Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2012, Az. IX ZR 169/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1313

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Energielieferungsvertrag: Wirksamkeit einer insolvenzabhängigen Lösungsklausel


Leitsatz

Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie, die an den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpfen, sind unwirksam.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2011 und das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 8. Februar 2011 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin hatte am 17./20. Februar 2004 mit der [X.] (fortan: Schuldnerin) einen [X.] über die Lieferung elektrischer Energie geschlossen. Der [X.] sollte zunächst für ein Jahr bis zum 28. Februar 2005 laufen und sich jeweils um weitere zwölf Monate verlängern, wenn er nicht drei Monate vor [X.]sablauf schriftlich gekündigt wird. Ferner bestimmt Nr. 7 Abs. 3 des [X.]s: "Der [X.] endet auch ohne Kündigung automatisch, wenn der Kunde einen Insolvenzantrag stellt oder aufgrund eines Gläubigerantrages das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet oder eröffnet wird."

2

Nachdem der Beklagte am 16. Dezember 2004 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt worden war, korrespondierte er mit der Klägerin wegen des Fortbestandes des [X.]sverhältnisses. Er wandte sich gegen die Auffassung der Klägerin, der bisherige [X.] sei infolge der Insolvenz der Schuldnerin automatisch beendet worden, unterzeichnete aber gleichwohl einen neuen [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 2005 zu höheren Preisen. In seinem Begleitschreiben vom 31. Januar 2005 teilte der Beklagte mit, den neuen [X.] nur unter dem Vorbehalt der Prüfung der Rechtslage anzunehmen.

3

Die Klägerin verlangte von dem Beklagten für Stromlieferungen im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 21. Juli 2006 über die nach dem alten [X.] bereits geleisteten Zahlungen hinaus zunächst ein weiteres Entgelt von 42.064,86 €. Nach teilweiser Klagerücknahme begehrt er noch 38.957,38 € nebst Zinsen. Der Beklagte wendet gegen die Klageforderung die Unwirksamkeit der [X.] aus dem ersten [X.] ein, der weiterhin Bestand habe und der Abrechnung der Stromlieferungen zugrunde zu legen sei.

4

Das [X.] hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Klageabweisung.

I.

6

Das Berufungsgericht hat wie schon das [X.] gemeint, der mit der Schuldnerin geschlossene [X.] sei nach der wirksamen [X.] gemäß Nr. 7 Abs. 3 des Vertrags spätestens zum 16. Dezember 2004 beendet worden. Die insolvenzabhängige [X.] verstoße nicht gegen § 119 [X.]. Vielmehr spreche die Entstehungsgeschichte der Vorschrift für eine generelle Wirksamkeit von solchen [X.]n, weil der Gesetzgeber bewusst von einer an[X.] lautenden Bestimmung im Gesetzentwurf Abstand genommen habe. Auch die Neufassung des § 16 Abs. 1 [X.] zeige, dass der Gesetzgeber insolvenzabhängigen [X.]n nicht kritisch gegenüber stehe. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 [X.] sei nicht berührt, weil der Insolvenzverwalter den Vertrag in seinem rechtlichen Bestand hinnehmen müsse. Die [X.] sei auch nicht nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 308 Nr. 3 BGB aF unwirksam, weil die Insolvenzantragstellung als sachlicher Grund der Vertragslösung ausdrücklich genannt werde und eine unangemessene Benachteiligung der Schuldnerin durch die [X.] nicht ersichtlich sei. Eine insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der [X.] sei nicht geltend gemacht worden. Daher sei der Zahlungsanspruch auf der Grundlage des unter Vorbehalt abgeschlossenen neuen Vertrages begründet.

II.

7

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

8

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der mit der Schuldnerin geschlossene [X.] nicht infolge der Insolvenz der Schuldnerin aufgelöst worden. Die in dem Vertrag vereinbarte [X.] für den Insolvenzfall erweist sich vielmehr als unwirksam im Sinne von § 119 [X.], weil sie im Voraus das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 [X.] ausschließt.

