Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2010, Az. XII ZR 118/08

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4297

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 4. August 2010 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 603 Satz 2 analog Im Rahmen einer Gebrauchsüberlassung aus Gefälligkeit kann eine verschul-densunabhängige Haftung des Begünstigten für die Beschädigung des überlas-senen Gegenstandes durch einen Dritten, an den der Gegenstand vom [X.] ohne Wissen des [X.]n weitergegeben worden ist, nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 603 Satz 2 [X.] begründet werden. [X.], Urteil vom 4. August 2010 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. August 2010 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und [X.] Dr. [X.], Schilling und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 1. Juli 2008 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger verlangt von dem [X.]n Schadensersatz für seinen bei einem Unfall beschädigten Motorroller. 1 Der Kläger überließ dem [X.]n den in seinem Eigentum stehenden Motorroller für eine Probefahrt. Auf dieser Fahrt, bei der der [X.] von dem Zeugen [X.] auf einem Leichtkraftrad begleitet wurde, kam es zu einem Unfall, bei dem das Fahrzeug des [X.] erheblich beschädigt wurde. 2 Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien streitig, insbesondere ob der Motorroller des [X.] zum Zeitpunkt des Unfalls von dem [X.]n oder dem Zeugen [X.] gefahren worden ist. 3 - 3 - Das Amtsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme den [X.] als Lenker des Motorrollers des [X.] angesehen und ihn gemäß § 823 [X.] zum Schadensersatz verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.]n blieb erfolglos. 4 5 Mit der vom [X.] zugelassenen Revision möchte der [X.] die Aufhebung des Berufungsurteils und die vollständige Klageabweisung errei-chen. Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht. 6 I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt, dass es dahingestellt bleiben könne, ob der [X.] oder der Zeuge [X.] im Unfallzeitpunkt den Motorroller gesteuert habe. Sollte der [X.] den Mo-torroller unerlaubt dem Zeugen [X.] überlassen haben, hafte er entweder aus §§ 603 Satz 2, 280 Abs. 1 [X.] oder aus einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften, weil der [X.] den Motorroller dem Zeugen ohne Er-laubnis des [X.] überlassen habe. Zwischen den Parteien sei nämlich [X.] ein Leihvertrag geschlossen worden oder es liege ein Gefälligkeitsver-hältnis vor, in dessen Rahmen der [X.] jedoch keine weitergehenden [X.] haben könne, als der Entleiher. Deshalb sei bei der Annahme eines 7 - 4 - [X.]ses eine analoge Anwendung der §§ 603 Satz 2, 280 Abs. 1 [X.] geboten. II. 8 Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 9 1. Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des [X.] der Entleiher eines Fahr-zeugs aus positiver Vertragsverletzung für alle Schäden haftet, die adäquat - kausal durch die unerlaubte Überlassung des Fahrzeugs an einen [X.] sind ([X.] 37, 306, 309 f.). Denn das Verschulden des Entleihers muss sich bei der Verletzung der Pflicht aus § 603 Satz 2 [X.] nur auf das ei-gene vertragswidrige Verhalten und nicht auf den dadurch verursachten Scha-den beziehen ([X.]. § 603 [X.]. 4 m.w.N.). 2. Dieser zur vertraglichen Haftung bei der Leihe entwickelte Rechtssatz kann jedoch nicht im Wege einer analogen Anwendung des § 603 Satz 2 [X.] auf die Haftung bei einer Gebrauchsüberlassung aus Gefälligkeit übertragen werden. 10 a) Voraussetzung für eine Analogie ist, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hin-sicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interes-senabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen [X.] gekommen ([X.]surteil vom 27. Januar 2010 - [X.] ZR 11 - 5 - 22/07 - NJW 2010, 1065 [X.]. 21 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. 12 b) Zwar mag bei einer Gebrauchsüberlassung aus Gefälligkeit, wie vom Berufungsgericht angenommen, die Interessenlage der Beteiligten mit der bei einer Leihe vergleichbar sein, weil der [X.] ebenso wie der Verleiher ein Interesse daran hat, dass der Begünstigte mit der Sache sorgfältig umgeht und sie ohne entsprechende Erlaubnis nicht an Dritte weitergibt. Dies allein [X.] jedoch eine analoge Anwendung des § 603 Satz 2 [X.] nicht. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. c) Von der Rechtsprechung ([X.] 21, 102, 106 f.; [X.] Urteil vom 9. Juni 1992 - [X.] - NJW 1992, 2474, 2475; OLG Stuttgart NJW 1971, 660, 661; [X.] MDR 1999, 1509 und NJW-RR 2002, 595; OLG Karls-ruhe Urteil vom 26. Februar 2003 - 17 U 121/02 - veröffentlicht bei [X.]. 15; [X.], 918 f.) und Teilen des Schrifttums ([X.]/[X.] [X.] 69. Aufl. [X.]. vor § 241 [X.]. 8; [X.]/[X.] von Westphalen [X.] 12. Aufl. vor § 598 [X.]. 2; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 311 [X.]. 45; [X.]/[X.] aaO § 598 [X.]. 