Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.02.2018, Az. IX ZR 83/17

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13457

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:220218UIXZR83.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX ZR 83/17
Verkündet am:

22. Februar 2018

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1; Verordnung
([X.]) Nr. 1215/2012 Art. 29 Abs. 1, 3
Eine bei einem [X.] Gericht erhobene Klage ist von Anfang an unzulässig, wenn wegen desselben Anspruchs zwischen denselben [X.]en bereits eine Klage bei einem international zuständigen Gericht eines anderen Mitgliedstaats der Euro-päischen [X.] anhängig ist.
ZPO § 91a, § 261 Abs. 3 Nr. 1; Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 Art. 29
Abs. 1, 3
Wird ein vor einem [X.] Gericht anhängiges Verfahren wegen einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen [X.] wegen desselben Anspruchs zwi-schen denselben [X.]en bereits anhängigen Klage ausgesetzt, bewirkt die Feststel-lung der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts im inländischen Verfahren nicht die Erledigung der Hauptsache.

[X.], Urteil vom 22. Februar 2018 -
IX ZR 83/17 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2017
durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, [X.]
Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und Meyberg

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der
24.
Zivilkammer des [X.] vom 10.
März 2017 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 3.
Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Rechtsanwalt mit Niederlassung in [X.], [X.]. Er vertrat im Jahr 2013 den Beklagten sowie dessen ebenfalls in [X.] wohnhafte Geschwister in einem Zivilprozess vor dem Bezirksgericht [X.] in [X.]. Das für seine Tätigkeit angefallene
Honorar in Höhe von 3.447,54

machte der Kläger nebst weiteren Kosten
gegen den Beklagten und dessen Geschwister als Auftraggeber in [X.] gerichtlich geltend.
Seine
im Juli 2014 beim Bezirksgericht [X.] erhobene, auf Zahlung von insgesamt

Klage wurde an
das Bezirksgericht [X.]
verwiesen und dort mangels internationaler Zuständigkeit mit Beschluss vom 27.
Februar 1
-
3
-
2015 abgewiesen. Der Kläger legte hiergegen Rekurs zum [X.] ein. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. August 2015 stellte
dieses die internationale Zuständigkeit des Bezirksgerichts [X.] fest und verwies das Verfahren im Übrigen an das Bezirksgericht zurück, wo sich die [X.]en am 6.
Oktober 2015 in Höhe der Klageforderung verglichen.

Im März 2015
hat der Kläger
sein Honorar
auch vor [X.] Gerichten geltend
gemacht, gegen den Beklagten beim [X.]. Dieses hat
mit Beschluss vom 30.
Juli 2015 das Verfahren bis zur Entscheidung der [X.] Gerichte über ihre
Zuständigkeit ausgesetzt. Nach dem [X.] des Verfahrens in [X.] hat der Kläger den Rechtsstreit vor dem [X.] für erledigt
erklärt. Der Beklagte hat
sich der Erledi-gungserklärung nicht angeschlossen.

Das Amtsgericht hat die nunmehr auf Feststellung der Erledigung gerich-tete Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils
des Amtsgerichts.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung
des [X.].

2
3
4
-
4
-
I.

Das Berufungsgericht
hat ausgeführt: Die ursprüngliche Zahlungsklage habe sich nach Rechtshängigkeit dadurch erledigt, dass sich die österreichi-schen Gerichte für international zuständig erklärt hätten, so dass das Rechts-schutzbedürfnis für eine Klage gleichen Inhalts in [X.] entfallen sei. Die Klage vor dem [X.] sei bei Einreichung nicht unzulässig gewesen. Die Vorschrift des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO gelte nicht für den Fall von Klagen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen [X.]. Gemäß Art.
29 der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssa-chen ([X.]. Nr. L 351/1, fortan "[X.]") sei das Verfahren bei dem später angerufenen Gericht auszusetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufe-nen Gerichts feststehe. Solange dieses nicht über seine internationale Zustän-digkeit entschieden habe, sei die Klage vor dem später angerufenen
Gericht
schwebend zulässig. Art. 29 [X.] wolle es gerade ermöglichen, dass bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen mit demselben Streitge-genstand anhängig gemacht werden.
Diesem Regelungszweck liefe es zuwider, müsste ein Kläger, wenn sich das von ihm berechtigterweise zuerst angerufene Gericht tatsächlich für zuständig erklärt, die Kosten des zweiten Verfahrens tra-gen.

