Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2012, Az. IX ZR 169/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1394

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 169/11

Verkündet am:

15.
November 2012

Kirchgeßner

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 119
[X.] in
Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Ener-gie, die an den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpfen, sind [X.].
[X.], Urteil vom 15. November 2012 -
IX ZR 169/11 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
15. November 2012
durch [X.] [X.],
[X.] und [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr. [X.]

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des
13.
Zivilsenats des
Oberlandesgerichts [X.] vom 27. Oktober 2011 und das Urteil der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 8.
Februar 2011 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin hatte am 17./20. Februar 2004 mit der A.

GmbH (fortan: Schuldnerin)
einen [X.] über die Liefe-rung elektrischer Energie geschlossen. Der [X.] sollte zunächst
für ein Jahr
bis zum 28. Februar 2005 laufen und sich jeweils um weitere zwölf Monate ver-längern, wenn er nicht
drei Monate vor [X.]sablauf schriftlich gekündigt wird. Ferner bestimmt
Nr.
7 Abs. 3 des [X.]s:
"Der [X.] endet auch ohne
Kün-digung automatisch, wenn der Kunde einen Insolvenzantrag stellt oder aufgrund 1
-
3
-
eines [X.] das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet oder [X.] wird."

Nachdem der Beklagte am 16. Dezember 2004 zum vorläufigen
Insol-venzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt worden war, korres-pondierte er mit der Klägerin wegen des Fortbestandes des [X.]sverhältnis-ses. Er wandte sich gegen die Auffassung der Klägerin, der
bisherige
Energie-lieferungsvertrag sei infolge der Insolvenz der Schuldnerin automatisch beendet worden, unterzeichnete aber gleichwohl
einen neuen [X.]
mit Wirkung zum
1.
Januar 2005
zu höheren Preisen. In
seinem Begleitschreiben vom 31.
Januar 2005 teilte
der Beklagte mit, den neuen [X.] nur unter
dem
Vorbehalt der Prüfung der Rechtslage anzunehmen.

Die Klägerin
verlangte von dem Beklagten für Stromlieferungen im [X.] vom 1. Januar 2006 bis 21. Juli 2006 über die nach dem alten [X.] bereits geleisteten
Zahlungen hinaus
zunächst
ein weiteres Entgelt von 42.064,86

.
Nach teilweiser Klagerücknahme begehrt er noch
38.957,38

nebst Zinsen.
Der Beklagte wendet gegen die Klageforderung die Unwirksam-keit der [X.] aus dem ersten [X.] ein, der [X.] Bestand habe und der
Abrechnung der Stromlieferungen zugrunde zu legen sei.

Das [X.] hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die
Beru-fung
des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

2
3
4
-
4
-
Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision ist begründet.
Sie führt zur Klageabweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat wie schon das
[X.] gemeint, der
mit der Schuldnerin geschlossene [X.] sei nach der wirksamen [X.] gemäß Nr.
7 Abs.
3 des [X.]s spätestens zum 16.
Dezem-ber 2004 beendet worden.
Die
insolvenzabhängige [X.] verstoße nicht gegen §
119 [X.].
Vielmehr spreche die Entstehungsgeschichte
der Vor-schrift
für eine generelle Wirksamkeit von solchen [X.], weil der Gesetzgeber bewusst von einer an[X.] lautenden Bestimmung im Gesetzent-wurf Abstand genommen habe.
Auch die
Neufassung des §
16 Abs.
1 [X.] zei-ge, dass der Gesetzgeber insolvenzabhängigen [X.] nicht kritisch gegenüber stehe. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach §
103 [X.] sei nicht berührt, weil der Insolvenzverwalter den [X.] in seinem rechtlichen [X.] hinnehmen müsse. Die [X.] sei auch nicht nach §
307 Abs.
2 Nr.
1, §
310 Abs.
1 Satz
2 BGB in Verbindung mit
§
308 Nr.
3
BGB aF
[X.], weil die Insolvenzantragstellung als sachlicher Grund der [X.]slösung ausdrücklich genannt werde und eine unangemessene Benachteiligung der Schuldnerin durch die [X.] nicht ersichtlich sei.
Eine insolvenzrecht-liche Anfechtbarkeit der [X.] sei nicht geltend gemacht worden.
[X.] sei der Zahlungsanspruch auf der Grundlage des unter Vorbehalt abge-schlossenen neuen [X.]es
begründet.

