Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.03.2021, Az. 9 AZR 323/20

9. Senat | REWIS RS 2021, 8079

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Gegenstand

Urlaubsabgeltungsanspruch - vertragliche Ausschlussfristen


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 24. Juni 2020 - 4 [X.] - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 23. Juli 2019 - 16 [X.] 887/19 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.807,69 Euro brutto zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaub aus dem [X.].

2

Der Kläger war seit dem 1. Dezember 2011 bei der [X.] beschäftigt. Sein Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 5.900,00 Euro. Er hatte Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr.

3

Der Arbeitsvertrag vom 14. November 2013 ([X.]) regelt [X.].:

        

§ 12 Verfall-/Ausschlussfristen

        

Die Vertragsparteien müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen.

        

Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.“

4

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund außerordentlicher Kündigung des [X.] am 31. Oktober 2017. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm 25 Urlaubstage aus dem [X.] abzugelten, die ihm wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnten. Die Beklagte wies den [X.] mit Schreiben vom 2. Jan[X.]r 2019 als verfallen zurück.

5

Der Kläger hat daraufhin mit am 18. Febr[X.]r 2019 bei Gericht eingegangenem, der [X.] am 25. Febr[X.]r 2019 zugestellten Schriftsatz Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, der ihm [X.]. 6.807,69 Euro brutto zustehende Urlaubsabgeltungsanspruch sei nicht verfallen. Die vertragliche Ausschlussfrist sei unwirksam, weil sie Ansprüche erfasse, für die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Ausschlussfristen nicht vereinbart werden dürften. Dies gelte insbesondere für Haftungsansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung. Die Herausnahme allein deliktischer Ansprüche genüge den Anforderungen von § 202 Abs. 1 BGB nicht.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.807,69 Euro brutto Urlaubsabgeltung für den für das [X.] nicht genommenen Urlaub zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Standpunkt vertreten, der Anspruch des [X.] auf Urlaubsabgeltung sei gemäß § 12 des Arbeitsvertrags verfallen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen bezifferten [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - zu Unrecht abgewiesen. Das Urteil des [X.] ist daher aufzuheben und der Klage stattzugeben. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist gemäß § 7 Abs. 4 [X.] verpflichtet, an den Kläger für 25 Urlaubstage aus dem [X.], die ihm wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden können, Urlaubsabgeltung iHv. 6.807,69 Euro brutto zu zahlen. Der [X.] des [X.] ist nicht nach § 12 des Arbeitsvertrags verfallen.

I. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch die vom [X.] vorgenommene und für den [X.] nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/[X.] und Art. 31 Abs. 2 GRC entgegen ([X.]Rspr., vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen [X.] 27. Oktober 2020 - 9 [X.] - Rn. 17 ff.; 7. Juli 2020 - 9 [X.] - Rn. 25; 22. Jan[X.]r 2019 - 9 [X.] - Rn. 33 mwN; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen [X.] 18. September 2018 - 9 [X.] - Rn. 29, [X.]E 163, 282).

II. § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sieht vor, dass die Vertragsparteien Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen müssen. Zu den von dieser Regelung erfassten Ansprüchen „aus dem Arbeitsverhältnis“ gehört [X.]. der Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Finden sich keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben ([X.] 17. Oktober 2017 - 9 [X.] - Rn. 12). Erfasst sind damit solche Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben (vgl. [X.] 17. Oktober 2018 - 5 [X.] - Rn. 34; 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 39, [X.]E 144, 306). Maßgeblich für die Einordnung ist nicht die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern der Entstehungsbereich des Anspruchs ([X.] 17. Oktober 2018 - 5 [X.] - Rn. 34; 21. Jan[X.]r 2010 - 6 [X.] - Rn. 19; 19. Jan[X.]r 2011 - 10 [X.] - Rn. 20 f. mwN). Zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zählen nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche, sondern auch solche aus unerlaubter Handlung (vgl. [X.] 30. Oktober 2008 - 8 [X.] - Rn. 20). Von diesem weiten Anwendungsbereich nimmt § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags allein „Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ aus, für die es bei der gesetzlichen Regelung verbleiben soll. Auf den Anspruch auf Urlaubsabgeltung bezieht sich § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht.

