Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.12.2014, Az. AnwZ (Brfg) 29/14

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2014, 847

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Gegenstand

Berufspflichtverletzung eines Rechtsanwalts: Bezeichnung des gegnerischen Anwalts als Betrüger und Drohung mit einer Strafanzeige


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des [X.] vom 7. März 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Sozietät, der er angehört, vertrat drei Mandanten in einem Rechtsstreit, in welchem diese auf Räumung einer Immobilie in Anspruch genommen wurden. Der Rechtsstreit endete mit einem gerichtlichen Vergleich, in welchem sich die dortige Klägerin verpflichtete, die außergerichtlichen Kosten von zwei der drei Mandanten des [X.] zu übernehmen. Gegenüber dem vom Kläger erwirkten [X.] erklärte die Bevollmächtigte der Gegenseite die Aufrechnung. Der Kläger widersprach. Als die Bevollmächtigte der Gegenseite erklärte, an der Aufrechnung festhalten zu wollen, antwortete der Kläger mit einer E-Mail folgenden Inhalts:

2

"Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin, tun Sie sich doch bitte einen Gefallen und überspannen den Bogen nicht. Ihre Ausführungen im [X.] von soeben, 17.31 Uhr, verstehen wir als Betrugsversuch und werden Sie, sofern Sie nicht umgehend davon Abstand nehmen, bei der Staatsanwaltschaft anzeigen. Sie sollten schnell handeln, weil wir bei [X.] verstehen und schon gar nicht, wenn ein Rechtsanwalt der Betrüger ist!!!! Mit freundlichen Grüßen

3

Mit Schreiben vom 7. Januar 2014 sprach die Beklagte wegen Verstoßes gegen das Gebot der Sachlichkeit gemäß § 43a Abs. 3 [X.] eine missbilligende Belehrung aus. Die Klage gegen diese Verfügung ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.].

II.

4

Der Antrag des [X.] ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

6

a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.] 110, 77, 83; [X.], [X.], 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; [X.], Beschluss vom 29. Juli 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.]Z 190, 187 Rn. 3; vgl. ferner [X.], NVwZ-RR 2004, 542, 543; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 112e [X.] Rn. 77).

7

b) Das angefochtene Urteil ist richtig.

8

aa) § 43a Abs. 3 [X.] verbietet ein unsachliches Verhalten bei der Berufsausübung des Rechtsanwalts. [X.] sind insbesondere herabsetzende Äußerungen, zu denen andere Beteiligte oder der [X.] keinen Anlass gegeben haben (§ 43a Abs. 3 Satz 2 [X.]).

9

bb) [X.] hat weder einen vollendeten noch einen versuchten Betrug (§ 263 StGB) zum Nachteil der Mandanten des [X.] begangen. Sie hat insbesondere nicht über Tatsachen getäuscht, sondern lediglich eine Auslegung des gerichtlichen Vergleichs vorgenommen, die sich auch im Ergebnis als zutreffend erwies: Die Zwangsvollstreckung aus dem fraglichen [X.] wurde für unzulässig erklärt; die Mandanten des [X.] wurden verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses herauszugeben.

Zwar ist das Bemühen des [X.], ein für seine Mandanten günstigeres Ergebnis zu erreichen, nicht per se zu beanstanden. Hierzu war der Kläger vielmehr aufgrund des zwischen ihm und seinen Mandanten bestehenden Anwaltsvertrages berechtigt und verpflichtet. Den objektiv falschen, nicht belegbaren Vorwurf des Betruges zu erheben, die Bezeichnung der gegnerischen Bevollmächtigten als Betrügerin und die Drohung mit einer Strafanzeige gingen jedoch weit über dieses legitime Ziel hinaus. Der Kläger hat die gegnerische Bevollmächtigte, die ihrerseits die Interessen ihrer Mandantin wahrzunehmen hatte, vielmehr persönlich angegriffen und beleidigt. Einen Anlass hierzu hatte die gegnerische Bevollmächtigte nicht gegeben. Sie hatte das Anliegen ihrer Mandantschaft vielmehr sachlich und höflich vorgebracht und erläutert.

cc) Ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43a Abs. 3 [X.] wird auch weder durch mangelnde [X.] noch durch fehlerhafte Rechtsansichten gerechtfertigt oder entschuldigt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass entgegen der Annahme des [X.] nicht er, sondern eine Rechtsanwältin [X.]     den Gerichtstermin wahrgenommen und den Vergleich geschlossen habe, belegt dies die umfänglich beschriebenen Fehlvorstellungen, denen der Kläger deshalb unterlegen sein will, nicht nachvollziehbar. Unabhängig hiervon hätte der Kläger gerade dann, wenn er nicht auf dem neuesten Stand der Angelegenheit war und seine diesbezügliche Unwissenheit auch nicht durch Rücksprache mit der besser unterrichteten [X.] beheben wollte, Anlass zu größerer Zurückhaltung gehabt.

dd) Die Beklagte hat schließlich nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Sie hat trotz des erheblichen Fehlverhaltens des [X.] von einer Rüge nach § 74 [X.] abgesehen und sich auf das vergleichsweise milde Mittel der missbilligenden Belehrung entsprechend § 73 Abs. 2 Nr. 1 [X.] beschränkt.

2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a) Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 291; [X.], [X.], 515, 518; [X.], NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.

b) Der Kläger hat keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt. Die der missbilligenden Belehrung zugrunde liegende Vorschrift des § 43a Abs. 3 [X.] ist ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken bestehen ([X.], NJW 2008, 2424; NJW-RR 2010, 204 Rn. 25). Ebenso ist geklärt, dass im Rahmen der Anwendung dieser Vorschrift auf den zu entscheidenden Fall Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und des Grundsatzes der freien Advokatur zu beachten sind. Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass Anwälte weder Strafanzeigen erstatten noch den Verdacht einer Straftat äußern dürften, hat der [X.] nicht aufgestellt.

3. Das Urteil des [X.] weicht schließlich nicht von der Entscheidung eines gleich- oder höherrangigen Gerichts ab (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

a) Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt dann vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2003, aaO S. 293). Sie muss im Zulassungsantrag dargelegt werden, indem der entscheidungserhebliche Obersatz der angefochtenen Entscheidung herausgearbeitet und dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz gegenüber gestellt wird (vgl. [X.], Beschluss vom 23. März 2011 - [X.], [X.], 1196 Rn. 5 f.).

b) Das vom Kläger zitierte, soweit ersichtlich unveröffentlichte und nicht in Ablichtung beigefügte Urteil des [X.]vom 12. Oktober 2004 (        ) ist keine Entscheidung eines gleich- oder höherrangigen Gerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Dass der [X.] Rechtssätze aufgestellt hätte, die von den in der Begründung des Zulassungsantrags nachgewiesenen Entscheidungen des [X.] abwichen, legt der Kläger nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 52 Abs. 1, 2 GKG. Fehlen Anhaltspunkte für eine Streitwertbestimmung, ist für das Klagebegehren der [X.] von 5.000 € anzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Limperg                        [X.]

                   Stüer                              Braeuer

Meta

AnwZ (Brfg) 29/14

01.12.2014

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Naumburg, 7. März 2014, Az: 1 AGH 2/14

§ 43a Abs 3 BRAO, § 73 Abs 2 Nr 1 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.12.2014, Az. AnwZ (Brfg) 29/14 (REWIS RS 2014, 847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 847

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IX ZR 212/08

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