Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Verfassungswidrigkeit des an Anwaltsnotare in überörtlichen Sozietäten gerichteten Verbots der Angabe der Amtsbezeichnung als Notar in Geschäftspapieren, die nicht von der Geschäftsstelle des Notars aus versandt werden (§ 29 Abs. 3 Satz 1 BNotO)
L e i t s a t z
zum Beschluss des [X.] vom 8. März 2005
- 1 BvR 2561/03 -
§ 29 Abs. 3 Satz 1 der [X.] ist mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit [X.] in ü[X.]örtlichen Sozietäten untersagt wird, die Amtsbezeichnung als Notar auf Geschäftspapieren anzugeben, die nicht von der Geschäftsstelle des Notars aus versandt werden.
[X.]
- 1 BvR 2561/03 -
des Notars [X.]...
1. unmittelbar gegen
a) | den Beschluss des [X.] vom 27. Novem[X.] 2003 - Not 11/03 -, |
b) | den Beschluss der Notarkammer [X.] vom 7. August 2003 - 2003/013 -, |
c) | die Ermahnung der Notarkammer [X.] vom 12. Mai 2003 - 2003/013 -, |
2. | mittelbar gegen § 29 Abs. 3 Satz 1 erste Alternative der [X.] ([X.]) in der Fassung des [X.] zur Änderung der [X.] und anderer Gesetze vom 31. August 1998 ([X.] I S. 2585, [X.]. [X.] 1999 I S. 194) |
hat das [X.] - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Präsidenten Papier,
der Richterin [X.],
der Richter Hömig,
[X.],
der Richterin Hohmann-Dennhardt
und [X.],
Bryde,
Gaier
am 8. März 2005 beschlossen:
[X.] betrifft das an [X.] in ü[X.]örtlichen Sozietäten gerichtete Verbot, die Amtsbezeichnung als Notar auf Geschäftspapieren anzugeben, die nicht von der Geschäftsstelle des Notars aus versandt werden.
Nach § 3 der [X.] ([X.]) werden Notare entweder zur haupt[X.]uflichen Amtsausübung (Nur-Notare, Absatz 1) oder zu gleichzeitiger Amtsausübung neben dem Beruf des Rechtsanwalts bestellt ([X.], Absatz 2). Jedem Notar ist ein bestimmter Ort - in Großstädten kann das auch ein bestimmter Stadtteil oder Amtsgerichtsbezirk sein - als Amtssitz zugewiesen; an seinem Amtssitz hat der Notar seine Geschäftsstelle zu halten (§ 10 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Während sich haupt[X.]ufliche Notare, vorbehaltlich landesrechtlicher Bestimmungen, nur mit anderen Nur-Notaren am selben Amtssitz zusammenschließen dürfen (§ 9 Abs. 1 [X.]), ist es [X.] nach § 9 Abs. 2 [X.] erlaubt, auch ü[X.]örtliche Verbindungen zur gemeinsamen Berufsausübung insbesondere mit Rechtsanwälten und anderen [X.] einzugehen oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume zu haben.
Durch das Dritte Gesetz zur Änderung der [X.] und anderer Gesetze vom 31. August 1998 ([X.] I S. 2585; im Folgenden: [X.]1998), wurden in die [X.] unter anderem Vorschriften eingefügt, die das Wer[X.]echt der Notare regeln. Die maßgebende Vorschrift der [X.] lautet:
§ 29
(1) Der Notar hat jedes gewerbliche Verhalten, insbesondere eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung zu unterlassen.
(2) ...
(3) Ein Anwaltsnotar, der sich nach § 9 Abs. 3 mit nicht an seinem Amtssitz tätigen Personen verbunden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume hat, darf seine Amtsbezeichnung als Notar auf Drucksachen und anderen Geschäftspapieren nur angeben, wenn sie von seiner Geschäftsstelle aus versandt werden und auch nur auf demjenigen Amts- oder Namensschild führen, das an seinem Amtssitz auf seine Geschäftsstelle hinweist. ...
