Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. V ZB 102/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8124

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
V Z[X.]
102/11
vom

15. März 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 42 Abs. 2

Ein [X.] kann wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit abgelehnt werden, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem [X.] vertritt.

[X.], [X.]eschluss vom 15. März 2012 -
V [X.] -
O[X.]

[X.]

-

2

-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 15. März 2012 durch den Vorsitzenden [X.] Prof. [X.],
die
[X.] Dr. Lemke
und
Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, die [X.]in Dr.
Stresemann und den [X.] Dr.
Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der [X.]eklagten wird der [X.]eschluss des 13. Zivilsenats des [X.] vom 18.
März
2011 aufgehoben.
Das Ablehnungsgesuch gegen den [X.] am [X.]
wird für begründet erklärt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.
Die [X.]en haben gegen ein Urteil des [X.] [X.]erufung einge-legt. Über diese hat ein Senat des [X.] zu entscheiden, dem ein [X.] angehört, dessen Ehefrau als Rechtsanwältin in der Kanzlei des Pro-zessbevollmächtigten des [X.] tätig ist. Der [X.] hat den [X.]en gemäß §
48 ZPO von diesem Verhältnis Mitteilung gemacht. Die [X.]eklagte hat den [X.] wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit abgelehnt. Das [X.] 1
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hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde [X.], mit der die [X.]eklagte ihr Ablehnungsgesuch weiter verfolgt.
II.
Das [X.]erufungsgericht meint, allein der Umstand, dass der Ehegatte ei-nes [X.]s als Rechtsanwalt
in der Kanzlei eines der beteiligten [X.] tätig sei, vermöge dann keine Zweifel an der [X.] und Unparteilichkeit des [X.]s zu begründen, wenn dessen Ehegat-te das Mandat nicht bearbeite und mit der Angelegenheit auch zuvor nicht be-fasst gewesen sei. Als Teilzeitkraft im Angestelltenverhältnis sei die Ehefrau des [X.]s von dem Ausgang des Rechtsstreits allenfalls mittelbar betroffen, da sie an den Einnahmen der Sozietät nicht beteiligt sei. Es bestünden auch keine persönlichen [X.]eziehungen zwischen dem [X.] und dem [X.] des [X.], die geeignet seien, Zweifel an der Unparteilichkeit des [X.]s zu wecken.
III.
Die Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung des Gesuchs auf Ab-lehnung eines [X.]s am [X.] ist infolge der Zulassung durch das [X.] als [X.]erufungsgericht nach §
574 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO statthaft ([X.], [X.]eschlüsse vom 8. November 2004

II Z[X.] 24/03, NJW-RR 2005, 294 und vom 5. Februar 2008

[X.], NJW-RR 2008, 800; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 46 Rn. 2; [X.]/Vollkommer, ZPO, 29.
Aufl., §
46 Rn.
14a). Durch das [X.] (vom 27. Juli 2001, [X.] I, S. 1887) ist die uneinheitliche frühere Regelung, nach der die [X.]eschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch das [X.] als [X.]erufungsgericht zulässig (§ 567 Abs. 3 Satz 2 ZPO aF), die durch das [X.] als [X.]erufungsgericht jedoch unstatthaft (§
567 2
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Abs. 4 Satz 1 ZPO a.F.) war, beseitigt und durch eine einheitliche, allerdings von einer Zulassung

hier durch das [X.]erufungsgericht

abhängige [X.] ersetzt worden ([X.]T-Drucks. 14/4722, [X.] und 116). Das [X.] ist auch im Übrigen zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Die Frage, ob allein eine Ehe oder nahe Verwandtschaft eines Rich-ters mit einem in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Gegners tätigen Rechtsanwalt für die [X.] die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO begründet, ist streitig.
a) Nach einigen Stimmen ist das zu bejahen ([X.], 390; [X.]/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 42 Rn. 13). Zur [X.]egründung wird auf §
20 Abs. 1 Nr. 3 [X.] aF verwiesen. Nach dieser Vorschrift konnte der Ehepartner oder ein Verwandter eines [X.]s in demselben [X.] grundsätzlich nicht als Rechtsanwalt zugelassen werden, womit das Ziel verfolgt wurde, den Anschein zu vermeiden, dass der Rechtsanwalt allein auf Grund der persönlichen [X.]eziehungen zu dem [X.] in der Lage sei, seinem Mandanten zu einem ungerechtfertigten Erfolg zu verhelfen (vgl. [X.], [X.] vom 21. November 1994

