Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2016, Az. 3 StR 449/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 11906

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:030516B3STR449.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 449/15
vom
3. Mai
2016
in der Strafsache
gegen

wegen Volksverhetzung u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der
Beschwerde-führerin
und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag
-
am 3.
Mai
2016 gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
354 Abs.
1
[X.] einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.
Februar 2015 aufgehoben
a)
und die Angeklagte freigesprochen, soweit sie wegen
Missbrauchs von Berufsbezeichnungen verurteilt worden ist. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die not-wendigen Auslagen der Angeklagten der St[X.]tskasse zur Last;
b)
im gesamten Strafausspruch, jedoch bleiben die zugehöri-gen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen Volksverhetzung sowie we-gen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen. [X.] ihre Verurteilung wendet
sich die Angeklagte mit ihrer auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das [X.] hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 [X.].
I. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen nicht durch.
II. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zu Ungunsten der Angeklagten nur mit Blick auf den Schuld-spruch wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen und auf den Straf-ausspruch ergeben; der Schuldspruch wegen Volksverhetzung erweist sich hingegen als rechtsfehlerfrei. Im Einzelnen:
1. Die Angeklagte hat sich gemäß § 130 Abs.
3 StGB wegen Volksver-hetzung strafbar gemacht, indem sie eine unter der Herrschaft des Nationalso-zialismus begangene Handlung der in §
6 Abs.
1 [X.] (Völkermord) bezeich-neten Art in einer Weise öffentlich leugnete, die geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Über die Ausführungen des [X.] hinaus gilt insoweit Folgendes:
a) Leugnen ist das Bestreiten, Inabredestellen oder Verneinen einer his-torischen Tatsache. Es kann nur geleugnet werden, was wahr ist, weshalb das Bestreiten wissenschaftlich noch umstrittener Tatsachen nicht erfasst wird; das 1
2
3
4
5
-
4
-
[X.] oder Infragestellen einer Tatsache reicht nach herrschender [X.] ebenfalls nicht aus (LK/[X.], StGB, 12. Aufl., §
130 Rn.
106 mwN; [X.], [X.], 281, 284: [X.] soll aus Gründen der
ratio legis genügen). Ein Leugnen liegt auch bei verklausulierten Formulierungen vor, wenn die wahre Bestreitensabsicht eindeutig zum Ausdruck kommt (MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., §
130 Rn.
80 f. mwN). Ob dies der Fall ist, muss im Wege der Auslegung der Äußerung auf ihren tatsächlichen Gehalt hin ermit-telt werden; dies ist Sache des Tatgerichts ([X.], Urteil vom 15.
März 1994
-
1
StR 179/93, [X.]St 40, 97, 101). Kommt dieses zu einem vertretbaren Er-gebnis, so hat das Revisionsgericht dessen Auslegung hinzunehmen, sofern sie sich nicht als rechtsfehlerhaft erweist, etwa weil die Erwägungen des Tatge-richts lückenhaft sind oder gegen Sprach-
und Denkgesetze oder Erfahrungs-sätze verstoßen; die rechtliche Prüfung erstreckt sich insbesondere auch [X.], ob allgemeine Auslegungsregeln verletzt worden sind (LR/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
337 Rn.
91 f. mwN). Kriterien der Auslegung sind neben dem Wort-laut der Äußerungen und ihrem sprachlichen Kontext auch sämtliche nach au-ßen hervortretenden Begleitumstände, namentlich
etwa die erkennbare politi-sche Grundhaltung der Zuhörer und ihr Vorverständnis, aber auch die nach dem objektiven [X.] deutlich werdende Einstellung des sich Äu-ßernden ([X.], [X.]O, S. 101 f.; Urteil vom 15.
Dezember 2005 -
4 [X.], NStZ-RR
2006, 305). Verbleiben Zweifel am Inhalt der Äußerung bzw. ist sie mehrdeutig, gebietet eine am Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art.