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 13/4184, S. 28) sollen durch § 29 Abs. 3 [X.] zwei Ziele erreicht werden. Zum einen solle das Verbot, die Amtsbezeichnung als Notar auf Geschäftspapieren anzugeben, die nicht von der Geschäftsstelle des Anwaltsnotars aus verschickt würden, eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung im Sinne von § 29 Abs. 1 [X.] verhindern. Es sei nämlich kein Anlass zu erkennen, der es rechtfertigen könne, dass auf dem Geschäftspapier der ü[X.]örtlichen Anwaltssozietäten auf ein notarielles Dienstleistungsangebot an einem anderen Ort aufmerksam gemacht werde. Zum anderen habe sich bei [X.]eits bestehenden ü[X.]örtlichen Sozietäten gezeigt, dass diese [X.]uflichen Verbindungen in vielfältiger Weise auch dazu genutzt werden könnten, dem beteiligten [X.]notarielle Mandate, insbesondere auch solche, die außerhalb seines Amtssitzes anfielen, zukommen zu lassen. Eine solche zielgerichtete Verlagerung notarieller Amtsgeschäfte könne im Interesse einer geordneten Rechtspflege nicht hingenommen werden. Das im Rahmen der Bedürfnisprüfung nach § 4 [X.] besonders zu beachtende Kriterium einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen könne nur dann zuverlässig und zutreffend [X.]ücksichtigt werden, wenn das zu seiner Beurteilung herangezogene Urkundsaufkommen auf einer gleichmäßig und unbeeinflusst angewandten Grundlage [X.]uhe.
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Notar. Er ist Mitglied einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführten ü[X.]örtlichen Sozietät, die zwei Kanzleistandorte unterhält. An dem Kanzleistandort in [X.] sind neben Rechtsanwälten auch [X.], darunter der Beschwerdeführer, tätig. Der andere Kanzleistandort befindet sich in [X.]. Dort sind ausschließlich Rechtsanwälte beschäftigt, weil in diesem Bundesland nur haupt[X.]ufliche Notare bestellt werden.
Die Sozietät verwendet an beiden Standorten einheitliche Briefbögen, auf denen unter dem Namen der Gesellschaft der Zusatz "Rechtsanwälte und Notare" angeführt wird. Am Rand der Briefbögen sind die Namen der Rechtsanwälte getrennt nach den Standorten [X.] und [X.] aufgelistet. Den Namen der vier [X.]er [X.] ist die Angabe "Notar" oder "Notarin" nachgestellt.
Mit Bescheid vom 12. Mai 2003 sprach die Notarkammer gegen den Beschwerdeführer eine Ermahnung gemäß § 75 Abs. 1 [X.] aus. Indem er geduldet habe, dass auswärtige Mitglieder seiner Sozietät Briefbögen verwendeten, auf denen er auch als Notar bezeichnet werde, habe er gegen § 29 Abs. 3 [X.] verstoßen. Der gegen die Ermahnung gerichtete Einspruch des Beschwerdeführers wurde von der Notarkammer zurückgewiesen. Vor dem [X.] blieb der Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung ebenfalls ohne Erfolg. § 29 Abs. 3 [X.] verstoße weder gegen Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Vorschrift sei eine Ausprägung des Verbots [X.]ufswidriger Werbung, das die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Notars sichern solle. Zweck der Regelung sei es, einer zielgerichteten Verlagerung notarieller Urkundsgeschäfte entgegenzuwirken. Nur durch den Schutz ortsansässiger Notare werde dem gemäß § 4 [X.] besonders zu beachtenden Kriterium einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen Rechnung getragen. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei geeignet und erforderlich zur Erreichung des angestrebten Zwecks. Hinweise auf den zur Berufsverbindung gehörenden Notar könnten dazu führen, dass Mandanten der miteinander verbundenen Rechtsanwälte diesen Notar beauftragten, auch wenn er seinen Amtssitz an einem anderen Ort habe. § 29 Abs. 3 [X.] könne eine Verschiebung von Urkundsgeschäften zumindest erschweren. Die Regelung sei auch angemessen. Der gezielte Einsatz des Notariats zu Werbezwecken in Form der Ausdehnung der Eigenwerbung des Notars für die Kanzleiwerbung sei mit dem öffentlichen Amt des Notars nicht zu vereinbaren. Da hiernach auch ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von [X.] in ortsgebundenen Sozietäten und solchen in ü[X.]örtlicher Verbindung bestehe, sei Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls nicht verletzt.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.
