Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2005, Az. 5 StR 547/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2005, 4989

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5 StR 547/04
BUNDES[X.]ERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 16. Februar 2005 in der Strafsache gegen

wegen Brandstiftung u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhand-lung vom 15. und 16. Februar 2005, an der teilgenommen haben:
[X.]

als Vorsitzender,

[X.], Richterin [X.], [X.], [X.]

als [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt K

als Verteidiger,

Rechtsanwalt [X.]

als Vertreter der Nebenkläger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der [X.]eschäftsstelle,
- 3 - in der Sitzung vom 16. Februar 2005 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2003 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte [X.]freigesprochen worden ist,
b) soweit er wegen Sachbeschädigung verurteilt worden ist, c) im [X.]esamtstrafausspruch. Soweit der Angeklagte vom Vorwurf des Mordes an

[X.]freigesprochen worden ist, wird das Urteil auch auf die Revisionen der Nebenkläger aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

[X.] Von Rechts wegen [X.]

[X.] r ü n d e

Das Schwurgericht hat den Angeklagten [X.] wegen Brandstif-tung (Einzelfreiheitsstrafe: ein Jahr), wegen Sachbeschädigung (Einzelgeld-strafe: 90 Tagessätze zu je 60 •) und wegen Verwahrungsbruchs ([X.] 4 - geldstrafe: 60 Tagessätze zu je 60 •) zu einer [X.]esamtfreiheitsstrafe von ei-nem Jahr und drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Von den Tatvorwürfen der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen und des Mordes in zwei Fällen hat das Schwurgericht diesen Angeklagten freige-sprochen.

Die auf die Freisprüche und die Verurteilung wegen Sachbeschädi-gung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen der Nebenkläger, diese beschränkt auf den Freispruch vom Vorwurf der Ermor-dung ihres Angehörigen [X.] , haben jeweils mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg.

1. Der Angeklagte empfing am 7. Januar 2003 die später [X.]etöteten

[X.]und [X.] in seinem [X.]. Er wollte mit [X.]

über den Verkauf eines schadhaften [X.]eländewagens verhandeln, des-sen Reparatur in [X.] s Autowerkstatt im Vorjahr mißlungen war. [X.]hatte als Anzahlung einen Barbetrag von 2.000 • mitgebracht. Es kam zum Streit des Angeklagten mit dem erhofften Käufer und dessen Begleiter und zu einem Einsatz von Pfefferspray durch den Angeklagten. Schließlich er-schoß der Angeklagte beide Männer.

Mit Hilfe seines Bruders beförderte er die Leichen zu einem zugefro-renen See in [X.], unter dessen Eis er sie versenkte. Ferner ver-brannte er das Fahrzeug des [X.] in einem Waldstück ebenfalls mit [X.] seines Bruders, des bisherigen Mitangeklagten K
P , der wegen Beihilfe zur Brandstiftung rechtskräftig zu einer [X.]eldstrafe verurteilt ist. Vor seiner Verhaftung brach der Angeklagte in seine versiegelte Wohnung ein, entnahm [X.]egenstände und bemühte sich um weitere Spurenbeseitigung.

2. Das Schwurgericht hat in der Hauptverhandlung folgende hier [X.] abgegebene Einlassung des Angeklagten für unwiderlegbar erachtet: Mit dem [X.] habe er die Besucher verteiben wollen, als diese - 5 - sich nach dem Streit geweigert hätten, [X.] sein Haus zu verlassen. Der Einsatz sei erfolglos geblieben. Nunmehr sei [X.] auf ihn mit einer scharfen Faustfeuerwaffe losgegangen. Er sei dem [X.] in den Arm gefallen, habe mit der linken Hand seinen Ellenbogen nach oben ge-drückt, mit der rechten Hand den Lauf der Waffe ergriffen, diese gedreht und damit auf seinen Widersacher gerichtet. Dabei habe sich ein Schuß gelöst, der [X.] getötet habe. Er habe sodann die Waffe ergriffen. Da [X.] nun mit einem Messer auf ihn losgegangen sei, habe er diesen gleichfalls zur Abwehr erschossen. Anschließend habe er sich mit Hilfe seines Bruders um vollständige Spurenbeseitigung bemüht, da ihm die Rechtslage nicht klar, die Verdachtslage gegen ihn indes beträchtlich erschienen sei.