5 Abs.
1 Satz
1 GG ausgerichtete Auslegung, auf die günstigere [X.] abzustellen, wenn diese nicht ihrerseits ausgeschlossen ist ([X.], Beschluss vom 25. August 1994 -
1 BvR 1423/92, NJW 1994, 2934 mwN).
Nach diesen Maßgaben ist die Würdigung des [X.]s, der Inhalt des von der Angeklagten gehaltenen Vortrags lasse -
jedenfalls im [X.]
-
5
-
sammenhang
-
keine andere Deutung zu, als dass sie erklärt habe, es habe den [X.] nicht gegeben, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. [X.] den von der [X.] in der rechtlichen Würdigung zitierten Passagen ihres Vortrags, in denen sie zunächst einen Zusammenhang mit dem Delikt der Verleumdung gemäß §
186 StGB herstellte und ausführte, bei diesem sei es -
anders als im Fall von § 130 Abs.
3 StGB -
so, dass man die Wahrheit sagen dürfe, sodann das vermeintliche Fehlen jeglicher Feststellungen zum [X.] hervorhob und ihren Vortrag mit dem Wunsch schloss, eine Welt zu schaffen, "in der man die Wahrheit sagen darf, ohne bestraft zu werden", konn-te das [X.] -
auch mit Blick auf die Anforderungen aus Art.
5 Abs.
1 Satz
1 GG und den [X.] rechtsfehlerfrei
-
entnehmen, dass es der [X.] nicht darum ging, lediglich eingeschränkte Verteidigungsmöglichkei-ten in Strafprozessen wegen [X.]leugnung anzuprangern oder den [X.] nur als historische Tatsache in Zweifel zu ziehen, sondern darum die
-
vermeintliche
-
Wahrheit zu sagen, dass es den [X.] unter der [X.] nicht gegeben habe, und damit diese historische Tatsache zu leugnen.
b) Der Vortrag war auch geeignet, den öffentlichen Frieden im Sinne von §
130 Abs.
3 StGB zu stören. Dem steht nicht entgegen, dass er in [X.] gehalten wurde. Insoweit gilt:
[X.]) Das Tatbestandsmerkmal bezieht sich nur auf den öffentlichen Frie-den in der [X.]. Das ergibt sich aus Folgendem:
Ob ein [X.] Straftatbestand auf ausländische Verhältnisse an-wendbar ist oder nicht, ist durch dessen Auslegung im Einzelfall zu bestimmen (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Juli 1979 -
1 StR 21/79, [X.]St 29, 85, 88). Ergibt diese, dass durch die Vorschrift ausschließlich inländische Rechtsgüter 7
8
9
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6
-
geschützt werden sollen, so kann der Täter nicht bestraft werden, wenn er durch seine Handlung ein solches nicht verletzt hat ([X.], Beschlüsse vom 26.
Juli 1967 -
4 [X.], [X.]St 21, 277, 280; vom 31. Juli 1979 -
1
StR 21/79, [X.]St 29, 85, 88). Der Unterscheidung zwischen inländischen und aus-ländischen Rechtsgütern kommt allerdings nur Bedeutung zu, wenn -
wie hier
-
st[X.]tliche Interessen das Rechtsgut darstellen; insoweit gilt der Grundsatz, dass sich die in Betracht kommenden Straftatbestände des [X.] Straf-rechts grundsätzlich nicht auf den Schutz der Belange fremder St[X.]ten bezie-hen, wenn nicht der Gesetzgeber den Anwendungsbereich ausdrücklich auf ausländische st[X.]tliche Interessen oder diejenigen internationaler Organisatio-nen ausdehnt ([X.]/[X.] [X.]O, Vor §§
3 ff. Rn.
274 ff.; [X.]/[X.], 26.
Lfg., Vor § 3 Rn. 34).
Im Rahmen des § 130 Abs. 1 StGB werden unter Teilen der Bevölkerung nur Teile der inländischen Bevölkerung verstanden (vgl. [X.], Urteil vom 28.
