Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2007, Az. 5 StR 404/06

5. Strafsenat | REWIS RS 2007, 5485

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5 [X.]/06 [X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 31. Januar 2007 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen Totschlags u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 31. Janu-ar 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] [X.], [X.] Dr. Raum, [X.] Dr. Brause, [X.] [X.], [X.] Dr. [X.] als beisitzende [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger des Angeklagten S.

[X.] , Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger des Angeklagten [X.] [X.] , Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger des Angeklagten

[X.] , Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle - 3 - für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten S.

[X.]und [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2005 werden verworfen, hinsichtlich des Angeklagten [X.] Y.

mit der Maßgabe, dass die in [X.] erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 anzurechnen ist. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die hierdurch dem [X.] entstandenen notwendigen Auslagen zu tra-gen. 2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das ge-nannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufge-hoben, soweit es den Angeklagten [X.] [X.]und den Angeklagten [X.]betrifft; allerdings bleiben die Fest-stellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen der Schussabgabe des Angeklagten [X.] mit dessen Maschinenpistole aufrechterhalten; insoweit wird die Re-vision der Staatsanwaltschaft verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.]. [X.] Von Rechts wegen [X.] - 4 - [X.] Das [X.] hat den Angeklagten [X.] [X.]wegen —[X.], jeweils in Tateinheit mit versuchtem Totschlag, gefährlicher Körper-verletzung in zwei Fällen, Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und [X.] zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und den [X.]wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegs-waffe in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten K.
[X.], einen jüngeren Bruder des Mitangeklagten [X.]

Y. , hat das Schwurgericht freigesprochen. Die von den Angeklagten S.

[X.]und [X.]

geführten Schusswaffen hat es eingezogen. Die Revisionen der verurteilten Angeklagten bleiben ohne Erfolg. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten werden, führen zur Aufhebung der Freisprechung des Ange-klagten [X.] Y.

und bei dem Angeklagten [X.]

zur weitgehenden Auf-hebung von dessen [X.] möglicherweise rechtsfehlerhaft zu milder [X.] Verurtei-lung. 1 1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt: 2 Der Zeuge [X.] [X.]
schuldete dem Angeklagten S.

[X.] 500 Euro wegen Verursachung eines Auffahrunfalls mit dem Pkw dieses [X.]. [X.]versprach am 15. September 2004 Zahlung in zwei Tagen, ohne über Geld zu verfügen. Am 17. September 2004 verlangten [X.] [X.] dieser unter Drohungen [X.] und [X.]Y.

von [X.]die Begleichung der Schuld. [X.] wandte sich verstört an den für ihn ein Vorbild und eine Auto-rität darstellenden Videothekenbetreiber

El-A.

. Dieser forder-te [X.] [X.]

telefonisch auf, zu einem klärenden Gespräch zu erschei-nen. Daraufhin fuhren alle drei Angeklagten zu der Videothek.

El-A. empfing sie mit aggressiven Worten und ergriff ein bereitgestelltes Schwert, mit dem er im Fahrzeug der Angeklagten herumfuchtelte. In einer sich anschließenden körperlichen Auseinandersetzung wurden der [X.], auf dessen Seiten der Zeuge [X.]mit einem Knüppel eingriff, und der Angeklagte S.

[X.] verletzt. Die Angeklagten flüchteten in ein nahe gelegenes Krankenhaus, wo die Kopfplatzwunde des [X.]

Y. versorgt wurde. Dieser Angeklagte rief die Polizei, erstattete [X.] wegen gefährlicher Körperverletzung und übergab den Beamten die während des Kampfes durch [X.] erlangten Waffen. Am Abend des nächsten Tages rief [X.]

auf Veranlassung von

El-A. den Angeklagten [X.]

