Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.04.2023, Az. 26 W (pat) 527/22

26. Senat | REWIS RS 2023, 3012

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2021 110 297.5

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 17. April 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie des Richters [X.] und der Richterin am Amtsgericht Streif

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.][X.]

3

ist am 11. Juni 2021 unter der Nummer 30 2021 110 297.5 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Waren der

4

Klasse 3: [X.]el zur Körper- und Schönheitspflege; Hautpflegemittel; Haarpflegemittel;

5

Klasse 5: Hautpflegemittel für medizinische Zwecke; medizinische Haarpflegemittel.

6

Mit [X.]uss vom 1. März 2022 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebedürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Wortkombination setze sich [X.] aus den Bestandteilen „[X.]“ und „[X.]“ zusammen. Das Substantiv „Natur“ bezeichne hierbei „alles, was an organischen und anorganischen Erscheinungen ohne Zutun des Menschen existiert oder sich entwickelt“ und weise auf eine „natürliche Beschaffenheit“ hin. Das Adjektiv „sanft“ stehe für „auf angenehm empfundene Weise behutsam, zart“. In der Gesamtheit reihe sich das Anmeldezeichen in übliche Wortbildungen mit dem Begriff „Natur“, wie [X.] „naturfarben“, „[X.]“, „naturrein“ oder „naturtrüb“ ein und gebe nur an, dass die beanspruchten Waren auf einer natürlichen Basis beruhen und in ihrer Anwendung als angenehm empfunden werden. Der überwiegende Teil der hier angesprochenen Verkehrskreise, der aus dem Fachhandel, gewerblich tätigen Personen und Unternehmen aus der Kosmetik- und Wellnessbranche sowie des Friseurhandwerks, Berufstätigen in öffentlichkeitswirksamen Positionen sowie Fachkreisen aus der klassischen Medizin und Homöopathie bestehe, entnehme der Wortkombination lediglich den Sachhinweis, dass die angemeldeten Produkte ohne künstliche Bestandteile auskommen und auf schonende Art eine wohltuende Wirkung entfalten. Mit dieser Bedeutung werde das Anmeldezeichen im Zusammen hang mit Körper- und Schönheitspflegeprodukten bereits vielfältig gebraucht, wie mehrere [X.]recherchen gezeigt hätten. Soweit die beanspruchten Pflegemittel eine medizinische Funktion erfüllten, werde solchen auf natürlichen Ingredienzien basierenden Produkten auf anpreisende Art eine schonende Heilkraft zugeschrieben. Die Zusammenschreibung der beiden Begriffe werde in der Werbesprache und insbesondere bei der Eingabe von Suchbegriffen im [X.] oder in [X.] häufig verwendet. Die Ausführung in Versalien stelle ebenfalls ein werbeübliches, grafisches Hervorhebungsmittel dar. Die Gesamtbedeutung des [X.] gehe daher nicht über die bloße Summe der beiden [X.]n hinaus, so dass dieses keinen betrieblichen Herkunftshinweis vermittele. Auch wenn es sich um eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortneubildung handele, verfüge diese nicht über eine schutzbegründende semantische Eigentümlichkeit. Selbst eine begriffliche Unbestimmtheit könne keine Unterscheidungskraft bewirken. Da das Anmeldezeichen die Art, Bestimmung und Wirkungsweise der beanspruchten Waren unmittelbar beschreibe, bestehe auch ein Interesse der Mitbewerber, auf diese Wortkombination zurückgreifen zu können.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, das an gemeldete Wortzeichen sei eine sprechende Marke, deren konkrete Bedeutung verschwommen bleibe. Zwischen ihm und den beanspruchten Waren aus dem Bereich der kosmetischen und medizinischen Körper-, Haut-, Haar- und Schönheitspflege mittel bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang. Die lexikalisch nicht nachweisbare, äußerst ungewöhnliche Wortkombination sei eine in der [X.] nicht gebrauchte fantasievolle Wortneubildung. Sie reihe sich nicht in übliche Wortbildungen ein, weil die Wörter „naturfarben“, „[X.]“, „naturrein“ und „naturtrüb“ alle lexikalisch nachweisbar seien. Die Nachstellung des Adjektivs entspreche nicht den [X.]. Das Anmeldezeichen enthalte eher einen an die Natur adressierten Imperativ und rege den Verbraucher zum Überlegen und Nach denken an. Da es keine sanfte Natur gebe, da das Wort „sanft“ ein Gefühl auf der Haut oder einen Gefühlszustand vermittle, könne „natursanft“ auch kein [X.] Eigenschaftswort sein. Es erfordere mehrere gedankliche Zwischenschritte, um zu der Bedeutung zu gelangen, dass in der Natur vorkommende Produkte äußerst schonend und sanft zur Haut seien. Die Wortfolge „sanfte Natur“ werde hauptsächlich markenmäßig und überwiegend nicht in Alleinstellung verwendet. Da der Verkehr das Zeichen so wahrnehme, wie es ihm entgegentrete und es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterziehe, dürfe es entgegen der Verfahrensweise der Markenstelle nicht in Einzelbestandteile zerlegt werden. Ferner weist die Anmelderin auf eine erhebliche Anzahl von Voreintragungen in den Klassen 3 und 5 entweder mit dem Bestandteil „[X.]“ oder dem Element „[X.]“ hin. Über 90.000 für Waren der Klassen 3 und/oder 5 eingetragene Marken enthielten den Bestandteil „[X.]“ und über 300 das Element „[X.]“. Die fast identische Marke „[X.]“ (307 41 634) sei am 24. Oktober 2007 u. a. für teilweise identische und teil weise hochgradig ähnliche Produkte der Klassen 3 und 5 registriert worden. Auch die beinahe identische Marke Abbildung

