Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2015, Az. VIII ZR 76/13

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 727

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:151215B[X.]76.13.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

BES[X.]HLUSS
VIII ZR 76/13

vom

15. Dezember 2015

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat am 15. Dezember 2015 durch die
Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, [X.]
[X.], die Richterin [X.] sowie [X.]
[X.] und Kosziol

beschlossen:
Der [X.] beabsichtigt,
die Revision
der Kläger durch [X.] Beschluss nach §
552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe:
I.
Die Kläger beziehen von der [X.], einem regionalen Energiever-sorgungsunternehmen, als [X.] im Rahmen der Grundversorgung lei-tungsgebunden Erdgas.
Die [X.] erhöhte den Arbeitspreis für den Gasbe-zug einseitig zum 1. Oktober 2004 (von 3,18 [X.]ent/kWh auf 3,58 [X.]ent/kWh), zum 1. Oktober 2005 (von 3,58 [X.]ent/kWh auf 4,16 [X.]ent/kWh) und zum 1.
Januar 2006 (von 4,16 [X.]ent/kWh auf 4,52 [X.]ent/kWh). Die Kläger widerspra-chen den Preiserhöhungen. Mit der Klage nehmen sie die [X.] auf Fest-stellung in Anspruch, dass die genannten Preiserhöhungen unbillig und [X.] sind. Das
Amtsgericht hat die [X.] antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das amtsgerichtliche Urteil [X.] und die Klage abgewiesen.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Der [X.] hat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom [X.] 2013 gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das beim Gerichtshofs der 1
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Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) damals aufgrund des Vorla-gebeschlusses des [X.]s gemäß Art. 267 AEUV im Verfahren [X.] anhängige Verfahren [X.]/11 ausgesetzt. In diesem Verfahren ist am 23.
Oktober 2014 die Entscheidung des Gerichtshofs ergangen ([X.]/11 und [X.]/11, [X.], 849 -
Schulz und Egbringhoff).
II.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht (mehr) vor (§
552a Satz
1, §
543 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1,
2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grund-sätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
1. Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeu-tung der Rechtssache zugelassen, weil es Zweifel hat, ob § 4 Abs. 1, 2
[X.] mangels Transparenz als Rechtsgrundlage für Preiserhöhungen ge-genüber [X.] weiterhin herangezogen werden kann.
Diese Zweifel sind indes durch die grundlegenden,
nach Erlass des Berufungsurteils verkündeten Entscheidungen des [X.]s vom 28. Oktober 2015 ([X.], [X.], 2226,
zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt, und [X.], juris) besei-tigt, so dass ein Klärungsbedarf
nicht mehr besteht.
Der [X.] hat in seiner früheren ständigen Rechtsprechung aus §
4 Abs.
1, 2
[X.] beziehungsweise aus § 5 Abs. 2 [X.] (in der bis zum 29. Oktober 2014 geltenden Fassung vom 26. Oktober 2006 [BGBl. I S. 2391]; im Folgenden [X.] aF) ein nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) bestehen-des Preisänderungsrecht des Gasgrundversorgers entnommen
(vgl. nur [X.]surteile vom 13. Juni 2007 -
VIII ZR 36/06, [X.] 172, 315 Rn. 14 ff.; vom 19. November 2008 -
VIII ZR 138/07, [X.] 178, 362 Rn. 26; ebenso [X.], 3
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Urteil vom 29. April 2008 -
KZR 2/07, [X.] 176, 244 Rn. 26, 29). Wie der [X.] -
nach Erlass des Berufungsurteils
-