April 1970 -
2 Ss 41/70, NJW 1970, 1649 f.). Soweit eine solche Be-schränkung den in § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB weiter aufgeführten Angriffsobjek-ten nicht zu entnehmen ist, wird sie regelmäßig daraus hergeleitet, dass die
Norm den innerst[X.]tlichen
öffentlichen Frieden schütze (vgl. MüKoStGB/[X.] [X.]O, Rn. 31; LK/[X.] [X.]O, Rn. 28). Auch zu § 130 Abs.
3 StGB hat der [X.] ein entsprechendes Verständnis stillschweigend voraus-gesetzt, indem er darauf abgestellt hat, dass es dem Täter darauf angekommen sei, dass seine Äußerungen einer breiteren Öffentlichkeit in [X.]
be-kannt werden (vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2000 -
1 [X.], [X.]St 46, 212, 219). Dieser eingegrenzte Schutzbereich entspricht auch dem [X.], der sich bei der Reformierung des §
130 Abs.
1 StGB im Jahr 2010 ausdrücklich auf die Regelung in Art. 1 Abs. 2 des "[X.] 2008/[X.] des Rates vom 28. November 2008 zur [X.]
-
7
-
lichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" bezogen hat, nach der es den Mitgliedst[X.]ten [X.], nur solche Handlungen unter Strafe zu stellen, die in einer Weise began-gen werden, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören; daraus ergebe sich, dass die Tat weiterhin einen Inlandsbezug aufweisen müsse (BT-Drucks. 17/3124, S. 10 f.).
bb) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen befand sich un-ter den Zuhörern des Vortrags eine unbestimmte Vielzahl von Personen, die aus der [X.] stammten; bereits dies genügt, um die Eignung der Tat zur Störung des öffentlichen Friedens in [X.] zu bele-gen, denn diese Zuhörer kehrten im [X.] an den Vortrag an ihren Wohn-ort in [X.] zurück. Es kommt insoweit für die Eignung zur [X.] insbesondere nicht darauf an, ob sie den Inhalt des Vortrags der Ange-klagten weiter verbreiteten. Dass der Vortrag inhaltlich geeignet war, den [X.] zu stören, liegt auf der Hand; dies indiziert regelmäßig bereits die Begehung einer Tathandlung im Sinne von § 130 Abs.
3 StGB (MüKoStGB/[X.] [X.]O, Rn.
86; vgl. auch [X.], Urteil vom 10.
April 2002
-
5
StR 485/01, [X.]St 47, 278, 282).
c) Auf die Tat ist [X.] Strafrecht anwendbar.
[X.]) Dies folgt indes nicht aus §
3 i.V.m. §
9 Abs.
1 StGB, denn das Merkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von §
130 Abs.
3 StGB, das zur Einstufung der Vorschrift als einem potentiellen, [X.] Gefährdungsdelikt (vgl. MüKoStGB/[X.] [X.]O,
Rn.
9 mwN) führt, umschreibt keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, so dass eine Inlandstat über § 9 Abs.
1 Variante
3 oder 4 StGB nicht begründet werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
August 2014 -
3 [X.], [X.]R StGB §
9 Erfolg
4 11
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8
-
mwN zu §
86a StGB). Unabhängig von der Frage, ob die Regelung nicht nur auf Erfolgsdelikte im Sinne der allgemeinen Deliktslehre abstellt, ist jedenfalls an dem Ort, an dem -
wie hier -
die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete lediglich umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten
(ebenso S/S-Eser, StGB, 29.
Aufl., § 9 Rn.
6a mwN; [X.], NStZ

Dezember 2000 -
1
[X.], [X.]St 46, 212, 221). Erforderlich wäre insoweit vielmehr eine von der tatbe-standsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbare Außenwelts-veränderung ([X.], NJW 1997, 1873, 1876), zu der es in den Fällen einer bloß potentiellen Gefahr indes gerade nicht kommen muss; eine solche ist [X.] kein Tatbestandsmerkmal und kein zum Tatbestand gehörender Erfolg.