Das Schwurgericht hat auf dieser Tatsachengrundlage einen durch Notwehr gerechtfertigten [X.] des Angeklagten und ebenfalls durch Notwehr gerechtfertigte vorsätzliche Tötungen des Angeklagten für gegeben erachtet und hat ihn danach von den Vorwürfen zweifacher gefähr-licher Körperverletzung und zweifachen Mordes aus tatsächlichen und recht-lichen [X.]ründen freigesprochen. Es hat ferner die Einlassung des Angeklag-ten für unwiderlegt gehalten, er habe das von [X.] mit sich geführte [X.]eld zwar zunächst an sich gebracht, es wenige Tage nach der Tat während einer Reise im Rahmen weiterer Spurenbeseitigung aber im [X.] versenkt. Es sei nicht zu widerlegen, daß ein Betrag von 1.700 •, den der Angeklagte kurz nach der Tat auf seinem unzureichend gedeckten Konto eingezahlt hat, aus [X.] gestammt habe. Daher hat das Schwurgericht den Angeklag-ten insoweit nicht wegen Unterschlagung, sondern lediglich wegen Sachbe-schädigung verurteilt.

3. Auch wenn die tatgerichtliche Beweiswürdigung nur eingeschränk-ter revisionsgerichtlicher Überprüfung unterliegt, zudem die Ausgangsüberle-gung des Schwurgerichts zutrifft, daß der Angeklagte allein durch die Art und Weise der Spurenbeseitigung nicht zu überführen ist, schon gar nicht durch den späten Zeitpunkt der seine Nichtverurteilung tragenden Einlassung, so - 6 - hält gleichwohl die Beweiswürdigung des Schwurgerichts, welche die [X.] und die Nichtverurteilung des Angeklagten wegen Unterschlagung trägt, revisionsgerichtlicher Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht stand. Dies gilt auch unter Berücksichtigung folgender [X.] vom Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung zutreffend hervorgehobener [X.] Umstände: Als Ausgangssituation des Tatgeschehens erscheint ein Streit, den der im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Autokoauf deutlich dubios agierende [X.] mit dem unbestraften Angeklagten vom Zaun gebrochen hat, nicht unplausibel. Die Tatversionen der Anklage (rechtswidrige zweifache gefährli-che Körperverletzung und anschließender zweifacher [X.]) sowie die Mußmaßungen der Nebenklage hierzu (aus [X.] ausge-klügelter Raubmord) dürften hingegen schwerlich feststellbar sein.

a) Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts erweist sich indes [X.] in zwei Punkten als durchgreifend fehlerhaft:

(1) Der Angeklagte hat über den Beginn des Tatgeschehens gegen-über einer Zeugin und gegenüber der Polizei nach seiner Verhaftung [X.] je-weils freilich mit der unrichtigen Angabe verbunden, die Opfer hätten sein Haus lebend verlassen [X.] und insbesondere gegenüber seinem Bruder vor Beseitigung der Leichen und Tatspuren angegeben, es habe eine —[X.] gegeben, wobei die Besucher —mit den mitgebrachten Waffen zuerst ge-schossen hätten und er sie dann im Kampfgeschehen erschossen habefi ([X.]). Danach war eine —[X.] zu erwägen, bei welcher zunächst die Widersacher des Angeklagten geschossen haben und dieser sie darauf mit einer eigenen Waffe erschoß. Dies gilt zumal im Blick auf den Verbleib schar-fer Patronen im Haus des Angeklagten trotz der Bemühung um Spurenbesei-tigung ([X.]). Das Schwurgericht hält eine solche Variante deshalb für erwiesenermaßen falsch, weil Schüsse der Opfer mangels entsprechender Einschußspuren widerlegt seien ([X.], 36). Jedenfalls läßt das Schwur-gericht mit dieser Erwägung [X.] wie die Revisionen zutreffend rügen [X.] außer Betracht, daß von Seiten der Widersacher auch Schreckschußwaffen einge-- 7 - setzt worden sein können, die keine Einschußspuren hinterlassen. Eine sol-che Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, drängte sich umso mehr auf, als Zeugen gerade den Besitz einer Schreckschußpistole durch [X.]

bestätigt hatten ([X.]).