8

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

9

1. den [X.]uss der Markenstelle für Klasse 3 des [X.] vom 1. März 2022 aufzuheben;

2. die [X.] zurückzuzahlen.

Mit gerichtlichem Hinweis vom 7. März 2023 ist die Beschwerdeführerin unter Beifügung von [X.] (Anlagen 1 bis 16, [X.]. 47 – 96 GA) auf die Freihaltebedürftigkeit des [X.] und dessen fehlende Unterscheidungskraft hingewiesen worden.

Während des Beschwerdeverfahrens ist das Anmeldezeichen auf die jetzige Beschwerdeführerin übertragen worden, die in das Verfahren eingetreten ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „[X.][X.]“ als Marke für die beanspruchten Waren der Klassen 3 und 5 stehen die Schutzhindernisse der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diese Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen oder Angaben, die ein Merkmal oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden ([X.] GRUR 2011, 1035 [X.]. 37 – [X.] [X.]/[X.] [1000]; [X.], 1166 [X.]. 13 f. – [X.]ack Friday; [X.], 186 [X.]. 38 – Stadtwerke Bremen).

Ob ein Zeichen oder eine Angabe beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verkehrskreise, die als Abnehmer oder Interessenten der betroffenen Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen (vgl. [X.], [X.], 723 [X.]. 29 – [X.] [[X.]]; [X.] a. a. O. [X.]. 14 – [X.]ack Friday; [X.], 669 [X.]. 16 – [X.]). Dabei ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise zum Anmeldezeitpunkt abzustellen (vgl. [X.] [X.], 411 [X.]. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 682 [X.]. 23 - 25 – [X.]; a. a. O. – [X.] fing [X.] [[X.]]; [X.] a. a. O. [X.]. 19 – [X.]ack Friday; a. a. O. – Stadt werke Bremen).

Ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] setzt nicht voraus, dass die Zeichen und Angaben nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden Verkehrsverständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet werden. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, genügt es, dass die Zeichen oder Angaben diesem Zweck dienen können. Ein Freihaltebedürfnis liegt deshalb auch vor, wenn die Benutzung der angemeldeten Marke als [X.] noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber jederzeit in Zukunft erfolgen kann (vgl. [X.] GRUR 2010, 534 [X.]. 52 – Prana Haus/[X.] [[X.]]; [X.], 146 [X.]. 32 - [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 680 [X.]. 38 – [X.] [[X.]]; [X.] a. a. O. – [X.]ack Friday; a. a. O. [X.]. 42 – Stadtwerke Bremen).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt das angemeldete Wortzeichen „[X.][X.]“ eine schlagwortartige, werblich anpreisende Kombination zweier Angaben dar, die aus Sicht der angesprochenen inländischen Verkehrskreise schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 11. Juni 2021, zur unmittelbaren Beschreibung von Beschaffenheit und Wirkungsweise der beanspruchten kosmetischen und medizinischen Körper-, Haut-, Haar- und Schönheitspflegemittel geeignet gewesen sind.

aa) Die Waren der Klassen 3 und 5 richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als auch an den [X.] sowie an Friseurbetriebe, Drogerien, Apotheken und medizinische Fachkreise.

bb) Das Anmeldezeichen „[X.][X.]“ setzt sich aus den bekannten [X.] Wörtern „[X.]“ und „[X.]“ zusammen.

aaa) Entgegen der Ansicht der Anmelderin ist es zweckmäßig und zulässig, bei einem aus mehreren Bestandteilen kombinierten Zeichen – wie hier – zunächst die einzelnen Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. [X.] [X.] 2007, 204 [X.]. 79 – [X.]; [X.], 943 [X.]. 28 – [X.]/[X.] [SAT.2]; [X.], 229 [X.]. 29 - BioID/[X.] [BioID]; [X.], [X.]. v. 10. September 2020, - [X.] [X.]. 9 = [X.]. 2021, 45 – [X.]; BPatG 29 W (pat) 525/21 – [X.]; 29 W (pat) 38/18 – [X.]; 28 W (pat) 2/10 – Naturplus; 29 W (pat) 212/01 – [X.] Service).

bbb) Das Substantiv „Natur“ bedeutet „alles, was an organischen und anorganischen Erscheinungen ohne Zutun des Menschen existiert oder sich entwickelt“, „[Gesamtheit der] Pflanzen, Tiere, Gewässer und Gesteine als Teil der Erdoberfläche oder eines bestimmten Gebietes [das nicht oder nur wenig von Menschen be siedelt oder umgestaltet ist]“, „geistige, seelische, körperliche oder biologische Eigentümlichkeit, Eigenart von [bestimmten] Menschen oder Tieren, die ihr spontanes Verhalten o. Ä. entscheidend prägt“, „Mensch im Hinblick auf eine bestimmte, typische Eigenschaft, Eigenart“, „(einer Sache o. Ä.) eigentümliche Beschaffenheit“ oder „natürliche, ursprüngliche Beschaffenheit, natürlicher Zustand von etwas“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/Natur).

(1) Die Wörter „Natur“ und „natürlich“ gehören seit Jahrzehnten zum elementaren Vokabular der [X.] Werbesprache (BPatG 26 W (pat) 18/19 – [X.]; [X.], Wörterbuch der Werbesprache, 1991, [X.] bis 157; ) und werden branchenübergreifend als Hinweis auf die natürliche, ursprüngliche Beschaffenheit einer Sache, natürliche oder naturbelassene Produkte oder Naturprodukte eingesetzt (BPatG 26 W (pat) 18/19 – [X.]; 26 W (pat) 40/13 – [X.]A; 28 W (pat) 2/10 – Naturplus; 28 W (pat) 121/08 – [X.]; 28 W (pat) 253/07 – [X.]; 26 W (pat) 155/02 – [X.]; 28 W (pat) 200/96 – Natur). Der Begriff „Natur“ findet auch in Alleinstellung und werbemäßiger Herausstellung als besonderes Eigenschafts- und Wertversprechen Verwendung (BPatG 26 W (pat) 18/19 – [X.]; 28 W (pat) 200/96 – Natur; [X.], Wörterbuch der Werbesprache, 1991, [X.]).

(2) Im hier betroffenen Bereich der kosmetischen und medizinischen Körper- und Schönheitspflege werden die Wörter „Natur“ und „natürlich“ häufig verwendet, um darauf hinzuweisen, dass die Produktion ohne künstliche Inhaltsstoffe erfolgt. Die Unterscheidung zwischen Inhaltsstoffen, die auf natürlich-biologischem Wege gewonnen werden, und solchen synthetischen Ursprungs ist in diesem Warensegment von besonderer Bedeutung, weil der Verkehr Produkten, die auf die menschliche Haut oder auf menschliches Haar aufgetragen werden, besondere Aufmerksamkeit schenkt und natürliche Zutaten deutlich positiver, nämlich [X.] als gesundheitsschonender, bewertet als künstliche Bestandteile ([X.] (pat) 105/06 – [X.]AL essences; 25 W (pat) 518/16 – cheval naturel). Schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt, dem 11. Juni 2021, hatten Naturkosmetik und natürliche Körper pflege einen wichtigen Stellenwert. Der nach Angaben der [X.] ([X.]) zu beobachtende Trend zu einem bewussten und verantwortungsvollen Lebensstil beschränkt sich nicht nur auf Lebensmittel, sondern weitet sich auf die Körper- und Gesichtspflege aus (vgl. [X.], Naturkosmetik: Warum natürliche Kosmetik die bessere Wahl ist, 01.08.2020, Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis). Das zunehmende Umweltbewusstsein der Bevölkerung führt zu einer verstärkten Forderung nach natürlichen Produkten, die gesünder, risikoärmer und umweltverträglicher sind. Bei Naturkosmetik erwarten die meisten Verbraucher aus pflanzlichen Rohstoffen ohne Gentechnik und ohne Tierversuche hergestellte, fair gehandelte Produkte in recyclingfähigen Verpackungen (vgl. Ellsässer, Körperpflegekunde und Kosmetik, 2. Aufl. 2008, [X.] ff., Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis). Auch wenn die Begriffe „Naturkosmetik“ oder Bio-Kosmetik nicht gesetzlich geschützt sind, existieren zahlreiche Naturkosmetiksiegel verschiedener Verbände und Zertifizierer (vgl. Wörterbuch der Kosmetik, 6. Aufl. 2010, [X.], Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis; Flatley, Zertifizierte Naturkosmetik: Die wichtigsten Siegel, https://utopia.de, 8. Februar 2021, Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis). Die Hersteller solcher Produkte bewerben diese mit ihrer Nähe zur Natur, weil die Reinheit und natürliche Herkunft der Zutaten für Kosmetika und Hautpflegeprodukte oft entscheidende Verkaufsaspekte sind.

ccc) Das Adjektiv „sanft“, bedeutet „angenehm wirkend aufgrund einer Art, die Freundlichkeit, Ruhe und Güte ausstrahlt“; „auf angenehm empfundene Weise behutsam, zart“; „nur in abgeschwächter Weise in Erscheinung tretend; gedämpft; nicht stark und intensiv“; „friedlich, still und ruhig“ oder „nicht steil, nicht schroff; allmählich ansteigend“ ([X.]). In der Kombination „sanfte Energie“ kommt ihm die Bedeutung „auf umweltverträgliche Weise und ohne besondere Risiken nutzbar gemacht“ zu ([X.] – [X.] Universalwörterbuch, Stichwort: sanft, Anlage 6 zum gerichtlichen Hinweis).