[X.] an und verabredete ein Treffen am Wasserfall des [X.]s in [X.] zur Übergabe des Geldes. [X.] [X.] forderte [X.] wiederholt auf, zu diesem Tref-fen auch seine [X.] Freunde mitzubringen, die er —alle fickenfi werde. [X.] Y. übernahm von einem Bekannten eine Pistole nebst Munition und [X.]eine Maschinenpistole mit einem Kurz- und einem Langmagazin. Beide Angeklagte trafen gegen 20.00 Uhr am Park ein und warteten auf dem parkseitigen Bürgersteig der [X.]. Nach fast einer halben Stunde [X.] die Angeklagten unterlagen einem Irrtum über den verabredeten Zeitpunkt des Treffens [X.] ging [X.]im Einverständnis des [X.]

Y. ein paar Meter in den Park, setzte sich auf eine Bank und rauchte einen Joint. [X.] [X.]erkundigte sich telefonisch bei T. [X.] nach dem [X.] von dessen Bruder T.

[X.] antwortete zögerlich, [X.]sei schon unterwegs. [X.]

[X.] bestellte nun auch seinen Bruder [X.][X.]zum Wasserfall. Dieser hatte wegen der Ereignisse am Vorabend mit weiteren Auseinandersetzungen gerechnet und erschien mit einer geladenen Schreckschusspistole 9 mm gegen 20.30 Uhr. Zwischen den [X.] kam es zu einem lautstarken, nicht näher aufklärbaren Wortwechsel. 4 [X.] hatte zwischenzeitlich entschieden, dass [X.] [X.] nur in Begleitung mehrerer, auch gewaltbereiter Personen zum Treffpunkt fahren sollte. Dementsprechend brachen neun Männer in drei Pkw und zwei weitere zu Fuß zum [X.] auf. Das von dem [X.]

[X.]gesteuerte erste Fahrzeug [X.] mit

El-A. auf dem 5 - 6 - Beifahrersitz und dessen [X.] , dem Nebenkläger, hinter dem Fahrer sitzend [X.] hielt zehn bis fünfzehn Meter vor den Angeklagten [X.] u. [X.] [X.] in der [X.], das zweite Fahrzeug zehn Meter hinter dem ersten an. Die Angeklagten [X.] u. [X.] [X.] drehten sich um und erkannten, dass die beiden Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem verabre-deten Treffen standen. Deshalb rief [X.] [X.]dem Angeklagten [X.]im Park laut zu, dass er kommen solle. [X.]stieg als erster unbewaffnet aus und war im [X.], auf die Angeklagten [X.]

u. [X.][X.]zuzugehen. [X.] ergriff einen unter dem Fahrersitz befindlichen Stock und verließ mit diesem in der Hand das Fahrzeug hinten links. Als Letzter stieg der Fahrer

[X.]aus. K.

[X.] zog seine Schreckschusspistole und feuerte zweimal mit ausgestrecktem Arm in Richtung der Ankommenden. Fast zeitgleich zog auch der Angeklagte [X.] Y. seine Pistole und schoss zweimal in die Luft. [X.] [X.] , der sich bedroht fühlte, gab sogleich danach aus seiner Pistole mit waagerecht ausgestrecktem Arm [X.] tödliche Wirkungen bewusst in Kauf nehmend [X.] gezielt sechs Schüsse in Folge ab, bis das Magazin leer war.

El-A. hatte sich bereits [X.] abgewandt. Er wurde am rechten Oberarm von hinten getroffen. Das Projektil durchschlug den rechten Lungenflügel und die Hauptschlagader der linken Lunge und trat nach Verursachung dieser tödlichen Verletzung ober-halb der linken Brustwarze wieder aus. [X.]

erlitt einen Durchschuss des linken Oberarms von außen mit einer Austrittswunde im Bizepsmuskel. Des Weiteren wurde der Brustkorb des [X.] oben links [X.]. Dies führte zu einer Verletzung der Lunge und der Beschädigung einer Rip-pe. Ferner wurden zwei Pkw von je zwei weiteren Schüssen getroffen. Bis auf den tödlich Getroffenen

El-A.

