Bundessozialgericht, Urteil vom 23.02.2017, Az. B 11 AL 1/16 R

11. Senat | REWIS RS 2017, 15073

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeldanspruch - Anwartschaftszeit - Versicherungspflichtverhältnis - freiwilliges soziales Jahr im Ausland - Bemessungszeitraum - Bemessungsentgelt - Arbeitsentgelt - Taschengeld und Sachleistung


Leitsatz

Das Arbeitslosengeld ist nach Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahrs nach dem dort bezogenen Arbeitsentgelt einschließlich Sachbezügen und nicht fiktiv zu bemessen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil das [X.] vom 15. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.]treitig ist, ob der Klägerin für die [X.] vom 8. bis 30.9.2008 höheres Arbeitslosengeld [X.]) zusteht.

2

Die 1988 geborene Klägerin leistete nach Beendigung ihrer [X.]chulausbildung in der [X.] vom 27.8.2007 bis 26.8.2008 ein freiwilliges soziales Jahr (F[X.]J) beim [X.] als Träger ab. Einsatzstelle war das [X.] [X.], [X.], wo sie als Freiwillige tätig war. Als Grundlage diente die zwischen dem Träger und der Klägerin im Mai 2007 geschlossene "Vereinbarung über die Ableistung eines F[X.]J" nach deren Inhalt sie verpflichtet war, die Dienst- und Hausordnung sowie die Weisungen der Einsatzstelle zu befolgen und die ihr übertragenen Aufgaben verantwortungsbewusst zu erfüllen. Der Träger verpflichtete sich, der Klägerin ein monatliches Taschengeld in Höhe von 150 Euro sowie einen monatlichen Verpflegungs- und Fahrtkostenzuschuss in Höhe von 55 Euro zu zahlen, eine angemessene Unterkunft zur Verfügung zu stellen und für sie Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu entrichten. Zudem wurden 25 Tage Jahresurlaub sowie Fortzahlung des Taschengeldes im Krankheitsfall vereinbart.

3

Im [X.] an das F[X.]J meldete sich die Klägerin am [X.] arbeitslos und beantragte [X.]. [X.]ie legte eine Arbeitsbescheinigung des Trägers über ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von insgesamt 2460 Euro im [X.]raum vom 27.8.2007 bis 26.8.2008 vor und gab an, am 1.10.2008 ein [X.]tudium aufzunehmen.

4

Die Beklagte bewilligte ihr vom 8. bis 30.9.2008 [X.] in Höhe von 3,19 Euro täglich, das sie ausgehend von einem Bemessungsentgelt von 6,72 Euro täglich berechnete (allgemeiner Leistungssatz, Lohnsteuerklasse 1; Bescheid vom 8.10.2008). Der Widerspruch der Klägerin - gerichtet auf höheres [X.] bemessen nach einem fiktiven Arbeitsentgelt der Qualifikationsgruppe 4 - blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 1.12.2008).

5

Das [X.]G hat die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für den streitigen [X.]raum [X.] in Höhe von täglich 7,51 Euro zu zahlen; dabei seien die erbrachten Leistungen anzurechnen. Die Beklagte habe auch die der Klägerin gewährten [X.]achbezüge als Arbeitsentgelt berücksichtigen müssen. Im Übrigen hat das [X.]G die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.9.2013).

6

Das L[X.]G hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15.7.2015). Die Klägerin habe während des F[X.]J in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden. [X.]ie habe eingegliedert in die Arbeitsorganisation der Einsatzstelle eine Tätigkeit nach Weisungen i[X.] von § 7 Abs 1 [X.]GB IV verrichtet. Die Geldzahlungen und [X.]achleistungen, die die Klägerin während ihres F[X.]J vom Träger erhalten habe, stellten Arbeitsentgelt i[X.] von § 14 Abs 1 [X.] 1 [X.]GB IV dar. Unerheblich sei, dass sie ihr F[X.]J im Ausland absolviert habe. Der Regelbemessungsrahmen sei nicht auf zwei Jahre zu erweitern und eine fiktive Bemessung nach § 132 Abs 1 [X.]GB III scheide aus, weil sie mehr als 150 Tage Arbeitsentgelt erzielt habe. Das [X.]G habe auch die Höhe des der Bemessung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts zutreffend bestimmt.