im Anschluss an das vorgenannte
Ur-teil
des Gerichtshofs vom 23. Oktober 2014 entschieden
hat, kann aus § 4 Abs.
1 und 2 [X.] beziehungsweise aus § 5 Abs. 2 [X.] aF für die [X.] ab 1.
Juli 2004 -
dem Ablauf der Umsetzungsfrist der [X.] 2003/55/[X.]
-
ein einseitiges Preisänderungsrecht des Versorgers nicht ent-nommen werden, weil eine solche Annahme nicht mit den [X.]. 3 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 in Verbindung mit Anhang A der vorge-nannten [X.] (aufgehoben zum 3. März 2011 durch Art. 53 der [X.] 2009/73/[X.]) zu vereinbaren ist
([X.]surteile vom 28.
Oktober 2015 -
VIII
ZR 158/11, aaO Rn.
33
ff.; und VIII
ZR 13/12, aaO Rn.
35
ff.).
Wie
der
[X.]
in
den
Urteilen
vom
28. Oktober 2015 ([X.], aaO Rn. 66 ff. und [X.], aaO Rn. 68 ff.) weiter entschieden hat,
ergibt sich jedoch aus der gebotenen und an dem objektiv zu ermittelnden hypotheti-schen Willen der Vertragsparteien [X.] ergänzenden Auslegung (§§ 157, 133 BGB) eines -
wie
hier -
auf unbestimmte Dauer angelegten Gaslie-ferungsvertrags, dass der
Grundversorger berechtigt ist, Steigerungen seiner (Bezugs-)Kosten, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Berei-chen ausgeglichen werden, während der Vertragslaufzeit an seine Kunden wei-terzugeben, und er verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Die Beurteilung der Wirk-samkeit einer einseitigen Preisbestimmung des Grundversorgers während der Vertragslaufzeit konzentriert sich mithin auf die tatsächliche Frage, ob die vor-genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
2. Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat das Berufungsgericht im Ergebnis richtig entschieden, so dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat.
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a) Das Berufungsgericht
hat bei seiner Beurteilung, die Preisbemessung der [X.] sei wirksam, maßgeblich darauf abgestellt, dass die [X.] in dem durch die Feststellungsklage zur Überprüfung gestellten [X.]raum 2004 bis 2006 Bezugskostensteigerungen in Höhe von insgesamt 1,3256 [X.]ent/kWh zu verzeichnen hatte, wovon sie jedoch nur 1,2400 [X.]ent/kWh an die [X.] hat. Dies
sei nicht als unbillig anzusehen.
b) Diese Entscheidung ist -
auch wenn sie unter dem im Rahmen der vorgenannten ergänzenden Vertragsauslegung nicht maßgeblichen Blickwinkel der Billigkeit nach § 315 BGB (vgl. [X.]surteile vom 28. Oktober 2015
-
[X.], aaO Rn. 100,
und [X.], aaO Rn. 102) getroffen [X.] -
im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn die [X.] kann sich bei den im [X.]raum 2004 bis 2006 vorgenommenen Preiserhöhungen auf ein in ergän-zender Auslegung des Gaslieferungsvertrags der Parteien bestehendes Preis-änderungsrecht stützen, weil sie ihre Bezugskostensteigerungen auf den ge-samten [X.]raum bezogen nicht einmal vollständig an die Kläger weitergegeben
hat.
aa) Zwar berechnete
die [X.]
den Klägern nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im [X.] einen um 0,3 [X.]ent/kWh
erhöhten Arbeits-preis, obwohl
in diesem Jahr ihre Bezugskosten nur um 0,13259 [X.]ent/kWh stiegen. Diese im [X.] zu verzeichnende zu starke Erhöhung glich sich in den Folgejahren 2005 und 2006 jedoch aus. So hatte die [X.] im Jahr 2005 Erhöhungen ihrer Bezugspreise in einer Gesamthöhe von 0,7685 [X.]ent/kWh
hinzunehmen, wovon sie jedoch nur 0,55 [X.]ent/kWh
an die [X.] hat. Ähnliches hat das Berufungsgericht für das [X.] festgestellt. Zum 1. Januar 2006 erhöhte
der Vorlieferant die Bezugskosten der [X.] um 0,4212
[X.]ent/kWh, wovon die [X.] den Klägern jedoch nur 0,39
[X.]ent/kWh weitergaben.
Das Berufungsgericht hat, die mit der Feststellungsklage angegrif-8
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fenen Preiserhöhungen in ihrer Abfolge in den Blick nehmend, zusammenfas-send festgestellt, dass die [X.] in dem [X.]raum 2004 bis 2006 Bezugskos-tensteigerungen in Höhe von 1,3256 [X.]ent/kWh ausgesetzt war, von denen sie
die Kläger jedoch nur in einer Höhe von nur 1,24 [X.]ent/kWh belastet hat.
[X.]) Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das [X.] die Preisbemessung der [X.] auf der Grundlage dieser Fest-stellungen und unter Berücksichtigung der nachstehend unter (2) angeführten Umstände als wirksam angesehen und seine diesbezügliche Beurteilung an dem gesamten in Streit stehenden [X.]raum ausgerichtet hat.
(1) Der [X.] hat in den Urteilen vom 28. Oktober 2015 (VIII ZR
158/11, aaO Rn. 101,
