Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2001, Az. 5 StR 495/00

5. Strafsenat | REWIS RS 2001, 2907

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[X.] DES VOLKES5 StR 495/00URTEILvom 5. April 2001in der Strafsachegegenwegen Mordes u. [X.] 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 5. April 2001,an der teilgenommen haben:Vorsitzende Richterin [X.],[X.],[X.],Richterin [X.],Richter [X.] beisitzende Richter,Oberstaatsanwalt beim [X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwältin [X.] Verteidigerin,Rechtsanwalt [X.] Vertreter der Nebenkläger,Justizhauptsekretärinals Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht erkannt:Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. Mai 2000 wird verworfen.Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und dieden Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigenAuslagen zu tragen.[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas Schwurgericht hat gegen den Angeklagten wegen Totschlags [X.] seiner Ehefrau 13 Jahre Freiheitsstrafe, wegen Mordes (zur Ermög-lichung dieses Totschlags) zum Nachteil ihres Geliebten lebenslange Frei-heitsstrafe verhängt und den Angeklagten, ohne besondere Schwere [X.] (§§ 57a, 57b StGB) festzustellen, zu lebenslanger Freiheitsstrafe [X.] verurteilt. Die Revision des Angeklagten gegen dieses [X.] keinen Erfolg.[X.] hat folgende Feststellungen getroffen:Hintergrund der Taten war ein [X.] zwischen dem Ange-klagten und seiner Ehefrau im Vorfeld einer in Aussicht genommenen Ehe-scheidung. Die Frau war etwa ein halbes Jahr zuvor aus der ehelichen- 4 -Wohnung ausgezogen. Sie hatte eine intime Beziehung zu einem wesentlichjüngeren Ausländer begonnen. Der Angeklagte mißbilligte dies, wenngleicher seinerseits seit [X.] ein ehewidriges Verhältnis hatte. Wiederholt miß-handelte er seine Frau erheblich; er drohte ihr auch an, sie zu töten.Spätestens am Tattag, dem 3. Oktober 1999, faßte der Angeklagte denfesten Entschluß, seine Ehefrau zu töten. Als Tatwaffe benutzte er eineDienstpistole seiner Freundin, die Beamtin beim [X.] war.Nach einem Streit mit ihr hatte er die Waffe nebst Munition an sich genom-men. Er fuhr damit zur Wohnung der Ehefrau, die er nicht antraf. [X.] er ihr bewaffnet zwei Stunden lang auf der Straße vor dem Haus auf.Als sie [X.] für ihn überraschend gemeinsam mit ihrem Geliebten [X.] eintraf [X.] sich beschützend vor die Frau stellte, entwickelte sich ein Handge-menge zwischen den Männern, in dessen Verlauf der Angeklagte den [X.] seiner Frau zu Boden brachte. Sodann erschoß er den am [X.] mit fünf Schüssen, um ihn als Beschützer seiner Ehefrau auszu-schalten. Anschließend setzte er der flüchtenden Frau nach; er gab vonhinten zwei Schüsse auf sie ab, wodurch er auch sie tötete. Darauf [X.] sich mit seinem Fahrzeug, in dem er am folgenden Tag in der Situationeines fehlgeschlagenen Selbsttötungsversuchs aufgefunden wurde, den [X.] als nicht ernstgemeint bewertet hat.II.Die Verfahrensrügen versagen. Das angefochtene Urteil hält auchsachlichrechtlicher Prüfung stand.1. Die Revision verfolgt den Ansatz, angebliche Verteidigungsfehler derin der Hauptverhandlung tätigen Verteidiger [X.] nämlich eines Pflichtverteidi-gers, dessen Beiordnung dem eigenen Wunsch des Angeklagten entspro-chen hatte, und eines weiteren gewählten Verteidigers [X.] zur Grundlage in-- 5 -haltsbezogener Revisionsrügen zu machen. Dieser Ansatz begegnet grund-legenden Bedenken.Die Gerichte müssen sich eine inhaltliche Kontrolle der Führung einerStrafverteidigung grundsätzlich versagen (vgl. dazu nur [X.]St 39, 310, 314;Dahs, Handbuch des Strafverteidigers 6. Aufl. [X.]. 29; jeweils m.w.