flüchteten sämtliche seiner [X.] vom [X.] weg auf der [X.] [X.] vom Standpunkt der Schützen aus betrachtet [X.] nach links in Richtung [X.]. Der Ange-klagte [X.]rannte, nachdem er die Schüsse gehört hatte, linker Hand an den Angeklagten [X.] u. [X.] [X.] und den beiden auf der [X.] - 7 - ße abgestellten Pkw der Angreifer vorbei. Dann gab er aus seiner [X.] mit waagerecht ausgestrecktem Arm gezielt eine Salve von 13 Schüssen auf die Oberkörper der insgesamt acht fliehenden Personen ab, bis das Magazin leer war. Fünf Geschosse beschädigten einen Pkw und wei-tere Geschosse die Fassaden der gegenüber der Parkseite in Richtung [X.] gelegenen Wohnhäuser der [X.]. Menschen kamen nicht zu Schaden. [X.]wartete, bis auch die letzten Personen der [X.] in der [X.] verschwunden waren. Danach entfernten sich die Angeklagten durch den [X.]. Ein Passanten gehörender Hund verbiss sich in ein Hosenbein des Angeklagten [X.]. Dieser wechselte das Magazin seiner Maschinenpistole und gab auf den Hund mindestens fünf weitere Schüsse ab. 7 8 Alle Angeklagten flüchteten zu Verwandten außerhalb [X.], [X.]

Y. und [X.]
hielten sich dann in [X.] auf, wo sie später festgenommen wurden. 2. Das [X.] hat seine Feststellungen wie folgt rechtlich bewer-tet: 9 a) Das Schwurgericht hat es letztlich offen gelassen, ob der Angeklag-te [X.] Y.

auf die [X.] u. M. El-A. und auf

[X.]in Notwehr geschossen hat, weil sich dieser Angeklagte jedenfalls wegen einer Absichtsprovokation nicht auf ein Notwehrrecht habe berufen können. Auch eine Nothilfe zugunsten seines Bruders K.
[X.] scheide aus. 10 b) Das [X.] hat den Angeklagten [X.]nicht als sukzessiven Mittäter hinsichtlich der Schüsse des S.

[X.]angesehen, weil dieser das tatbestandsmäßige Geschehen zum Zeitpunkt des Eingreifens des [X.] bereits vollständig eigenhändig verwirklicht habe. Der Aufenthalt des schwer bewaffneten [X.] in [X.] stelle ferner weder eine physische noch 11 - 8 - eine psychische Hilfeleistung für den Angeklagten [X.] Y. dar. Nach dessen Einlassung habe sich dieser im Augenblick der Tat allein gelassen und hilflos gefühlt. Eine Bestrafung des [X.] könne nur wegen des [X.] erfolgen, weil ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch des Totschlags anzunehmen sei. c) Der Angeklagte [X.] Y.
sei nicht Mittäter seines Bruders, weil dessen Schüsse nicht ausschließbar einen Exzess darstellten. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Einsatz einer scharfen Waffe Gegens-tand der im Vorfeld der Tat getroffenen Absprache gewesen sei. Wegen des Exzesses des [X.] komme im Blick auf eine erhebliche Abweichung des von [X.] Y. vorgestellten Kausalverlaufs auch die Annahme eines Gehilfenvorsatzes nicht in Betracht. 12 13 3. Die Revision des Angeklagten [X.] Y.

bleibt erfolglos. 14 Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob die gegen die An-nahme einer Absichtsprovokation geltend gemachten Verfahrensrügen und die gegen die Beweisführung und Subsumtion des [X.]s insoweit ge-richteten materiell-rechtlichen Angriffe durchgreifen. Nach den fehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Kampflage hat der Angeklagte [X.] [X.]nämlich nicht in Notwehr gehandelt, weil er sich bei Abgabe der Schüsse auf den Getöteten und [X.]

keinem gegen-wärtigen Angriff im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB ausgesetzt sah. Diese Per-sonen hatten sich unbewaffnet noch etwa zehn Meter von dem Angeklagten [X.] [X.] entfernt befunden und ihr aggressives Verhalten bereits be-endet. Sie hatten sich nämlich von dem Schützen [X.] nach Wahrnehmung zweier Schreckschüsse und scharfer Schüsse in die Luft [X.] abgewandt und wurden dementsprechend von hinten in den rechten bzw. linken Oberarm von außen getroffen. Solches schließt die Annahme von Notwehr aus. 15 - 9 - Auch der Schuss auf den Nebenkläger war nicht durch Notwehr ge-rechtfertigt. Zwar befand sich [X.]