§ 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] stelle keine verfassungsmäßige Eingriffsermächtigung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Durch die befürchtete Beeinflussung des [X.] würden die Landesjustizverwaltungen nicht gehindert, die erforderliche Anzahl von Notarstellen zu besetzen. Erst wenn die Verlagerungen des [X.] ein Ausmaß annähmen, das die Besetzung der für die Versorgung der Rechtsuchenden erforderlichen Notarstellen gefährde, wäre es zweckmäßig, dem zu begegnen. Dies sei jedoch nicht zu besorgen. Es sei nicht bekannt geworden, dass durch die von ü[X.]örtlichen Sozietäten seit langem geübte Praxis, [X.] auf sämtlichen Briefbögen der Sozietät zu kennzeichnen, nennenswerte Wanderungsbewegungen zu ortsfremden [X.] stattgefunden hätten. Im Übrigen sei eine mögliche Verlagerung von Urkundsgeschäften hinzunehmen, weil sie auf der Entscheidung des Gesetzge[X.]s [X.]uhe, keine örtliche Zuständigkeit von Notaren festzulegen. Das Verbot sei auch nicht geeignet, einer Verlagerung von Urkundsgeschäften vorzubeugen. Wesentlich bedeutsamere Informationsquellen als die Briefbögen seien Kanzleibroschüren sowie der persönliche Kontakt zum Anwalt. Die zunehmend an Bedeutung gewinnende Informationswerbung ü[X.] die neuen Medien, zum Beispiel das [X.], lasse eine Beschränkung des Empfängerkreises nicht zu. Die gezielte Verlagerung von Urkundsgeschäften werde zudem durch andere gesetzliche Bestimmungen verhindert. Schließlich stehe das Verbot außer Verhältnis zu dem Zweck, eine derartige Verlagerung notarieller Amtsgeschäfte zu unterbinden. Bei der Angabe des [X.] auf dem Briefbogen handele es sich nicht um unzulässige Werbung, sondern um ein im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG zulässiges werbewirksames Verhalten.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestehe darin, dass es [X.] in ortsgebundenen Sozietäten erlaubt sei, in Drucksachen auf ihr [X.] hinzuweisen, während das [X.] in ü[X.]örtlichen Sozietäten verboten werde. Ü[X.]dies sei der Gleichheitssatz auch deshalb verletzt, weil das Verbot nicht nach dem Sitz des Empfängers differenziere. So sei es durch § 29 Abs. 3 [X.] nicht verboten, auswärtige Mandanten unter dem Briefkopf mit der Bezeichnung "Notar" anzuschreiben, obwohl dies ebenfalls zu einer Verlagerung des Urkundsaufkommens führen könne.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben Stellung genommen das [X.] namens der Bundesregierung, das [X.], die [X.], die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Notarverein und der [X.]. Die Notarkammer [X.] hat sich auf die im Beschluss ihres Vorstandes im Ausgangsverfahren dargestellte Rechtsauffassung bezogen. Der [X.] hat darauf hingewiesen, dass von ihm noch keine Entscheidung zu § 29 Abs. 3 [X.] ergangen sei.