5
6
-
5
-
II.

Diese Ausführungen halten
rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts
ist der mit der Schuldnerin geschlossene [X.]
nicht
infolge der Insolvenz der Schuldnerin aufgelöst worden.
Die in dem
[X.] vereinbarte
Lösungs-klausel für den Insolvenzfall erweist sich vielmehr als unwirksam im Sinne von §
119 [X.], weil sie
im Voraus
das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach §
103 [X.] ausschließt.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der unter
Nr.
7 Abs.
3 des [X.]s enthaltenen
Klausel um eine insolvenzabhängi-ge
[X.] handelt. Eine solche
liegt vor, wenn eine der Parteien für den Fall der Zahlungseinstellung, des [X.] oder der Insolvenzer-öffnung das Recht eingeräumt wird, sich vom [X.] zu lösen ([X.], Urteil vom 27.
Mai 2003 -
IX ZR 51/02, [X.]Z 155, 87, 95), oder wenn der
[X.]
wie im Streitfall
unter der auflösenden Bedingung des Eintritts dieser insolvenzbezo-genen
Umstände steht (vgl. [X.]/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
119 Rn.
9).
Im Unter-schied
dazu
knüpfen insolvenzunabhängige [X.] an nicht insol-venzspezifische Umstände
an, etwa an
den Verzug oder an
sonstige [X.]s-verletzungen (MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
119 Rn.
18; HK-[X.]/
[X.], 6.
Aufl., §
119 Rn.
2). Solche insolvenzunabhängigen Lösungsklau-seln
sind nicht auf das Ziel ausgerichtet, die Wahlmöglichkeiten
des [X.] nach §
103 [X.] auszuhöhlen, so dass
§
119 [X.] -
mit Ausnahme der [X.]
des §
112 [X.]
-
nicht berührt ist
(vgl. [X.], Urteil vom 17.
November 2005 -
IX ZR 162/04, [X.], 144, 147; MünchKomm-[X.]/
7
8
9
-
6
-
[X.], [X.]O Rn.
19; HK-[X.]/[X.], [X.]O; HmbKomm-[X.]/Ahrendt, 4.
Aufl., §
119 Rn.
4).

b) Die Frage, ob
vertraglich vereinbarte
insolvenzabhängige
Lösungs-klauseln
nach §
119 [X.] unwirksam sind,
ist höchstrichterlich bislang nicht [X.]. Unter der Geltung der Konkursordnung war umstritten, ob diese Klauseln mit dem zwingenden Charakter des §
17 KO vereinbar sind (vgl.
etwa [X.], Urteil vom 26.
September 1985 -
VII ZR 19/85, [X.]Z
96, 34, 36
ff; vom 11. No-vember 1993 -
IX ZR 257/92, [X.]Z 124, 76, 79; dagegen [X.], KO, 6.
Aufl., §
17 Rn.
1 [X.]; differenzierend [X.]/[X.], KO, 9.
Aufl., §
17 Rn.
214). Nach Inkrafttreten der
Insolvenzordnung hat sich der Meinungsstreit fortgesetzt.
Der Senat hat die Rechtsfrage bisher offen gelassen (vgl. [X.], Urteil vom 27.
März 2003, [X.]O S.
95).