[X.]), ab-gesehen von einem etwaigen Extremfall, wie er hier offensichtlich nicht vor-gelegen hat, geschweige denn gegenüber dem [X.] hinreichend be-legt worden ist. Mit zutreffenden Erwägungen hat der [X.] nach einem vorübergehenden offengelegten Konflikt des [X.] seinen Verteidigern, als er auch seinem Wahlverteidiger zeitweilig [X.] entzogen hatte, die beantragte Abberufung des Pflichtverteidigersabgelehnt.2. Soweit die Aufklärungsrügen an einer ausführlichen Auswertung [X.] aufgrund veränderter Verteidigungstaktik orientiert sind, unter-liegen sie demnach von vornherein Vorbehalten. Sämtliche Aufklärungsrü-gen haben aber auch ganz unabhängig davon keinen Erfolg. Im [X.] hierzu, zu den erhobenen [X.] verfahrensrechtlicher Verstöße gegen§ 261 StPO und zu den mit den [X.] zusammenhängenden sachlichrecht-lichen Einwänden der Revision, insbesondere gegen die tatrichterliche Be-weiswürdigung, folgendes:a) Es ist offen, ob der Umstand, daß der Angeklagte kurz vor der [X.] längerer Vorbereitung mit anwaltlicher Hilfe selbst einen [X.] hatte stellen lassen, entgegen dem [X.] doch in [X.] eingeführt worden ist. Der Angeklagte hat sich zur Sacheeingelassen und kann dies, zumal auf Vorhalt, bestätigt haben. Dieser [X.] mußte im übrigen weder für den Fall seiner Einführung in die [X.] unbedingt im Urteil erörtert noch andernfalls unerläßlich [X.] werden. Jene Feststellung erscheint für die Bewertung der Tat und des- 6 -[X.]s, auf dem sie beruhte, nicht besonders wesentlich. [X.] ist zudem festgestellt, dem Angeklagten sei vor der Tat bewußt ge-worden, daß er eine Scheidung nicht werde verhindern können ([X.] der sonstigen Beweislage zum Vortatgeschehen, die davon geprägtist, daß aus mehreren Beweisquellen Erkenntnisse über Mißhandlungen derEhefrau durch den Angeklagten und über Tötungsdrohungen vorlagen,mußte sich das Schwurgericht nicht gedrängt sehen, frühere eigene Dar-stellungen des Angeklagten zu seiner Sicht des [X.]s ohneentsprechenden Antrag zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen.Ob der Vortrag zu der in diesem Zusammenhang erhobenen Aufklärungsrü-ge ohne den gleichzeitigen Vortrag der gegen den Angeklagten damals ak-tenkundigen [X.], insbesondere der seiner Vernehmung vom16. Juni 1999 unmittelbar vorangegangenen, ihm darin vorgehaltenen An-gaben seiner später getöteten Ehefrau, überhaupt vollständig ist (§ 344Abs. 2 Satz 2 StPO), bedarf danach keiner abschließenden Beurteilung. [X.] sich zudem nicht einmal ausschließen, daß die früheren Angaben [X.], deren Verwertung die Revision vermißt, nach Vorhalt [X.] Einlassung in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind. Eine nä-here Erörterung in den Urteilsgründen wäre im Blick auf die sonstige Be-weislage nicht unerläßlich gewesen.b) Zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung [X.], insbesondere im Blick auf eine etwaige tiefgreifende Bewußtseinsstö-rung, sind die Erkenntnisse des psychologischen Ergänzungsgutachtensnaheliegend in zulässiger und ausreichender Weise durch die [X.] psychiatrischen Sachverständigen in die Hauptverhandlung [X.] (vgl. [X.]St 22, 268; [X.], 610); ein näherer Beleg [X.] war weder im Urteil noch sonst geboten. Das Schwurgericht hat [X.] der Sachkunde des psychiatrischen Sachverständigen rechtsfehlerfrei- 7 -verneint; die Sachkunde war bei der gegebenen Sachlage auch im Blick auferforderliche psychologische Erfahrungen nicht näher zu belegen. Etwaigewesentliche Ungereimtheiten zwischen dem vorbereitenden psychologi-schen Ergänzungsgutachten und der abschließenden Beurteilung durch denpsychiatrischen Sachverständigen sind zudem nicht ersichtlich. [X.] war nach alldem nicht zur Anhörung eines weiteren (psychia-trischen oder psychologischen) Sachverständigen zur Schuldfähigkeit [X.] bei Begehung der Taten verpflichtet (vgl. auch [X.]St 34, 355).In der Sache hat das Schwurgericht eine erhebliche Einschränkung [X.] des Angeklagten infolge einer tiefgreifenden Bewußt-seinsstörung im Sinne einer starken affektiven Belastung verneint. Die ver-hältnismäßig knapp unter maßgeblicher Berücksichtigung des Tatablaufserfolgte Begründung erweist sich, zumal vor dem Hintergrund vorangegan-gener Tötungsdrohungen und unter Berücksichtigung des festgestellten [X.] Vor- und Nachtatgeschehens, mindestens als vertretbar und [X.] unbedenklich. Daß bei dem Angeklagten infolge derlange andauernden Beziehungskrise eine beträchtliche psychische Dauer-belastung vorhanden war, ohne daß damit bereits die Schwelle des§ 21 StGB erreicht war, hat das Schwurgericht ersichtlich nicht übersehen.Hinsichtlich der Einholung von Sachverständigengutachten zur Taug-lichkeit des Selbsttötungsversuchs des Angeklagten fehlt es schon an [X.] § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unerläßlichen, durch Benennung von [X.] oder Umschreibung von [X.] nicht erfüllten präzi-sen Bezeichnung der Tatsachen, die mit der vermißten