Das [X.] hält § 29 Abs. 3 [X.] für verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Regelung sei mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG geeignet und erforderlich, um der zielgerichteten Verlagerung notarieller Dienstgeschäfte entgegenzuwirken und damit zur angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Dienstleistungen beizutragen. [X.] hätten Auswirkungen auf die Lebensfähigkeit von Notarstellen und könnten die flächendeckende Versorgung mit notariellen Dienstleistungen gefährden. Der Erforderlichkeit der Regelung stehe nicht entgegen, dass andere Informationsquellen keinen solchen Begrenzungen unterlägen. Nach der vertretbaren Beurteilung des Gesetzge[X.]s stellten die § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] unterfallenden Drucksachen und Geschäftspapiere die wesentlichen Werbemittel dar. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG sei ebenfalls nicht erkennbar. Das Verbot treffe alle [X.]. Haupt[X.]ufliche Notare hätten ohnehin keine Möglichkeit, auf ihr Amt in Geschäftspapieren hinzuweisen, die von dritter Stelle versandt würden.
Das [X.] ist der Ansicht, vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, nämlich die Belange einer geordneten Rechtspflege, ließen die in § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] enthaltene Beschränkung der Möglichkeiten der [X.]uflichen Außendarstellung eines Notars zweckmäßig und geboten erscheinen. Hinsichtlich der Gefahr einer Verlagerung anderenorts anfallender notarieller Amtsgeschäfte besitze der Gesetzge[X.] eine Einschätzungsprärogative. Weiterer Zweck der Vorschrift sei die Verhinderung einer dem öffentlichen [X.]des Notars widersprechenden Werbung. Die Bezeichnung "Notar" im Briefkopf einer ü[X.]örtlichen Sozietät könne beim Publikum die Fehlvorstellung hervorrufen, die Kanzlei biete von jedem ihrer Büros aus auch notarielle Dienstleistungen an. Deshalb sei § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] verfassungskonform dahin auszulegen, dass nicht jede Angabe der Amtsbezeichnung auf einem von einem auswärtigen Büro versandten Geschäftspapier untersagt sei, sondern nur eine solche, die das [X.] nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer bestimmten Geschäftsstelle nenne. Zulässig sei es dagegen, alle Sozien, auch die mit [X.], namentlich nach Standort aufzuführen.
Die [X.] und der [X.] halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] greife in verhältnismäßiger Weise in den Schutz[X.]eich des Art. 12 Abs. 1 GG ein. Die Vorschrift diene insbesondere der Vermeidung irreführender Hinweise auf ein notarielles Leistungsangebot an einem anderen Ort und der geordneten Rechtspflege, nämlich der Aufrechterhaltung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Leistungen.
Demgegenü[X.] sehen die Bundesrechtsanwaltskammer und der [X.] die Verfassungsbeschwerde als begründet an. Der Beschwerdeführer sei in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. § 29 Abs. 3 [X.] stelle eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit dar. Soweit der Eingriff nicht [X.]eits für den angestrebten Zweck, der zielgerichteten Verlagerung notarieller Urkundsgeschäfte entgegenzuwirken, ungeeignet und nicht erforderlich sei, fehle es jedenfalls an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.
[X.] ist begründet.
Die angegriffenen Entscheidungen der Notarkammer und des [X.] sowie die ihnen zugrunde liegende Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] mit dem an [X.] in ü[X.]örtlicher Sozietät gerichteten Verbot, auf Geschäftspapieren die Amtsbezeichnung als Notar anzugeben, wenn die Versendung nicht von ihrer Geschäftsstelle aus erfolgt, greifen in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise in die Freiheit der Berufsausübung des Beschwerdeführers ein. Sie verletzen ihn in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Einer zusätzlichen Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG bedarf es nicht.