[X.]) Nach einer Auffassung
([X.], Z[X.] 2006, 1060, 1062; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O §
119 Rn.
28
ff; [X.]. in [X.], Insolvenz-rechtshandbuch,
4.
Aufl., §
35 Rn.
13; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/
Ringstmeier, [X.], §
119 Rn.
2; FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
119 Rn.
4
ff, 9, aber an[X.] für [X.] Rn.
8; [X.] in [X.]/[X.]/
[X.], [X.], 3.
Aufl.,
§
119 Rn.
12; von [X.], ZIP
2007, 553, 554
ff), der sich die Vorinstanzen angeschlossen haben, steht §
119 [X.] einer insol-venzbedingten [X.] grundsätzlich nicht entgegen. [X.] würden von §
119 [X.] nicht erfasst, weil diese Klauseln den Bestand des [X.] betreffen, nicht aber dessen Abwicklung im Sinne der Bestimmungen der §§
103 bis 118 [X.] ([X.] in [X.], [X.]O). Für die Wirksamkeit von insol-venzabhängigen [X.] spreche zudem die Entstehungsgeschichte. Der Rechtsausschuss des [X.] habe geglaubt, die Wirksamkeit von insolvenzbedingten [X.] festzuschreiben, als er die in §
137 Abs.
2 10
11
-
7
-
RegE vorgesehene Regelung gestrichen habe
(BT-Drucks. 12/7302, S.
170). Entsprechende Klauseln für unwirksam zu erachten,
wie dies zunächst aus-drücklich vorgesehen war, hätte eine sanierungsfeindliche Wirkung und Nach-teile im internationalen Geschäftsverkehr haben können (vgl. BT-Drucks., [X.]O). Zudem hätte es nicht der Anordnung einer [X.] nach §
112 [X.] für spezielle [X.]stypen bedurft, wenn solche
[X.] bereits nach §
119 [X.] unwirksam wären (MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O; [X.] in Leon-hardt/[X.]/[X.], [X.]O; von [X.], [X.]O S.
554).

bb) Die [X.] ([X.], Z[X.] 2007, 152, 154; Tin-telnot in [X.]/[X.], [X.], 1998, §
119 Rn.
16
ff; HK-[X.]/[X.], [X.]O §
119 Rn.
4; [X.]/[X.], [X.]O, §
119 Rn.
11
f; Nerlich/[X.]/
[X.], [X.], 1999, §
119 Rn.
11, 15; BK-[X.]/Goetsch, §
119 Rn.
5
ff; [X.] in [X.]/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8.
Aufl., §
7
Rn.
133
ff; Graf-Schlicker/Breitenbücher, [X.], 3.
Aufl., §
103 Rn.
11; [X.], [X.]
für den Insolvenzfall, Rn.
269
ff, 298
f, 317, 429; [X.], [X.], 426, 443; [X.] in [X.] Schrift zur Insolvenzord-nung, 2.
Aufl., S.
531 Rn.
60
ff; [X.] in [X.] Schrift zur Insolvenzordnung, 3.
Aufl., S.
325
Rn.
28; [X.], [X.], 121, 128; [X.], [X.], 373
f) hält insolvenzabhängige
[X.]
jedenfalls dann für unwirksam, wenn sie nicht einer spezialgesetzlich
vorgesehenen
Lösungsmöglichkeit ent-sprechen. Die Vorstellung des Gesetzgebers bei der Streichung des §
137 Abs.
2 RegE
habe
keinen Ausdruck im Gesetz gefunden ([X.] in [X.]/
[X.], [X.]O Rn.
15; [X.], [X.]O Rn.
18; [X.], [X.]O S.
441; [X.], [X.]O S.
374). Wären entsprechende [X.] wirksam, könnte
der Ver-tragspartner schon im Vorfeld das Wahlrecht
des Insolvenzverwalters nach §
103 [X.] vereiteln (HK-[X.]/[X.], [X.]O). Gerade die Zulässigkeit von vertraglichen [X.] könne eine sanierungsfeindliche Wirkung haben, 12
-
8
-
wenn massegünstige Verträge dem Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwal-ters entzogen würden
oder konkurrierende Unternehmen den Markt zu günsti-geren Konditionen übernehmen
wollten ([X.]/[X.], [X.]O §
119 Rn.
10).