Beweiserhebunghätten bewiesen werden sollen (vgl. [X.]R StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] Auf-klärungsrüge 1, 4, 6, 9). [X.] ist das Schwurgericht aufgrundeiner Mehrzahl aussagekräftiger, auch ausreichend festgestellter und [X.] beschriebener Indizien ([X.] ff.) mit mindestens vertretbarer Be-weiswürdigung zur Annahme eines lediglich demonstrativen [X.] -versuchs gelangt. Vor dem Hintergrund jener Indizien ist im übrigen nichtersichtlich, daß das Schwurgericht sich hätte gedrängt sehen müssen, überdie Tauglichkeit der Abgaseinleitung zur Selbsttötung bzw. zur Vorstellungdes Angeklagten hierzu [X.] zu erheben. Es liegt [X.], daß sogar ein entsprechender Beweisantrag wegen tatsächlicher Be-deutungslosigkeit hätte abgelehnt werden können. Ganz abgesehen davonhätte angesichts der Vorgeschichte und der Begleitumstände der Tat eineabweichende Beurteilung der Frage der Schuldfähigkeit nicht einmal beson-ders nahe gelegen, wenn das Schwurgericht zur Feststellung eines nichtsehr konsequent verfolgten, aber letztlich doch ernstgemeinten Selbsttö-tungsversuchs gelangt wäre.c) Das Schwurgericht hat den Umstand, daß der getötete Geliebte derEhefrau des Angeklagten schon bei früherer Gelegenheit als deren Be-schützer aufgetreten war, maßgeblich auf Beobachtungen zweier Zeugengestützt. Daß der später Getötete jenen Vorgang selbst bei einer Zeugen-vernehmung nicht so dargestellt hatte, zog diese Erkenntnis nicht notwendigin Zweifel. Da ein Erinnerungs- oder Darstellungsmangel bei jener Verneh-mung auf der Hand liegt, war das Schwurgericht insoweit auch nicht zu nä-heren Erörterungen verpflichtet. Die Formulierung der Beweiswürdigung indiesem Zusammenhang ([X.]) kann nur bei oberflächlicher [X.] mißverstanden werden.Der Senat entnimmt dem angefochtenen Urteil, daß sich das Schwur-gericht von einem Versuch des getöteten Geliebten, den Angeklagten voneinem tätlichen Angriff auf seine Ehefrau abzuhalten, sicher überzeugt hat.Die Beweiswürdigung ist insoweit rechtsfehlerfrei auf Rückschlüsse [X.] am Tatort und an der Person des Angeklagten, aus Obduktionser-gebnissen und aus Zeugenwahrnehmungen zum Tatablauf gestützt. [X.] hat zusätzlich darauf abgestellt, daß der Angeklagte nach- 9 -seiner insoweit unwiderlegten Einlassung nicht mit einer Begleitung seinerEhefrau durch ihren Geliebten gerechnet hatte.Hierin liegt letztlich kein Verstoß gegen den Zweifelsgrundsatz, aufdem der Schuldspruch gegen den Angeklagten wegen Mordes beruhen [X.]. Das Schwurgericht war nicht etwa gehalten, zugunsten des [X.] unterstellen, er habe [X.] wie sich aus den sonst rechtsfehlerfrei ausgewer-teten Begleitumständen ergab, in Tötungsabsicht [X.] nicht nur seiner Frau,sondern auch deren Geliebtem aufgelauert. Selbst diese Variante würdeangesichts der zunächst erfolgten Tötung des Geliebten nach vorangegan-genem Handgemenge das mindestens begleitende Tötungsmotiv, ihn [X.] auch[X.] als Beschützer der Ehefrau auszuschalten, nicht einmal unbedingt in [X.] stellen. Insbesondere wäre die Tat bei dieser Variante als Tötung ausVernichtungswillen wegen Verachtung der von den [X.] zu bewerten gewesen. Dies hätte ungeachtet der psychi-schen Belastung des Angeklagten den Schluß auf niedrige Beweggründenahegelegt, und zwar möglicherweise nicht einmal nur die Tötung des [X.] betreffend, sondern auch die der Ehefrau; mindestens hätte [X.] die Anwendung des § 212 Abs. 2 StGB veranlaßt. Eine solche Tatkon-stellation mußte das Schwurgericht nicht zugunsten des Angeklagten unter-stellen. Auch nähere Erörterungen in diesem Zusammenhang waren daherletztlich entbehrlich.3. Danach hat der Angeklagte mit der festgestellten Tötung des [X.] der Ehefrau, um ihn zunächst als deren Beschützer auszuschalten,das Mordmerkmal der Tötung, um eine andere Straftat [X.] die Tötung der- 10 -Ehefrau [X.] zu ermöglichen, verwirklicht (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezem-ber 1979 [X.] 3 StR 427/79 [X.], insoweit in NJW 1980, 792 nicht abgedruckt;Tröndle/[X.], StGB 50. Aufl. § 211 [X.]. 27).[X.] Häger [X.] Raum

Meta

5 StR 495/00

05.04.2001

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2001, Az. 5 StR 495/00 (REWIS RS 2001, 2907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2907

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