cc) In der Gesamtheit bedeutet das Anmeldezeichen natürliche, ursprüngliche Beschaffenheit, natürlicher Zustand von etwas, das auf angenehm empfundene Weise behutsam, zart oder auf umweltverträgliche Weise und ohne besondere Risiken nutzbar gemacht ist.

dd) Das angemeldete Wortzeichen wird in seiner Gesamtheit vom angesprochenen inländischen Publikum ohne weiteres Nachdenken und ohne analysierende Betrachtungsweise als eine bloße Aneinanderreihung zweier sachbezogener Hinweise auf wesentliche Produktmerkmale verstanden, und zwar in dem Sinne, dass die so gekennzeichneten „[X.]el zur Körper- und Schönheitspflege“ der Klasse 3 sowie die kosmetischen und medizinischen Haut- und Haarpflegemittel der Klassen 3 und 5 natürlicher Herkunft sind bzw. keine künstlichen Inhaltsstoffe enthalten und/oder umweltverträglich sind und bei ihrer Anwendung eine angenehme Wirkung entfalten bzw. Haut und Haar schonen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind für dieses Verständnis nicht mehrere gedankliche Zwischenschritte oder Ergänzungen erforderlich. Diese anpreisende beschreibende Bedeutung drängt sich vielmehr unmittelbar auf, wenn sie dem Verkehr im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Produkten begegnet. Das Wortzeichen „[X.][X.]“ hat sich damit schon im Anmeldezeitpunkt, dem 11. Juni 2021, in einer werblich anpreisenden Angabe von Eigenschaften der beanspruchten Waren erschöpft (vgl. dazu auch: BPatG 25 W (pat) 518/16 – cheval naturel; 26 W (pat) 548/17 – [X.]; 28 W (pat) 2/10 – Naturplus; 28 W (pat) 43/06 – [X.]; 28 W (pat) 546/12 – EasyCompact).

ee) Die Verbindung des Begriffs „Natur“ mit dem Adjektiv „sanft“ ist sowohl in der Körper- und Schönheitspflege als auch im medizinischen Bereich schon vor dem Anmeldezeitpunkt vorgenommen worden, wie die [X.]recherchen der Marken stelle (s. Anlagen zum Beanstandungsbescheid sowie Angaben im angefochtenen [X.]uss) und des Senats gezeigt haben (Anlagen zum gerichtlichen Hinweis):

- Der Slogan der Kosmetikmarke [X.] „Die junge, natursanfte Pflege“ aus dem Jahr 1978;

- „[X.] DOCCIA DELICATO PH 5,5 - Seifenspender Bad Dusch Natur Sanft mit Linde und Calendula“, im Angebot von [X.] seit dem 16. Juni 2017;

- „[X.] – [X.] Reine Pflege Sensitiv-Seife von Frosch“ … Natursanft & pflegende Kosmetik“ ([X.] vom 7. Juli 2015, https://jana-testblog.de);

- „[X.]® BABY Bad & Shampoo … [X.][X.]E PFLEGE – MIT PFLANZLICHEN ÖLEN … Reinigt natursanft …“ (30. September 2020, Anlage 9);

- „[X.] SkinCair Milch Honig HAND Intense Schaum Creme Wohlfühlpflege mit … sanften Natur-Wirkstoffen für die Hände“ (im Angebot von [X.] seit 13. August 2018, Anlage 10);

- „Vibelle Natursanft Soft-Creme Mit Samtblümlein-Extrakt und [X.] …“ (2016, [X.], Anlage 12);

- HiPP Babysanft [X.]l Feuchttücher – Die Lieblingstücher Deiner Haut. Und unserer Natur. Für eine besonders sanfte und gleichzeitig umweltschonende Reinigung.“ ([X.], https://shop.hipp.de, Anlage 16);

- „[X.]/2019 „[X.] HEILEN MIT [X.] DER [X.]“ (https://www.meine-zeitschrift.de);