II.

Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht eine Erledigung der Hauptsache festgestellt.
5
6
-
5
-

1.
Wenn ein Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, der Beklagte
dem aber widerspricht und Klageabweisung beantragt, hat das Gericht durch Urteil zu entscheiden, ob Erledigung eingetreten ist oder nicht ([X.], Urteil vom 6.
Dezember 1984 -
VII ZR 64/84, NJW 1986, 588 f). Die Hauptsache ist erle-digt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erle-digenden Ereignisses
zulässig und begründet war
und durch das behauptete Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde
([X.], Urteil vom 17.
Juli 2003
-
IX ZR 268/02, [X.]Z 155, 392, 395; vom 27.
Januar 2010 -
VIII ZR 58/09, [X.]Z 184, 128 Rn. 18; jeweils mwN). Das Gericht muss die Klage abweisen, wenn eine der beiden Voraussetzungen nicht vorlag ([X.], Urteil vom 17.
April 1984 -
IX ZR 153/83, [X.]Z 91, 126, 127).

2.
Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die vor dem Amtsgericht erhobene [X.] bis zu der als maßgeblich angesehenen Entscheidung des Landes-gerichts [X.] über die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte schwebend zulässig gewesen und erst infolge dieser Entscheidung unzulässig geworden sei. Die vor dem Amtsgericht erhobene Klage war
von Anfang an unzulässig, weil der Kläger wegen desselben Anspruchs gegen den Beklagten bereits
vor einem international zuständigen Gericht
in [X.] ei-nen Rechtsstreit führte, der bis zu dessen vergleichsweiser
Beendigung [X.] blieb.

a) Die Rechtshängigkeit der Streitsache hat nach [X.] Zivilpro-zessrecht die Wirkung, dass während der Dauer der Rechtshängigkeit
die Streitsache von keiner [X.] anderweitig anhängig gemacht werden kann (§
261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Dadurch soll verhindert werden, dass der Beklagte und die Gerichte sich in mehreren Verfahren mit derselben Sache befassen 7
8
9
-
6
-
müssen und dass einander widersprechende Urteile ergehen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Januar 1952 -
IV ZR 106/51, [X.]Z 4, 314, 322; vom 17. Mai 2001
-
IX ZR 256/99, NJW 2001, 3713; vom 7. März 2002 -
III ZR 73/01, [X.], 1503 unter II. 1.). Das [X.] Prozessrecht behandelt die anderweitige Rechtshängigkeit als negative Prozessvoraussetzung, die von Amts wegen zu beachten ist (st.
Rspr., grundlegend [X.], 338, 344 f; [X.], Urteil vom 15. Januar 1985 -
X [X.], [X.], 673; vom 28. Mai 2008 -
XII [X.], [X.]Z 176, 365
Rn. 19; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 261 Rn.
5 und 42). Eine später gegen dieselbe [X.] über denselben Streitgegen-stand erhobene Klage ist während der Dauer der anderweitigen Rechtshängig-keit von Anfang an unzulässig ([X.], Beschluss vom 2. Dezember 2014 -
XI [X.], [X.], 69 Rn. 15; [X.],
[X.], 124 Rn. 34; [X.]/[X.], aaO §
261 Rn. 42).

b) § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO regelt unmittelbar nur die Wirkungen der Rechtshängigkeit einer Streitsache vor einem [X.] Gericht. Die
Rechts-hängigkeit der Streitsache vor einem ausländischen Gericht steht nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] der Rechtshängigkeit vor einem inländischen Gericht aber gleich, wenn das ausländische Urteil hier an-zuerkennen sein wird (vgl.
etwa [X.], Urteil vom 18. März 1987 -
IVb [X.], [X.], 826; vom 12. Februar 1992 -
XII ZR 25/91, [X.], 1058, 1059; vom 24. Oktober 2000 -
XI [X.], NJW 2001, 524, 525; vom 28. Mai 2008,
aaO
Rn. 17). Sie steht unter dieser Voraussetzung einer nachfolgenden Klage in gleicher Weise von Anfang an entgegen, wie gemäß § 261 Abs. 3 Nr.
1 ZPO die anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache in [X.].
10
-
7
-

c) Aus Art.
29 [X.] ergibt sich nicht, dass die in [X.] er-hobene Klage abweichend von den vorstehenden Grundsätzen zunächst zuläs-sig war.

aa) Für den hier gegebenen Fall der doppelten Rechtshängigkeit einer Streitsache bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten der [X.] bestimmt Art. 29 Abs. 1 und 3 [X.], dass das später angerufene [X.] das Verfahren von Amts wegen auszusetzen hat, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht; sobald dies der Fall ist, hat sich das [X.] angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für [X.] zu erklären. Die doppelte Rechtshängigkeit ein und desselben Streitge-genstandes ist danach wie im [X.] Zivilprozessrecht auch im Verhältnis zwischen den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen [X.] beachtlich und steht einer Sachentscheidung des später angerufenen Gerichts entgegen. Im Interesse einer geordneten und abgestimmten Rechtspflege in-nerhalb der [X.] sollen so weit wie möglich Parallelverfahren und wi-dersprüchliche Entscheidungen in verschiedenen Mitgliedstaaten verhindert werden (für Art. 21 des Übereinkommens von [X.] von
1968 über die ge-richtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen -
[X.]. [X.] 1972 Nr. L 299 S. 32, EuGVÜ
-
[X.], [X.]. [X.]
1979 Nr. C 59 [X.], 41; vgl. auch Erwägungsgrund 21 der [X.]), die sich daraus ergeben können, dass einem Kläger in den [X.] die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen in verschiedenen Mitgliedstaaten ermöglicht wird (für das EuGVÜ [X.], [X.] ausländischer Rechtshängigkeit im [X.] internationalen Zivilprozess, 1996, S. 33; für Art. 27 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.
Dezember 2000 -
[X.] aF -
[X.] in [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 27 Rn. 1; für Art. 29 [X.] [X.]/
11
12
-
8
-
Leible, Europäisches Zivilprozess-
und Kollisionsrecht, 4. Aufl., Art. 29 [X.] Ia-VO Rn. 9).

bb) Die Regelung der Verordnung hat Vorrang vor dem Prozessrecht der einzelnen Mitgliedstaaten ([X.] in [X.]/[X.], [X.] I-Verordnung, 2012, vor [X.]. 27-30 Rn. 15; [X.]/[X.], aaO, Einl.
[X.] Ia-VO Rn. 27 ff; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 261 Rn. 49, 53; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 261 Rn. 73; zu Art. 21 EuGVÜ [X.] 2001, 288, 289). Der Vorrang gilt jedoch nur insoweit, als die Regelung der Verordnung reicht. Art. 29 [X.] bestimmt die Rechtsfolge der doppelten Rechtshängigkeit dahin, dass sich das später angerufene Gericht, sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, für unzuständig zu erklären hat. In welcher Weise und auf wessen Kosten der später begonnene Rechtsstreit prozessual beendet wird, überlässt die Regelung dem nationalen Recht
(vgl. [X.], aaO [X.]). Die [X.] Rechtsprechung hat schon zu den früheren Bestimmungen in Art. 21 EuGVÜ und Art. 27 [X.] aF ent-schieden, dass die Klage bei dem später angerufenen Gericht als unzulässig abzuweisen ist ([X.], Urteil vom 9. Oktober 1985, NJW 1986, 662; vom 8. [X.] 1995 -
VIII ZR 14/94, NJW 1995, 1758, 1759; vgl. auch [X.], Urteil vom 19. Februar 2013 -
VI [X.], [X.]Z 196, 180 Rn. 11). Dies entspricht der Rechtslage nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Die durch die anderweitige Rechts-hängigkeit bewirkte Unzulässigkeit der späteren Klage besteht von Anfang an. Deswegen ist dem Kläger auch der Weg versperrt, die Kosten über eine Erledi-gungserklärung auf den Beklagten abzuwälzen.

