Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2012, Az. V ZR 162/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 281

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]
Verkündet am:
14. Dezember 2012
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] § 44; ZPO § 142

Bei einer Beschlussmängelklage muss das Gericht auf Anregung des [X.] der Verwaltung aufgeben, eine aktuelle Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen, und die Anordnung nach Fristablauf gegebenenfalls mit [X.] durchsetzen (§ 142 ZPO analog).

BGH, Urteil vom 14. Dezember 2012 -
V [X.] -
LG Berlin

[X.][X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richter Prof.
Dr.
[X.]-Räntsch und Dr.
Roth und
die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 13. Mai 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind die Mitglieder einer [X.]. Die Kläger haben mit der gegen die übrigen Wohnungseigentümer ge-richteten Klage mehrere in der Eigentümerversammlung vom 21. Dezember 2009 gefasste Beschlüsse angefochten.
In der Klageschrift haben sie die [X.] aufgefordert, eine aktuelle Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen und zugleich beantragt, der Verwaltung die Vorlage gemäß § 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben. Hilfsweise haben sie sich auf die in einem weiteren, bei demselben Amtsgericht geführten Rechtsstreit vorgelegte Eigentümerliste bezogen. Das Amtsgericht
hat
der Verwaltung unter Fristsetzung
aufgegeben, eine aktuelle 1
3

Liste der Wohnungseigentümer vorzulegen. Die Verwaltung ist dem nicht nach-gekommen; bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat eine Liste nicht vorgelegen. Das Amtsgericht
hat der Klage stattgegeben. Das
Landgericht
hat
sie auf die Berufung der Beklagten als unzulässig abgewiesen. Dagegen [X.] sich die Kläger mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klage sei unzulässig, weil die Kläger bis zu
der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht keine Eigentümerliste vorgelegt hätten. Ihre
Anregung an das Amtsgericht, die Verwaltung zu der Vor-lage aufzufordern, entbinde sie nicht von der Vorlagepflicht. Auch sei kein Hin-weis des Amtsgerichts erforderlich gewesen, weil den Klägern bewusst gewe-sen sei, dass sie die Liste hätten vorlegen müssen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Be-rufungsgericht sieht die Klage zu Unrecht als unzulässig an.

1. Werden

wie hier

die übrigen Wohnungseigentümer im Wege der Anfechtungsklage verklagt, genügt für ihre nähere Bezeichnung zunächst die bestimmte Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks (§ 44 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Der Gesetzgeber wollte die Einhaltung der einmonatigen
Anfechtungs-frist
(§ 46 Abs. 1 Satz 2 [X.]) nicht über Gebühr erschweren. Die Bezeichnung 2
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4

der übrigen Wohnungseigentümer
mit Namen und ladungsfähiger Anschrift
ist dennoch erforderlich und
hat spätestens bis zum Schluss der mündlichen [X.] zu erfolgen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 [X.]; näher [X.], Urteil vom 4.
März 2011

[X.]/10, NJW 2011, 1738 Rn. 11 mwN).

Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann der
Kläger auf eine Liste Be-zug nehmen, die die Gegenseite vorgelegt hat (Urteil vom 4. März 2011

V ZR
190/10, aaO
Rn. 12);
eine solche Bezugnahme
kann auch stillschweigend er-folgen
(vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 2011

[X.], NJW 2011, 3237
Rn.
9). Die fehlende Bezeichnung der einzelnen Wohnungseigentümer kann
im Berufungsrechtszug nachgeholt werden. Dies hat der [X.]

allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils

zunächst für das [X.] (Urteil vom 20. Mai 2011

[X.], aaO Rn. 9)
und anschließend
für die unterbliebene namentliche Bezeichnung entschieden; dabei hat er auf die deklaratorische Bedeutung der Eigentümerliste hingewiesen (Urteile
vom 8.
Juli 2011

V
ZR 34/11, [X.], 976 Rn. 8
und
vom 28. Oktober 2011

V
ZR 39/11, NJW
2012, 997 Rn.
10). Infolgedessen
wird
der Zulässigkeits-mangel geheilt. Die verspätete Vorlage der Liste kann sich allerdings im Einzel-fall gemäß § 97 Abs. 2 ZPO
auf die Kostenentscheidung
auswirken
(Urteil vom 28.
Oktober 2011

V
ZR 39/11, aaO Rn.
10 [X.]).

2. Gemessen daran ist die Klage zulässig.

a) Der
Zulässigkeitsmangel ist
jedenfalls in der Berufungsinstanz geheilt worden.
Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass die Kläger mit der Beru-fungserwiderung
eine Eigentümerliste aus einem anderen Rechtsstreit [X.] haben. Die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben haben die Beklagten nicht angezweifelt.

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b) Zudem sind
die Kläger schon in erster Instanz ihren prozessualen Ob-liegenheiten nachgekommen, indem sie beantragt
haben, der Verwaltung die Vorlage der Liste aufzugeben.

aa) Zwar ist die Einreichung der Eigentümerliste als Bestandteil der [X.] (§ 44 Abs. 1 Satz 2 [X.])
Sache des [X.]. Gleichwohl muss das Gericht
aber

wie hier ohne Erfolg geschehen

auf des-sen Anregung
hin tätig werden
und der Verwaltung die Vorlage der Liste unter Fristsetzung aufgeben. Dies
folgt
aus
§
142 Abs. 1 ZPO
analog (so zu Recht Klein in Bärmann, [X.], 11. Aufl., §
44 Rn. 11; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 44 [X.] Rn. 5;
[X.] in [X.]/Kümmel/Vandenhouten, [X.], 9. Aufl., § 44 Rn. 8; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 44 Rn.
7; [X.]/[X.], [X.], §
44 Rn.
25 a.E.;
ähnlich [X.], [X.], 165 f.;
a.A.
LG Köln, [X.] 2011, 234
f.; [X.] vom 2. April 2009