Dieser Auffassung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, sie konterkariere die Bemühung, den Schutz bestimmter Rechtsgüter durch die Schaffung von abstrakten Gefährdungsdelikten zu erhöhen (so aber [X.], [X.] 1999, 72, 81), denn gerade die diesen Schutz ausmachende [X.] der Strafbarkeit kann Anlass sein, sie -
schon mit Blick auf völkerrechtliche Fragen
-
nicht ausnahmslos auf Sachverhalte mit internationalem Bezug zu er-strecken. Die Gleichsetzung von [X.] mit konkreten Gefähr-dungsdelikten würde hier zudem im Ergebnis dazu führen, dass zwischen der Prüfung des Schutzbereichs der Norm und der Anwendbarkeit [X.] Straf-rechts nicht mehr differenziert werden könnte. Denn wenn nur der öffentliche Friede in [X.] geschützt ist, dessen Beeinträchtigung im Sinne eines Taterfolgs letztlich aber die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts begründen würde, ginge es jeweils um dieselbe Frage. Soweit eine Gegenmeinung im Schrifttum darauf abstellt, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des §
9 StGB durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4.
Juli 1969 ([X.], S.
717) die bis dahin zu § 3 Abs.
3 StGB aF herrschende Auffassung zum Begehungs-14
-
9
-
ort abstrakter Gefährdungsdelikte nicht habe einschränken wollen (so [X.]/[X.] [X.]O,
§ 9 Rn.
33 mwN), verfängt diese Argumentation nicht, weil sich dieser etwaige gesetzgeberische Wille im Wortlaut der Neufas-sung nicht niedergeschlagen hat; im Gegenteil bringt dieser nunmehr zum Aus-druck, dass der Erfolg zum Tatbestand der Strafnorm gehören muss (ebenso [X.] [X.]O, S.

-
wie darge-legt -
nicht der Fall ist.
Der [X.] kann diese Frage -
wie geschehen -
entscheiden, ohne ein Anfrageverfahren gemäß § 132 Abs.
3 [X.] durchführen zu müssen. Zwar hat der 1.
Strafsenat in seinem Urteil vom 12.
Dezember 2000 (1 [X.], [X.]St 46, 212, 221) ausgeführt, dass bei der Volksverhetzung nach §
130 Abs.
1 und 3 StGB ein Taterfolg im Sinne von §
9 StGB auch dort eingetreten sei, wo die Tat ihre Gefährlichkeit entfalten könne, mithin ihre konkrete Eignung zur Friedensstörung in der [X.]. Es kann offen bleiben, ob diese Entscheidung, die zur Tatbegehung über das [X.] ergangen ist, auch im vorliegenden Fall Geltung beanspruchen könnte. Jedenfalls ist der [X.] nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] in der seit dem [X.] geltenden Fassung mittlerweile allein für Entscheidungen über [X.] in Strafsachen gegen die Urteile der [X.]n zuständig, sofern sie -
unter anderem
-
Fälle der Volksverhetzung (§ 130 StGB) betreffen. Eine An-frage-
und gegebenenfalls Vorlagepflicht besteht deshalb nicht ([X.], [X.] vom 9.
November 2010 -
5
StR 394/10 u.a., [X.]St 56, 73, 90 f.; vom 20.
Mai 2010 -
1
StR 577/09, [X.]St 55, 180, 183; KK-Hannich, [X.], 7.
Aufl., §
132 [X.] Rn.
6 mwN).
bb) Die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts ergibt sich hier aber aus §
7 Abs.
2 Nr.
1 StGB: die Angeklagte ist [X.] und die Tat war am Tatort 15
16
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10
-
mit Strafe bedroht. Zu Recht hat das [X.] angenommen, dass sich die Strafbarkeit in [X.] aus Art.