cc) Eine insolvenzabhängige [X.]
ist
bei Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie
nach
§
119 [X.] unwirksam, wenn
sie
im Voraus die Anwendung des §
103 [X.] ausschließt.
Dies gilt nur dann
nicht, wenn die Vereinbarung
einer gesetzlich vorgesehenen Lösungs-möglichkeit entspricht
(vgl. [X.], Urteil vom 14.
Dezember 2006 -
IX
ZR 194/05, [X.]Z 170, 206 Rn.
11).
Die vom Rechtsausschuss
des [X.]
befürwor-tete Zulässigkeit
vertraglicher
[X.]
(BT-Drucks. 12/7302, S.
170 zu §
137
RegE)
hat im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden
und wider-spricht den Zielsetzungen des §
103 [X.].
Der
Zweck des Erfüllungswahlrechts
ist
es, die Masse zu schützen und im Interesse einer gleichmäßigen Gläubiger-befriedigung zu mehren ([X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
103 Rn.
1
ff; zu §
17 KO vgl. [X.], Urteil vom 20.
Dezember 1988 -
IX ZR 50/88, [X.]Z 106, 236, 244).
Dieser Zweck könnte vereitelt werden, wenn sich der [X.]spartner des Schuldners
allein wegen der Insolvenz von einem für die Masse günstigen
[X.] lösen und damit das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach §
103 [X.] unterlaufen kann
(HK-[X.]/[X.], [X.]O §
119 Rn.
4; [X.], [X.], 2008, 373, 374).

Ist das Schuldverhältnis auf eine fortlaufende Lieferung von Waren
oder -
wie hier
-
Energie
gerichtet,
zeigt sich, dass eine
einseitige Lösungsmög-lichkeit
durch den Gläubiger
nicht die im Gesetzgebungsverfahren befürchtete sanierungsfeindliche Wirkung
hat. Häufig wird das Gegenteil der Fall sein, weil die Unwirksamkeit der [X.] den Gläubiger regelmäßig daran hindert, einen zu günstigen Bedingungen abgeschlossenen und für die Betriebsfortfüh-13
14
-
9
-
rung wesentlichen
[X.]
kurzfristig einseitig zu beenden.
Derartige
Nachteile bei der [X.] wollte der Gesetzgeber gerade vermeiden, wie sich aus der Begründung des [X.] zu §
119 (jetzt §
105 [X.], BT-Drucks.
12/2443 S.
146) entnehmen lässt. Danach
soll
§
105 [X.]
dem Verwal-ter ermöglichen,
Verträge über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie im Insolvenzverfahren zu den gleichen Bedingungen fortzusetzen. Die Fortführung eines Unternehmens sollte in dieser Weise erleichtert werden. Hierdurch wird der [X.]spartner, der seine Rückstände nur als Insolvenzfor-derungen geltend machen kann, im Vergleich zu anderen Gläubigern nicht un-zumutbar belastet, weil er bei einer Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters nach Eröffnung die vereinbarte Gegenleistung aus der Masse erhält
(vgl. BT-Drucks.,
[X.]O;
ebenso [X.], [X.]O S.
443). Dieser [X.] bei Ein-führung des § 105 [X.] wi[X.]präche
es, wenn ein massegünstiger [X.] dem Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters durch eine vertragliche Lö-sungsklausel entzogen werden könnte.

Gegen die
Unwirksamkeit von vertraglichen [X.]
nach §
119 [X.] kann nicht eingewandt werden, dass es dann keiner
mietvertraglichen
[X.] nach §
112 [X.] bedurft hätte (so aber
MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O §
119 Rn.
31). Diese
Vorschrift
war
als §
126 bereits in dem
Entwurf der Bundesregierung enthalten, der insolvenzbedingte [X.] in §
137 Abs.
2 ausdrücklich für unwirksam erklärte. Die [X.] für spezielle [X.]stypen sollte die Unwirksamkeit der
allgemeinen
Lösungsklau-seln für die [X.] vor Verfahrenseröffnung ergänzen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S.
264).
Die Existenz
des §
112 [X.] spricht somit nicht dafür, dass der Vor-schrift
des §
119 [X.] ein Ausnahmecharakter zukommt
(vgl. [X.], [X.]O Rn. 370
ff).