und [X.], aaO Rn. 103) entschieden, dass dem Tatrich-ter bei der Beurteilung, ob die Preiserhöhungen des Energieversorgers dessen (Bezugs-)Kostensteigerungen (hinreichend) a[X.]ilden, ein Ermessen zusteht. Dessen Ausübung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung darauf, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unrichtigen Erwägungen beruht, erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt ge-lassen, Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt,
wesentliche Bemessungs-faktoren außer Betracht gelassen oder bei einer etwaigen Schätzung unrichtige Maßstäbe zu Grunde gelegt wurden.
So hat der [X.] die auch im Rahmen der ergänzenden Vertragsausle-gung zu berücksichtigende tatrichterliche Erwägung gebilligt, dass dem Ener-gieversorgungsunternehmen
bei
der
Weitergabe
von
(Bezugs-)Kosten-steigerungen -
auch mit Rücksicht
auf die oftmals nicht sicher voraussehbare Entwicklung der Bezugskosten -
ein Ermessensspielraum zuzugestehen ist. Denn bei einem Massengeschäft wie dem [X.]vertrag liegt es -
auch aus Praktikabilitätsgründen -
im Interesse beider Vertragsparteien, eine Weiter-11
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gabe von Kostensenkungen und Kostenerhöhungen nicht -
was regelmäßig mit einem die Energieversorgung unnötigerweise verteuernden hohen Aufwand verbunden wäre -
tagesgenau vorzunehmen, sondern auf die Kostenentwick-lung in einem gewissen [X.]raum abzustellen. Wie lange der [X.]raum für die vorbezeichnete Gesamtbetrachtung sein muss, lässt sich, wenn auch das Gas-wirtschaftsjahr ein in den meisten Fällen geeigneter Prüfungsmaßstab
sein wird,
nicht generell bestimmen, sondern bedarf der Beurteilung des Tatrichters auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls
([X.]surteile vom 28. Oktober 2015 -
[X.], aaO Rn. 101 ff.,
und [X.], aaO Rn. 103 ff.).
(2) Ausgehend hiervon hält sich die im Streitfall vom Berufungsgericht an der Gesamtbetrachtung des streitgegenständlichen Streitraums ausgerichtete Bewertung noch innerhalb des vorstehend aufgezeigten tatrichterlichen
Beurtei-lungsermessens.
Insbesondere hat es das Berufungsgericht angesichts der von ihm auf-gezeigten Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei als nicht zu beanstanden angesehen, dass die [X.]
den Klägern
bezogen auf das Gaswirtschaftsjahr 2004 mit der Preiserhöhung vom 1. Oktober 2004 0,16741 [X.]ent/kWh mehr in Rechnung gestellt hat, als sie ihrem Vorlieferanten für den Einkauf zu zahlen hatte. Das Berufungsgericht hat sich nach Zeugeneinvernahme davon über-zeugen können, dass der [X.] die Preiserhöhungen seitens ihrer Lieferan-ten erst rückwirkend mitgeteilt wurden
und auch die Abrechnungszeiträume nicht mit denjenigen gegenüber den Klägern identisch waren. Der [X.] ist daher nach Auffassung des Berufungsgerichts ein gewisser unternehmerischer
Risikozuschlag bei der Preisbemessung zuzugestehen, der die über die [X.] hinausgehende Preisbestimmung im [X.] rechtfer-tigt. Diese im Streitfall getroffene Wertung des Berufungsgerichts ist aus Rechtsgründen jedenfalls
deshalb nicht zu beanstanden, weil das Berufungsge-14
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richt, gestützt auf sachverständige
Ausführungen, zugleich festgestellt hat, dass die [X.] in den
unmittelbar folgenden Gasbezugsjahren 2005
und 2006 nicht alle ihr entstandenen Bezugskostensteigerungen weitergegeben hat, mit der Folge, dass den Klägern über den streitgegenständlichen Gesamtzeitraum 2004 bis 2006 ein
Kostenvorteil entstand, weil die [X.] Bezugskostenstei-gerungen von 1,3256 [X.]ent/kWh nur in Höhe von 1,24 [X.]ent/kWh an die Kläger weiterberechnete.
c) Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der [X.] ge-prüft, aber nicht für durchgreifend erachtet; von einen näheren Begründung wird gemäß § 564 ZPO abgesehen.
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Dr. Milger
Dr. [X.]
[X.]

Dr. [X.]
Kosziol

Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss erledigt worden.

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.08.2006 -
4A [X.] 4063/06 (IV) -

LG Oldenburg, Entscheidung vom 14.02.2013 -
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Meta

VIII ZR 76/13

15.12.2015

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2015, Az. VIII ZR 76/13 (REWIS RS 2015, 727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 727

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 76/13

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