7

Mit der vom L[X.]G zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 132 [X.]GB III. Zu Unrecht sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den von der Klägerin bezogenen Leistungen um Arbeitsentgelt i[X.] von § 14 Abs 1 [X.] 1 [X.]GB IV handele. Die gewährten Zuwendungen stünden nicht in einem angemessenen Verhältnis zur erbrachten Arbeit. Auch sei sich der Gesetzgeber des [X.] und geleisteter Zahlung bewusst gewesen. Er habe deshalb die Leistung als Taschengeld und nicht als Arbeitsentgelt bezeichnet. Abweichendes ergebe sich nicht aus § 27 Abs 2 [X.] 2 Nr 1 [X.]GB III. Diese Regelung flankiere nur die angesprochenen [X.]onderregelungen und begründe ausdrücklich die Versicherungspflicht. [X.]chließlich gebiete auch der Wortlaut ("für den Dienst") in § 2 Abs 1 [X.] des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen [X.] Jahres (F[X.]JG) kein anderes Verständnis. Mangels Bezug von Arbeitsentgelt sei das [X.] fiktiv zu bemessen.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.]achsen-Anhalt vom 15. Juli 2015 und das Urteil des [X.]ozialgerichts Magdeburg vom 9. [X.]eptember 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Dezember 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld für die [X.] vom 8. bis zum 30. [X.]eptember 2008 auf der Basis eines fiktiven Arbeitsentgelts zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

[X.]ie verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig, in der Sache aber unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 [X.] [X.]G). Das [X.] hat ohne Verletzung von Bundesrecht (vgl § 163 [X.]G) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Diese hat für die [X.] vom 8. bis 30.9.2008 keinen Anspruch auf höheres [X.].

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 8.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2008, soweit darin höhere Leistungen abgelehnt worden sind. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 [X.] und [X.]) und strebt den Erlass eines Grundurteils an (§ 130 Abs 1 [X.] [X.]G).

2. Die Klägerin hat am [X.] ein Stammrecht auf [X.] erworben, denn sie erfüllt die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf [X.] (§§ 117 f [X.] idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 - [X.] 2848; [X.] aF).

Gemäß § 118 Abs 1 [X.] aF haben Arbeitnehmer Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos sind, sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Dem Gesamtzusammenhang der bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] ist zu entnehmen, dass die Klägerin sich am [X.] persönlich bei der [X.] arbeitslos gemeldet hat (§ 118 Abs 1 [X.] iVm § 122 [X.] aF). Zu diesem [X.]punkt ist sie arbeitslos gewesen (§ 118 Abs 1 [X.] iVm § 119 [X.] aF). Die Klägerin hat auch die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118 Abs 1 [X.] [X.] aF).

Nach § 123 Abs 1 [X.] [X.] aF hat die Anwartschaftszeit zurückgelegt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs 1 [X.] [X.] aF zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf [X.]. Die zweijährige Rahmenfrist reicht damit vom [X.] bis zum 7.9.2008. In dieser [X.] hat die Klägerin während ihrer Tätigkeit als Freiwillige im FSJ vom 27.8.2007 bis zum 26.8.2008 in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Arbeitslosenversicherung gestanden.

Nach der Legaldefinition des § 24 Abs 1 [X.] stehen Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. Nach § 25 Abs 1 [X.] [X.] sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 [X.] [X.]B IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Freiwilligen im FSJ stehen zu dessen Träger weder in einem Arbeits- noch einem Ausbildungsverhältnis. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, die Helfer im FSJ den Arbeitnehmern und Auszubildenden generell gleichzustellen oder das gesamte Arbeitsrecht für anwendbar zu erklären ([X.] Beschluss vom 12.2.1992 - 7 ABR 42/91 - [X.] zu § 5 BetrVG 1972 = [X.] 1993, 334, 334 f).

