Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.10.2012, Az. 5 AZN 1958/12

5. Senat | REWIS RS 2012, 2322

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Rechtsfrage - Entscheidungserheblichkeit


Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 29. Februar 2012 - 20 Sa 2058/11 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 13.079,94 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten - soweit für das [X.]eschwerdeverfahren von [X.]elang - über diverse Entgeltansprüche und die [X.]eststellung, dass zwischen ihnen vom 1. November 2008 bis 28. [X.]ebruar 2009 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Arbeitsgericht hat insoweit die Klage abgewiesen. Im [X.]erufungsverfahren haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2011 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Nachdem der Kläger sich auf den Standpunkt gestellte hatte, der Rechtsstreit sei durch den Vergleich nicht erledigt, hat das [X.] die [X.]erufung des [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 10. August 2011 erledigt ist. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die [X.]eschwerde des [X.].

2

II. Die [X.]eschwerde ist unzulässig. Ihre [X.]egründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG.

3

1. Der Kläger hat eine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargelegt.

4

a) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die [X.]eschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Die bloße [X.]enennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der [X.]eschwerdeführer hat vielmehr zu dessen Voraussetzungen substantiiert vorzutragen ([X.] 20. Januar 2005 - 2 [X.] 941/04 - [X.]E 113, 195; 22. März 2005 - 1 [X.] - [X.]E 114, 157). Das Revisionsgericht muss dadurch in die Lage versetzt werden, allein anhand der Lektüre der [X.]eschwerdebegründung und des [X.]erufungsurteils die Voraussetzungen für die Zulassung prüfen zu können.

5

b) Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerdebegründung nicht. Der Kläger zeigt kein Verhalten des [X.]s auf, das überhaupt geeignet wäre, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen.

6

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr. seit [X.] 14. Juni 1960 - 2 [X.] - [X.]E 11, 218). Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom [X.]achgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben ([X.] 20. April 1982 - 1 [X.]vR 1242/81 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 60, 247; [X.] 14. Dezember 2010 - 6 [X.] 986/10 - Rn. 25, [X.] ArbGG 1979 § 72a Rechtliches Gehör Nr. 16 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 126). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt aber nicht davor, dass den Gerichten Rechtsfehler unterlaufen ([X.] 19. [X.]ebruar 2008 - 9 [X.] 1085/07 - Rn. 5, [X.] ArbGG 1979 § 72a Nr. 60 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 37) oder sie dem Vortrag der Parteien in [X.] Hinsicht nicht die aus deren Sicht richtige [X.]edeutung beimessen ([X.] 31. Mai 2006 - 5 AZR 342/06 ([X.]) - Rn. 6, [X.]E 118, 229).

7

Aus dem Vorbringen des [X.] in der [X.]eschwerdebegründung ergibt sich, dass das [X.] seine in der mündlichen Verhandlung vom 29. [X.]ebruar 2012 gestellten [X.] zur Kenntnis genommen und deshalb nicht darüber entschieden hat, weil der Vergleich vom 10. August 2011 das Verfahren erledigt hat und die Anträge des [X.] erst danach gestellt wurden. Ob dem [X.] dabei Rechtsfehler unterlaufen sind, könnte erst im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüft werden.

8

Soweit der Kläger geltend macht, das [X.] habe über die Anfechtung des Vergleichs nicht entschieden, trägt er auf S. 12 der [X.]eschwerdebegründung selbst vor, die Anfechtung erst am 5. März 2012 und damit nach Verkündung der anzufechtenden Entscheidung erklärt zu haben.