mit einem Stock bewaffnet [X.] zehn Meter vom Angeklagten entfernt und nach seiner Körperstel-lung dem Angeklagten zugewandt. Vom Nebenkläger ist in dieser Lage indes noch kein gegenwärtiger Angriff auf den Angeklagten ausgegangen. Zwar wird dies nicht nur angenommen, wenn der Angriff beginnt, sondern schon dann, wenn er unmittelbar bevorsteht. Zu den erforderlichen Verteidigungs-maßnahmen berechtigt nicht erst die Verletzungshandlung selbst, sondern bereits ein Verhalten des Gegners, das unmittelbar in eine Rechtsgutverlet-zung umschlagen kann, so dass durch das Hinausschieben der [X.] entweder deren Erfolg gefährdet würde oder der Verteidiger das Wagnis erheblicher eigener Verletzungen auf sich nehmen müsste ([X.]R StGB § 32 Abs. 2 Angriff 1). Solches ist hier aufgrund der festgestellten Kampflage ausgeschlossen. Der lediglich mit einem Stock bewaffnete [X.] war in einer Entfernung von zehn Metern für den Angeklagten noch ein harmloser Gegner und verfügte über keine Möglichkeit, einen An-griff auf den Angeklagten vorzutragen; ein Einsatz des Stockes als [X.] schied ersichtlich aus. Der Angeklagte war deshalb ohne drohende Einbuße seiner Gesundheit verpflichtet, in dieser Situation die weitere Ent-wicklung der Kampflage abzuwarten, anstatt dem Nebenkläger in den [X.] zu schießen. 16 Der Senat schließt aus, dass das Schwurgericht bei solcher Subsum-tion zur Notwehrlage auf eine andere Strafe erkannt hätte, und holt die Fest-legung des Anrechnungsmaßstabs für die in [X.] erlittene Haft nach (§ 51 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 StGB). 17 4. Auch die Revision des Angeklagten [X.] ist unbegründet. 18 Die Besorgnis des Beschwerdeführers, das [X.] habe das Be-schießen der Flüchtenden mit Tötungsvorsatz zu Unrecht strafschärfend be-wertet ist sachlich unbegründet. Das [X.] musste sich deshalb auch 19 - 10 - nicht zu weiterer Aufklärung behaupteter [X.] zumal technisch eher unerklärli-cher [X.] Abweichungen der Schussbahnen mehrerer Geschosse durch [X.] Auftreffen auf einen Pkw gedrängt sehen. 5. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt mit der Sachrüge zur Auf-hebung der Freisprechung des Angeklagten [X.] Y. . 20 a) Das [X.] hat es unterlassen, eine Strafbarkeit dieses Ange-klagten wegen unerlaubten Führens einer Schusswaffe nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 a [X.] in den Blick zu nehmen. Solches hätte aber die dem Schwur-gericht obliegende Kognitionspflicht geboten (vgl. [X.]St 32, 84, 85). Der Angeklagte war ersichtlich nicht im Besitz eines kleinen Waffenscheins, den er gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 [X.] i. v. m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterab-schnitt 3 Nr. 2 und 2.1 zum Führen seiner Schreckschusswaffe benötigt hätte (vgl. [X.]St [[X.]] 48, 197, 204; [X.], 73, 74). Für die Annahme einer Strafbarkeit wäre es auch nicht auf das Vorliegen einer [X.] hier allerdings ebenfalls auszuschließenden [X.] Notwehrlage für den Angeklagten [X.] Y. angekommen, weil das [X.] jedenfalls auch tatmehrheitlich verwirklicht worden wäre (vgl. [X.], 347). Die vom Generalbun-desanwalt erwogene Strafbarkeit wegen Nötigung liegt demgegenüber ange-sichts der besonderen Voraussetzungen des § 240 Abs. 2 StGB eher fern. 21 b) Die Sachrüge der Revision der Staatsanwaltschaft ist darüber hin-aus weitergehend begründet. Auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Verfahrensrüge kommt es demnach für eine Aufhebung des Freispruchs des [X.]s nicht an. 22 Die Beweiswürdigung des [X.]s, auf deren Grundlage es die Annahme einer Mittäterschaft oder Beihilfe des Angeklagten [X.]
[X.] abgelehnt hat, ist lückenhaft. Das Schwurgericht hat es unterlassen, die feh-lerfrei festgestellten Umstände der Kampflage vollständig zu bewerten (vgl. 23 - 11 - [X.], 260, 262; 2007, 18, 19 f.; [X.] Urteil vom 16. März 2004 [X.] 5 StR 490/03). Das [X.] hat sich zwar fehlerfrei davon überzeugt, dass es nach dem Eintreffen des mit einer Schreckschusspistole [X.] Angeklagten zu einem lautstarken Wortwechsel unbekannten Inhalts mit dessen mit einer Pistole bewaffneten älteren Bruder gekommen ist. Es hat aber nicht feststellen können, dass [X.] [X.]im Rahmen der Absprache vor der Tat zur Kenntnis gebracht worden sei, dass [X.]