III. Der Kläger war entgegen der vom [X.] vertretenen Auslegung nicht gehalten, den Anspruch auf Urlaubsabgeltung innerhalb der in § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags gesetzten Frist schriftlich geltend zu machen.

1. Das [X.] hat angenommen, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags erloschen, weil der Kläger ihn nicht innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags geltend gemacht habe. Die Klausel sei nicht wegen eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 [X.] unwirksam. Die Auslegung von § 12 des Arbeitsvertrags ergebe, dass die Regelung Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes iSv. § 202 Abs. 1 [X.] insgesamt von ihrem Geltungsbereich ausnehme. Selbst wenn Ansprüche aus rein vertraglicher, nichtdeliktischer Haftung wegen vorsätzlicher Schädigung des Vertragspartners von der Verfallregelung erfasst würden, führte dies unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 [X.] ausnahmsweise nicht zur Gesamtunwirksamkeit der [X.], sondern zu einer Teilunwirksamkeit wegen des Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 [X.].

2. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Ausschlussfristenregelung ist insgesamt unwirksam, weil sie entgegen § 202 Abs. 1 [X.] die Haftung wegen Vorsatzes begrenzt. Sie kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden. An die Stelle der vertraglichen Ausschlussfrist treten unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 [X.]).

a) Nach § 202 Abs. 1 [X.] in der seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Fassung kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Es handelt sich um eine Verbotsnorm iSv. § 134 [X.]. Das Verbot des § 202 Abs. 1 [X.] gilt für alle Schadensersatzansprüche aus Delikt und Vertrag (vgl. [X.] 16. Mai 2007 - 8 [X.] - Rn. 42 ff., [X.]E 122, 304). Das Gesetz bezweckt mit § 202 Abs. 1 [X.] in Ergänzung von § 276 Abs. 3 [X.] einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. § 202 Abs. 1 [X.] erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen ([X.]Rspr., vgl. [X.] 19. Dezember 2018 - 10 [X.] - Rn. 47 mwN, [X.]E 165, 19). Infolge des gesetzlichen Verbots kann eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht mehr durch vertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen werden ([X.] 24. September 2019 - 9 [X.] - Rn. 25, [X.]E 168, 54; 16. Mai 2007 - 8 [X.] - Rn. 42 ff., [X.]E 122, 304; zu tariflichen Ausschlussfristen vgl. [X.] 23. Jan[X.]r 2019 - 4 [X.] - Rn. 41).

b) § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags der Parteien nimmt entgegen § 202 Abs. 1 [X.] Haftungsansprüche aufgrund vorsätzlicher Schädigungen nicht umfassend aus dem Anwendungsbereich von § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags aus.

aa) Bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrags handelt es sich nach den Feststellungen des [X.] um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 [X.], deren Auslegung einer uneingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegt ([X.] 3. Dezember 2019 - 9 [X.] - Rn. 14; 11. Oktober 2017 - 5 [X.] - Rn. 26). Der Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind ([X.]Rspr., zB [X.] 27. Febr[X.]r 2019 - 10 [X.] - Rn. 19; 24. Mai 2018 - 6 [X.] - Rn. 15; 7. Juni 2011 - 1 [X.] 807/09 - Rn. 24). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist ([X.] 3. Dezember 2019 - 9 [X.] - Rn. 14 f.;12. Juni 2019 - 7 [X.] 428/17 - Rn. 17).

bb) Ausgehend von diesen Auslegungsgrundsätzen erfasst der in § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags geregelte Ausnahmetatbestand Haftungsansprüche aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung nicht.