Anderes gilt indes für die Frage nach dem Bestehen eines [X.]. Insofern hat der Gesetzgeber keinen Zweifel daran gelassen, dass er eine Tätigkeit nach Maßgabe des [X.] (auf welches vorliegend gemäß § 15 Abs 1 und 2 [X.] - [X.] - abzustellen ist) vom Schutzbereich der Arbeitslosenversicherung umfasst sehen will. Er hat eine solche Tätigkeit ausdrücklich einer versicherungspflichtigen Beschäftigung iS des § 25 Abs 1 [X.] [X.] gleichgestellt (so zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung bereits: [X.] vom 17.4.2007 - B 5 R 62/06 R - [X.] 4-2600 § 58 [X.] Rd[X.]7; ähnlich [X.], [X.], 641, 643; [X.], [X.]/[X.]B 1999, 717, 721; Grüner/[X.], [X.]/[X.], § 1 [X.] 44, Stand Januar 1995; vgl [X.] in [X.], [X.], § 27 Rd[X.]02, Stand Dezember 2013). Zwar handelt es sich bei der Tätigkeit im FSJ - ebenso wie bei derjenigen im heutigen Bundesfreiwilligendienst ([X.]) - nicht um eine entgeltliche Erwerbstätigkeit, insbesondere nicht in einem Arbeitsverhältnis ([X.] vom 26.7.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4225 § 1 [X.] Rd[X.]6). Soweit der Senat (aaO) ausgeführt hat, der [X.] sei auch keine Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 [X.] [X.]B IV, handelt es sich um ein obiter dictum, weil es in dem Kontext auf die Qualifizierung als Beschäftigung nicht ankam. Dort hat der Senat Absetzungen vom Taschengeld des [X.] in Höhe der [X.] nach § 11b Abs 1 [X.] [X.] bis 5 [X.] verneint, weil der [X.] keine entgeltliche Erwerbstätigkeit ist und das [X.] ausdrücklich spezifische Freibeträge vorsieht. [X.] kann der Senat für das FSJ und den [X.] dahinstehen lassen, ob es sich um eine "Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 [X.] [X.]B IV" handelt oder ob der Dienst als Freiwillige/r einer Beschäftigung nur gleichgestellt ist. Dass die Teilnehmer am FSJ einem Beschäftigten jedenfalls gleichzustellen sind, folgt aus dem Wortlaut, der Systematik, dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Regelungen.

Für dieses Verständnis spricht bereits der Wortlaut des § 2 Abs 1 [X.] und 3 [X.], wonach es sich bei einer Tätigkeit im Rahmen eines FSJ um eine solche "vergleichbar einer Vollzeitbeschäftigung" handelt und der Freiwillige "für den Dienst" ein Taschengeld sowie Sach- bzw Geldersatzleistungen erhält. Auch die Regelung des § 344 Abs 2 [X.] [X.] aF sowie der §§ 10 Abs 1 [X.]B IV und 20 Abs 3 [X.]B IV aF (idF der Bekanntmachung vom 16.5.2008 - [X.] 842) setzen begrifflich das Bestehen von Beschäftigung voraus, wenn dort von "Beschäftigen" bzw dem "Beschäftigungsort" die Rede ist.