[X.] ([X.]) 53/94, NJW-RR 1995, 1266 und vom 4. Mai 1998

[X.] ([X.]) 78/97, NJW-RR 1999, 572). Dieser allgemeine, früher schon der Zulassung des Rechtsanwalts entgegenstehende Gesichts-punkt komme in einem Rechtsstreit für eine [X.] besonders zum Tragen, wenn der Ehegatte des [X.]s in der den Gegner vertretenden Anwaltskanzlei
(als Sozius oder als angestellter Rechtsanwalt) tätig sei. Allein dieser Umstand vermöge aus der Sicht einer vernünftigen [X.] die [X.]esorgnis zu begründen, dass der [X.] bei der Ausübung seines Amts davon beeinflusst sein könnte ([X.], aaO). Zudem wird darauf verwiesen, dass eine [X.] nicht wissen könne, ob der in der Anwaltskanzlei des Gegners tätige Ehegatte mit 4
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der Sache tatsächlich befasst sei oder nicht, da dies die interne Aufgabenver-teilung in einer Kanzlei betreffe ([X.]/Vollkommer, aaO).
b) Dem steht die Ansicht gegenüber, dass die Ehe des [X.]s mit
einer
Rechtsanwältin, die zwar Mitglied der Sozietät oder angestellte Anwältin
in der den Gegner vertretenden Kanzlei, aber nicht dessen [X.] sei, nicht die Ablehnung des [X.]s wegen [X.]esorgnis der [X.]efangenheit rechtfertige; es müssten vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine [X.]efangenheit hinzutreten (KG, NJW-RR 2000, 1164, 1165; [X.], [X.], 272, 273; [X.], [X.], 406; [X.]/[X.], 3. Aufl., §
43 Rn. 9; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 42 Rn. 4). Zur [X.]egründung wird darauf verwiesen, dass die Annahme der [X.]efangenheit des [X.]s wegen der Tätigkeit seines Ehegatten in der Kanzlei des Gegners einem gesetzlichen Ausschließungsgrund im Sinne des § 41 ZPO gleichkäme, der Gesetzgeber aber einen solchen Ausschließungstatbestand in den Katalog des § 41 ZPO nicht aufgenommen habe ([X.], aaO). Auch gebe die inzwischen aufge-hobene Vorschrift des § 20 [X.] aF für die Auslegung des §
42 ZPO nichts her, da deren Ziel der Schutz der Rechtspflege vor abstrakten Gefährdungen gewesen sei, während es bei der Frage, ob eine [X.]efangenheit des [X.]s anzunehmen sei, um eine Entscheidung im konkreten Einzelfall unter Zugrun-delegung eines parteiobjektiven Maßstabes gehe ([X.], aaO).
Umstände, welche die [X.]esorgnis der [X.]efangenheit in diesen Fällen rechtfertigen, werden dann angenommen, wenn es infolge der Ehe zu einem Gespräch zwischen dem [X.] und dem [X.] des Gegners über den Rechtsstreit gekommen ist (vgl. KG, NJW-RR 2000, 1164, 1165) oder der als Rechtsanwalt tätige Ehegatte des [X.]s ein besonderes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Prozesses hat (vgl. [X.], NJW-RR 2003, 1368

Rechtsstreit über eine Honorarforderung).
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c) Der [X.]undesgerichtshof hat zu der Rechtsfrage noch nicht Stellung ge-nommen. Die Entscheidungen, in denen es um persönliche [X.]eziehungen von [X.]n zu Rechtsanwälten ging, betrafen Mitglieder in den Vorinstanzen täti-ger Rechtsanwaltskanzleien.
2. Der Senat teilt die Ansicht, dass ein [X.] wegen [X.]esorgnis der [X.]e-fangenheit abgelehnt werden kann, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem [X.] vertritt.
a) Ein Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO liegt vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden [X.] bei vernünftiger
Würdigung aller Umstände [X.] gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des [X.]s zu zweifeln (Senat, [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 2003

V Z[X.] 22/03, [X.]Z 156, 269, 270 und vom 6. April 2006

V Z[X.] 194/05, [X.], 2492, 2494 Rn. 26). Dafür genügt es, dass die Umstände geeignet sind, der [X.] Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben, da es bei den Vorschriften der [X.]e-fangenheit von [X.]n darum geht, bereits den bösen Schein einer möglich-erweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden ([X.]VerfGE, 108, 122, 126 = NJW 2003, 3404, 3405). Die Vorschriften dienen zugleich der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten An-spruchs der [X.]en, nicht vor einem [X.] stehen zu müssen, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt (vgl. [X.]VerfGE 89, 28, 36; [X.], Urteil vom 15.
Dezember 1994

I ZR 121/92, NJW 1995, 1677, 1678).
b) Gemessen daran ist das auf die Tätigkeit der Ehefrau des [X.]s in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des [X.] gestützte Ablehnungsge-such der [X.]eklagten begründet. Schon die besondere berufliche Nähe der Ehe-frau des [X.]s zu dem Prozessbevollmächtigten des Gegners gibt der [X.] begründeten Anlass zur Sorge, dass es dadurch zu einer unzulässigen Ein-8
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flussnahme auf den [X.] kommen könnte. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass [X.] über jene innere Unabhängigkeit und Distanz ver-fügen, die sie befähigen, unvoreingenommen
und objektiv
zu entscheiden, ist es einer [X.] nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme durch den Gegner unterbleiben wird, und den [X.] erst dann abzulehnen, wenn dies doch geschieht und ihr das bekannt wird (zur [X.]e-gründetheit einer Ablehnung in diesem Falle: vgl. KG, NJW-RR 2000, 1164, 1165).
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des [X.]e-schwerdewerts, der hier dem Wert der Hauptsache entspricht (vgl. [X.], [X.]e-schluss vom 17. Januar 1968

IV Z[X.] 2/68, NJW 1969, 796), folgt aus § 3 ZPO.
Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.11.2010 -
1 O 3447/09 -

O[X.], Entscheidung vom 18.03.2011 -
13 [X.] -

12

Meta

V ZB 102/11

15.03.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. V ZB 102/11 (REWIS RS 2012, 8124)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8124

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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