(1) Dafür spricht bereits der Wortlaut der Klausel. Bedient sich der Arbeitgeber - wie hier mit dem Begriff unerlaubter Handlung - in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Rechtsbegriffs, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, ist der Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Sinnzusammenhang der Klausel etwas anderes ergibt ([X.] 26. Oktober 2016 - 5 [X.] 168/16 - Rn. 23, [X.]E 157, 116; vgl. [X.] ArbR-HdB/[X.] 18. Aufl. § 35 Rn. 31; vgl. zur Auslegung von Tarifverträgen [X.] 19. November 2014 - 5 [X.] 121/13 - Rn. 18, [X.]E 150, 88).

(2) Das Haftungsrecht unterscheidet zwischen Haftungsansprüchen aus unerlaubter Handlung, die [X.]. in den §§ 823 ff. [X.] geregelt sind, und vertraglichen Haftungsansprüchen, auch wenn zwischen diesen, sofern sie auf einem einheitlichen Lebensvorgang beruhen, Anspruchskonkurrenz besteht (vgl. zu „Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ [X.] 18. August 2011 - 8 [X.] 187/10 - Rn. 26 mwN; 16. Mai 2007 - 8 [X.] - Rn. 41, [X.]E 122, 304). Die in §§ 823 ff. [X.] geregelten deliktischen Ansprüche „aus unerlaubter Handlung“ betreffen Verpflichtungen zum Schadensausgleich auf außervertraglicher Grundlage. Gegenstand des Deliktsrechts sind Ansprüche, die weder auf einem vertraglichen Versprechen beruhen noch die Nicht- bzw. Schlechterfüllung eines auf sonstige Leistung gerichteten vertraglichen Primäranspruchs sanktionieren und deshalb die Grundlage in den §§ 280 f., 241 Abs. 2 [X.] finden (vgl. MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. vor § 823 Rn. 1).

(3) Ein durchschnittlicher Vertragspartner des Verwenders konnte zudem aufgrund der Systematik von § 12 des Arbeitsvertrags nicht davon ausgehen, die Ausschlussfristenregelung erfasse Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzungen nicht. Die ausdrückliche Nennung allein der „Ansprüche aus unerlaubter Handlung“ in § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags zeigt im Umkehrschluss, dass sich der Anwendungsbereich von § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags auf alle Ansprüche erstrecken soll, die nicht als ausgenommen aufgeführt sind (vgl. [X.] 22. Oktober 2019 - 9 [X.] 532/18 - Rn. 20, [X.]E 168, 186; 28. September 2017 - 8 [X.] 67/15 - Rn. 62). Zu den von § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags erfassten Ansprüchen gehören damit auch Haftungsansprüche aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung.

c) Der Verstoß gegen § 202 Abs. 1 [X.] hat die Gesamtunwirksamkeit von § 12 des Arbeitsvertrags zur Folge und führt zum ersatzlosen Wegfall der Klausel unter Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 [X.]). Die Regelung kann, weil sie nicht teilbar ist, auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrecht erhalten bleiben.

aa) Verstößt eine als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Ausschlussfristenregelung gegen § 202 Abs. 1 [X.], führt dies zur Gesamtunwirksamkeit einer insoweit nicht teilbaren Klausel (zur [X.] tariflicher Regelungen vgl. [X.] 23. Jan[X.]r 2019 - 4 [X.] - Rn. 41). Die Rechtsfolgen von § 306 [X.] kommen nicht nur zur Anwendung, wenn sich die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel aus den §§ 305 ff. [X.] selbst ergibt, sondern auch dann, wenn sie gegen sonstige Verbote verstößt ([X.] 24. August 2016 - 5 [X.] 703/15 - Rn. 23, [X.]E 156, 150; 21. April 2016 - 8 [X.] 474/14 - Rn. 42; 19. Juni 2012 - 9 [X.] 712/10 - Rn. 21 mwN). § 306 Abs. 1 [X.] enthält eine kodifizierte Abweichung von der [X.] des § 139 [X.] und bestimmt, dass bei [X.] grundsätzlich der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 [X.] das Gesetz ([X.] 24. September 2019 - 9 [X.] - Rn. 26, [X.]E 168, 54; 19. Juni 2012 - 9 [X.] 712/10 - Rn. 21 mwN).

bb) § 12 des Arbeitsvertrags enthält nicht verschiedene Ausschlussfristenregelungen und ist deshalb einer einheitlichen [X.] zu unterziehen.