9

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der unter Nr. 7 Abs. 3 des Vertrags enthaltenen Klausel um eine insolvenzabhängige [X.] handelt. Eine solche liegt vor, wenn eine der Parteien für den Fall der Zahlungseinstellung, des [X.] oder der Insolvenzeröffnung das Recht eingeräumt wird, sich vom [X.] ([X.], Urteil vom 27. Mai 2003 - [X.], [X.]Z 155, 87, 95), oder wenn der Vertrag wie im Streitfall unter der auflösenden Bedingung des Eintritts dieser insolvenzbezogenen Umstände steht (vgl. [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 119 Rn. 9). Im Unterschied dazu knüpfen insolvenzunabhängige [X.]n an nicht insolvenzspezifische Umstände an, etwa an den Verzug oder an sonstige Vertragsverletzungen (MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 119 Rn. 18; HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 119 Rn. 2). Solche insolvenzunabhängigen [X.]n sind nicht auf das Ziel ausgerichtet, die Wahlmöglichkeiten des Insolvenzverwalters nach § 103 [X.] auszuhöhlen, so dass § 119 [X.] - mit Ausnahme der [X.] des § 112 [X.] - nicht berührt ist (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 2005 - [X.], [X.], 144, 147; MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 19; HK-[X.]/[X.], aaO; HmbKomm-[X.]/Ahrendt, 4. Aufl., § 119 Rn. 4).

b) Die Frage, ob vertraglich vereinbarte insolvenzabhängige [X.]n nach § 119 [X.] unwirksam sind, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Unter der Geltung der Konkursordnung war umstritten, ob diese Klauseln mit dem zwingenden Charakter des § 17 KO vereinbar sind (vgl. etwa [X.], Urteil vom 26. September 1985 - [X.], [X.]Z 96, 34, 36 ff; vom 11. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 76, 79; dagegen [X.], KO, 6. Aufl., § 17 Rn. 1 [X.]; differenzierend [X.]/[X.], KO, 9. Aufl., § 17 Rn. 214). Nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung hat sich der Meinungsstreit fortgesetzt. Der Senat hat die Rechtsfrage bisher offen gelassen (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2003, aaO S. 95).

aa) Nach einer Auffassung ([X.], Z[X.] 2006, 1060, 1062; MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 119 Rn. 28 ff; [X.]. in [X.], [X.], 4. Aufl., § 35 Rn. 13; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], § 119 Rn. 2; FK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 119 Rn. 4 ff, 9, aber an[X.] für [X.] Rn. 8; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 119 Rn. 12; von [X.], [X.], 553, 554 ff), der sich die Vorinstanzen angeschlossen haben, steht § 119 [X.] einer insolvenzbedingten [X.] grundsätzlich nicht entgegen. [X.]n würden von § 119 [X.] nicht erfasst, weil diese Klauseln den Bestand des Vertrages betreffen, nicht aber dessen Abwicklung im Sinne der Bestimmungen der §§ 103 bis 118 [X.] ([X.] in [X.], aaO). Für die Wirksamkeit von insolvenzabhängigen [X.]n spreche zudem die Entstehungsgeschichte. Der Rechtsausschuss des [X.] habe geglaubt, die Wirksamkeit von insolvenzbedingten [X.]n festzuschreiben, als er die in § 137 Abs. 2 [X.] vorgesehene Regelung gestrichen habe (BT-Drucks. 12/7302, [X.]). Entsprechende Klauseln für unwirksam zu erachten, wie dies zunächst ausdrücklich vorgesehen war, hätte eine sanierungsfeindliche Wirkung und Nachteile im internationalen Geschäftsverkehr haben können (vgl. BT-Drucks., aaO). Zudem hätte es nicht der Anordnung einer [X.] nach § 112 [X.] für spezielle Vertragstypen bedurft, wenn solche [X.]n bereits nach § 119 [X.] unwirksam wären (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], aaO; von [X.], aaO S. 554).