9

2. Der Kläger hat eine Divergenz nicht aufgezeigt.

a) Zur ordnungsgemäßen [X.]egründung einer Divergenzbeschwerde gehört, dass der [X.]eschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung sowie einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des [X.]undesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte anführt und darlegt, dass das anzufechtende Urteil auf dieser Abweichung beruht ([X.] 6. Dezember 1994 - 9 [X.] 337/94 - zu II 1 der Gründe, [X.]E 78, 373). Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG müssen diese Voraussetzungen in der [X.]egründung der [X.]eschwerde dargelegt und die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden ([X.] 14. April 2005 - 1 [X.] 840/04 - [X.]E 114, 200). Allein die Darlegung einer fehlerhaften Rechtsanwendung bzw. fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte reicht zur [X.]egründung einer Divergenzbeschwerde nicht aus (vgl. [X.] 23. Juli 1996 - 1 A[X.]N 18/96 - [X.] ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 76). Zur ordnungsgemäßen [X.]egründung einer Divergenzbeschwerde, die sich auf die Aufstellung eines scheinbar fallbezogenen Rechtssatzes bezieht, ist ferner in der Regel erforderlich, dass konkret und im Einzelfall begründet wird, warum das [X.] von dem betreffenden Rechtssatz ausgegangen sein muss. Der [X.]eschwerdeführer muss die Gesichtspunkte und Schlussregeln für die Ableitung des behaupteten abstrakten Rechtssatzes („Deduktion“) aus den fallbezogenen Ausführungen des [X.]s darlegen ([X.] 6. Dezember 2006 - 4 [X.] 529/06 - [X.] ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 51 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 111).

b) Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat einen abstrakten fallübergreifenden Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung, der von solchen der angezogenen Entscheidungen ([X.] 23. November 2006 - 6 [X.] - [X.]E 120, 251; 5. August 1982 - 2 [X.] - [X.]E 40, 17) divergieren könnte, nicht aufgezeigt.

3. Der Kläger hat eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung nicht dargelegt.

a) Nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche [X.]edeutung hat. Dies ist der [X.]all, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner [X.]edeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt ([X.] 14. April 2005 - 1 [X.] 840/04 - zu 2 c aa der Gründe, [X.]E 114, 200). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer [X.]älle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. [X.] 4. November 2008 - 1 [X.]vR 2587/06 - Rn. 19, [X.], 53; [X.] 5. Oktober 2010 - 5 [X.] 666/10 - Rn. 3, [X.] ArbGG 1979 § 72a Nr. 74 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 43). Der [X.]eschwerdeführer hat nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG die von ihm darzulegende entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung konkret zu benennen und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und allgemeine [X.]edeutung für die Rechtsordnung und ihre Auswirkungen auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzuzeigen. Unzulässig ist eine [X.]ragestellung, deren [X.]eantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt ([X.] 5. November 2008 - 5 [X.] 842/08 - EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 119; 23. Januar 2007 - 9 [X.] 792/06 - [X.]E 121, 52).

b) Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerdebegründung nicht. Soweit der Kläger überhaupt Rechtsfragen konkret benennt, zeigt er - unbeschadet des Erfordernisses der Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit - jedenfalls deren Entscheidungserheblichkeit nicht ausreichend auf.

Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn sich das [X.] in der anzufechtenden Entscheidung mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen [X.]eantwortung möglicherweise eine für den [X.]eschwerdeführer günstige Entscheidung getroffen hätte ([X.] 22. Mai 2012 - 1 A[X.]N 27/12 - Rn. 3; 13. Juni 2006 - 9 [X.] 226/06 - Rn. 11, [X.]E 118, 247). Das ergibt sich aus dem Vorbringen des [X.] nicht. Das [X.] hat die Erledigung des Rechtsstreits durch [X.] vom 10. August 2011 angenommen. Damit können sämtliche [X.]ragen zu einzelnen Ansprüchen oder der nach Verkündung der anzufechtenden Entscheidung erklärten Anfechtung des [X.]s nicht mehr entscheidungserheblich sein.

III. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen, § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG.

IV. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens zu tragen.

V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    [X.]iebl    

        

        

        

        

        

        

                 

Meta

5 AZN 1958/12

15.10.2012

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Berlin, 11. August 2011, Az: 20 Ca 14401/09, Urteil

§ 72 Abs 2 Nr 1 ArbGG, § 72 Abs 2 Nr 2 ArbGG, § 72a Abs 3 S 2 Nr 1 ArbGG, § 278 Abs 6 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.10.2012, Az. 5 AZN 1958/12 (REWIS RS 2012, 2322)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2322

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

14 ZB 20.31824

9 Ca 7701/12

9 Ca 9134/12

14 Sa 190/21

3 Sa 553/17

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