Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.11.2011, Az. 3 ZA (pat) 54/10

3. Senat | REWIS RS 2011, 1071

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – Kostenfestsetzungsverfahren – zum Erstattungsanspruch des Anwalts bei Streitwertbegünstigung – Kostenquotelung


Leitsatz

Erstattungsanspruch des Anwalts bei Streitwertbegünstigung

Zur Frage des Erstattungsanspruchs des Anwalts nach § 144 Abs. 1 Satz 4 PatG im Fall einer Kostenquotelung.

Tenor

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

betreffend das europäische Patent …

(DE …)

(hier: Kostenfestsetzungsverfahren)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 24. November 2011 durch den Vorsitzenden [X.] sowie die [X.] Dipl.-Chem. Dr. [X.] und Schell

beschlossen:

[X.] Die Erinnerung der Beklagten gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 27. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

II[X.] [X.] beträgt 37.260,00 Euro.

Gründe

I.

1

Mit Urteil des [X.] vom 4. November 2008 wurde das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin zu 4/5 und der [X.]n zu 1/5 auferlegt. Der Klägerin wurde für beide Instanzen eine Streitwertbegünstigung gemäß § 144 [X.] von 13 Mio. Euro auf 3,5 Mio. Euro gewährt. Auf der Grundlage eines Streitwerts von 13 Mio. Euro wurden mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. Mai 2010 die von der [X.]n an den Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 37.260,00 Euro festgesetzt.

2

Hiergegen richtet sich die Erinnerung der [X.]n. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, es fehle vorliegend bereits an einem eigenen Beitreibungsrecht des Antragstellers. Soweit sich der angefochtene Beschluss insoweit auf einen Beschluss des [X.] aus dem Jahre 1940 stütze, handle es sich bei dieser um eine falsche und zudem auf die aktuelle Rechtssituation nicht mehr anwendbare Entscheidung. Es würde zu einem nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren Ergebnis führen, wenn die [X.] ihre außergerichtlichen Kosten nur nach dem verminderten Streitwert geltend machen könne, die Gegenseite dagegen nach dem vollen Streitwert. Dadurch werde die [X.] in unerträglicher Weise mit erheblichen Kosten belastet, obwohl sie den Rechtstreit zu 4/5 gewonnen habe. Eine solche Ungleichbehandlung habe der Gesetzgeber weder beabsichtigt noch geregelt, weshalb die [X.]ung im vorliegenden Fall für beide Seiten nach dem herabgesetzten Streitwert vorgenommen werden müsse. Die in dem angefochtenen Beschluss vorgenommene Auslegung des § 144 Abs. 1 Satz 4 sei verfassungswidrig und verletze die [X.] in ihren grundrechtlich geschützten Rechten aus Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG.

3

Der Antragsteller und Erinnerungsgegner beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen. Die Regelung des § 144 [X.] sehe für die am Verfahren beteiligten Prozess- und Patentanwälte ein eigenes Beitreibungsrecht vor. Soweit die [X.] die Verfassungswidrigkeit von § 144 [X.] geltend mache, fehle es hierfür an jeglichen Anhaltspunkten, zumal diese Norm gerade einen Ausdruck verfassungsrechtlich niedergelegter Gleichbehandlung darstelle, durch die auch für wirtschaftlich schwächere [X.]en die Möglichkeit eröffnet werde, ihre rechtliche Sicht unter Auferlegung eines vertretbaren Risikos den angerufenen Gerichten zur Beurteilung vorzustellen.

4

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

5

Die Erinnerung ist zulässig (§ 84 Abs. 2 [X.], § 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 23 Abs. 2 RPflG). In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. Die Rechtspflegerin ist in dem angefochtenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller und Erinnerungsgegner gegenüber der [X.]n ein eigenes, im Festsetzungsverfahren auf seinen Namen zu verfolgendes Forderungsrecht auf Zahlung seiner Gebühren nach dem vollen Streitwert besitzt (§ 144 Abs. 1 Satz 4 [X.]).