1. Auch für den Beschwerdeführer, der als Notar einen "staatlich gebundenen" Beruf ausübt, gilt grundsätzlich Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. [X.] 7, 377 <398>; 17, 371 <377 ff.>; 73, 280 <292>). Zu den durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten [X.]ufsbezogenen Handlungen gehört die [X.]ufliche Außendarstellung einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (vgl. [X.] 85, 248 <256>; 94, 372 <389>). Das Verbot des § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.], unter bestimmten Voraussetzungen auf die Amtsbezeichnung als Notar hinzuweisen, bedeutet ebenso wie die Ermahnung nach § 75 [X.], dieses Verbot zu beachten, eine Beschränkung der [X.]uflichen Außendarstellung der [X.] und greift somit in die Freiheit der Berufsausübung ein.
2. Eine gesetzliche Beschränkung der freien Berufstätigkeit, der mit der ausgesprochenen Ermahnung als Reaktion auf ein ordnungswidriges Verhalten leichterer Art (vgl. § 75 Abs. 1 [X.]) Nachdruck verliehen wird, hält nach der Rechtsprechung des [X.]s einer Nachprüfung am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nur stand, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. [X.] 106, 181 <191 f.>; stRspr).
3. § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil der in dem Verbot liegende Eingriff in die Berufsfreiheit nicht hinreichend durch die Verfolgung von [X.]gerechtfertigt werden kann.
a) Eine Rechtfertigung durch den in den Gesetzesmaterialien benannten Regelungszweck, [X.]ufswidrige Werbung zu verhindern (BTDrucks 13/4184, S. 28), scheidet aus.
aa) Bei den durch § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] untersagten Hinweisen in Geschäftspapieren handelt es sich nicht ohne weiteres um eine dem öffentlichen Amt des Notars widersprechende Werbung. Soweit § 29 Abs. 1 [X.] eine [X.]ufswidrige Werbung verbietet, ist dies als flankierende Maßnahme zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Berufsausübung der Notare gerechtfertigt (vgl. [X.], Beschluss der 2. Kammer des [X.], NJW 1997, S. 2510 <2511>). Zweifel an der damit angesprochenen Unparteilichkeit oder Gewissenhaftigkeit des Anwaltsnotars können jedoch nicht schon dadurch begründet werden, dass er als Notar in Geschäftspapieren einer ü[X.]örtlichen Sozietät benannt wird, wenn die Versendung nicht vom Ort der Geschäftsstelle des Notars aus erfolgt. Insbesondere kann nicht unterstellt werden, diese Art der Information signalisiere die Bereitschaft des Notars, unter Verletzung seiner Amtspflichten Urkundstätigkeit außerhalb seines Amts[X.]eiches (§ 10 a [X.]) oder außerhalb seines Amtsbezirkes (§ 11 [X.]) auszuüben.
bb) Die ordnungsmäßige Berufsausübung des Notars wird allerdings durch eine irreführende Werbung in Frage gestellt. Diese zu verhindern, stellt mithin ein legitimes Ziel des Gesetzge[X.]s dar. Irreführend wären die durch § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] für Geschäftspapiere verbotenen Angaben a[X.] nur dann, wenn sie bei den Rechtsuchenden die Fehlvorstellung hervorrufen könnten, notarielle Leistungen der angeführten [X.] seien an jedem Kanzleistandort der Sozietät verfügbar. Selbst wenn dies ebenso unterstellt wird wie die Eignung des Verbots, eine Irreführung zu verhindern, ist die Einschränkung der Berufsfreiheit nicht gerechtfertigt. Denn zur Vermeidung einer Irreführung ist es nicht erforderlich, in Geschäftspapieren jeden Hinweis auf Notare mit auswärtiger Geschäftsstelle zu untersagen. Es genügt vielmehr, wenn die [X.] in den Geschäftspapieren der ü[X.]örtlichen Sozietät mit ihrem jeweiligen Amtssitz aufgeführt sind. Auf diese Weise erhalten die Rechtsuchenden zum einen die erforderliche Information ü[X.] die Orte, an denen sich die notariellen Geschäftsstellen befinden, während zum anderen die [X.] auf die Angabe ihrer Amtsbezeichnung nicht verzichten müssen und damit in ihrer [X.]uflichen Außendarstellung nicht eingeschränkt werden.