bb) Die Gegenauffassung ([X.], Z[X.] 2007, 152, 154; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 1998, § 119 Rn. 16 ff; HK-[X.]/[X.], aaO § 119 Rn. 4; [X.]/[X.], aaO, § 119 Rn. 11 f; Nerlich/[X.]/[X.], [X.], 1999, § 119 Rn. 11, 15; BK-[X.]/Goetsch, § 119 Rn. 5 ff; [X.] in [X.]/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 7 Rn. 133 ff; Graf-Schlicker/Breitenbücher, [X.], 3. Aufl., § 103 Rn. 11; [X.], [X.]n für den Insolvenzfall, Rn. 269 ff, 298 f, 317, 429; [X.], [X.], 426, 443; [X.] in [X.] zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 531 Rn. 60 ff; [X.] in [X.] zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., [X.] Rn. 28; [X.], [X.], 121, 128; [X.], [X.], 373 f) hält insolvenzabhängige [X.]n jedenfalls dann für unwirksam, wenn sie nicht einer spezialgesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entsprechen. Die Vorstellung des Gesetzgebers bei der Streichung des § 137 Abs. 2 [X.] habe keinen Ausdruck im Gesetz gefunden ([X.] in [X.]/[X.], aaO Rn. 15; [X.], aaO Rn. 18; [X.], aaO S. 441; [X.], aaO S. 374). Wären entsprechende [X.]n wirksam, könnte der Vertragspartner schon im Vorfeld das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 [X.] vereiteln (HK-[X.]/[X.], aaO). Gerade die Zulässigkeit von vertraglichen [X.]n könne eine sanierungsfeindliche Wirkung haben, wenn massegünstige Verträge dem Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters entzogen würden oder konkurrierende Unternehmen den Markt zu günstigeren Konditionen übernehmen wollten ([X.]/[X.], aaO § 119 Rn. 10).

cc) Eine insolvenzabhängige [X.] ist bei Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie nach § 119 [X.] unwirksam, wenn sie im Voraus die Anwendung des § 103 [X.] ausschließt. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Vereinbarung einer gesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entspricht (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 2006 - [X.], [X.]Z 170, 206 Rn. 11). Die vom Rechtsausschuss des [X.] befürwortete Zulässigkeit vertraglicher [X.]n (BT-Drucks. 12/7302, [X.] zu § 137 [X.]) hat im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden und wi[X.]pricht den Zielsetzungen des § 103 [X.]. [X.] ist es, die Masse zu schützen und im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu mehren ([X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 103 Rn. 1 ff; zu § 17 KO vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 1988 - [X.], [X.]Z 106, 236, 244). Dieser Zweck könnte vereitelt werden, wenn sich der Vertragspartner des Schuldners allein wegen der Insolvenz von einem für die Masse günstigen Vertrag lösen und damit das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 [X.] unterlaufen kann (HK-[X.]/[X.], aaO § 119 Rn. 4; [X.], [X.], 2008, 373, 374).

Ist das Schuldverhältnis auf eine fortlaufende Lieferung von Waren oder - wie hier - Energie gerichtet, zeigt sich, dass eine einseitige Lösungsmöglichkeit durch den Gläubiger nicht die im Gesetzgebungsverfahren befürchtete sanierungsfeindliche Wirkung hat. Häufig wird das Gegenteil der Fall sein, weil die Unwirksamkeit der [X.] den Gläubiger regelmäßig daran hindert, einen zu günstigen Bedingungen abgeschlossenen und für die [X.] wesentlichen Vertrag kurzfristig einseitig zu beenden. Derartige Nachteile bei der [X.] wollte der Gesetzgeber gerade vermeiden, wie sich aus der Begründung des [X.] zu § 119 (jetzt § 105 [X.], BT-Drucks. 12/2443 [X.]) entnehmen lässt. Danach soll § 105 [X.] dem Verwalter ermöglichen, Verträge über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie im Insolvenzverfahren zu den gleichen Bedingungen fortzusetzen. Die Fortführung eines Unternehmens sollte in dieser Weise erleichtert werden. Hierdurch wird der Vertragspartner, der seine Rückstände nur als Insolvenzforderungen geltend machen kann, im Vergleich zu anderen Gläubigern nicht unzumutbar belastet, weil er bei einer Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters nach Eröffnung die vereinbarte Gegenleistung aus der Masse erhält (vgl. BT-Drucks., aaO; ebenso [X.], aaO [X.]). Dieser [X.] bei Einführung des § 105 [X.] wi[X.]präche es, wenn ein massegünstiger [X.] des Insolvenzverwalters durch eine vertragliche [X.] entzogen werden könnte.

Gegen die Unwirksamkeit von vertraglichen [X.]n nach § 119 [X.] kann nicht eingewandt werden, dass es dann keiner mietvertraglichen [X.] nach § 112 [X.] bedurft hätte (so aber MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 119 Rn. 31). Diese Vorschrift war als § 126 bereits in dem Entwurf der Bundesregierung enthalten, der insolvenzbedingte [X.]n in § 137 Abs. 2 ausdrücklich für unwirksam erklärte. Die [X.] für spezielle Vertragstypen sollte die Unwirksamkeit der allgemeinen [X.]n für die [X.] vor Verfahrenseröffnung ergänzen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Die Existenz des § 112 [X.] spricht somit nicht dafür, dass der Vorschrift des § 119 [X.] ein Ausnahmecharakter zukommt (vgl. [X.], aaO Rn. 370 ff).

In der hier vertretenen Auffassung liegt keine Abweichung vom Urteil des [X.] vom 26. November 2003 ([X.], [X.], 144; vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 119 Rn. 34), in welchem der Fall einer versicherungsvertraglich vereinbarten [X.] behandelt wurde. Die damals streitgegenständliche Klausel entsprach in ihrem Regelungsgehalt der gesetzlichen Sonderregelung in § 14 Abs. 1 [X.] aF ([X.], Urteil vom 26. November 2003, aaO [X.]). Vorliegend besteht demgegenüber keine der Klausel entsprechende gesetzliche Lösungsmöglichkeit. Im Übrigen ist die früher in § 14 Abs. 1 [X.] aF vorgesehene Kündigungsmöglichkeit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 ersatzlos entfallen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 28. Aufl., Anhang zu § 16 Rn. 1).

c) Der Anwendbarkeit des § 119 [X.] steht nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Klausel die Vertragsauflösung bereits für den Fall eines Eigenantrags oder eines zulässigen Gläubigerantrags vorsieht.

aa) Zu Unrecht wird vertreten, dass § 119 [X.] bei vor der Verfahrenseröffnung liegenden Anknüpfungsumständen nicht eingreife, weil die Norm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetze (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 22; [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl., § 35 Rn. 12; [X.] in [X.]/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 7 Rn. 136; [X.], [X.] in der [X.], 2010, [X.]). Die Stellung der Norm in dem mit "Wirkungen der Verfahrenseröffnung" überschriebenen [X.] trägt diese Annahme nicht. Dieser Teil der Insolvenzordnung enthält auch in § 112 [X.] eine Regelung, die bereits im Eröffnungsverfahren Anwendung findet, um das allgemeine insolvenzrechtliche Ziel einer möglichen [X.] zu sichern ([X.], aaO Rn. 412). Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 [X.] könnte leicht unterlaufen werden, wenn sich der Vertragspartner des Schuldners ein Kündigungsrecht oder eine automatische Vertragsauflösung für den Fall ausbedingen könnte, dass ein Insolvenzantrag gestellt oder ein Insolvenzeröffnungsverfahren eingeleitet wird.

bb) Soll die Vorschrift des § 119 [X.] in der Praxis nicht leer laufen, muss ihr eine Vorwirkung jedenfalls ab dem [X.]punkt zuerkannt werden, in dem wegen eines zulässigen Insolvenzantrags mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ernsthaft zu rechnen ist. Jedes Insolvenzverfahren setzt einen schriftlichen Eröffnungsantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] zwingend voraus. Könnte eine [X.] wirksam an den Eröffnungsantrag anknüpfen, würde in der Praxis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst als Anknüpfung für nur dann als unwirksam anzusehende [X.]n jede Bedeutung verlieren. Der von § 119 beabsichtigte [X.] könnte ohne weiteres ausgeschlossen und der Zweck der Vorschrift unterlaufen werden.

Wie sich auch aus § 21 Abs. 1 [X.] ergibt, sollen nach einem zulässigen Insolvenzantrag nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners verhindert werden. Zu diesem Zweck kann das Insolvenzgericht vorläufige Maßnahmen zum Schutz der späteren Masse anordnen.

