Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2005, Az. VIII ZR 129/04

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4847

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 23. Februar 2005 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 138 Abs. 1 Ca, § 817 Satz 2 [X.] § 23 Abs. 1 b

Ein Kaufvertrag über den Erwerb eines [X.] ist sittenwidrig, wenn der Kauf nach dem für beide Parteien erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des [X.] im Geltungsbereich der [X.] Straßenverkehrsordnung gerichtet ist. Ein Anspruch auf Rückabwicklung eines solchen Vertrages steht dem Käufer nicht zu.

[X.], Urteil vom 23. Februar 2005 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie die Richterin [X.] für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 15. April 2004 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin erwarb von der Beklagten am 5. Dezember 2002 ein Ra-darwarngerät mit einer Basis-Codierung für [X.] zu einem Preis von 1.059,08 •. Sie verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der [X.], das Gerät funktioniere nicht; es habe an verschiedenen polizeilichen Radarmeßstellen im [X.] kein Warnsignal abgegeben. Das Amtsge-richt hat die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des [X.] verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzli-chen Urteils. - 3 - Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Denn der zwischen den [X.] geschlossene Vertrag sei sittenwidrig und daher gemäß § 138 Abs. 1 [X.] nichtig. Der Kauf eines [X.], das unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1 b [X.] dazu eingesetzt werden solle, sich bußgeldbewehrten Ge-schwindigkeitskontrollen dadurch wirksam zu entziehen, daß deren Standorte rechtzeitig vorher angezeigt werden, verstoße gegen die guten Sitten. Das Ra-darwarngerät habe nach dem von der Klägerin vorgesehenen Einsatz einzig dem Zweck gedient, vor Einrichtungen der Geschwindigkeitsüberwachung zu warnen und damit ein ordnungswidriges Verhalten zu fördern. Einem solchen Rechtsgeschäft, das den Interessen der [X.] an der Einhaltung der zur Sicherheit der Verkehrsteilnehmer angeordneten Geschwindigkeitsbe-schränkungen zuwiderlaufe, sei die rechtliche Anerkennung zu versagen. Der Rückforderung des Kaufpreises nach § 812 Abs. 1 Satz 1 [X.] stehe jedoch § 817 Satz 2 [X.] entgegen. Beide Parteien hätten durch den Abschluß des Vertrages gegen die guten Sitten verstoßen. Auch wenn die Beklagte [X.] habe, daß die Kaufverträge über die von ihr angebotenen [X.] wegen Sittenwidrigkeit unwirksam seien und sie in Kenntnis dessen unter Berufung auf § 817 Satz 2 [X.] wirtschaftlichen Vorteil aus den [X.], führe dies nicht zu einem Ausschluß der Vorschrift. Die Klägerin sei als Ver-wenderin des Gerätes von dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit des Geschäfts in gleicher Weise betroffen. Zwar schließe die Vorschrift die Rückforderung grundsätzlich nur bei einem vorsätzlichen [X.] aus. Indes stehe es - 4 - vorsätzlichem Verhalten gleich, wenn sich der Leistende der Einsicht in die Sit-tenwidrigkeit leichtfertig verschließe. Die Klägerin habe den mit dem Erwerb des Geräts verfolgten Zweck und damit die die Sittenwidrigkeit begründenden Um-stände gekannt. Darauf, ob sie selbst daraus den Schluß auf die Sittenwidrig-keit gezogen habe, komme es nicht an. I[X.] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprü-fung stand, so daß die Revision der Klägerin zurückzuweisen ist. 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag gemäß § 138 Abs. 1 [X.] nichtig ist, weil er gegen die guten Sitten verstößt. Verträge über den Kauf von [X.] werden in der Rechtsprechung und im Schrifttum nahezu einhellig als sittenwidrig angesehen ([X.], NJW 1998, 2681; [X.], NJW-RR 1997, 307; [X.], NJW-RR 2004, 57; [X.], NJW 1995, 2173; [X.], [X.], 115, 117; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 138 Rdnr. 42; [X.], [X.], 189, 191; [X.]