Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.04.2013, Az. XII ZR 23/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6591

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Gegenstand

Internationale Zuständigkeit für ein Unterhaltsverfahren nach Wechsel von der bezifferten Leistungsklage zur Stufenklage und zwischenzeitlichem Wohnsitzwechsel des Klägers


Leitsatz

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO ist auch für eine Stufenklage gemäß § 254 ZPO gegeben, mit der Auskunft über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen und Zahlung von Unterhalt in noch zu beziffernder Höhe verlangt wird.

2. Ist zunächst eine Leistungsklage auf Zahlung von Unterhalt erhoben worden und wird das Unterhaltsbegehren erst nachträglich im Wege der Stufenklage verfolgt, so hat dies auf die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 EuGVVO auch dann keinen Einfluss, wenn der Kläger bei Rechtshängigkeit der Stufenklage nicht mehr in Deutschland wohnt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. [X.] des [X.] vom 23. Februar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage über die Erteilung von Auskunft und die Zahlung von Trennungsunterhalt.

2

Die Klägerin besitzt die [X.] sowie die [X.] Staatsangehörigkeit; der Beklagte hat die [X.] und die [X.] Staatsangehörigkeit. Die Parteien hatten am 25. November 1997 geheiratet. Ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten sie in [X.]. Im März 2004 trennten sie sich. Die Klägerin zog damals nach [X.]. Sie hat behauptet, im November 2004 nach [X.] gezogen zu sein und hier ihren Wohnsitz begründet zu haben. Spätestens seit Anfang des Jahres 2009 wohnt die Klägerin wieder in [X.].

3

Die Klage auf Trennungsunterhalt wurde am 15. August 2005 mit einem bezifferten [X.], mit dem Teilunterhalt begehrt wurde, eingereicht und dem Beklagten am 14. November 2005 an seinem damaligen Wohnort in [X.] zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. April 2009, dem Beklagten zugestellt am 24. September 2009, hat die Klägerin die Klage umgestellt und im Wege der Stufenklage die Erteilung von Auskunft über das Einkommen des Beklagten nebst Belegen sowie Zahlung von Trennungsunterhalt in noch zu beziffernder Höhe verlangt.

4

Bereits mit Antrag vom 10. Januar 2005 hatte der Beklagte vor einem Gericht in [X.] ein "Unterhaltsangebotsverfahren" eingeleitet und beantragt, für seine Ehefrau gerichtlich einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.500 Real festzusetzen. Mit Beschluss des [X.]n Gerichts vom 17. Januar 2005 wurden die Alimente provisorisch in Höhe dieses Angebots festgesetzt. Im Hauptsacheverfahren wurde versucht, der Klägerin als dortiger Verfahrensgegnerin die Antragsschrift unter der dort genannten Anschrift in [X.] zuzustellen. Die Zustellung gelang jedoch nicht. Die hiermit in [X.] beauftragte Gerichtsvollzieherin teilte am 10. Februar 2005 mit, dass die Adressatin unter der angegebenen Anschrift nicht mehr wohnhaft sei und sich seit ungefähr zwei Monaten in [X.] aufhalten solle. Auch der Versuch einer erneuten Zustellung im April 2005 misslang. Daraufhin beantragte der Beklagte bei dem [X.]n Gericht die öffentliche Zustellung. Nachdem weitere Ermittlungen des Gerichts zu keiner anderen ladungsfähigen Anschrift führten, ordnete dieses am 23. Juni 2005 die öffentliche Zustellung der Antragsschrift an.

5

Das Amtsgericht hat dem Auskunftsbegehren durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] das Teilurteil abgeändert und den Auskunftsantrag abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist begründet.