d) Selbst unter der Annahme, Art. 29 [X.] regle auch den Zeit-punkt, ab dem die Klage
beim später angerufenen Gericht unzulässig ist, träfe die Ansicht des Berufungsgerichts, die spätere Klage sei bis zur Feststellung 13
14
-
9
-
der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts zulässig, nicht zu. Eine sol-che vorübergehende Zulässigkeit der später erhobenen Klage kann nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass Art. 29 Abs. 1 [X.] eine Ausset-zung des Verfahrens vorschreibt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. Das Aussetzungsgebot betrifft ausschließlich das vom Zweitgericht einzuhaltende Verfahren.

aa) Nach der ursprünglichen Regelung in Art. 21 EuGVÜ hatte sich, wenn bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben [X.]en anhängig gemacht wurden, das später angerufene Gericht von Amts wegen zugunsten des zuerst angerufenen [X.]s für unzuständig zu erklären. Falls die Unzuständigkeit des zuerst angeru-fenen Gerichts geltend gemacht wurde, konnte das Gericht, das sich für [X.] zu erklären hätte, die Entscheidung aussetzen. Diese Regelung brachte zum Ausdruck, dass eine zweite Klage unzulässig war, wenn in einem anderen Vertragsstaat bereits eine Klage über denselben Anspruch vor einem internati-onal zuständigen Gericht anhängig war. Durch Art. 8 des Übereinkommens über den Beitritt des [X.] und der [X.] von 1989 ([X.]. [X.] 1989 Nr. L 285, [X.]) wurde die Regelung dahin geändert, dass die bisher fakultative Aussetzung obligatorisch wurde. Eine sofortige [X.] durch das Zweitgericht wurde in den Fällen als zu radikal ange-sehen, in denen die Erhebung der zweiten identischen Klage zur Fristwahrung oder Verjährungsunterbrechung erfolgte (vgl. hierzu für das Lugano-Überein-kommen
Jenard/[X.], [X.]. [X.] 1990 Nr. [X.] S. 57,
78 Nr. 64; übernommen für das EuGVÜ nF, vgl. [X.]/Real/[X.] zum Beitrittsübereinkommen 1989, [X.]. [X.] 1990 Nr. [X.] S. 35, 48 Nr. 28). Der Ausgangspunkt, dass die zweite Klage angesichts der bereits bei einem anderen, international zuständi-gen Gericht anhängigen Klage unzulässig ist, änderte sich dadurch nicht. Es 15
-
10
-
sollte lediglich vermieden werden, dass nach sofortiger Abweisung der zweiten Klage ein neues Verfahren eingeleitet werden musste, sofern sich später die Unzuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts herausstellte (vgl. [X.], Die ausländische Rechtshängigkeit und ihre Auswirkungen auf das internationa-le Zivilverfahrensrecht, 1999, [X.]92).