b) Auch das weitere Ziel des Gesetzge[X.]s, einer zielgerichteten Verlagerung notarieller Amtsgeschäfte entgegenzuwirken, kann den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nicht rechtfertigen.
aa) Mit Blick auf die durch § 4 Satz 2 [X.] geforderte angemessene Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen verfolgt der Gesetzge[X.] bei dieser Steuerung der Auftragserteilung an Notare ein legitimes Ziel (vgl. [X.] 17, 371 <379 f.>). Werden notarielle Leistungen verstärkt bei auswärtigen [X.] nachgefragt, so kann dies dazu führen, dass die zuständige Landesjustizverwaltung zur Erhaltung leistungsfähiger Notariate mit einer Verminderung der örtlichen Notarstellen reagieren muss und sich hiermit das Angebot notarieller Leistungen vor Ort verschlechtert. Das ebenfalls in Betracht kommende Interesse, Wettbewerb zwischen den in ü[X.]örtlichen Sozietäten tätigen [X.] und den übrigen Notaren zu verhindern, erlangt daneben keine eigenständige rechtfertigende Bedeutung. Es kann als Gemeinwohlbelang nur insoweit Berücksichtigung finden, als es den Erhalt eines leistungsfähigen Notariats zu sichern gilt (vgl. [X.] 94, 372 <395>; 97, 12 <31>), der hier durch die [X.]eits erörterte regionale Ausdünnung der Notarstellen gefährdet sein kann.
bb) Das Verbot aus § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist allerdings in nur sehr geringem Umfang geeignet, das Ziel einer ausgewogenen Versorgung der Bevölkerung mit Notarstellen zu erreichen.
(1) Die Rechtsuchenden werden ohnehin durch andere gesetzliche Regelungen in mehrfacher Hinsicht und auf effektive Weise von einer Inanspruchnahme auswärtiger [X.] in ü[X.]örtlichen Sozietäten abgehalten.
So ist nach den §§ 10 a, 11 [X.] eine Urkundstätigkeit des Notars außerhalb seines Amts[X.]eichs und Amtsbezirks nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt. Nach einhelliger Auffassung begründet ein Vertrauensverhältnis zwischen einem Rechtsuchenden und einem bestimmten Notar noch nicht das besondere [X.]echtigte Interesse, das § 10 a Abs. 2 [X.] für ein Tätigwerden des Notars außerhalb seines Amts[X.]eichs verlangt (vgl. [X.], in: [X.], [X.], 7. Aufl. 2000, § 10 a Rn. 5 m.w.N.). Für eine Urkundstätigkeit außerhalb des Amtsbezirks setzt § 11 Abs. 2 [X.] sogar Gefahr im Verzug oder die Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde voraus. Da die schuldhafte Verletzung der Amtspflichten aus den §§ 10 a, 11 [X.] als Dienstvergehen disziplinarisch geahndet wird (§ 95 [X.]), ist sichergestellt, dass ein [X.]nicht häufig oder gar regelmäßig an einem anderen Kanzleistandort der Sozietät Beurkundungen vornimmt. Mandanten des anderen Kanzleistandorts der Sozietät müssen daher in aller Regel die Anreise zur auswärtigen Geschäftsstelle des Anwaltsnotars in Kauf nehmen, wenn sie ihn mit Urkundsgeschäften beauftragen wollen.