7

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem [X.]punkt eingeleitet worden ist (vgl. [X.]sbeschluss vom 3. November 2010 - [X.] 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

8

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1506 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt:

9

Die internationale Zuständigkeit beurteile sich im vorliegenden Fall noch nach den Bestimmungen der [X.] über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 ([X.] 44/2001 - [X.]). Die Verordnung sei auf den vorliegenden Fall anzuwenden, weil der Beklagte bei Zustellung der Klage seinen Wohnsitz in den [X.] und damit in einem Mitgliedstaat gehabt habe. Für die ursprüngliche Klage auf Trennungsunterhalt habe die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte bestanden, da die Klägerin bei Erhebung der Klage ihren Wohnsitz in [X.] gehabt habe. Bereits aus zwei erfolglos geführten Scheidungsverfahren ergebe sich, dass sich die Klägerin seit November 2004 in [X.] aufgehalten habe. Vor allem lasse sich aber dem vorgelegten Entlassungsbericht der M.-Kliniken vom 26. Juni 2008 entnehmen, dass die Klägerin hier bis Juni 2008 in stationärer Behandlung gewesen sei. In dem Bericht werde es als problematisch für den psychischen Zustand der Klägerin beschrieben, dass sie täglich von ihrem Wohnort zur Arbeit fahre, sich gleichzeitig mit der [X.] beschäftige und zudem mit einer Konfliktsituation mit ihrem Arbeitgeber konfrontiert sei. Da die Klägerin ihren Wohnsitz bereits vor der Klageumstellung wieder nach [X.] verlegt habe, gelte die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte aber nicht für den mit dem Teilurteil entschiedenen Streitgegenstand der [X.]s- und Belegstufe. Zwar statuiere der Grundsatz der perpetuatio fori eine Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit, wenn die Voraussetzungen der Zuständigkeit während des Prozesses bestanden hätten, im [X.] aber nicht mehr vorlägen. Dieser Grundsatz, der auch der [X.] zugrunde liege, finde jedoch seine Grenze, wenn ein neuer Streitgegenstand rechtshängig gemacht werde. Diese Grenze gelte auch für die internationale Zuständigkeit. Der Wechsel von der Leistungs- zur Stufenklage sei eine nachträgliche Anspruchshäufung, die von der Rechtsprechung wie eine Klageänderung behandelt werde. Ob zwischen dem ursprünglich bezifferten Leistungsantrag und dem nunmehr unbeziffert geltend gemachten Leistungsantrag Identität bestehe, könne offenbleiben, da der Leistungsantrag in der Berufung nicht angefallen sei. Jedenfalls bestehe keine Identität hinsichtlich der bezifferten [X.] und den [X.]s- und Beleganträgen. Durch den Übergang zur Stufenklage sei insoweit ein neuer Streitgegenstand hinzugekommen. Bei Eintritt der Rechtshängigkeit dieses Streitgegenstandes hätten die Voraussetzungen für eine internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte nicht mehr vorgelegen und seien seitdem auch nicht eingetreten. Die Klägerin habe zur [X.] der Zustellung des Schriftsatzes, dem 24. September 2009, nicht mehr in [X.] gelebt. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte sei auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht begründet. Da die Klage bezüglich der [X.]s- und Beleganträge schon mangels internationaler Zuständigkeit abzuweisen sei, könne offenbleiben, ob in dem [X.] [X.] ein Prozesshindernis für den vorliegenden Rechtsstreit zu sehen sei.

II.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung sei zulässig, weil der Wert des [X.] den Betrag von 600 € übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), steht mit der ständigen Rechtsprechung des [X.] in Einklang. Danach ist das für die Wertbemessung maßgebliche Interesse des Beklagten, die [X.] nicht erteilen zu müssen, in der Regel nach dem Aufwand zu bemessen, der mit der Erteilung der [X.] verbunden ist ([X.]sbeschlüsse vom 21. April 2010 - [X.] 128/09 - [X.], 964 Rn. 10 und vom 22. April 2009 - [X.] 49/07 - FamRZ 2009, 1211 Rn. 9 jeweils mwN). Insofern begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht werterhöhend die Notwendigkeit berücksichtigt hat, die beizubringenden ausländischen Belege übersetzen zu lassen, wodurch zusätzliche Kosten anfallen.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte für die zunächst erhobene Leistungsklage auf Trennungsunterhalt bejaht.