[X.] über ei-ne scharfe Schusswaffe verfüge. Diese Erwägung beruht indes auf einer nicht ausreichenden Auswertung der die Angeklagten belastenden Umstände in diesem Zusammenhang, die für eine Kenntnis des Angeklagten [X.] [X.]vom Einsatz einer scharfen Schusswaffe sprechen. 24 Dazu hat das [X.] folgende Belastungsindizien festgestellt: 25 Der Angeklagte [X.]

[X.] blieb nach dem Telefonat mit T.

[X.]in Erwartung der Kontrahenten am späteren [X.]. Die von [X.] Angeklagten und [X.] mitgeführten Waffen dienten nicht zum Vorzei-gen und Abschrecken, sondern sollten im Blick auf die große Menge der [X.] Munition auch eingesetzt werden. Der Angeklagte K.

[X.] kam [X.] nach dem Anruf durch seinen Bruder [X.] nicht als Abholer der übrigen Angeklagten, sondern als Unterstützer der bereits anwesenden Schwerbe-waffneten. [X.] Y.

blieb an der Seite seines Bruders in Erwartung der Gegner und schoss fast zeitgleich mit diesem nach vorangegangener Ab-sprache auf die drei Insassen aus dem ersten von zwei als Fahrzeuge der Angreifer erkannten Pkw. Damit hat das [X.] den Angeklagten [X.] Y. in objektiver Hinsicht als Kampfgefährten seines älteren Bruders in das Kampfgeschehen eingeordnet. Dass [X.] Y. geglaubt haben könnte, sein Bruder verfüge über keine oder über eine weitgehend wirkungslose Waffe, widerspricht kri-minalistischer Erfahrung, weil solches bedeuten würde, dass sich [X.] Y. angesichts der Überzahl der teilweise bewaffneten Gegner in einen 26 - 12 - hochgradig selbstgefährdenden Kampf begeben hätte. Für eine solche Lage bestehen indes nach den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte.
Das Führen der Schreckschusswaffe und die mögliche dolose Mitwir-kung des Angeklagten [X.] Y.

an den Schüssen seines Bruders [X.] demnach neuer Aufklärung und Bewertung. 27 6. Die den Angeklagten [X.] betreffende Revision der [X.] hat überwiegend Erfolg. 28 a) Das [X.] hat seine Wertung, [X.] sei nicht Mittäter des [X.] [X.], von einem verengten rechtlichen Ausgangspunkt, einer —blo-ßen sukzessiven Mittäterschaftfi aus getroffen und die gebotene wertende Betrachtung aller Umstände (vgl. [X.]St 37, 289, 291; [X.] Urteil vom 7. November 2006 [X.] 5 StR 164/06), ob [X.]nicht aufgrund einer vor der Tat des [X.] [X.]diesem zugesagten gegenseitigen Unterstützung und Schützenhilfe Mittäter gewesen sein könnte (vgl. [X.]St 37, 289, 291), nicht in den Blick genommen. Dafür hat das [X.] belastende Indizien fest-gestellt, aber ersichtlich nicht bewertet: 29 Auch die Maschinenpistole des [X.]