Gesetzessystematische Erwägungen bestätigen dieses Ergebnis. Gemäß § 20 Abs 3 [X.] [X.] [X.]B IV aF trägt der Arbeitgeber abweichend von den besonderen Vorschriften für Beschäftigte für die einzelnen Versicherungszweige den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein, wenn Versicherte ein FSJ leisten. Damit soll eine aus dem Wert der Geld- und Sachleistungen faktisch nicht zu finanzierende Beitragslast des Beschäftigten vermieden und der besonderen Schutzbedürftigkeit dieser sich in dem Dienste der Allgemeinheit stellenden Personengruppe Rechnung getragen werden (vgl [X.] in [X.]Voelzke, [X.], § 20 Rd[X.] 69, Stand März 2016). Die Beiträge nach dem Recht der Arbeitsförderung sind dabei während der Dauer der Beschäftigung auf der Grundlage des Arbeitsentgelts zu entrichten (§ 342 [X.]). Die Beitragspflicht des Trägers setzt aber denknotwendig Einnahmen aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung voraus.

In dieselbe Richtung weist auch die Regelung des § 27 Abs 2 S 2 [X.] [X.] aF. Nach dieser besteht abweichend vom Grundsatz der Versicherungsfreiheit von geringfügig Beschäftigten (§ 27 Abs 2 [X.] [X.]) diese nicht für Personen, die nach dem [X.] nur geringfügig beschäftigt sind. Da Versicherungsfreiheit nicht gleichbedeutend mit "nicht versicherungspflichtig" ist, sondern nur die Folgen einer bestehenden Versicherungspflicht suspendiert (vgl [X.] in [X.], [X.], § 27 Rd[X.], Stand Dezember 2013), stehen nach dieser Norm sogar geringfügig beschäftigte Freiwillige im FSJ in einem Versicherungspflichtverhältnis, was erst recht für mehr als nur geringfügig tätige Freiwillige gelten muss.

Dieser von Wortlaut und Systematik vorgegebenen Auslegung entspricht auch der Gesetzeszweck des [X.]. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, die mit dem freiwilligen Engagement für die [X.] verbundenen Härten und materiellen Nachteile zu beseitigen. Er wollte die Freiwilligen annähernd so stellen wie Auszubildende (vgl § 25 Abs 1 [X.] Alt 2 [X.]) und dies in erster Linie hinsichtlich der sozialen Sicherheit (vgl BT-Drucks 12/4716 [X.]; vgl BT-Drucks 14/7485 [X.]). Der angestrebte Schutz soll durch die Einbeziehung der Teilnehmer des FSJ in den Schutz der Arbeitslosenversicherung erreicht werden (BT-Drucks 7/4002 [X.]). Die Begründung erklärt auch ausdrücklich, dass die im FSJ bezogenen Geld- und Sachleistungen "Arbeitsentgelt" darstellten (BT-Drucks 7/4002 S 4).

Da die im Mai 2007 zwischen der Klägerin und dem Träger getroffene Vereinbarung weitgehend den Vorgaben des [X.] entsprechen, besteht zu einer abweichenden Beurteilung im Einzelfall kein Anlass. Die Klägerin erfüllt die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf [X.].

3. Das [X.] hat auch ohne Verletzung von Bundesrecht entschieden, dass der Klägerin für die streitige [X.] [X.] in Höhe von 7,51 Euro täglich zu gewähren ist. Das Rechtsschutzziel der Klägerin, die Bemessung des [X.] nach einem fiktiven Arbeitsentgelt (§ 132 Abs 2 [X.] aF), findet im Gesetz keine Grundlage.

Nach § 129 [X.] [X.] aF beträgt das [X.] für Arbeitslose, für die - wie bei der Klägerin - keine Kinder zu berücksichtigen sind, [X.] (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs 1 [X.] [X.] aF umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Bei der Ermittlung des [X.] bleiben aber [X.]en einer Beschäftigung als Freiwillige/r iS des [X.] außer Betracht, wenn sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 344 Abs 2 [X.] aF bestimmt (§ 130 Abs 2 [X.] [X.] [X.] aF iVm § 15 Abs 2 [X.]).

Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr. Er endet mit dem letzten Tag des letzten [X.] vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 S 2 [X.] aF). Der Bemessungsrahmen wird nur dann auf zwei Jahre erweitert, wenn ua der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs 3 [X.] [X.] [X.] aF).