/Sack, [X.] (2003), § 138 Rdnr. 495; a.A. [X.], [X.], 2600). Dies ist jedenfalls dann zu-treffend, wenn der Kauf - wie im vorliegenden Fall - nach dem für beide [X.] erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des [X.] im Geltungsbereich der [X.] Straßenverkehrsordnung gerichtet ist. a) Sittenwidrig können nach der Rechtsprechung auch Geschäfte sein, durch die Dritte gefährdet oder geschädigt werden oder die in krassem [X.] zum Gemeinwohl stehen (Senatsurteil vom 6. Dezember 1989 - [X.] ZR 310/88, NJW 1990, 567 unter [X.], insoweit in [X.] 109, 314 nicht ab-gedruckt). Voraussetzung dafür ist, daß alle an dem Geschäft [X.] handeln, also die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, [X.] 5 - nen oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen (Senat, aaO; Senatsurteil vom 9. Oktober 1991 - [X.] ZR 19/91, [X.], 310 unter I 1 a). Die Sittenwidrigkeit kann sich auch aus den Begleitumständen des Ge-schäfts, insbesondere den zugrundeliegenden Motiven und den verfolgten Zwecken ergeben (vgl. - zur Förderung einer Straftat - [X.], Urteil vom 15. März 1990 - [X.], [X.], 799 unter 1; Urteil vom 1. Oktober 1970 - [X.], [X.] 1971, 39; Urteil vom 15. Mai 1990 - [X.], [X.], 1324 unter [X.]). b) Der vorliegende Kaufvertrag verstößt nach diesen Grundsätzen gegen die guten Sitten, weil er, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, auf die Begehung eines ordnungswidrigen Verhaltens im Straßenverkehr gerichtet ist, das im Interesse der Verkehrssicherheit in [X.] verboten ist. Einem solchen Rechtsgeschäft, das - für beide Seiten erkennbar - dem [X.] an der Sicherheit im Straßenverkehr zuwiderläuft, ist die rechtliche Anerkennung zu versagen. aa) Nach der am 1. Januar 2002 in [X.] getretenen Vorschrift des § 23 Abs. 1 b [X.] ist es dem Führer eines [X.]fahrzeugs untersagt, ein techni-sches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören (Satz 1); nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies insbesondere für Geräte zur Anzeige oder Störung von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte). Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen diese Bestimmung ist gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 22 [X.] ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG und kann mit einer Geldbuße und der Anordnung eines Fahrverbots geahndet werden (§§ 24 Abs. 2, 25 StVG). - 6 - Dieses Verbot zur Verwendung technischer Einrichtungen in [X.]fahr-zeugen, die dazu bestimmt sind, die Verkehrsüberwachung zu beeinträchtigen, dient der Erhöhung der Verkehrssicherheit ([X.]. 751/01, [X.]). Die [X.] soll zur Sicherung einer erfolgreichen Bekämpfung von Geschwindig-keitsverstößen und anderen Verkehrszuwiderhandlungen beitragen und [X.], daß sich [X.]fahrer durch technische Vorkehrungen im [X.]fahrzeug Maßnahmen der Verkehrsüberwachung entziehen können (aaO). Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß die Verwendung eines [X.] geeignet ist, die präventive Wirkung drohender Geschwindigkeitskontrollen zu unterlau-fen und dadurch risikolose Geschwindigkeitsübertretungen mit erhöhten Gefah-ren für Leib und Leben Dritter zu fördern. [X.]) Der Kauf eines [X.], das - wie im vorliegenden Fall - aufgrund seiner Codierung zum Einsatz im [X.] Straßenverkehr bestimmt ist, dient der Begehung eines nach § 23 Abs. 1 b [X.] ordnungswidrigen [X.], durch das Geschwindigkeitskontrollen unterlaufen und Geschwindig-keitsübertretungen mit den damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben Dritter begünstigt werden. Ein solches Rechtsgeschäft, das letztlich darauf ge-richtet ist, die Sicherheit im Straßenverkehr zu beeinträchtigen, verstößt gegen die guten Sitten und ist deshalb von der Rechtsordnung nicht zu billigen (§ 138 Abs. 1 [X.]). Zwar untersagt § 23 Abs. 1 b [X.] nicht schon den Erwerb eines [X.], sondern erst dessen Betrieb oder betriebsbereites Mitführen im [X.]fahrzeug. Jedoch ist der Erwerb des Geräts eine unmittelbare [X.] für dessen Betrieb, wenn das Gerät - wie im vorliegenden Fall - für den Betrieb im [X.] Straßenverkehr erworben wird. Deshalb ist bereits ein solcher Erwerb rechtlich zu mißbilligen. Eine andere Bewertung folgt nicht aus dem Umstand, daß [X.]fahrzeug-führer gelegentlich auch im Rundfunk vor "Radarfallen" und "[X.]" gewarnt - 7 - werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob gegen diese Praxis rechtliche Be-denken bestehen (kritisch hierzu [X.], aaO, 250). Durch die Bekanntgabe des Standorts einzelner Geschwindigkeitskontrollen im Rundfunk läuft die [X.] des § 23 Abs. 1 b [X.] nicht ins Leere. Denn dadurch wird dem Fahrzeugführer - anders als durch ein mitgeführtes [X.] - jedenfalls nicht das Gefühl vermittelt, er könne jederzeit und überall eine [X.] rechtzeitig erkennen und deshalb insoweit risikolos die Geschwindigkeit über-schreiten ([X.], aaO; [X.], aaO, 117; vgl. auch [X.], aaO). 2. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß die Klä-gerin den zur Erfüllung des nichtigen Vertrags geleisteten Kaufpreis nicht ge-mäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. [X.] zurückverlangen kann. Der [X.] ist nach § 817 Satz 2 [X.] ausgeschlossen, weil - wie darge-legt - beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt (vgl. auch [X.], aaO, 2682; [X.], NJW-RR 1997, 307; [X.], aaO; [X.], aaO; anders [X.], aaO; [X.], [X.], 2600, 2601). a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die subjektiven Anforderungen an die Erfüllung dieses Ausnahmetatbestandes nicht verkannt. Zwar schließt § 817 Satz 2 [X.] die Rückforderung grundsätz-lich nur bei einem bewußten [X.] aus; jedoch steht es vorsätzlichem Handeln gleich, wenn der Leistende sich der Einsicht in die Sittenwidrigkeit sei-nes Handelns leichtfertig verschließt (Senatsurteil vom 9. Oktober 1991, aaO, unter [X.]). Daß diese Voraussetzung bei der Klägerin vorlag, hat das [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt; dies wird von der Revision auch nicht angegriffen. - 8 - b) Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, der [X.] nach § 817 Satz 2 [X.] sei im vorliegenden Fall mit Treu und Glauben (§ 242 [X.]) nicht vereinbar. Der Ausschluß des [X.] der Klägerin ist - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Beklagte infolge der Anwendung des § 817 Satz 2 [X.] aus dem sittenwidrigen Vertrieb von [X.]en wirtschaftliche Vorteile zieht - nicht unbillig. Denn die Klägerin handelte ebenfalls sittenwidrig und steht dem verbotenen Verhalten noch näher als die Beklagte, weil sie das [X.] zu dem Zweck erwarb, es entgegen dem Verbot des § 23 Abs. 1 b [X.] zu verwenden. Beide Parteien verdienen daher im Hinblick auf das sittenwidrige Geschäft nicht den Schutz der Rechtsordnung. Es hat deshalb dabei zu bleiben, daß die in § 817 Satz 2 [X.] geregelte Rechtsschutzverweigerung grundsätzlich die [X.] trifft, die aus dem sittenwidrigen Geschäft Ansprüche herleitet. [X.] [X.] [X.]
[X.] [X.]

Meta

VIII ZR 129/04

23.02.2005

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.02.2005, Az. VIII ZR 129/04 (REWIS RS 2005, 4847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4847

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