 377 <398 f.>; 54, 301 <322>). Zur [X.]erufsausübung gehört das Recht, sich beruflich zusammenzuschließen (vgl. [X.]VerfGE 80, 269 <278>), aber auch das Recht, einen Arbeitsplatz nach eigener Wahl anzunehmen, beizubehalten oder aufzugeben (vgl. [X.]VerfGE 85, 360 <372 f.>; 97, 169 <175>). Ein Eingriff liegt auch vor, wenn die wirtschaftlichen Folgen von Rechtsnormen die Eingehung von Arbeitsverhältnissen wesentlich erschweren.
b) Die Möglichkeit des Sozietätswechsels ist für die Anwaltschaft zunehmend von [X.]edeutung.
Der [X.]eruf des Rechtsanwalts wird nicht mehr fast ausschließlich allein in eigener Kanzlei oder gemeinsam mit nur wenigen selbständigen Partnern ausgeübt (vgl. [X.]usse, NJW 1999, S. 3017). Etwa 7.000 Rechtsanwälte arbeiten in großen Sozietäten mit 30 bis 500 Rechtsanwälten zusammen; fast 20.000 Rechtsanwälte gehen in Sozietäten mit 4 bis 30 Rechtsanwälten ihrem [X.]eruf nach (vgl. Heussen, Anwalt 2003, Heft 5, S. 16 f.). Viele von ihnen arbeiten im Angestelltenverhältnis oder sie sind freie Mitarbeiter (vgl. [X.], Anwalt 2002, Heft 11, S. 8 ff.). Mittlere Kanzleien gehen überörtliche Sozietäten ein oder benennen feste Kooperationspartner in anderen Regionen oder im europäischen Ausland. In welchem Maße einem jungen [X.]erufseinsteiger Gelegenheit zur Spezialisierung in einer größeren Kanzlei geboten wird und in welchem Umfang er mit sonstigen Mandaten in der Kanzlei in [X.]erührung kommt, hängt von der jeweiligen [X.] ab.
Zugleich hat die Spezialisierung unter den Rechtsanwälten zugenommen. Etwa 14 vom Hundert führen eine Fachanwaltsbezeichnung; andere zeigen durch die Wahl von Tätigkeitsschwerpunkten an, welche Ausschnitte des Rechts sie mit Vorzug bearbeiten (vgl. [X.]RAK-Mitt. 2002, S. 122). Selbst für hochspezialisierte Rechtsanwälte etwa im Recht der Gentechnologie, im Kartell- und Vergaberecht oder im [X.]örsenrecht kommt noch ein [X.] in [X.]etracht; er beschränkt sich indessen auf einen kleinen Kreis von Kanzleien, die nicht selten in früheren oder noch anhängigen Verfahren die Gegenseite vertreten haben oder vertreten. Solchen [X.]eschränkungen unterliegen, worauf der [X.] und die [X.]eklagte des Ausgangsverfahrens hingewiesen haben, auch junge Anwälte mit örtlicher [X.]indung in Kleinstädten und im ländlichen Raum.
Ein [X.] ist keine Seltenheit mehr. Das [X.]ild der ein [X.]erufsleben lang andauernden Zusammenarbeit weniger Rechtsanwälte ist stark von Verhältnissen geprägt, die der Vergangenheit angehören. Nicht nur angestellte Rechtsanwälte, sondern auch [X.] suchen inzwischen vermehrt durch [X.] ihre Einkommens- oder Karrierechancen zu verbessern (vgl. [X.], Anwalt 2002, Heft 11, S. 8 <9>; vgl. auch [X.], Rechtsanwaltssozietäten und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, 1997, S. 130). Die Möglichkeit der Mobilität hat demnach für den Einzelnen an Gewicht gewonnen.
2. Schon wenn sich durch den Vertragsschluss die Partner selbst wechselseitig in ihrer beruflichen Handlungsfreiheit beschränken, indem sie einem der Vertragschließenden den Arbeitsplatzwechsel erheblich erschweren ([X.]), sind die Rechtsfolgen anhand des Maßstabs des Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen (vgl. [X.]VerfGE 81, 242). Von vergleichbarem Gewicht ist eine Satzungsregelung wie § 3 Abs. 2 [X.], die unabhängig von eigener Einflussnahme durch die Handelnden den [X.]erufswechsel erschwert, weil der aufnehmenden Kanzlei grundsätzlich die Mandatsniederlegung und damit der Verzicht auf Einnahmen zugemutet wird. Die hiermit verbundenen [X.]eeinträchtigungen der [X.]erufsausübungsfreiheit dürfen nicht weiter gehen als vom [X.] her unumgänglich.
3. § 3 Abs. 2 [X.] beschränkt die Nachteile für die aufnehmende Sozietät nicht auf das zum Schutz von [X.] erforderliche Minimum. Die Vorschrift enthält keine Regeln, die eine Prüfung im Einzelfall ermöglichen, ob Sicherungen zur Wahrung des Vertrauens in die [X.]eachtung der Verschwiegenheitspflicht bestehen.