Das [X.] ist in nicht zu beanstandender Weise von einem Bemessungsrahmen ausgegangen, der mit dem 26.8.2008, dem letzten Tag des letzten [X.] der Klägerin vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs 1 S 2 Halbs 2 [X.] aF), endet. Ohne Rechtsfehler hat das [X.] auch einen Bemessungszeitraum von mehr als 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des [X.] von einem Jahr (27.8.2007 bis 26.8.2008) festgestellt. Bei der Ermittlung des [X.] kann die Beschäftigung als Freiwillige im FSJ nicht außer Betracht bleiben. Denn die Klägerin leistete das FSJ im [X.] an die [X.] ihrer schulischen Ausbildung und damit nicht unmittelbar nach einem Versicherungspflichtverhältnis. Die Voraussetzungen des § 344 Abs 2 [X.] [X.] aF sind daher nicht erfüllt gewesen.

Die Klägerin hat während der gesamten Tätigkeit als Freiwillige im FSJ Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 [X.]B IV bezogen, sodass eine fiktive Bemessung ausscheidet. Im Bemessungszeitraum hat sie beitragspflichtiges Arbeitsentgelt (zur Identität des Arbeitsentgeltbegriffs im Bemessungs- und Beitragsrecht: [X.] vom 31.10.1996 - 11 [X.]) in Form von Taschengeld in Höhe von 2460 Euro erzielt. Die der Klägerin gewährten Sachleistungen sind ebenfalls nach Maßgabe der näheren Bestimmungen der Sozialversicherungsentgeltverordnung ([X.]) als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen (vgl auch [X.] vom 16.12.2008 - [X.] A[X.]/08 R - juris Rd[X.]8; Behrend in [X.], [X.], § 151 Rd[X.]7, Stand April 2014).

Zur Bemessung des Anteils des Mittagessens am Tagesbedarf für Verpflegung ist auf die Regelung des § 2 Abs 1 S 2 [X.] [X.] (aF) zurückzugreifen, der den Wert des Mittagessens mit 80 Euro beziffert. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Klägerin das Mittagessen tatsächlich eingenommen hat; ausreichend ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs 1 [X.] [X.] die bloße Zurverfügungstellung (vgl [X.] in [X.]Voelzke, [X.], § 17 Rd[X.]2, Stand 1.3.2016). Zutreffend hat das [X.] auch den Wert der gestellten Unterkunft mit monatlich 198 Euro angesetzt (§ 2 Abs 3 [X.] [X.] aF). Nach der gesetzgeberischen Leitvorstellung liegt dem Sachbezugswert für freie Unterkunft der Preis für [X.] eines Untermieters zugrunde (vgl [X.]. Zu einer Minderung des Werts der Unterkunft nach § 2 Abs 3 S 2 [X.] [X.] ("Belegung mit zwei Beschäftigten") berechtigt der Tatbestand des Zusammenlebens in einer Wohngemeinschaft in der vom [X.] festgestellten Art hingegen nicht.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 2 Abs 6 [X.] ergibt sich ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 5805,23 Euro. Von diesem Betrag ist das [X.] nicht zu Lasten der Klägerin abgewichen. Da die Beklagte gegen das Urteil des [X.] keine Berufung eingelegt hat, ist rechtskräftig entschieden, dass der Klägerin vom 8. bis 30.9.2008 ein Anspruch auf [X.] in Höhe von 7,51 Euro täglich zusteht.

4. Die Beurteilung des Anspruchs der Klägerin auf [X.] bestimmt sich auch für die [X.] des FSJ, in der sie in [X.] eingesetzt war, nach den oben genannten und angewendeten Bestimmungen des [X.], weil sie ins Ausland entsandt war (a) und der Anwendbarkeit [X.] Rechts keine Bestimmungen des Unionsrechts (§ 6 [X.]B IV) entgegenstehen (b).

a) Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit dem [X.] Träger während der [X.] der Entsendung nach [X.] fortbestand (§ 4 [X.]B IV).