Selbst wenn sich Mandanten [X.]eit finden, den damit verbundenen zusätzlichen Aufwand an [X.] und Kosten zu tragen, verhindern weitere disziplinarrechtlich relevante Vorschriften ein systematisches Zuführen von Urkundsgeschäften von einem Rechtsanwalt an einen in der Sozietät tätigen Anwaltsnotar. Zunächst wird durch § 14 Abs. 4 Satz 1 [X.], der im Rahmen der [X.] 1998 gerade wegen der spezifischen Gefahren durch interprofessionelle und ü[X.]örtliche Berufsverbindungen neu gefasst wurde (vgl. BTDrucks 13/4184, S. 24), einem Notar verboten, "sich an jeder Art der Vermittlung von Urkundsgeschäften zu beteiligen". Hinzu tritt die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 in Verbindung mit Nr. 4 des [X.]. Danach soll ein Notar nicht an einer Beurkundung in Angelegenheiten eines Mandanten mitwirken, für den eine Person, mit der er sich zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden hat, in derselben Angelegenheit [X.]eits tätig war. Diese Bestimmung wurde durch die [X.] 1998 ebenfalls zu dem Zweck eingefügt, [X.] innerhalb der Sozietät auszuschließen (vgl. BTDrucks 13/4184, [X.]).
(2) Auch das vom Gesetzge[X.] zur Steuerung
notarieller Auftragserteilung gewählte Mittel ist nur in
geringem Maße zur
Zielerreichung geeignet. Es beschränkt sich darauf, durch das
Verbot entsprechender Angaben in Geschäftspapieren zu
verhindern, dass Rechtsuchende auf diesem Wege Kenntnis von
dem [X.] erlangen.
Zweifelhaft ist [X.]eits, ob § 29 Abs. 3 [X.] auch das Zusenden einer Kanzleibroschüre der ü[X.]örtlichen Sozietät mit Angaben ü[X.] das [X.] erfasst (verneinend etwa Sandkühler, in: [X.]/[X.]/Sandkühler, [X.], 5. Aufl. 2003, § 29 Rn. 42). In jedem Fall wird ein Anwaltsnotar nicht gehindert, auf andere Weise als durch Geschäftspapiere, insbesondere durch das [X.], sein [X.] außerhalb seines Amts[X.]eiches bekannt zu machen.
Zudem kann § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] nur gewährleisten, dass von einem auswärtigen Kanzleistandort keine Geschäftspapiere mit der Amtsbezeichnung als Notar versandt werden. Hingegen lässt sich durch diese Vorschrift nicht verhindern, dass der Anwaltsnotar von seiner Geschäftsstelle aus Briefe und Drucksachen mit Angabe seiner Amtsbezeichnung als Notar auch an Empfänger außerhalb seines Amtssitzes verschickt. Das Verbot kann somit selbst für Geschäftspapiere nicht ausschließen, dass Rechtsuchende, die nicht am Amtssitz des Notars ansässig sind, von dessen Amt Kenntnis erlangen.
cc) Zwar ist ein weniger einschränkendes Mittel als das für die Angaben in Geschäftspapieren geltende Verbot des § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht zu ersehen, angesichts des geringen Ertrags dieses Verbotes fehlt es jedoch an der Angemessenheit des mit ihm verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht des ihn rechtfertigenden Grundes ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht mehr gewahrt (vgl. [X.] 102, 197 <220> m.w.N.).
(1) Die Regelung, die zur Verwendung unterschiedlicher Geschäftspapiere innerhalb einer ü[X.]örtlichen Sozietät zwingt, verursacht nicht nur einen erhöhten Aufwand und zusätzliche Kosten. Sie führt vor allem deshalb zu einer erheblichen Belastung, weil sie dem Anwaltsnotar die Angabe einer Amtsbezeichnung untersagt, die er bei seiner Berufsausübung grundsätzlich führen darf (§ 2 Satz 2 [X.]). Das damit unter bestimmten Voraussetzungen geforderte Verschweigen der eigenen [X.]uflichen Qualifikation stellt einen empfindlichen Eingriff in die Berufsfreiheit dar; denn es hat zur Folge, dass die notariellen Leistungen nur eingeschränkt angeboten und von den Rechtsuchenden nur eingeschränkt nachgefragt werden können (vgl. [X.] 106, 181 <192> für Berufsbezeichnungen von Ärzten). Es ist zudem nicht auszuschließen, dass die fehlenden Angaben zu seinem [X.] Zweifel an der Seriösität des Rechtsanwalts wecken und damit auch die Ausübung dieses Berufes beeinträchtigen können. So kann etwa ein Mandant, der von dem [X.] wusste, wegen eines Briefbogens, in dem die Amtsbezeichnung nicht angegeben ist, den Eindruck gewinnen, der betreffende Rechtsanwalt habe sein Amt möglicherweise aufgrund von Verfehlungen verloren.