(1) Bei einer teilbaren Klausel ist diese Kontrolle jeweils getrennt für die verschiedenen, nur formal in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verbundenen Bestimmungen vorzunehmen. Die Regelungen müssen allerdings nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich zu trennen sein (vgl. [X.] 27. Jan[X.]r 2016 - 5 [X.] 277/14 - Rn. 23, [X.]E 154, 93). Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils (sog. blue-pencil-Test) zu ermitteln. Eine teilbare [X.] kann mit ihrem zulässigen Teil aufrechterhalten werden (vgl. [X.] 13. November 2013 - 10 [X.] 848/12 - Rn. 25, [X.]E 146, 284; [X.] 5. Mai 2015 - [X.] - Rn. 21, [X.]Z 205, 220). Darin liegt keine geltungserhaltende Reduktion, denn die Trennung ist in den vom Verwender gestellten Vertragsbedingungen bereits vorgegeben (vgl. [X.] 26. Jan[X.]r 2017 - 6 [X.] 671/15 - Rn. 34 f., [X.]E 158, 81).

(2) § 12 des Arbeitsvertrags ist nicht - im Sinne einer in der Klausel vorgegebenen Trennung - teilbar. Die [X.] erfasst inhaltlich und sprachlich „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“, ohne zwischen den von ihrem Anwendungsbereich erfassten Ansprüchen zu differenzieren (vgl. [X.] 24. August 2016 - 5 [X.] 703/15 - Rn. 24, [X.]E 156, 150). Die beiden Stufen der [X.] in § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sind zwar in getrennten [X.] geregelt, jedoch ist die zweite Stufe allein nicht vollziehbar. Bei Unwirksamkeit der ersten Stufe gibt es keinen Zeitpunkt mehr, an den der Fristenlauf der zweiten Stufe anknüpfen könnte (vgl. [X.] 22. Oktober 2019 - 9 [X.] 532/18 - Rn. 14, [X.]E 168, 186; 16. Mai 2012 - 5 [X.] 251/11 - Rn. 36 ff., [X.]E 141, 340; zu den Voraussetzungen einer isolierten Aufrechterhaltung der ersten Stufe einer [X.] vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 54, [X.]E 144, 306).

cc) Die [X.] kann auch unter angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht ganz oder teilweise aufrechterhalten bleiben.

(1) Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 [X.] sind bei der Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten verlangt einen sachgerechten Ausgleich zwischen den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einerseits und den im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten andererseits (vgl. [X.] 22. Oktober 2019 - 9 [X.] 532/18 - Rn. 22, [X.]E 168, 186; [X.]/[X.] [X.]. § 310 [X.] Rn. 57; [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] §§ 305 - 310 Rn. 11).

(2) § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 [X.] bezieht sich auf die Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. § 202 Abs. 1 [X.] verbietet - wie § 276 Abs. 3 [X.] - die Beschränkungen der Haftung wegen vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung generell ohne Rücksicht darauf, auf welche Weise und auf wessen Initiative eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird. Das Verbot ist umfassend. Niemand soll sich der Willkür des Vertragspartners aussetzen können ([X.]/[X.] [2019] § 276 Rn. 121; MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 276 Rn. 182). § 202 Abs. 1 [X.] entzieht Ansprüche des Gläubigers wegen vorsätzlichen Verhaltens generell der Dispositionsbefugnis der Parteien. Eine [X.] nach den Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen und die Anwendung von § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 [X.] kann deshalb nicht dazu führen, einer nach § 202 Abs. 1 [X.] unwirksamen Vereinbarung Geltung zu verschaffen.

d) Eine geltungserhaltende Reduktion, mit der eine einheitliche und damit auch einer einheitlichen [X.] unterliegende Klausel durch das Gericht in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil getrennt und in ihrem rechtlich nicht zu beanstandenden Teil aufrechterhalten wird (vgl. [X.] 26. Jan[X.]r 2017 - 6 [X.] 671/15 - Rn. 34, 35, [X.]E 158, 81), ist im Rechtsfolgensystem des § 306 [X.] nicht vorgesehen ([X.] 24. August 2017 - 8 [X.] 378/16 - Rn. 32). Unwirksame Klauseln sind grundsätzlich nicht auf einen mit den gesetzlichen Bestimmungen zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. Eine geltungserhaltende Reduktion wäre mit dem Zweck der §§ 305 ff. [X.], den Rechtsverkehr von unwirksamen Klauseln freizuhalten und auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis anzuwendenden Geschäftsbedingungen hinzuwirken, nicht vereinbar ([X.]Rspr., [X.] 16. Dezember 2014 - 9 [X.] 295/13 - Rn. 20, [X.]E 150, 207; 13. Dezember 2011 - 3 [X.] 791/09 - Rn. 30 mwN; [X.] 22. September 2015 - II ZR 341/14 - Rn. 20).

e) Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. hierzu im Einzelnen [X.] 24. September 2019 - 9 [X.] - Rn. 27 ff., [X.]E 168, 54; vgl auch [X.] 28. September 2017 - 8 [X.] 67/15 - Rn. 37 ff.; 16. Dezember 2014 - 9 [X.] 295/13 - Rn. 21 mwN, [X.]E 150, 207) sind nicht gegeben. Dem mit einer Ausschlussfrist verfolgten Zweck, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu erreichen, wird durch die gesetzlichen Verjährungsfristen hinreichend Rechnung getragen. Die Beklagte hat zudem kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Ausschlussfrist mit einem zulässigen Inhalt. Sie hatte es als Klauselverwenderin in der Hand, eine Ausschlussfristenregelung zu formulieren, die den Beschränkungen von § 202 Abs. 1 [X.] gerecht wird (vgl. [X.] 19. Juni 2018 - 9 [X.] 615/17 - Rn. 62, [X.]E 163, 72; 24. August 2016 - 5 [X.] 703/15 - Rn. 30, [X.]E 156, 150; zu den Besonderheiten bei vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Jan[X.]r 2002 geschlossenen Arbeitsverträgen vgl. [X.] 24. September 2019 - 9 [X.] - aaO).

IV. Der Rechtsfehler des [X.] führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Es bedarf keiner Zurückverweisung der Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der [X.] kann nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil die hierfür erforderlichen Feststellungen getroffen sind. Einwendungen gegen Grund und Höhe des Anspruchs hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der allein im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag des [X.], die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Urlaubsabgeltung für den im [X.] nicht genommenen Urlaub zu zahlen, den das [X.] als unzulässig abgewiesen hat, war bei der Kostenentscheidung nicht zu berücksichtigen. Der nur für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gestellte Hilfsantrag wäre bei einem dem Hauptantrag stattgebenden Urteil nicht zur Entscheidung angefallen.

        

    Kiel    

        

    Zimmermann    

        

    Weber    

        

        

        

    Faltyn    

        

    Habendorf    

                 

Meta

9 AZR 323/20

09.03.2021

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 23. Juli 2019, Az: 16 Ca 887/19, Urteil

Art 31 Abs 2 EUGrdRCh, Art 7 EGRL 88/2003, § 202 Abs 1 BGB, § 306 Abs 1 BGB, § 306 Abs 2 BGB, § 310 Abs 4 S 2 BGB, § 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, § 13 Abs 1 S 1 BUrlG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.03.2021, Az. 9 AZR 323/20 (REWIS RS 2021, 8079)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3276 MDR 2021, 1340-1341 REWIS RS 2021, 8079

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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11 Sa 346/21

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