Gemäß § 3 [X.]B IV stellt der Beschäftigungsort grundsätzlich den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Entscheidung dar, ob [X.] Sozialversicherungsrecht anwendbar ist, wenn es um die Beurteilung einer abhängigen Beschäftigung geht (sog [X.]). Das FSJ kann nach § 3 Abs 1 und 2 [X.] [X.] auch als Dienst im Ausland geleistet werden. In diesem Falle gilt nach § 10 Abs 1 [X.]B IV kraft gesetzlicher Fiktion als Beschäftigungsort der Ort, an dem der Träger des FSJ seinen Sitz hat (§ 10 Abs 1 [X.]B IV).

Wird die Beschäftigung jedoch - wie hier - tatsächlich nicht im Geltungsbereich des [X.]B, sondern im [X.] ausgeübt, gilt in Erweiterung des § 3 [X.]B IV [X.] Sozialversicherungsrecht nur, wenn ein Fall der Ausstrahlung iS des § 4 Abs 1 [X.]B IV vorliegt. § 4 Abs 1 [X.]B IV setzt - neben dem Aufenthalt im Ausland - die zeitliche Begrenzung des [X.] sowie ein im Inland bestehendes Beschäftigungsverhältnis voraus. Die Ausstrahlung ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil das Beschäftigungsverhältnis im Hinblick auf die Entsendung begründet worden wäre. Insoweit reicht es für eine Ausstrahlung aus, wenn sich die für eine Auslandsbeschäftigung vorgesehene Person vor deren Aufnahme im Inland befunden hat und das Beschäftigungsverhältnis nach dem Ende der Entsendung im Inland weitergeführt werden soll ([X.] vom [X.] - 11 [X.]/93 - juris Rd[X.]2; [X.] vom 10.8.1999 - B 2 U 30/98 R - [X.] 3-2400 § 4 [X.] 5 S 8; [X.] vom 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R - [X.] 4-2700 § 140 [X.] Rd[X.]7).

Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht zu Recht entschieden, dass das Beschäftigungsverhältnis mit dem Träger während der [X.] der Entsendung der Klägerin nach [X.] fortbestanden hat. Das FSJ ist geprägt durch die ihm eigene Besonderheit des [X.] auf einem Rechtsverhältnis sui generis. Nach der Konzeption des § 6 Abs 1 [X.] [X.] besteht das Rechtsverhältnis im FSJ zwischen dem Freiwilligen und dem zugelassenen Träger (vgl auch [X.] vom 17.4.2007 - B 5 R 62/06 R - [X.] 4-2600 § 58 [X.] Rd[X.]1). Auch hat der Träger den Dienst im Ausland nach Maßgabe des § 3 Abs 2 [X.] durch in der Regel im Inland abzuhaltende Bildungsmaßnahmen - an denen teilzunehmen der Dienstpflicht unterliegt - pädagogisch vorzubereiten und zu begleiten sowie für den Freiwilligen Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Demgegenüber beschränkt sich die Funktion der Einsatzstelle, auf die im beschränkten Umfang Weisungsrechte zu übertragen sind, vor allem darauf, die dem Träger geschuldete Dienstleistung des Freiwilligen in Empfang zu nehmen (vgl auch Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der [X.], BT-Drucks 16/9699 [X.] ff). Aufgrund dieser tatsächlichen und rechtlichen Bindungen zum Träger des FSJ bleibt dessen bestimmender Einfluss auch während der Ableistung des Dienstes im Ausland gewahrt.

Diese Auslegung des § 4 Abs 1 [X.]B IV entspricht dem Willen des Gesetzgebers. In § 5 Abs 2 [X.] [X.] [X.] wird ausdrücklich der Begriff der "Entsendung" gebraucht. Zudem enthalten die Gesetzesmaterialien die eindeutige Aussage, dass es sich bei der Gesamtkonzeption des FSJ im Ausland um einen Dienst handelt, bei dem Freiwillige in ein auswärtiges Land entsandt werden, der Schwerpunkt der pädagogischen Begleitung aber weiterhin im Inland liegt (vgl BT-Drucks 14/7485 [X.]2).