(2) Dem durchaus gewichtigen Eingriff in die Berufsfreiheit steht als Gemeinwohlbelang das Ziel gegenü[X.], eine angemessene Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen sicherzustellen. Zur Erreichung dieses Ziels kann das Verbot für Geschäftspapiere in § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] wegen seiner erheblich eingeschränkten Eignung allerdings nur einen sehr geringen Beitrag leisten. Unter diesen Umständen wiegen die Interessen der in ihrer Berufsausübungsfreiheit betroffenen Grundrechtsträger ersichtlich schwerer als das Interesse an der Verfolgung des Gemeinwohlbelangs durch ein Mittel von ohnehin sehr geringer Wirksamkeit. Die Regelung, die § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] für Drucksachen und andere Geschäftspapiere trifft, ist demnach unzumutbar und verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
[X.]) Dieses Ergebnis lässt sich nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 29 Abs. 3 Satz 1 [X.] vermeiden. Insbesondere ist es nicht möglich, die Vorschrift dahin zu interpretieren, dass das [X.] stets in Geschäftspapieren genannt werden darf, wenn der Amtsbezeichnung der Amtsitz des Anwaltsnotars hinzugefügt wird. Jede verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenze dort, wo sie mit dem Wortlaut der Norm und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzge[X.]s in Widerspruch geraten würde (vgl. [X.] 18, 97 <111>; 101, 54 <86>). Der Gesetzeswortlaut ist hier ebenso eindeutig wie der ihm zugrunde liegende gesetzge[X.]ische Wille. Nach beidem soll für [X.] mit auswärtigem Amtssitz schlechthin jeder Hinweis auf deren [X.] unterbleiben.
4. Die auf der verfassungswidrigen und gemäß § 95 Abs. 3 Satz 2 [X.]G nichtigen Norm [X.]uhenden Entscheidungen der Notarkammer und des [X.] verstoßen ebenfalls gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Sie können auch nicht auf anderer gesetzlicher Grundlage aufrechterhalten werden. Der Beschluss des [X.] ist deshalb aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 [X.]G).
Die Entscheidung ü[X.] die Kostenerstattung [X.]uht auf § 34 a Abs. 2 [X.]G.
Papier | [X.] | Hömig |
[X.] | Hohmann-Dennhardt | [X.] |
Bryde | Gaier |
Meta
08.03.2005
Sachgebiet: BvR
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 08.03.2005, Az. 1 BvR 2561/03 (REWIS RS 2005, 4637)
Papierfundstellen: REWIS RS 2005, 4637 BVerfGE 112, 255-268 REWIS RS 2005, 4637
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 BvR 1773/96 (Bundesverfassungsgericht)
Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern
1 BvR 838/01, 1 BvR 1303/01, 1 BvR 340/02, u.a. (Bundesverfassungsgericht)
Zur Gewichtung fachspezifischer Leistungen beim Zugang zum Beruf des Notars im Nebenamt (§ 6 BNotO)
1 BvR 1298/94, 1 BvR 1299/94, 1 BvR 1332/95, 1 BvR 613/97 (Bundesverfassungsgericht)
Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an gesetzliche Regelungen über die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an Träger funktionaler …
1 BvR 238/01 (Bundesverfassungsgericht)
Zur Bedeutung der Berufsfreiheit beim Sozietätswechsel von Rechtsanwälten; hier: Unvereinbarkeit des § 3 Abs. 2 …
13 LA 401/18 (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht)