Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.10.2017, Az. 1 B 143/17, 1 PKH 85/17, 1 B 143/17, 1 PKH 85/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 3512

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Gründe

1

A. Der Antrag der Kläger auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe und [X.]eiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor dem [X.] ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

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[X.]. Die [X.]eschwerde ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

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1. Die Kläger haben eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht dargelegt.

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1.1 Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

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Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO/§ 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzgerichte für eine Vielzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des [X.] festgehalten und für das [X.] keine [X.]efugnis eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher [X.]edeutung in "[X.]", wie sie etwa das [X.] Prozessrecht kennt, zu treffen. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ([X.]VerwG, Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14.10 - [X.]VerwGE 140, 319 Rn. 28 - zur Feststellung einer extremen Gefahrenlage) haben sich allerdings die [X.]erufungsgerichte nach § 108 VwGO (erkennbar) mit abweichenden Tatsachen- und Lagebeurteilungen anderer Oberverwaltungsgerichte/[X.] auseinanderzusetzen.

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Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 (2 [X.]vR 31/14 - [X.] 2017, 75). Das [X.]undesverfassungsgericht hat in diesem [X.]eschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/[X.] auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen [X.]eurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das [X.]undesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des [X.] für das [X.] einerseits, des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die [X.]ehörden des Heimatstaates von einer solchen [X.]etätigung ausgingen. Für [X.] - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen [X.]ewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der [X.]indung des [X.] an die tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das [X.] ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende [X.]ewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen. Im Ergebnis unterschiedliche [X.]ewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Ein Verfahrensfehler kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die [X.]eweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 25. Juni 2004 - 1 [X.] 249.03 - [X.]uchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 284 und vom 23. September 2011 - 1 [X.] 19.11 - juris, jeweils m.w.N.). Ein Verfahrensmangel bei der [X.]eweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der korrekten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier [X.]eweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat.

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1.2 Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt. Aus den oben erläuterten Unterschieden zwischen [X.]erufung und Revision ergibt sich, dass die Revision entgegen der Auffassung des [X.] nicht zur Klärung der mit der [X.]eschwerde aufgeworfenen Frage zur [X.]ewertung der Verfolgungslage in [X.] zuzulassen ist. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zeigen die Kläger insbesondere nicht mit der als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Frage auf,

"ob die Einziehung zum Wehrdienst durch das Assad-Regime einer politischen Verfolgung gleichkommt".

8

Weder mit der so formulierten Frage noch mit dem Hinweis auf die in dieser Frage im Ergebnis divergierende Rechtsprechung verschiedener Obergerichte, deren "Argumentationsketten" sich die Kläger teils zu eigen machen, oder den Ausführungen zu dem individuellen Verfolgungsschicksal des [X.] zu 1 sowie zu der Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung des [X.] bezeichnet die [X.]eschwerde eine klärungsfähige Rechtsfrage (siehe auch [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. April 2017 - 1 [X.] 70.17 - juris).

9

2. Das Vorbringen, es läge ein Zulassungsgrund zur Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor,

"da der erkennende Senat die Fragen hätte nicht offen lassen dürfen, ob dem [X.]eschwerdeführer zu 1 bei einer möglichen Rückkehr nach [X.] eine [X.]estrafung wegen Wehrdienstentziehung und/oder eine zwangsweise Einberufung in die [X.] droht. Vergleiche dazu Seite 12 der [X.]eschlussbegründung",

genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO. Es wird im Gewande der Verfahrensrüge die rechtliche [X.]eurteilung der Verfolgungslage in [X.] angegriffen, ohne insoweit die Verletzung von Verfahrensrecht darzulegen. Im Übrigen hat das [X.]erufungsgericht nicht die Möglichkeit einer Verfolgung insgesamt offengelassen, sondern lediglich - unter Hinweis auf vorangehende Rechtsprechung - ausgeführt, dass im Falle einer etwa drohenden [X.]estrafung wegen Wehrdienstentziehung und/oder eine zwangsweise Einberufung in die [X.] jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür bestünden, dass diese Maßnahmen aus einem der in § 3 [X.] genannten Gründe, konkret: wegen einer als der Wehrdienstentziehung zu Grunde liegenden vermuteten politischen Opposition zum Regime, ergehen würden.

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 143/17, 1 PKH 85/17, 1 B 143/17, 1 PKH 85/17

23.10.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PKH

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 8. August 2017, Az: 1 A 11634/16, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.10.2017, Az. 1 B 143/17, 1 PKH 85/17, 1 B 143/17, 1 PKH 85/17 (REWIS RS 2017, 3512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3512

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2 BvR 31/14

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