a) Diese richtet sich hier nach der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 ([X.] = [X.] I-VO), weil die Klage nach deren Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden (Art. 76, 66 [X.]) und der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung (Art. 1 Abs. 1 und 3 [X.]) im Verhältnis der Bundesrepublik [X.] zu den [X.] als Mitgliedstaaten eröffnet ist. Die Verordnung ([X.]) Nr. 4/2009 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in [X.] vom 18. Dezember 2008 ([X.]. [X.] 2009 L 7, [X.] - [X.]) ist hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen nicht anzuwenden, da das Verfahren nicht vor dem Datum der Anwendbarkeit, dem 18. Juni 2011 (Art. 76 Satz 3 [X.]) eingeleitet worden ist (Art. 75 [X.]).

b) Nach Art. 5 Nr. 2 [X.] (vgl. jetzt: Art. 3 Buchst. b [X.]) kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, in [X.] unter anderem vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Art. 59 Abs. 1 [X.] richtet sich die Entscheidung, ob eine Partei im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates, dessen Gerichte angerufen sind, einen Wohnsitz hat, nach nationalem Recht. Maßgeblich ist deshalb nach § 7 Abs. 1 BGB, ob die Klägerin sich im Bereich des angerufenen Amtsgerichts ständig niedergelassen und deshalb dort einen Wohnsitz begründet hatte. Das hat das Berufungsgericht aufgrund der festgestellten Umstände rechtsfehlerfrei bejaht. Es konnte aus den beiden vor dem Amtsgericht eingeleiteten Scheidungsverfahren sowie dem Umstand, dass die Klägerin längerfristig in den M.-Kliniken behandelt worden war, in Verbindung mit den in dem Entlassungsbericht geschilderten weiteren Umständen zu der Beurteilung gelangen, dass sich die Klägerin hier dauerhaft niedergelassen hatte.

Soweit die Revisionserwiderung diese Feststellungen für unzureichend hält, vermag sie damit nicht durchzudringen. Das in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in der Berufungsinstanz, die Klägerin habe nicht in [X.] gelebt, steht im Widerspruch zu dessen früherem Vortrag. So hat der Beklagte etwa in dem wegen des [X.] eingeleiteten einstweiligen [X.] im November 2005 ausgeführt, die Klägerin habe ihren Wohnsitz nach [X.] verlegt und vermutlich mit den ihr nicht bekömmlichen Klimaverhältnissen ihre behauptete krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt. Darüber hinaus hat der Beklagte vorgetragen, die Klägerin habe ihm in einer mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht von der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in [X.] berichtet; Zweifel hieran wurden nicht aufgezeigt. Im Übrigen hat der Beklagte noch im Februar 2009 in dem in [X.] anhängigen Verfahren zur Begründung seines Begehrens auf Herabsetzung des dort festgesetzten Unterhalts darauf hingewiesen, dass die Klägerin darauf bestehe, in [X.] zu leben, anstatt sich bei ihrer wirtschaftlich gut situierten Familie in [X.] aufzuhalten. Auch diese Umstände durfte das Berufungsgericht in seine Beurteilung einbeziehen.

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts besteht die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte auch für die von der Klägerin erhobene Stufenklage.

a) Der Begriff "[X.]" in Art. 5 Nr. 2 [X.] ist [X.] autonom auszulegen. Erfasst werden alle Verfahren, deren Gegenstand ein Unterhaltsanspruch ist. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung als Unterhalt an, so dass auch mehrere Rechtsbegriffe aus derselben Rechtsordnung unter den Begriff fallen können. Unerheblich ist grundsätzlich ferner, ob eine Leistung periodisch oder durch einen Pauschalbetrag erbracht werden soll ([X.]/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht 3. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 164, 172; Kropholler/von [X.] Europäisches Zivilprozessrecht 9. Aufl. Art. 5 [X.] Rn. 56; [X.]/[X.] Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 5 [X.] I-VO Rn. 62; [X.]. 1979 [X.] Rn. 91, 93). In Betracht kommt auch die Übertragung von Gegenständen des einen (ehemaligen) Ehegatten auf den anderen in (teilweiser) Erfüllung der nachehelichen Unterhaltspflicht ([X.]. 1997 I 1147 - van den [X.] zum EuGVÜ; [X.]/Schütze aaO Art. 5 [X.] Rn. 172). Dementsprechend geht der [X.] von einem weiten Unterhaltsbegriff aus, von dem auch die im [X.] Recht vorgesehenen Ausgleichsleistungen, die nach Art. 270 ff. [X.] den Charakter einer pauschalen Abgeltung haben, umfasst werden ([X.] 1981, 19, 20 - De Cavel; vgl. [X.]sbeschluss vom 12. August 2009 - [X.] 12/05 - FamRZ 2009, 1659 Rn. 15 ff.).

b) Im Hinblick auf dieses weite Verständnis des Begriffs der [X.] müssen auch die der Durchsetzung des Hauptanspruchs auf Unterhalt dienenden [X.] auf [X.] und Versicherung der Richtigkeit zu den [X.] im Sinne des Art. 5 Nr. 2 [X.] gerechnet werden. Eine andere Auslegung verstieße gegen die Grundsätze einer geordneten Rechtspflege und der Vermeidung einer Häufung von Gerichtsständen in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis, die, wie der [X.] mehrfach entschieden hat, bereits Ziele des [X.]er Übereinkommens (EuGVÜ) waren ([X.] 2006, 161, 163 und Slg. 1997 I 3767 Rn. 26 - [X.]). Denn mit der Geltendmachung der Ansprüche auf [X.] und Unterhalt in einem einzigen Rechtsstreit werden aus prozessökonomischen Gründen aufeinanderfolgende Doppelprozesse über dasselbe [X.] verhindert und der Unterhaltsberechtigte in die Lage versetzt, seinen Anspruch zu konkretisieren ([X.]/[X.] ZPO 22. Aufl. § 254 Rn. 1; [X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 254 Rn. 1). Eine Stufenklage, bei der gemäß § 254 ZPO mit der Klage auf [X.] und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit ein zunächst unbeziffertes Zahlungsbegehren verbunden wird, muss deshalb ebenfalls der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 [X.] unterfallen.

c) Die Klägerin hatte allerdings zunächst eine Leistungsklage erhoben und den begehrten Unterhalt als Teilunterhalt bezeichnet, weil sie sich zu einer endgültigen Bezifferung nicht in der Lage sah. Als sie mit Schriftsatz vom 14. April 2009, dem Beklagten zugestellt am 24. September 2009, ihren Antrag umgestellt und [X.] über das Einkommen des Beklagten sowie Unterhaltszahlung in noch zu beziffernder Höhe verlangt hatte, hatte sie in [X.] keinen Wohnsitz mehr. Durch den Umzug der Klägerin nach [X.] ist indessen die hier begründete internationale Zuständigkeit nicht nachträglich entfallen.

aa) Der im [X.] Prozessrecht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO geltende Grundsatz, dass eine einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts auch dann erhalten bleibt, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreits wegfallen (perpetuatio fori, [X.] Urteil vom 26. April 2001 - [X.], 2477, 2478 mwN), ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum auch auf die internationale Zuständigkeit anwendbar ([X.]Z 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 23 mwN). Er ist auch auf die hier in Rede stehende Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 [X.] anzuwenden.

bb) Von der Geltung dieses Grundsatzes ist nach der Rechtsprechung des [X.] für [X.]e Gerichtsstandsbestimmungen auszugehen, wenn deren Ziele der Vorhersehbarkeit, Effizienz und Rechtssicherheit andernfalls - das heißt bei einem Wechsel der Zuständigkeit vom zuerst befassten Gericht zu einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates - verfehlt würden ([X.] 2006, 161 Rn. 35 ff. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und [X.] 2006, 149 Rn. 24 ff. zu Art. 3 Abs. 1 EuInsVO; [X.]sbeschlüsse [X.]Z 182, 204 = FamRZ 2009, 2069 Rn. 16 zu Art. 4, 7 [X.] 73 und [X.]Z 184, 269 = [X.], 720 Rn. 9 zu Art. 8 [X.]). In solchen Fällen muss es bei der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts bleiben, wenn die Gerichtsstandsbestimmung der Verbesserung der Effizienz grenzüberschreitender Verfahren dient ([X.]. 2006 [X.] Rn. 24 ff.; [X.]Z 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 24).

cc) Diese Erwägungen lassen sich auf die nach Art. 5 Nr. 2 [X.] bestehende internationale Zuständigkeit übertragen. Nach dieser Bestimmung kann der Unterhaltsberechtigte als Kläger die Klage an dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht erheben. Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die dem Schutz des Unterhaltsgläubigers dient; ihm soll die Rechtsverfolgung erleichtert und er soll nicht genötigt werden, seine Ansprüche vor dem Gericht geltend zu machen, das für den Beklagten zuständig ist (Kropholler/von [X.] aaO Art. 5 [X.] Rn. 54; [X.]/Schütze aaO Art. 5 [X.] Rn. 157). Dieser Schutzzweck würde zunichte gemacht, wenn von dem Unterhaltsgläubiger verlangt würde, nach einem Umzug in einen anderen Staat vor einem anderen Gericht erneut gegen den Schuldner vorzugehen. Das wäre auch [X.], weil es zu einer Häufung der Gerichtsstände und regelmäßig zu einer Verlängerung des Verfahrens führen würde.

dd) Der Grundsatz der perpetuatio fori findet seine Grenze zwar im Falle einer Klageänderung. Stellt der Kläger einen neuen Streitgegenstand zur Prüfung, ist das angerufene Gericht befugt, seine Zuständigkeit für dieses Begehren zu prüfen ([X.] Urteil vom 26. April 2001 - [X.], 2477, 2478; [X.]/Schumann aaO § 261 Rn. 83; [X.]/[X.] aaO § 261 Rn. 12). Eine solche Klageänderung liegt hier aber nicht vor.

(1) Bei der Stufenklage nach § 254 ZPO stellt der auf Antrag des [X.] zulässige Wechsel von der [X.]s- zur Leistungsstufe keine Klageänderung nach § 263 ZPO dar, sondern eine zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO ([X.] Urteil vom 21. Februar 1991 - [X.] - NJW 1991, 1893; [X.]/[X.] aaO § 254 Rn. 4). Ebenso wird das Übergehen einer zunächst angekündigten zweiten Stufe beurteilt ([X.] Urteil vom 15. November 2000 - [X.] - NJW 2001, 833). Auch eine Rückkehr in die erste Stufe wird nach § 264 Nr. 2 ZPO für zulässig gehalten ([X.]/[X.] aaO § 254 Rn. 4). Das soll auch für den hier vorliegenden Fall des erstmaligen Übergangs von der Leistungsklage zur Stufenklage gelten ([X.] Urteil vom 15. November 2005 - 5 Sa 4/05 - juris Rn. 42; Hk-ZPO/[X.] 5. Aufl. § 254 Rn. 12).

(2) Ob der zuletzt genannten Auffassung zu folgen ist, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Da es um die Frage der internationalen Zuständigkeit geht, ist für die Beurteilung, ob eine Klageänderung, also eine Änderung des Streitgegenstandes, vorliegt, nicht, wie die Revision zu Recht geltend macht, das nationale Prozessrecht heranzuziehen, sondern es ist eine [X.] autonome Interpretation der insoweit maßgeblichen Bestimmungen vorzunehmen.

Art. 27 [X.] regelt die Folgen der doppelten Rechtshängigkeit. Nach Art. 27 Abs. 1 [X.] setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden. Ob derselbe Anspruch betroffen ist, muss aber auch dann beurteilt werden, wenn ein Begehren in einem bereits anhängigen Verfahren noch nachträglich geltend gemacht werden soll. Falls es sich um denselben Anspruch handelt, wäre ein von der anderen Partei über den betreffenden Anspruch eingeleitetes späteres Verfahren auszusetzen. Insofern können aus Gründen der Rechtssicherheit für die Prüfung der Identität der Streitgegenstände keine unterschiedlichen Kriterien gelten. Vielmehr ist auch in dieser Hinsicht das Verständnis des Begriffs desselben Anspruchs im Sinne des Art. 27 [X.] heranzuziehen.

(3) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist der Begriff der Anspruchsidentität weit auszulegen. Dieselben Ansprüche liegen vor, wenn die Klagen auf derselben Grundlage beruhen und denselben Gegenstand haben. Dabei umfasst die Grundlage des Anspruchs den Sachverhalt und die Rechtsvorschrift, auf die die Klage gestützt wird; der Gegenstand wird in dem Zweck der Klage gesehen ([X.]. 1994 I - 5439 Rn. 38 ff. - [X.]). Es genügt, wenn die Klagen im [X.] den gleichen Gegenstand haben, auf eine vollständige Identität kommt es nicht an ([X.]E 1987, 4861 Rn. 6 - Gubisch Maschinenfabrik).

Nach diesen Maßstäben hat der [X.] das Vorliegen desselben Anspruchs bejaht, wenn die erste Klage auf Erfüllung eines Vertrages, die zweite Klage dagegen auf die Feststellung der Unwirksam-keit oder Auflösung des Vertrages gerichtet ist ([X.]E 1987, 4861 Rn. 16). Der umgekehrte Fall der Erhebung einer negativen Feststellungsklage und anschließender Klage auf Schadensersatz ist ebenso beurteilt worden ([X.]. 1994 I - 5439 Rn. 43 - [X.]; vgl. auch [X.]/Schütze aaO Art. 2 [X.]; Kropholler/von [X.] aaO Art. 27 [X.] Rn. 6 ff.; [X.]/[X.] aaO Art. 27 [X.] [X.] Rn. 8 f.; [X.]/Wagner aaO Art. 27 [X.] Rn. 22 ff.). Insofern habe die zweite Klage denselben Gegenstand wie die erste, da die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Haftung im Mittelpunkt der Verfahren stehe. Die unterschiedlich lautenden Klageanträge bewirkten nicht, dass die beiden Rechtsstreitigkeiten unterschiedliche Gegenstände hätten ([X.]. 1994 I - 5439 Rn. 43 - [X.]).

(4) Unter Heranziehung der vorgenannten Kriterien ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Leistungsklage auf Zahlung von Trennungsunterhalt und die Stufenklage denselben Anspruch zum Gegenstand haben. Beide beruhen auf demselben Lebenssachverhalt, nämlich der Trennung der Parteien und der behaupteten Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, und dienen demselben Zweck, der Durchsetzung der Unterhaltspflicht. Die Anspruchsgrundlagen für die Begehren sind nach dem bis zum [X.] der Klägerin anwendbaren materiellen [X.] Recht (Art. 4 Abs. 1 des [X.] über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973, siehe auch Art. 18 Abs. 1 Satz 1 [X.]BGB) zwar unterschiedlich, nämlich § 1361 Abs. 1 BGB für den Trennungsunterhalt und § 1361 Abs. 4 BGB iVm § 1605 BGB für das [X.]sbegehren. [X.] kann der Unterhaltsberechtigte aber nur verlangen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Bereits aus dieser Einschränkung ergibt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Anspruchsgrundlagen. Im [X.]punkt betreffen deshalb sowohl die Leistungsklage als auch die Stufenklage den Unterhaltsanspruch, so dass es sich um denselben Anspruch handelt. Die Unterschiedlichkeit der Klageanträge ist nicht von Bedeutung.

Da der Übergang von der Leistungsklage zur Stufenklage hier somit keine Klageänderung darstellt, war das Amtsgericht für die Stufenklage nach Art. 5 Nr. 2 [X.] weiterhin international zuständig. Die Zuständigkeit ist nicht dadurch entfallen, dass nur das dem [X.]santrag stattgebende Teilurteil Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Das Berufungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen können, wenn es zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass sich der [X.]sanspruch aus Erwägungen als unbegründet erweist, die auch dem Zahlungsanspruch die Grundlage entziehen (vgl. [X.]Z 94, 268 = NJW 1985, 2405, 2407).