sollte nicht nur zur [X.] vorgezeigt, sondern am [X.] eingesetzt werden. Die Mitwirkung des [X.] war für das Ziel des Treffens, sich gegen die Gegner vom Vortag zu behaupten, besonders wichtig, verfügte dieser Angeklagte doch über die wirksamste Waffe. Schließlich wusste der Angeklagte [X.] , ohne dass er sich mit dem Angeklagten [X.] [X.]in irgendeiner Weise hätte ver-ständigen müssen, was seine Aufgabe in dem Kampfgeschehen war. Er rannte an den übrigen Angeklagten linker Hand vorbei, erfasste die Kampfla-ge und schoss zielgerichtet auf die noch acht Flüchtenden, womit er den Sieg seiner Kampfgenossen endgültig sicherte. 30 - 13 - b) Das Schwurgericht hat ferner nicht darauf Bedacht genommen, dass im Einzelfall der durch Handeln erbrachte Tatbeitrag des Gehilfen [X.] was hier äußerst nahe gelegen hätte [X.] schon darin bestehen kann, dass der Gehilfe den Haupttäter im Wissen um dessen Verhalten zur Tatausfüh-rung begleitet, seine Anwesenheit gleichsam —einbringtfi, um den Haupttäter in seinem [X.] zu bestärken und ihm das Gefühl erhöhter Sicher-heit zu geben ([X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 14 m.w.N.). Dem stünde die Erwägung des [X.]s ([X.]), der Angeklagte S.

[X.] hätte sich im Augenblick seiner Tatausführung, obwohl er nach [X.]geru-fen hatte, alleingelassen und hilflos gefühlt, eher nicht entgegen. Sie beruht nämlich allein auf der [X.] regelmäßig nicht ungeprüft [X.] (vgl. [X.] NJW 2003, 2179; ferner [X.]St 49, 365, 370) [X.] Einlassung des Ange-klagten [X.] [X.], die zudem im Blick auf die Schnelligkeit des An-schlussgeschehens an Plausibilität verliert. 31 32 c) Dagegen greifen die Einwände der Revision der Staatsanwaltschaft gegen die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom [X.] hinsichtlich der 13 von [X.]

abgegebenen Schüsse nicht durch.
Das [X.] hat mit vertretbaren Erwägungen einen unbeendeten Totschlagsversuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB angenommen. Dem [X.] [X.] war zwar nach [X.] des ersten Magazins seiner Maschinenpistole eine Tötung der Flüchtenden für den Augenblick nicht mehr möglich. Dies begründet vorliegend aber noch keinen Fehlschlag, weil der Angeklagte angesichts des ihm zur Verfügung stehenden zweiten befüll-ten Magazins nach der Wertung des [X.]s zu der Annahme gelangen konnte, er könne ohne zeitliche Zäsur mit anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden (vgl. [X.]St [[X.]] 39, 221, 228 m.w.N.). Diese Würdi-gung beruht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Der Angeklagte hatte erkannt, dass er keinen Gegner getroffen hatte ([X.]). Der im Urteil dargelegte Abstand des Angeklagten zu den Flüchtenden, die [X.] größere Reichweite der Maschinenpistole und die durch die Schüsse auf 33 - 14 - den Hund belegte Fähigkeit des Angeklagten, ohne Weiteres [X.] sogar in der durch den [X.] ersichtlich hektischen Situation [X.] das Magazin schnell zu wechseln und die Maschinenpistole wieder schussbereit zu ma-chen (anderer Sachverhalt: [X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch beende-ter 7), belegen die Überzeugung des [X.]s, dass ein [X.] des Angeklagten nicht erst nach Eintritt einer Zäsur, sondern ohne wesentli-che Unterbrechung möglich gewesen wäre. Die Annahme, unter diesen Um-ständen lägen zwei Taten vor, würde den einheitlichen Lebensvorgang will-kürlich auseinander reißen (vgl. [X.]St 34, 53, 57).
Auch die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe trotz Wahrnehmung der Schüsse durch Dritte freiwillig von der weiteren Tataus-führung Abstand genommen, begegnet keinen Bedenken. Nach den Fest-stellungen des [X.]s bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte seine Tat für entdeckt gehalten oder geglaubt hat, mit Entde-ckung rechnen zu müssen (vgl. [X.]R StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwillig-keit 16). 34 d) Demnach bedarf eine mögliche Beteiligung des Angeklagten [X.] an den Schüssen des [X.]