5) wird eine vertragsähnlich ausgestaltete Haftung innerhalb eines [X.]ses grundsätzlich abgelehnt und der Geschädigte mit seinen Ansprüchen allein auf das Delikts-recht (§§ 823 ff. [X.]) verwiesen, weil ein ohne Rechtsbindungswillen der [X.] [X.] eine an das [X.] nicht begründen könne. 13 Bei den Regelungen über die vertragliche Leihe handelt es sich um ein vom Gesetzgeber besonders ausgestaltetes Vertragsverhältnis, das einen bei-derseitigen Verpflichtungswillen der Beteiligten voraussetzt und für jeden Ver-tragsschließenden Rechte und Pflichten begründet und ausformt ([X.] Urteil 14 - 6 - vom 9. Juni 1992 - [X.] - NJW 1992, 2474, 2475 f.). Insbesondere ent-halten die Vorschriften über die Leihe umfassende Regelungen bezüglich der Haftung von Verleiher und Entleiher, die ausgewogen die Besonderheiten der unentgeltlichen Leihe berücksichtigen (vgl. §§ 599, 600, 602, 603, 606 [X.]). Bei der Überlassung eines Gegenstandes im Rahmen eines bloßen Gefällig-keitsverhältnisses fehlt den Beteiligten jedoch gerade der Wille, sich rechtlich zu binden ([X.] Urteil vom 9. Juni 1992 - [X.] - NJW 1992, 2474, 2475). Die Beteiligten entscheiden sich in diesem Fall dafür, die Gebrauchsüberlas-sung nicht den gesetzlichen Bestimmungen über die Leihe zu unterstellen. Folglich können einzelne Bestimmungen, die zur Gestaltung dieses besonderen Vertragsverhältnisses beitragen, nicht auf ein dem Deliktsrecht unterfallendes [X.] übertragen werden ([X.] Urteil vom 9. Juni 1992 - [X.] - NJW 1992, 2474, 2475 f.; [X.], 918 f.; [X.] Urteil vom 26. Februar 2003 - 17 U 121/02 - veröffentlicht bei [X.]. 17, jeweils zur Frage der Übertragung der kurzen Verjährungsfrist des § 606 [X.] auf ein [X.]; anders [X.] VRS 100, 85, 86 f. unter der Annahme eines "leiheähnlichen [X.]ses"). d) Eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 603 Satz 2 [X.] besteht auch dann nicht, wenn man mit Tei-len des Schrifttums (vgl. [X.] 2001, 499, 502; [X.]/[X.] (2005) [X.]. zu §§ 598 ff. [X.]. 11 f.; MünchKomm-[X.]/[X.] 5. Aufl. [X.]. [X.]. 42; AnwK-[X.]/[X.] § 311 [X.]. 92; [X.]/[X.] in [X.]/ [X.] [X.] § 311 [X.]. 50; Soergel/[X.] (1997) vor § 598 [X.]. 5; [X.]/[X.] [X.] 12. Aufl. § 311 [X.]. 22; [X.] in [X.]/Wegen/Weinreich [X.] 4. Aufl. § 598 [X.]. 8; [X.], 415 ff.) annimmt, dass [X.] bei [X.]sen mit rechtsgeschäftsähnlichem Charakter (vgl. zu diesem Begriff [X.] 2001, 499, 502), gegenseitige Schutz- und Treue-pflichten bestehen, deren Verletzung zu einer Haftung nach vertraglichen 15 - 7 - Grundsätzen (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 3 [X.]) führen kann (MünchKomm-[X.]/[X.] 5. Aufl. [X.]. [X.]. 42 und ausführlich dazu [X.], 150 ff.). Denn nach dieser Ansicht haften sowohl der [X.] als auch der Begünstigte für das Verschulden Dritter gemäß § 278 [X.] (Münch-Komm-[X.]/[X.] 5. Aufl. [X.]. [X.]. 42; Soergel/[X.] (1997) vor § 598 [X.]. 5). 3. Für die Haftung des Begünstigten wegen der Beschädigung eines im Rahmen eines [X.]ses überlassenen und von diesem an ei-nen Dritten weitergegebenen Gegenstandes besteht daher keine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes, die durch die analoge Anwendung einzelner Vorschriften aus dem Recht der Leihe geschlossen werden kann. 16 Demgemäß hätte das Berufungsgericht zunächst feststellen müssen, ob zwischen den Parteien ein Leihvertrag oder ein bloßes [X.] zustande gekommen ist (vgl. zur Abgrenzung [X.] 21, 102, 107). Nur wenn diese Prüfung ergeben hätte, dass zwischen den Parteien ein Leihvertrag ab-geschlossen worden ist, hätte das Berufungsgericht seine Entscheidung auf § 603 Satz 2 [X.] stützen können und auf weitere Feststellungen zum konkre-ten Unfallhergang, insbesondere zu der Frage, von wem der Roller im Unfall-zeitpunkt gefahren wurde, verzichten dürfen. 17 III. Demgemäß ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, weil noch erforderliche Feststellungen fehlen und das Berufungsgericht - von seinem [X.] - 8 - punkt aus folgerichtig - sich nicht mit dem Berufungsangriff des [X.]n be-fasst hat, der vorgetragen hat, dass die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellun-gen rechtsfehlerhaft getroffen worden seien, weil das Amtsgericht den [X.] nicht persönlich angehört habe (vgl. [X.] Urteil vom 30. Oktober 2007 - [X.]/06 - NJW 2008, 576 [X.]. 26 f.). Zudem wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob eine vertragliche Haftung des [X.]n nicht möglicher-weise daran scheitert, dass die Parteien zum Zeitpunkt der Überlassung des Motorrollers noch minderjährig gewesen sein könnten. [X.] [X.] [X.]
Schilling [X.]: [X.], Entscheidung vom 09.11.2007 - 39 C 116/07 - [X.], Entscheidung vom 01.07.2008 - 9 S 87/07 -

Meta

XII ZR 118/08

04.08.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2010, Az. XII ZR 118/08 (REWIS RS 2010, 4297)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4297

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XII ZR 118/08

17 U 121/02

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