Der Inhalt der zwischen der Klägerin und dem Träger im Mai 2007 geschlossenen vertraglichen Vereinbarung gebietet keine abweichende Bewertung im Einzelfall.

b) Auch vorrangige Regelungen des Rechts der [X.] stehen der Anwendung [X.] Arbeitsförderungsrechts nicht entgegen (§ 6 [X.]B IV).

Auf den Rechtsstreit finden die Vorschriften der [X.] 1408/71 vom [X.] ([X.] vom [X.], 2 bis 50) Anwendung. Denn gemäß deren Art 87 Abs 1 findet die [X.] keine Anwendung auf Sachverhalte, die - wie hier - bereits vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossen waren (B[X.] Urteil vom [X.] [X.] 3/15 R - [X.] 4-4300 § 175a [X.] Rd[X.]0; [X.] vom 3.4.2014 - B 2 U 25/12 R - B[X.]E 115, 256 = [X.] 4-2700 § 136 [X.] 6, Rd[X.]0).

Der persönliche Anwendungsbereich der [X.] 1408/71 ist eröffnet, denn die Klägerin ist Arbeitnehmerin iS des Art 1 Buchst a Ziff i [X.] 1408/71. Ebenso fallen die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (Art 4 Abs 1 Buchst g [X.] 1408/71; dazu [X.] vom [X.] - B 7 [X.] 120/97 R - [X.] 3-6050 Art 71 [X.]1 S 58).

Gemäß Art 13 Abs 2 Buchst a [X.] 1408/71 unterfällt ein Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Staates, in dem eine unselbstständige und damit sozialversicherungspflichtige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird. Dies wäre vorliegend [X.]. Abweichend hiervon sieht Art 14 Abs 1 [X.] Buchst a Ziff i [X.] 1408/71 aber vor, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats unterliegt, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist. Die Anwendbarkeit dieser Sonderregelung setzt das Fortbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses zu einem Unternehmen im [X.], den Tatbestand der Entsendung selbst sowie deren vorherige zeitliche Befristung voraus ([X.] vom 8.12.1994 - 2 RU 37/93 - B[X.]E 75, 232, 234 = [X.] 3-6050 Art 14 [X.] 4 [X.]1).

Nach diesen Grundsätzen hat bei der Klägerin eine Entsendung iS des Art 14 [X.] Buchst a Ziff i [X.] 1408/71 vorgelegen, denn ihr Auslandseinsatz war von vornherein auf zwölf Monate befristet. Während des [X.] bestand eine hinreichend enge arbeitsrechtliche Bindung zum Träger fort.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 11 AL 1/16 R

23.02.2017

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Magdeburg, 9. September 2013, Az: S 20 AL 5/09, Urteil

§ 25 Abs 1 S 1 SGB 3, § 123 Abs 1 S 1 SGB 3, § 130 Abs 2 Nr 2 SGB 3, § 131 Abs 1 SGB 3, § 132 SGB 3, § 3 SGB 4, § 4 Abs 1 SGB 4, § 6 SGB 4, § 7 Abs 1 S 1 SGB 4, § 10 Abs 1 SGB 4, § 14 Abs 1 S 1 SGB 4, § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 SozDiG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 3 SozDiG, § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 SozDiG, § 6 Abs 1 S 1 SozDiG, § 2 Abs 1 S 2 Nr 2 SvEV, § 2 Abs 3 S 1 SvEV, § 2 Abs 6 SvEV, Art 14 Abs 1 Buchst a EWGV 1408/71

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.02.2017, Az. B 11 AL 1/16 R (REWIS RS 2017, 15073)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15073

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