[X.] neuer Aufklärung und Bewertung. Dies zieht im Blick auf die schon in der Anklageschrift zu Recht angenom-mene Tateinheit auch die Aufhebung des Schuldspruchs wegen des [X.] und der Sachbeschädigung nach sich (vgl. [X.]R StPO § 353 Aufhe-bung 1). Indes können die Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen der Schussabgabe dieses Angeklagten mit der Maschinenpistole aufrechterhalten bleiben. Diese Feststellungen sind vom Rechtsfehler nicht betroffen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 1997 [X.] 3 StR 297/97). Insoweit ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet. 35 - 15 - 7. Im Übrigen bemerkt der Senat: 36 a) Der Inhalt der im Rahmen einer Aufklärungsrüge der [X.] vorgetragenen polizeilichen Vernehmungen der Angeklagten lässt es dem Senat als nahezu ausgeschlossen erscheinen, dass ein neuer Tatrichter daraus [X.] etwa zur Schussreihenfolge [X.] im Widerspruch zu Zeugenaussagen, die der bisherige Tatrichter als glaubhaft bewertet hat, für die Angeklagten Belastendes wird entnehmen können. Eine erneute Stellungnahme des Se-nats zur Zulässigkeit polizeilicher Vernehmungen in Fällen des dringenden Tatverdachts eines Verbrechens (vgl. [X.]St 47, 233, 237; NJW 2006, 1008, 1010), zur möglichen Unzulässigkeit polizeilicher Beschuldigtenvernehmun-gen vor einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung (vgl. [X.]R StPO § 128 Abs. 1 Vorführungsfrist 2), zu einer Vereitelung des Wunsches eines Be-schuldigten nach Konsultation eines Verteidigers (vgl. [X.]R StPO § 136 Abs.1 [X.] 8 m.w.N.) und zur Verwertbarkeit einer Beschul-digtenvernehmung ohne Belehrung nach Art. 36 Abs. 1b Satz 3 [X.] ist deshalb nicht veranlasst. 37 b) Die gebotene neue Aufklärung der Beteiligung des Angeklagten [X.] [X.]kann es mit sich bringen, dass die mit diesem Urteil bezüglich des Angeklagten [X.]

[X.]rechtskräftig gewordenen Feststellungen in Widerspruch zu den insoweit neu zu treffenden Feststellungen werden treten können. Dies kann auch für die neu festzustellenden subjektiven Umstände hinsichtlich einer Tatbeteiligung des Angeklagten [X.]an der Tat des S.

[X.]der Fall sein (vgl. [X.]St 43, 106, 107). 38 c) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, auch bei dem [X.]den Anrechnungsmaßstab für die in [X.] erlittene Freiheitsentziehung zu bestimmen und erneut über die Einziehung von [X.] Maschinenpistole zu befinden. 39 - 16 - 8. Mit der Aufhebung des Freispruchs entfällt der Entschädigungsaus-spruch; damit erledigt sich die insoweit eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten [X.] Y. . 40 [X.] Raum Brause [X.] [X.]

Meta

5 StR 404/06

31.01.2007

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2007, Az. 5 StR 404/06 (REWIS RS 2007, 5485)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5485

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