Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2010, Az. 1 StR 319/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4446

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Gegenstand

Strafverfolgungsverjährung: Abgrenzung zwischen Wohnungseinbruchsdiebstahl und Diebstahl in einem besonders schweren Fall


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 16. März 2010, durch den die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, wird aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. November 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall I.5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Das Verfahren wird insoweit gemäß § 206a StPO eingestellt.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] in 14 Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Wohnungseinbruchdiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dabei hat es [X.]n zwischen zehn Monaten und drei Jahren und acht Monaten verhängt. Für den Fall I.5 der [X.]eilsgründe hat es eine [X.] von einem Jahr und sieben Monaten festgesetzt. Gegen das [X.]eil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

2

1. Die Revision wurde rechtzeitig begründet. Der [X.]uss des [X.]s München I vom 16. März 2010, mit dem das [X.] die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO verworfen hat, ist daher auf den Antrag des Beschwerdeführers hin gemäß § 346 Abs. 2 StPO aufzuheben.

3

2. Auf die Revision des Angeklagten ist das angefochtene [X.]eil hinsichtlich der Verurteilung im Fall I.5 der [X.]eilsgründe wegen [X.] gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO); das Verfahren wird insoweit wegen eingetretener [X.] gemäß § 206a StPO eingestellt.

4

a) Zum Betreten der Wohnung durch den Angeklagten in diesem Fall hat das [X.] folgende Feststellungen getroffen:

„Am 29.01.1999 zwischen 14.00 Uhr und 18.00 Uhr brach der Angeklagte in die im Erdgeschoss liegende Wohnung der Zeugin A. … ein, indem er auf die an der Rückseite des Hauses liegende Terrasse ging, dort durch einen gekippten Terrassenflügel hindurch griff und so den Griff der danebenliegenden weiteren Terrassentüre öffnete.“

5

Bei dieser Sachlage ist der Tatbestand des [X.] nicht gegeben. Das [X.] hat zu Unrecht ein „Einsteigen“ i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB angenommen. Einsteigen in einen Raum ist über den engeren Sprachsinn hinaus jedes nur unter Schwierigkeiten mögliche Eindringen durch eine zum ordnungsgemäßen Eintritt nicht bestimmte Öffnung [X.], StGB 57. Aufl. § 243 Rdn. 6 mN). Eine im Erdgeschoss gelegene Terrassentür ist demgegenüber allgemein zum Betreten des Gebäudes vorgesehen. Wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 16. Juni 2010 zutreffend ausgeführt hat, liegt in solchen Fällen ein Einsteigen selbst dann nicht vor, wenn der Täter zum Öffnen der Tür zunächst durch einen gekippten Türflügel in die Wohnung hineingreifen muss (vgl. [X.], [X.]. vom 6. September 1968 - 4 StR 390/68; [X.], [X.]. vom 5. Februar 1957 - 5 StR 526/56, [X.]St 10, 132, 133; [X.] in [X.]. § 243 Rdn. 22). Der Angeklagte hätte deshalb insoweit nur wegen einfachen Diebstahls gemäß § 242 StGB schuldig gesprochen werden dürfen.

6

b) Einer Änderung des Schuldspruchs in diesem Fall steht die eingetretene [X.] entgegen. Denn anders als der Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) mit einer Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB) verjährt der Diebstahl [X.]. § 242 StGB auch dann in fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB), wenn - was hier nahe liegt - ein (unbenannter) besonders schwerer Fall des Diebstahls gemäß § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB gegeben ist. Die Eröffnung des Hauptverfahrens konnte die [X.] nicht mehr gemäß § 78b Abs. 4 StGB hemmen, weil die Verjährung hinsichtlich dieser Straftat bereits vor diesem Zeitpunkt eingetreten war.

7

3. Der Senat schließt angesichts der Vielzahl der von dem Angeklagten im Rahmen zweier Tatserien im Übrigen begangenen [X.] aus, dass sich der Wegfall der im Fall I.5 der [X.]eilsgründe verhängten [X.] auf die übrigen [X.]n und die Gesamtstrafe auswirken könnte, zumal da verjährte, aber [X.] festgestellte Straftaten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen (vgl. [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 19; [X.], StGB 57. Aufl. § 46 Rdn. [X.] und § 78 Rdn. 2).

8

4. Die weitergehende Revision des Angeklagten ist unbegründet, weil die Nachprüfung des [X.]eils auf Grund der [X.] im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Auch die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ein Verstoß gegen das [X.] (§ 46 Abs. 3 StGB) liegt nicht vor. Das [X.] durfte die konkret festgestellten psychischen Beeinträchtigungen der Opfer der [X.] strafschärfend werten. Soweit das [X.] (NStZ-RR 2002, 247) der Ansicht ist, die mit einem Wohnungseinbruch für die Opfer verbundenen psychischen Belastungen dürften auch dann nicht zu Lasten des Täters strafschärfend berücksichtigt werden, wenn psychische Folgen der Tat im Einzelfall festgestellt sind, folgt ihm der Senat nicht.

9

5. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen. Der geringfügige Teilerfolg rechtfertigt kein anderes Ergebnis (§ 473 Abs. 4 StPO).

Nack   

       

Wahl   

       

   Graf

       

       

       

Ri[X.] Prof. Dr. Sander
befindet sich in Urlaub und ist deshalb
verhindert zu unterschreiben.

       

       

Jäger   

       

Nack

       

Meta

1 StR 319/10

27.07.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München I, 16. März 2010, Az: 3 KLs 244 Js 205582/99, Beschluss

§ 78 Abs 3 Nr 3 StGB, § 78 Abs 3 Nr 4 StGB, § 242 StGB, § 243 Abs 1 S 1 StGB, § 244 Abs 1 Nr 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2010, Az. 1 StR 319/10 (REWIS RS 2010, 4446)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4446

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 404/15

3 StR 404/15

4 StR 173/14

4 StR 584/13

1 StR 319/10

3 StR 130/19

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