15
-
10
-

In der hier vertretenen Auffassung liegt keine Abweichung
vom Urteil
des IV.
Zivilsenats vom 26.
November 2003 (IV
ZR 6/03, [X.], 144; vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O §
119 Rn.
34), in welchem
der Fall einer
versi-cherungsvertraglich vereinbarten
Kündigungsklausel behandelt wurde. Die [X.] streitgegenständliche
Klausel
entsprach
in ihrem
Regelungsgehalt
der gesetzlichen Sonderregelung in §
14 Abs.
1 [X.] aF
([X.], Urteil vom 26.
No-vember 2003, [X.]O S.
145
f). Vorliegend
besteht demgegenüber
keine der [X.] entsprechende gesetzliche Lösungsmöglichkeit.
Im Übrigen ist die früher in §
14 Abs.
1 [X.] aF vorgesehene Kündigungsmöglichkeit mit Wirkung
zum 1.
Januar 2008 ersatzlos entfallen
(vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 28.
Aufl., Anhang zu §
16 Rn.
1).

c) Der Anwendbarkeit des §
119 [X.] steht
nicht entgegen, dass
die streitgegenständliche Klausel
die [X.]sauflösung bereits für den Fall eines
Eigenantrags
oder
eines zulässigen Gläubigerantrags
vorsieht.

[X.]) Zu Unrecht wird vertreten, dass §
119 [X.] bei vor der Verfahrenser-öffnung liegenden Anknüpfungsumständen nicht eingreife, weil die Norm die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetze (MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O Rn.
22; [X.] in [X.], [X.], 4.
Aufl., §
35 Rn.
12; [X.] in [X.]/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8.
Aufl., §
7
Rn.
136; [X.], [X.] in der Kundeninsol-venz, 2010, S.
155
f). Die Stellung der Norm in dem mit "Wirkungen der Verfah-renseröffnung"
überschriebenen Dritten Teil der
Insolvenzordnung trägt diese Annahme nicht. Dieser Teil der Insolvenzordnung
enthält
auch in §
112 [X.] eine Regelung, die bereits im Eröffnungsverfahren Anwendung findet, um das allgemeine insolvenzrechtliche Ziel einer
möglichen [X.] zu si-chern ([X.], [X.]O Rn.
412). Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach 16
17
18
-
11
-
§
103 [X.] könnte leicht unterlaufen werden, wenn sich der [X.]spartner
des Schuldners
ein Kündigungsrecht oder eine automatische [X.]sauflösung für den Fall ausbedingen könnte, dass ein Insolvenzantrag gestellt oder ein In-solvenzeröffnungsverfahren eingeleitet wird.

bb) Soll die Vorschrift des §
119 [X.] in der Praxis nicht leer laufen, muss ihr eine Vorwirkung jedenfalls ab dem [X.]punkt zuerkannt werden, in dem wegen eines zulässigen Insolvenzantrags mit der Eröffnung eines [X.] ernsthaft zu rechnen ist. Jedes Insolvenzverfahren setzt einen schriftlichen Eröffnungsantrag nach §
13 Abs.
1 Satz
1 [X.] zwingend voraus. Könnte eine [X.] wirksam an den Eröffnungsantrag anknüpfen, [X.] in der Praxis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst als Anknüpfung für nur dann als unwirksam anzusehende [X.] jede Bedeutung ver-lieren. Der von §
119 beabsichtigte [X.] könnte ohne weiteres ausge-schlossen und der Zweck der Vorschrift unterlaufen werden.

Wie sich auch aus §
21 Abs.
1 [X.] ergibt, sollen nach einem zulässigen Insolvenzantrag nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des [X.] verhindert werden. Zu diesem Zweck kann das Insolvenzgericht vorläufige Maßnahmen zum Schutz der späteren Masse anordnen.