6

Nach § 144 [X.] hängt die Wirkung einer gewährten Streitwertbegünstigung vom Ausgang des jeweiligen Rechtsstreits hinsichtlich der Kostentragungspflicht ab. In dem hier vorliegenden Fall einer Kostenquotelung erfolgt der [X.] zwischen den [X.]en nach dem Teilstreitwert, wie dies auch in der von der [X.]n zitierten Kommentierung klargestellt wird, die insoweit auf die [X.]ung nach § 106 ZPO verweist (Busse, [X.], 6. Aufl. 2003, § 144 Rdn. 28). Dies betrifft jedoch allein den Ausgleichsanspruch zwischen den [X.]en selbst (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl. 2006, § 144 [X.] Rdn. 12; [X.]/[X.], ZPO, 4. Aufl. 2011, § 106 Rdn. 1). Dagegen kann der Rechtsanwalt der nach § 144 [X.] begünstigten [X.] seine Gebühren in eigenem Namen direkt von der Gegenpartei nach dem für diese geltenden, vollen Streitwert erstattet verlangen, soweit sie zur Kostentragung verpflichtet ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.] a. a. O., § 144 [X.] Rdn. 12; Busse a. a. O., § 144 Rdn. 29; [X.], Patentrecht, 6. Aufl. 2009, § 36 V, S. 888 f.; [X.], [X.]/[X.], 3. Aufl. 2011, § 144 Rdn. 13; [X.], [X.], 8. Aufl. 2008, § 144 Rdn. 26; Vormbrock in [X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht, 2011, § 6 Rdn. 238). Dies gilt entsprechend für den auf Seiten der streitwertbegünstigten [X.] mitwirkenden Patentanwalt (vgl. [X.], [X.]. 237; [X.] a. a. O., § 144 Rdn. 26; [X.] a. a. O., S. 889). Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 144 Abs. 1 Satz 4 [X.] kann die von der [X.]n aufgeworfene Frage, ob die von der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss zitierte Entscheidung des [X.] [X.]. 1941, 125, 126) aktuell noch Bestand hat oder nicht, als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

7

beider [X.]en nicht in Betracht, da dies mit dem Normzweck des § 144 [X.] unvereinbar wäre (vgl. OLG Düsseldorf [X.]. 1985, 213, 214). Dem steht die von der [X.]n angeführte Regelung des § 32 RVG nicht entgegen, denn durch diese Norm wird lediglich klargestellt, dass der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Streitwert regelmäßig auch für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren maßgebend ist. Im Fall einer Streitwertbegünstigung nach § 144 [X.] gilt insoweit aber gerade kein einheitlicher, sondern ein „gespaltener Streitwert“ (vgl. nochmals Kraßer a. a. O., S. 889). Dies ist zum einen der für die begünstigte [X.] geltende, herabgesetzte Streitwert und zum anderen der für nichtbegünstigte [X.] geltende, volle Streitwert. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Herabsetzung des Streitwerts ausschließlich der bedürftigen [X.] zugute kommt.