bb) Die Regelung in Art. 29 Abs. 1 und 3 [X.] entspricht, wie schon die Vorgängerregelung in Art. 27 [X.] aF, im Wesentlichen derjeni-gen in Art. 21 EuGVÜ [X.] Auch sie schiebt lediglich die Befugnis des Zweitge-richts, sich im Hinblick auf die doppelte Rechtshängigkeit für unzuständig zu erklären, zeitlich hinaus (vgl. [X.], ZPO, 22. Aufl., Art. 27
[X.] Rn. 58; [X.], Die [X.] Rechtshängigkeit nach der
[X.] an der Schnittstelle zum nationalen Zivilprozessrecht, 2006, [X.]56). Das Zweitgericht hat die Entscheidung des Erstgerichts zur internationalen [X.] abzuwarten und im Verfahren bis dahin innezuhalten. Hierdurch [X.] negative Kompetenzkonflikte vermieden werden, die im Falle einer soforti-gen Abweisung der zweiten Klage wegen der anderweitigen Rechtshängigkeit drohten, wenn sich das erste Verfahren letztlich doch mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig erweist (für Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ aF [X.], aaO, S. 41; [X.]/[X.], 4. Aufl., Art. 27 [X.] Rn.
21). Die [X.]en sollen in einem solchen Fall nicht mit ihrem Prozess von neuem beginnen müssen (für Art. 21 Abs. 2 EuGVÜ aF [X.], aaO; für die [X.] [X.]/Leible, aaO, Art. 29 [X.] Ia-VO Rn. 38; [X.]/
[X.], ZPO, 32. Aufl., Art. 29 [X.] Rn. 1). Damit ist den Interessen des [X.] im Rahmen des von Art. 29 [X.] verfolgten Regelungszwecks hinreichend Rechnung getragen. Eine weitergehende Bevorzugung seiner Inte-ressen gebietet Art. 29 [X.] nicht. Insbesondere bezweckt die Bestim-mung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass ein Kläger gegen 16
-
11
-
ein und denselben Beklagten wegen desselben Streitgegenstandes bei Gerich-ten verschiedener Mitgliedstaaten ohne Kostenrisiko gerichtlich vorgehen
kann. Art. 29 [X.] dient auch dem Schutz des Beklagten vor der Gefahr, sich einer doppelten Verurteilung und entsprechenden Kostenfolgen ausgesetzt zu sehen (zu Art. 21 EuGVÜ [X.], Beschluss vom 28. November 1985 -
III ZR 3/85, [X.] 1986, 217 f).

3. Der Senat erachtet ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 A[X.]V an den Gerichtshof der Europäischen [X.] im Streitfall nicht für erfor-derlich. Der Regelungsumfang des Art. 29 [X.] ist angesichts der [X.] derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen ver-nünftigen Zweifel bleibt. Der Senat ist davon überzeugt, dass diese Gewissheit auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof besteht (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 -
C-283/81, [X.], Slg. 1982, 3415 Rn.
16). Das Verfahren der Aussetzung und die prozessualen Folgen der [X.] des später angerufenen Gerichts richten sich hingegen nach nati-onalem Recht.

17
-
12
-
III.

Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechts-verletzung bei Anwendung des
Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der [X.] selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Kayser
Gehrlein
[X.]

Schoppmeyer
Meyberg

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.02.2016 -
62 C 85/15 (16) -

LG [X.], Entscheidung vom 10.03.2017 -
24 S 24/16 -

18

Meta

IX ZR 83/17

22.02.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.02.2018, Az. IX ZR 83/17 (REWIS RS 2018, 13457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13457

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 83/17 (Bundesgerichtshof)

Unzulässigkeit einer bei einem deutschen Gericht erhobenen Klage bei Anhängigkeit der Klage bei einem international …


V ZB 163/12 (Bundesgerichtshof)

Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof: Zur Frage der Aussetzungspflicht des später angerufenen nach der EuGVVO …


VI ZR 45/12 (Bundesgerichtshof)

Aussetzung des Rechtsstreits nach der EuGVVO: Parteiidentität bei Klagen wegen unterschiedlicher Schäden jedes an einem …


VI ZR 45/12 (Bundesgerichtshof)


XII ZR 23/12 (Bundesgerichtshof)

Internationale Zuständigkeit für ein Unterhaltsverfahren nach Wechsel von der bezifferten Leistungsklage zur Stufenklage und zwischenzeitlichem …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZR 83/17

VIII ZR 58/09

XI ZB 17/13

VI ZR 45/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.