Der einem Insolvenzverfahren zwingend vorausgehende Antrag auf Er-öffnung unterscheidet sich auch maßgeblich von anderen, einem Insolvenzver-fahren vorgelagerten Ereignissen, etwa dem
[X.]punkt einer Vermögensver-schlechterung des Schuldners (vgl. HK-[X.]/[X.], [X.]O Rn.
8; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
119 Rn.
6; [X.]/[X.], [X.]O Rn.
5). Aus §
21 Abs.
1 [X.] lässt sich
ebenso wie aus §
112 [X.] ableiten, dass die Vermögenslage des Schuldners
ab Beginn des Eröffnungsverfahrens
gesichert 19
20
21
-
12
-
werden soll,
auch
um eine mögliche [X.] nicht zu erschweren (vgl. [X.], [X.]O Rn.
421, 425
ff). Dieser Schutz vor
nachteiligen Verände-rungen wäre
unzureichend, wenn er nicht durch eine Vorwirkung des §
119 In-sO im Hinblick auf die genannten insolvenzbedingten [X.] ergänzt würde.

2. Aufgrund der Unwirksamkeit der insolvenzbedingten [X.] ist der ursprüngliche [X.] nicht mit der Insolvenzantragstel-lung oder Einleitung des Eröffnungsverfahrens beendet worden, sondern hatte weiterhin Bestand. Das
[X.]sverhältnis
wurde auch nicht durch die schriftli-che Kündigung der Klägerin beendet.
Durch das erst am 6.
Dezember 2004 zugegangene Kündigungsschreiben
wurde die nach Nr.
7 Abs.
2 des [X.]es vorgesehene dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende der [X.]slaufzeit am 28.
Februar 2005 nicht eingehalten.
Nach Nr.
7 Abs.
2 des [X.] verlängerte sich die [X.]slaufzeit damit zunächst um 12
Monate.
Die erklärte Kündigung
kann auch nicht als
Kündigung zum nächst zulässigen Kün-digungstermin ausgelegt
werden
(vgl. zum Versicherungsrecht MünchKomm-[X.]/Fausten, §
11 Rn.
138
ff; zu Miet-
und Pachtverhältnissen MünchKomm-BGB/Häublein, 6.
Aufl., §
573c Rn.
14;
Staudinger-BGB/[X.], 2003, §
140
Rn.
46 jeweils mwN). Der
ausdrücklich
auf die geänderte Preisentwicklung auf dem Strommarkt
gestützten
Kündigungserklärung
ist nicht mit hinreichender
Sicherheit der Wille
zu entnehmen, dass die Kündigung gegebenenfalls auch nach Ablauf einer weiteren einjährigen
[X.]slaufzeit gelten soll.
Die [X.] konnte auch so verstanden werden,
dass die Klägerin bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Kündigung die weitere Preisentwicklung
auf dem [X.] hätte abwarten wollen, um zum Ende der
bis Ende Februar 2006 verlän-gerten
[X.]speriode neu entscheiden zu können, ob das [X.]sverhältnis
zu
den alten Bedingungen fortgesetzt oder wirksam gekündigt werden soll.

22
-
13
-

3. Auf der Grundlage des ursprünglichen [X.]es sind die Forderungen der Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanzen im streitgegenständlichen [X.]raum erfüllt. Da der ursprüngliche [X.] fortgilt, kann die Klägerin keine weitergehenden Zahlungsansprüche aus dem im [X.] vereinbarten höheren Strompreis herleiten. Den neuen [X.] hatte der Beklagte nur unter der Bedingung der erfolgten Auflö-sung des ursprünglichen [X.]s abgeschlossen; hiermit hatte sich die Kläge-rin durch Fortsetzung der Lieferung einverstanden erklärt.

III.

Die angefochtenen Urteile können damit keinen Bestand haben und sind aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Aufhebung der Urteile nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das
festgestellte Sachver-hältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat

23
24
-
14
-
der Senat gemäß §
563 Abs.
3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Dies führt zur Abweisung der Klage.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.02.2011 -
2 O 189/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.10.2011 -
13 [X.] -

Meta

IX ZR 169/11

15.11.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2012, Az. IX ZR 169/11 (REWIS RS 2012, 1394)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1394

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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