In der ursprünglichen Fassung kannte § 3 Abs. 2 [X.] überhaupt keine Ausnahmen zugunsten bestimmter Kooperationsformen; das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen aus § 43 a [X.]RAO wurde einschränkungslos auf alle Anwälte erstreckt, sofern sie zu der abgebenden Kanzlei in irgendeiner Rechtsbeziehung gestanden hatten. [X.], Angestellte, freie Mitarbeiter oder in [X.]ürogemeinschaft verbundene Personen wurden gleich behandelt. Inzwischen mildert § 3 Abs. 3 [X.] in der Fassung von 1999 die Rechtsfolgen für Angestellte im Innenverhältnis ab, sofern sie mit der Rechtssache tatsächlich nicht befasst waren. Aber auch nach dieser Änderung bleibt § 3 Abs. 2 [X.] unverhältnismäßig.
Wie oben dargelegt ist das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, geeignet und erforderlich, im Interesse von Mandanten und Rechtspflege die mit dem Gesetz bezweckten Ziele zu erreichen. In welchem Ausmaß das Verbot aber auf Dritte zu erstrecken ist, mit denen der tatsächlich mandatierte Rechtsanwalt zusammenarbeitet oder zusammengearbeitet hat, muss unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit austariert werden. Die für die Außenhaftung und für die Außenvollmacht entwickelten Grundsätze der zivilgerichtlichen Rechtsprechung, die Mandanten und Rechtsverkehr eine erleichterte Zurechnung ermöglichen (vgl. [X.]GHZ 56, 355), können insofern nicht maßgeblich sein. Denn der Schutzzweck des § 43 a Abs. 4 [X.]RAO ist - wie unter [X.] dargelegt - ein anderer. Auch aus der [X.]erufsordnung, die es in § 8 gestattet, freie Mitarbeiter durch Aufnahme in den [X.]riefkopf zu Außensozien zu machen, lassen sich keine Abwägungskriterien gewinnen. Diese Regelung dient der Selbstdarstellung der abgebenden Kanzlei und hat nicht den Interessenwiderstreit nach einem Sozietätswechsel im [X.]lick. Für die hier zu beurteilende Frage ist demgegenüber entscheidend, welcher Informationsfluss zwischen Rechtsanwälten stattfindet, die lediglich in [X.]ürogemeinschaft verbunden sind. Das hängt aber von der Organisation und der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Anwälten ab.
Undifferenziert an diese formalen Außenbeziehungen ein Mobilitätshindernis zu knüpfen, weil beim Wechsel in eine andere Kanzlei die gegnerischen Mandate auch dann niederzulegen sind, wenn der freie Mitarbeiter nur eng umgrenzte Einzelaufgaben, möglicherweise sogar am heimischen Arbeitsplatz wahrgenommen oder in der [X.]ürogemeinschaft kein Wissenstransfer stattgefunden hat, ist unangemessen. Die Norm des § 3 Abs. 2 [X.] trägt den typischen Merkmalen überörtlicher Sozietäten und europaweiten Kooperationen, insbesondere den Vertragsgestaltungen bei [X.]ürogemeinschaften, sowie den theoretischen und praktischen Möglichkeiten der Abschottung in der aufnehmenden Kanzlei nicht ausreichend Rechnung. Der Sozietätswechsel darf nicht erschwert werden, wenn hinreichend gesichert ist, dass Pflichtverletzungen nicht zu besorgen sind. Diese Prüfung im Einzelfall aber sieht § 3 Abs. 2 [X.] nicht vor.
Im Ergebnis folgt daraus eine unverhältnismäßige Erschwerung des [X.]s, weil die aufnehmende Kanzlei finanzielle Einbußen nur dann in Kauf nehmen wird, wenn sie ein ganz besonderes Interesse an der Hinzugewinnung der neuen Arbeitskraft hat. Noch gravierender sind die Auswirkungen, wenn der Sozietätswechsel nicht freiwillig und langfristig geplant erfolgt, weil es unvorhergesehen zu einer Trennung der [X.], zu einer Auflösung oder Abspaltung von Kanzleien oder zu wirtschaftlichen Engpässen bei der abgebenden Kanzlei kommt. In derartigen Fällen kann die [X.]erufsausübungsregelung eine [X.] lang Folgen haben, die einer [X.]erufswahlregelung nahe kommen. [X.]is zur Abwicklung der Altmandate wird sich insbesondere dann selten eine aufnehmende Kanzlei finden, wenn der Kreis der denkbaren [X.] oder Arbeitgeber durch einen hohen Spezialisierungsgrad eng gezogen ist. Solche einschneidenden Folgen für die [X.]erufsausübung verlangen ausreichend gewichtige Interessen auf Seiten der Mandanten oder der Rechtspflege, die nach den Ausführungen oben unter [X.]. [X.] nicht ausnahmslos und ohne Rücksicht auf typisierbare Fallvarianten unterstellt werden dürfen.
Auch ohne Änderung der [X.]erufsordnung wird der [X.]undesgerichtshof, an den der Rechtsstreit zurückverwiesen wird, entscheiden können. § 43 a Abs. 4 [X.]RAO ist hinreichend bestimmt, um die noch notwendige Sach- und Kostenentscheidung zu ermöglichen.
Papier | [X.] | [X.] |
Hömig | [X.] | Hohmann-Dennhardt |
[X.] | [X.]ryde |
Meta
03.07.2003
Sachgebiet: BvR
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 03.07.2003, Az. 1 BvR 238/01 (REWIS RS 2003, 2499)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 2499 BVerfGE 108, 150-169 REWIS RS 2003, 2499
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