Der einem Insolvenzverfahren zwingend vorausgehende Antrag auf Eröffnung unterscheidet sich auch maßgeblich von anderen, einem Insolvenzverfahren vorgelagerten Ereignissen, etwa dem [X.]punkt einer Vermögensverschlechterung des Schuldners (vgl. HK-[X.]/[X.], aaO Rn. 8; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 119 Rn. 6; [X.]/[X.], aaO Rn. 5). Aus § 21 Abs. 1 [X.] lässt sich ebenso wie aus § 112 [X.] ableiten, dass die Vermögenslage des Schuldners ab Beginn des Eröffnungsverfahrens gesichert werden soll, auch um eine mögliche [X.] nicht zu erschweren (vgl. [X.], aaO Rn. 421, 425 ff). Dieser Schutz vor nachteiligen Veränderungen wäre unzureichend, wenn er nicht durch eine Vorwirkung des § 119 [X.] im Hinblick auf die genannten insolvenzbedingten [X.]n ergänzt würde.

2. Aufgrund der Unwirksamkeit der insolvenzbedingten [X.] ist der ursprüngliche [X.] nicht mit der Insolvenzantragstellung oder Einleitung des Eröffnungsverfahrens beendet worden, sondern hatte weiterhin Bestand. Das Vertragsverhältnis wurde auch nicht durch die schriftliche Kündigung der Klägerin beendet. Durch das erst am 6. Dezember 2004 zugegangene Kündigungsschreiben wurde die nach Nr. 7 Abs. 2 des Vertrages vorgesehene dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende der Vertragslaufzeit am 28. Februar 2005 nicht eingehalten. Nach Nr. 7 Abs. 2 des [X.] verlängerte sich die Vertragslaufzeit damit zunächst um 12 Monate. Die erklärte Kündigung kann auch nicht als Kündigung zum nächst zulässigen Kündigungstermin ausgelegt werden (vgl. zum Versicherungsrecht MünchKomm-[X.]/Fausten, § 11 Rn. 138 ff; zu Miet- und Pachtverhältnissen MünchKomm-BGB/Häublein, 6. Aufl., § 573c Rn. 14; [X.]/[X.], 2003, § 140 Rn. 46 jeweils mwN). Der ausdrücklich auf die geänderte Preisentwicklung auf dem Strommarkt gestützten Kündigungserklärung ist nicht mit hinreichender Sicherheit der Wille zu entnehmen, dass die Kündigung gegebenenfalls auch nach Ablauf einer weiteren einjährigen Vertragslaufzeit gelten soll. Die Erklärung konnte auch so verstanden werden, dass die Klägerin bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Kündigung die weitere Preisentwicklung auf dem Strommarkt hätte abwarten wollen, um zum Ende der bis Ende Februar 2006 verlängerten Vertragsperiode neu entscheiden zu können, ob das Vertragsverhältnis zu den alten Bedingungen fortgesetzt oder wirksam gekündigt werden soll.

3. Auf der Grundlage des ursprünglichen [X.]es sind die Forderungen der Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen im streitgegenständlichen [X.]raum erfüllt. Da der ursprüngliche Vertrag fortgilt, kann die Klägerin keine weitergehenden Zahlungsansprüche aus dem im Neuvertrag vereinbarten höheren Strompreis herleiten. Den neuen [X.] hatte der Beklagte nur unter der Bedingung der erfolgten Auflösung des ursprünglichen Vertrags abgeschlossen; hiermit hatte sich die Klägerin durch Fortsetzung der Lieferung einverstanden erklärt.

III.

Die angefochtenen Urteile können damit keinen Bestand haben und sind aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung der Urteile nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Dies führt zur Abweisung der Klage.

[X.]                        Vill

                Lohmann                          [X.]

Meta

IX ZR 169/11

15.11.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 27. Oktober 2011, Az: 13 U 53/11

§ 103 InsO, § 119 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2012, Az. IX ZR 169/11 (REWIS RS 2012, 1313)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1313

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 169/11 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 213/21 (Bundesgerichtshof)

(Wirksamkeit einer insolvenzabhängigen Kündigungsklausel in einem Schülerbeförderungsvertrag)


VII ZR 56/15 (Bundesgerichtshof)

Bauvertrag: Einbeziehung einer insolvenzabhängigen Lösungsklausel; Vereinbarung einer vom Auftragnehmer zu stellenden Vertragserfüllungsbürgschaft über 10 % …


VII ZR 56/15 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 51/02 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.