- „Homöopathie, Heilen mit [X.] der NaturSanfte Medizin für Körper, Geist und Seele …“ (Buchausgabe 1. Januar 2001, https://www.amazon.de);

- „… Erleben Sie den sanften Weg der Natur. Ihre Naturheilpraxis in [X.] …“ ([X.], Anlage 7).

ff) Der Umstand, dass nur wenige Belege vor dem Anmeldetag eine beschreibende Benutzung der angemeldeten Wortkombination „[X.][X.]“ in seiner Gesamtheit zeigen, ändert nichts an ihrer Schutzunfähigkeit für die beanspruchten Waren. Da die Eignung zur Beschreibung festgestellt worden ist, bedarf es für die Begründung des [X.] wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses keines weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang die angemeldete Marke als beschreibende Angabe bereits bekannt gewesen oder verwendet worden ist. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ergibt, dass das Zeichen diesem Zweck dienen kann.

gg) Auch wenn es sich um eine Wortneuschöpfung handelt, fehlt es dem Anmeldezeichen an Besonderheiten in syntaktischer oder semantischer Hinsicht, die die ge wählte Verbindung als ungewöhnlich erscheinen lassen und hinreichend weit von der [X.] wegführen ([X.] [X.], 680 [X.]. 39 - 41 – [X.] [[X.]]; [X.] [X.], 949 [X.]. 13 – My World).

aaa) Denn die beanspruchte Wortverbindung reiht sich in zahlreiche Wortkombinationen ein, die aus dem Substantiv „Natur“ und einem nachgestellten Adjektiv bestehen, wie [X.] „naturbraun, naturfern, [X.], [X.], [X.], [X.], naturgesetzlich, naturgetreu, naturidentisch, [X.], naturtrüb, naturverträglich, naturbewusst, [X.], [X.], [X.], naturnah, naturrein, naturschön“ (https://www.owid.de/service/ewbp/get/222531, Anlage 15 zum gerichtlichen Hinweis). Die angemeldete Wortverbindung beschränkt sich auf die bloße Summenwirkung beschreibender Bestandteile und bedarf keiner Interpretation durch die angesprochenen Verkehrskreise. Ein von der Summe der Einzelbestandteile hinreichend abweichender Gesamteindruck fehlt ([X.] a. a. O. [X.]. 40 – [X.]; BPatG 28 W (pat) 2/10 – Naturplus), vielmehr geht die Zusammenstellung insgesamt nicht über einen warenbeschreibenden Aus sagegehalt der Einzelbestandteile hinaus.

bbb) Der Ansicht der Anmelderin, wonach es sich bei der Zusammenschreibung von Haupt- und Eigenschaftswort um eine unübliche Gestaltung handele, die einen Denkprozess auslöse bzw. eine analysierende Betrachtungsweise erforderlich mache, kann nicht gefolgt werden. Denn bei der unmittelbaren Zusammenschrei bung einzelner Wörter handelt es sich nicht um eine ungewöhnliche Struktur, die dazu führt, dass der beschreibende Begriffsinhalt dadurch in den Hintergrund tritt. Sie ist vielmehr ein in der Produktwerbung verbreitetes stilistisches [X.]el, das das Vorliegen einer Sachaussage nicht in Frage stellt (vgl. [X.] GRUR 2014, 1204 [X.]. 16 – [X.]; GRUR 2001, 1101 – marktfrisch; [X.], 489 – Hautactiv; 30 W (pat) 36/17 – [X.]; 28 W (pat) 555/17 – [X.]; [X.] 2008, 413, 416 – Saugauf; 25 W (pat) 2/16 – findwhatyoulike; 30 W (pat) 2/16 – [X.]; 26 W (pat) 122/09 – mykaraokeradio; 29 W (pat) 104/13 – edatasystems; 33 W (pat) 511/13 – [X.]; 26 W (pat) 3/15 – date formore; [X.] (pat) 192/01 – Travelagain).