2 S 34/08, juris; [X.], [X.], 920 f.; Suilmann in [X.], [X.], 3. Aufl., §
44
Rn. 14 b).

[X.] Die direkte Anwendung der Vorschrift scheidet schon deshalb aus, weil die Vorlage der Eigentümerliste nicht der materiellen Sachaufklärung
dient, sondern dazu, die prozessualen Voraussetzungen der Klageerhebung [X.]. Zudem
geht
es üblicherweise nicht um die Vorlage einer bestehenden Urkunde, sondern um die Anfertigung der erforderlichen aktuellen Liste und damit im [X.] um eine prozessuale Auskunft, die von § 142 Abs. 1 ZPO an sich nicht
erfasst wird
(vgl. Musielak/[X.], ZPO,
9. Aufl., § 142 Rn.
3; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 142 Rn. 14).

(2) Es besteht jedoch die für eine entsprechende Anwendung der Norm erforderliche planwidrige Regelungslücke. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass für den Kläger Verzögerungen durch die Erstellung der Liste
entstehen 8
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können. Dies hat er zum Anlass für die Einführung von §
44 [X.] genommen und in diesem Zusammenhang betont, dass eine Abweisung der Klage als [X.] nur dann in Betracht komme, wenn der Kläger die notwendigen Anga-ben endgültig und grundlos verweigere (BT-Drucks. 16/887 S. 36). Dabei hat er aber nicht in den Blick genommen, dass der Verwalter

wie hier

nach Anfor-derung der Liste durch den Kläger pflichtwidrig untätig bleiben kann. Während der Verwaltung die aktuellen Daten regelmäßig bekannt sind, ist
der Kläger in der Regel auf deren
Auskunft angewiesen. Denn aus dem
Grundbuch und den
Grundakten müssen die [X.] Anschriften nicht hervorgehen (vgl. §
15 Abs. 1 GBV); zudem kann sich ein Eigentümerwechsel auch außerhalb des Grundbuchs vollziehen. Es besteht deshalb ein praktisches Bedürfnis, die Vorlage der Liste durch den Verwalter herbeizuführen, ohne den Kläger auf ei-nen weiteren Rechtsstreit gegen diesen bzw. auf das Verfahren der einstweili-gen Verfügung
verweisen zu müssen. Dies ist mit dem in § 142 Abs. 1 ZPO geregelten Sachverhalt vergleichbar, bei dem sich eine beweiserhebliche Ur-kunde im Besitz eines Dritten befindet. Voraussetzung ist gemäß § 142 Abs.
1 Satz 1 ZPO, dass sich der Kläger auf die Vorlage der Liste durch die Verwal-tung bezieht; ein förmlicher Antrag ist nicht erforderlich.

bb) Die Anordnung muss
in der Regel ergehen. Ein Ermessensspielraum des Gerichts besteht regelmäßig nicht,
weil der Verwalter aufgrund des [X.] auch gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer zu der Vorla-ge verpflichtet ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], § 44 Rn. 25; [X.], [X.], 724
ff.). Schon aus diesem Grund ist ihm die Vorlage zumutbar im Sinne von §
142 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Zudem ist er ohnehin
im Wege der Beiladung an dem Verfahren zu beteiligen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 [X.]); in der Regel ist er auch Zu-stellungsvertreter der Wohnungseigentümer (§ 45 Abs. 1 [X.]). Aus diesen Gründen bedarf es keiner vorangehenden außergerichtlichen Aufforderung.
Weil es um eine Zulässigkeitsvoraussetzung geht, kann die Anordnung bereits 12
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mit Zustellung der Klage erfolgen; § 273 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5
ZPO steht dem nicht entgegen.
Kommt der
Verwalter

wie hier

der Anordnung
nicht in-nerhalb der gesetzten Frist nach, ist er
dazu mit [X.] anzuhalten (§
142 Abs. 2 Satz 2
i.V.m.
§
390 ZPO
analog). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wirkt sich das Versäumnis der Verwaltung jedenfalls nicht zu Lasten des [X.] aus und darf nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig führen.

III.

Weil das Berufungsgericht

von seinem Standpunkt aus folgerichtig

die geltend gemachten Beschlussmängel
in der Sache nicht geprüft hat, ist das Urteil aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuver-weisen, damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit der Sache auch unter Berücksichtigung der in der Revisionsbegründung
und der Revisi-onserwiderung
enthaltenen Ausführungen zu befassen. Hinsichtlich der Anfech-tung zu [X.] ist auf das
Urteil des [X.]s
vom
9. März 2012
hinzuweisen
(V
ZR 147/11, NJW
2012, 2796 f.). Danach sind
Jahresabrechnungen insoweit nichtig, als sie Rückstände früherer Jahre einbeziehen
und neu begründen; die

13
8

Nichtigkeitsfolge tritt allerdings nur für den davon betroffenen Teil der Gesamt-
bzw. Einzelabrechnung ein ([X.], Urteile
vom 9. März 2012, aaO
Rn. 13 [X.] und vom 11. Mai 2012

[X.], [X.], 2648 ff.).

Stresemann

[X.]-Räntsch

Roth

Brückner

Weinland

Vorinstanzen:
[X.][X.], Entscheidung vom [X.] -
100 [X.] 37/10 [X.] -

LG Berlin, Entscheidung vom 13.05.2011 -
55 [X.]/10 [X.] -

Meta

V ZR 162/11

14.12.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2012, Az. V ZR 162/11 (REWIS RS 2012, 281)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 281

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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