Damit sind frühere abweichende Angaben des Angeklagten über den Beginn des Tatgeschehens unter Heranziehung fehlerhafter Voraussetzun-gen, folglich lückenhaft gewürdigt worden. Auf dem Beweiswürdigungsfehler kann der Freispruch namentlich deshalb beruhen, weil etwa unrichtige Anga-ben des Angeklagten gegenüber seinem spontan als vertrauten und ver-schwiegenen Helfer zur Spurenbeseitigung herangezogenen Bruder, wie sie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen sind ([X.], 36), ohnehin schwer verständlich erscheinen.

(2) Ferner hat sich das Schwurgericht nicht hinreichend mit der Frage eines Motivs des Angeklagten auseinandergesetzt, die von [X.]

mitge-führten [X.]eldscheine nicht alsbald mit dem anderen Inhalt seiner Tasche zu verbrennen, sondern [X.] in ersichtlich weniger aussichtsreicher Form der Spu-renbeseitigung [X.] später im [X.] zu versenken. Es kommt hinzu, daß das [X.]ericht überhaupt keine näheren Überlegungen dazu angestellt hat, weshalb der Angeklagte dem getöteten [X.] vor Beseitigung der Leichen den goldenen Ehering vom Finger gezogen hat; auch ein Motiv für das festge-stellte Verbergen von Mobiltelefonen der Tatopfer im Kühlergrill seines [X.] bleibt unerörtert. Danach ist die Annahme des Schwurgerichts, der Angeklagte habe sich die Wertgegenstände der Opfer mit Ansichnahme nicht zueignen wollen, nicht genügend begründet.

Dies zieht unmittelbar die Aufhebung des Schuldspruchs wegen der Behandlung des Bargeldes lediglich wegen Sachbeschädigung nach sich. Hierin liegt aber zugleich eine insgesamt nicht hinreichende Würdigung der Einlassung des Angeklagten. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts ist maßgeblich darauf gestützt, daß es an der [X.]laubhaftigkeit der Einlassung - 8 - insgesamt keine durchgreifenden Zweifel hatte ([X.], 37 ff., 42). Die mögliche Widerlegung eines Teils dieser Einlassung entzieht danach der [X.]en [X.]esamtwürdigung die [X.]rundlage.

b) Der Senat kann offenlassen, ob ein durchgreifender Sachmangel auch darin zu finden ist, daß das Schwurgericht die Frage nicht näher abge-handelt hat, ob das Auslösen eines Schusses durch die vom Angeklagten behauptete Art des Entwindens einer Faustfeuerwaffe aus der Hand des an-greifenden [X.] technisch überhaupt möglich war, gegebenenfalls aber ganz unwahrscheinlich ist. Insgesamt setzt die Tatversion des Angeklagten eine Häufung ungewöhnlicher Zufälle voraus, insbesondere im Zusammen-hang mit dem Schußwaffengebrauch, durch den nahezu parallel und jeweils von oben nach unten verlaufende Schußkanäle in den Körpern der ganz un-terschiedlich großen [X.]etöteten verursacht wurden. Insoweit hat das Schwur-gericht allerdings [X.] wie der Verteidiger zutreffend hervorgehoben hat [X.] durchaus gewichtige [X.]egenindizien herangezogen, die dafür sprechen [X.], daß der Angeklagte beide Opfer tatsächlich in stehendem Zustand [X.] hat.

3. Letztlich bedarf die Sache im Umfang der Aufhebung umfassender neuer tatgerichtlicher Überprüfung. Sollte das neue Tatgericht zu einer Be-weiswürdigung gelangen, nach der es ungeachtet der bislang plausiblen Überlegungen zur Ausgangssituation der Tat eine Notwehrlage des Ange-klagten bei Abgabe der tödlichen Schüsse oder Entschuldigungsgründe in diesem Zusammenhang ausschließen kann, wird es auch zu bedenken ha-ben, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für nach § 213, erste Alternative St[X.]B zu beurteilende Totschlagstaten in Betracht kommen. Das neue Tatge-richt wird zudem in Vorbereitung der erneuten Hauptverhandlung das im [X.] 9 - sammenhang mit Verfahrensrügen vorgetragene Revisionsvorbringen zu weiteren denkbaren [X.]utachten zum Schußverlauf zu beachten haben.

[X.] [X.] [X.]erhardt Brause [X.]

Meta

5 StR 547/04

16.02.2005

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2005, Az. 5 StR 547/04 (REWIS RS 2005, 4989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4989

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