hh) Auch die durchgehende Ausführung in Versalien kann keine Schutzfähigkeit begründen, weil der Verkehr an die willkürliche und nicht den grammatikalischen Regeln folgende Groß- und Kleinschreibung von Wörtern in der Werbung gewöhnt ist ([X.] GRUR 2008, 710 [X.]. 20 – [X.]; [X.] (pat) 521/20 – [X.]; 30 W (pat) 562/17 – [X.]; 26 W (pat) 528/17 – [X.]; 24 W (pat) 8/14 – [X.] [X.]; 30 W (pat) 56/12 – [X.]; 26 W (pat) 2/09 – LINKRANK).

ii) Allein der Umstand, dass die Wortkombination „[X.][X.]“ lexikalisch nicht nachweisbar ist, steht der Annahme des Schutzhindernisses nicht entgegen. Der Verkehr ist daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen vermittelt werden sollen. Er wird daher auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen als solche auffassen ([X.] [X.]. 2019, 356 – Vermögensmanufaktur; [X.] GRUR 2014, 1204 [X.]. 16 – [X.]; BPatG 28 W (pat) 33/15 – Traumtomaten).

jj) Soweit die Beschwerdeführerin einen unscharfen Bedeutungsgehalt anführt und das Anmeldezeichen die genaue Art der Beschaffenheit offenlässt, nämlich in welcher konkreten Hinsicht die beanspruchten Produkte einen Bezug zur Natur haben und auf welche Weise sie angenehm auf Haut oder Haar wirken, vermag dies nichts an der Schutzunfähigkeit zu ändern. Denn die Annahme einer beschreibenden Bedeutung setzt nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausgebildet hat ([X.] [X.], 952 [X.]. 15 – [X.]; GRUR 2014, 569 [X.]. 18 – [X.]; [X.], 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt). Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt ([X.] a. a. O. – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.], 680 [X.]. 38 - 42 – [X.] [[X.]]; [X.] GRUR 2014, 872 [X.]. 25 – [X.]; GRUR 2014, 569 [X.]. 18 – [X.]; GRUR 2013, 522 [X.]. 13 – [X.] schönste Seiten).

2. Dem Anmeldezeichen fehlt auch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], weil die angesprochenen inländischen Verkehrskreise ihm wegen seiner Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren schon zum Anmeldezeitpunkt keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnommen haben.

3. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Voreintragungen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf den gerichtlichen Hinweis vom 7. März 2023 Bezug genommen.

III.

Der Antrag auf Rückzahlung der [X.] hat keinen Erfolg.

1. Die Rückzahlung der [X.] kann nach § 71 Abs. 3 [X.] aus [X.]n angeordnet werden, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Dabei ist der Erfolg der Beschwerde kein Rückzahlungsgrund. Es müssen besondere Umstände hinzukommen. [X.] für die Rückzahlung können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern des [X.], wie [X.] der Verletzung rechtlichen Gehörs, ergeben. Die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung nur dann, wenn die Rechtsanwendung als völlig unvertretbar er scheint, [X.] weil eindeutige gesetzliche Vorschriften oder eine gefestigte Amts praxis oder Rechtsprechung unbeachtet geblieben sind (BPatG 26 W (pat) 20/15 – Goldkehlchen; 30 W (pat) 20/08 – [X.] und Silber; BPatGE 50, 54, 60 – Markenumschreibung).

2. Solche besonderen Umstände hat die Anmelderin weder aufgezeigt, noch sind solche ersichtlich. Es besteht daher kein Grund für eine Gebührenerstattung, die lediglich als Ausnahmefall gegenüber dem Grundsatz der vom Verfahrensausgang unabhängigen Gebührenpflichtigkeit der Beschwerde anzusehen ist.

Meta

26 W (pat) 527/22

17.04.2023

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.04.2023, Az. 26 W (pat) 527/22 (REWIS RS 2023, 3012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3012

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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