8

Soweit die [X.] und Erinnerungsführerin die Regelung des § 144 [X.] als verfassungswidrig ansieht, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Die Frage, ob § 144 [X.] und weitere, inhaltlich gleiche Vorschriften anderer Gesetze zum gewerblichen Rechtsschutz verfassungskonform sind, wurde bereits in der Vergangenheit diskutiert und dabei zum weitaus überwiegenden Teil bejaht (vgl. hierzu Busse a. a. O., § 144 Rdn. 3; [X.]/[X.]/[X.] a. a. O., § 144 Rdn. 2; [X.] a. a. O., § 144 Rdn. 2; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl. 2009, § 142 Rdn. 18; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl. 2009, § 142 [X.] Rdn. 21; [X.]/von [X.], [X.], 4. Aufl. 2010, § 54 Rdn. 1 f.; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl. 2010, § 142 [X.] Rdn. 30; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl. 2011, § 26 Rdn. 1; [X.] a. a. O., § 144 Rdn. 1, jeweils [X.]). Der Gesetzgeber ist aus sozial- und rechtsstaatlichen Gründen, insbesondere der in Art. 3 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechtsgleichheit gehalten, die prozessuale Stellung von bemittelten und unbemittelten [X.]en im Bereich des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen (vgl. [X.] NJW-RR 1991, 1134, [X.]). Die Regelung des § 144 [X.] basiert deshalb auf der Zielsetzung, angesichts der außergewöhnlich hohen Kosten in Patentstreitigkeiten auch wirtschaftlich schwächeren [X.]en die Durchsetzung ihrer Rechte durch eine angemessene Minderung des Kostenrisikos zu ermöglichen, und zwar unabhängig von den Erfolgsaussichten des betreffenden Rechtsstreits ([X.], 1100, Rdn. 8 – [X.]). Die Durchbrechung des Grundsatzes, dass die Kostenbelastung einer [X.] regelmäßig vom Umfang ihres Prozesserfolgs abhängt, beruht somit auf Gerechtigkeitsaspekten und ist Ausdruck verfassungsrechtlich niedergelegter Chancengleichheit (vgl. hierzu [X.] a. a. O., S. 888). Dementsprechend hat das [X.] in einer Entscheidung zu § 23 b UWG a. F. die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Streitwertbegünstigung als sachlich begründete Ausgestaltung gesetzgeberischen Ermessens ausdrücklich bejaht ([X.] NJW-RR 1991, 1134). Entgegen der Wertung der [X.]n ist diese Entscheidung als Grundsatzentscheidung zur Verfassungsmäßigkeit von Streitwertbegünstigungsregeln anzusehen. [X.] Gründe, die für eine Verfassungswidrigkeit des § 144 [X.] sprechen würden, hat die [X.] nicht aufzeigen können. Es mag einer betroffenen [X.] zwar als unbillig erscheinen, dass eine Streitwertherabsetzung letztlich auf eine „[X.]“ der Prozesskosten der begünstigten [X.] durch die Gegenseite hinauslaufen kann, die nicht einmal Veranlasserin des Rechtsstreits gewesen sein muss und – wie im vorliegenden Fall – sogar weitgehend obsiegt hat. Dies ist jedoch als vom Gesetzgeber gewollte Rechtsfolge des § 144 [X.] hinzunehmen. Konkrete Bedenken gegen eine Streitwertherabsetzung sind in diesem Verfahren anzubringen und dürfen nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren verlagert werden.

[X.]

9

Die Kosten des [X.] waren der [X.]n aufzuerlegen, da ihr Begehren erfolglos war (§ 84 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO). Der Wert des [X.] ergibt sich aus dem im angefochtenen Beschluss festgesetzten Betrag.

Meta

3 ZA (pat) 54/10

24.11.2011

Bundespatentgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ZA (pat)

§ 106 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.11.2011, Az. 3 ZA (pat) 54/10 (REWIS RS 2011, 1071)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1071

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 Ni 50/07 (EU) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Antrag auf Streitwertherabsetzung" - zur Streitwertbegünstigung bei Glaubhaftmachung der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage …


2 Ni 27/11 (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – zur Streitwertherabsetzung im Nichtigkeitsverfahren


5 Ni 19/11 (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren - "Bildaufzeichnungssystem (interaktive Raumbilderfassung)" - zur Vertagung bei andauernder Krankheit der patentanwaltlich vertretenen Partei …


I-2 W 9/09 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


4 ZA (pat) 13/12 (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – Kostenfestsetzungsverfahren - "Mitwirkender Rechtsanwalt III" – Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Frage der Erstattungsfähigkeit …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.