4. Die vorgenommene Auslegung erfordert keine Vorlage an den [X.] zur Vorabentscheidung. Die Frage der Geltung des Grundsatzes der perpetuatio fori hat der [X.] bereits grundsätzlich beantwortet ([X.]. 1982, 3415 Rn. 13 f., 21); der dort vertretenen Auffassung folgt der [X.]. Die für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 2 [X.] richtige Auslegung ist aus den aufgeführten Gründen derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. [X.]. 1982, 3415 Rn. 16, 21; [X.] NJW 1988, 1456; [X.]Z 188, 373 = NJW 2011, 2515 Rn. 30 und [X.] Urteil vom 23. Februar 2010 - XI ZR 186/09 - WM 2010, 647 Rn. 35). Die Frage nach dem Vorliegen einer den Grundsatz der perpetuatio fori einschränkenden Klageänderung ist auf der Grundlage der erfolgten Auslegung sowie unter Heranziehung von Art. 27 [X.] ebenfalls zweifelsfrei zu beantworten.

III.

Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil sie mangels Sachprüfung durch das Berufungsgericht nicht zur Endentscheidung reif ist. Die Sache ist deshalb an das [X.] zurückzuverweisen.

IV.

Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

Vorrangig wird der Frage nachzugehen sein, ob durch das von dem Beklagten in [X.] beantragte [X.] eine anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache begründet worden ist (vgl. Art. 27 [X.]). Diese bestimmt sich nach der lex fori, also nach [X.] Recht, und steht der Rechtshängigkeit bei einem [X.] Gericht nur gleich, wenn das ausländische Urteil hier anzuerkennen sein wird ([X.] Urteil vom 10. Oktober 1985 - [X.] - NJW 1986, 2195; [X.]/[X.] aaO § 261 Rn. 53; Hk-[X.] aaO § 261 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.] ZPO 33. Aufl. § 261 Rn. 2).

Für diese Beurteilung dürfte nicht nach Art. 30 Nr. 1 [X.] auf den [X.]punkt der Einreichung des Antrags vom 10. Januar 2005 bei dem [X.] Gericht abzustellen sein. Art. 30 Abs. 1 [X.], der diesen [X.]punkt für maßgeblich erklärt, dürfte nur heranzuziehen sein, wenn es um die Beurteilung von Klagen bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten geht (vgl. Art. 27 Abs. 1 [X.]). Nach dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des [X.] vom 5. Juli 2010 ist nach [X.] Recht (Art. 213, 219 [X.]) für den Eintritt der Rechtshängigkeit die Zustellung der Klage an den Beklagten erforderlich. Danach dürfte es darauf ankommen, ob eine an die (hiesige) Klägerin erfolgte öffentliche Zustellung in [X.] wirksam ist oder ob der Wirksamkeit, wie das Amtsgericht angenommen hat, die positive Kenntnis des Beklagten von dem Aufenthalt der Klägerin in [X.] entgegensteht.

Für die Frage, ob die Streitgegenstände einer Leistungs- oder Stufenklage und das in [X.] eingeleitete Verfahren identisch sind, dürfte der hierzu zum [X.] Recht vertretenen Auffassung Bedeutung zukommen. In dem Gutachten des [X.] wird unter Bezugnahme auf verschiedene Entscheidungen [X.] Gerichte ausgeführt, die wohl herrschende Meinung lehne eine Identität zwischen einem [X.] und einer Unterhaltsklage ab. Das von dem Beklagten vorgelegte Privatgutachten gelangt zu einem anderen Ergebnis. Danach betreffen die zitierten Entscheidungen Fallgestaltungen, die mit der hier zu beurteilenden nicht vergleichbar seien. Auch dieser Frage dürfte erforderlichenfalls nachzugehen sein.

Dose                          Weber-Monecke                                    Klinkhammer

            Schilling                                      [X.]

Meta

XII ZR 23/12

17.04.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 23. Februar 2012, Az: 1 UF 365/10

Art 5 Nr 2 EGV 44/2001, Art 27 EGV 44/2001, § 254 ZPO, § 264 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.04.2013, Az. XII ZR 23/12 (REWIS RS 2013, 6591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6591

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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