261bis Abs. 4 [X.] StGB -
Rassen-diskriminierung -
ergibt. Die [X.] in [X.] getretene Vorschrift lautet:

wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, [X.], Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde versto-ßenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Die [X.] und die [X.] Fassung unterscheiden sich nur sprachlich und selbst insoweit nur in geringem Maße. Der [X.] kann deshalb offen lassen, ob die Tat lediglich in irgendeiner Weise nach dem Recht am Tat-ort strafbar sein muss (so [X.], Urteil vom 29.
Februar 1952 -
1 [X.], [X.]St 2, 160, 161) oder ob zu verlangen ist, dass der [X.] und der aus-ländische Straftatbestand dieselbe Schutzrichtung verfolgen, mithin ein ver-gleichbares Rechtsgut vor vergleichbaren Angriffen abgeschirmt werden soll (so [X.]/[X.] [X.]O, Rn.
38). Denn vorliegend ist die sogenannte [X.] der Normen gegeben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Tathandlung
-
öffentliches Leugnen, (gröblich) Verharmlosen oder Billigen bzw. zu rechtferti-gen Suchen
-
als auch für das geschützte Rechtsgut, unabhängig davon, ob Art.
261bis Abs.
4 [X.] StGB -
wofür die Überschrift des Zwölften Titels des [X.] spricht, die "Verbrechen und Vergehen gegen den öffentlichen Frieden" lautet
-
vornehmlich den öffentlichen Frieden oder die Menschenwürde schützt (vgl. hierzu [X.], Rassendiskriminierung, 2. Aufl., Rn. 321 ff., [X.] 338 ff.). Denn in den Schutzbereich von §
130 Abs.
3 StGB ist neben dem öffentlichen Frieden die persönliche Würde sowie der persönliche Ach-17
-
11
-
tungsanspruch der Betroffenen gleichermaßen einbezogen (MüKoStGB/[X.] [X.]O, Rn.
5 mwN). Soweit die [X.] Vorschrift mit der Eignung zur öffentli-chen Friedensstörung ein weiteres Tatbestandsmerkmal bzw. Korrektiv enthält, folgt daraus allenfalls, dass ihr Anwendungsbereich enger ist. Entsprechendes gilt, soweit die [X.] Regelung nicht auf Völkermorde unter der [X.] beschränkt ist.
Der Zusatz "aus einem dieser Gründe" in Art. 261bis Abs.
4 [X.] StGB bezieht sich -
entgegen der Auffassung der Revision -
schon aus offenba-ren sprachlichen Gründen
nur auf das Handlungsmotiv aus Art. 261bis Abs.
4 Hälfte 1 ("wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion"), nicht aber auf die Hand-lungsmodalitäten, das Angriffsobjekt, die Handlung oder die Qualifikation der Weise der Begehung (vgl. [X.] [X.]O, Rn.
1690 ff.). Es kommt damit nicht [X.] an, ob die Angeklagte beabsichtigte, eine Person oder eine Gruppe von Personen in einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Weise zu [X.] oder herabzusetzen. Entsprechende Feststellungen des [X.]s waren mithin entbehrlich.
d) Die anwendbare und tatbestandlich erfüllte Vorschrift des §
130 Abs.
3 StGB unterliegt entgegen der Auffassung der Revision keinen verfassungs-rechtlichen Bedenken und verstößt nicht gegen Art. 10 [X.].
[X.]) §
130 Abs.
3 StGB kollidiert vorliegend nicht mit Art.
5 Abs.
1 Satz
1 GG, weil der Schutzbereich dieses Grundrechts nicht eröffnet ist. Der Schutz von Tatsachenbehauptungen, um die es bei der Tathandlungsalternative des Leugnens allein geht, endet dort, wo diese zu der verfassungsrechtlich gewähr-leisteten Meinungsbildung nichts beitragen könnten; so verhält es sich mit [X.] oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen (vgl. [X.], [X.] vom 13.
April 1994 -
1 BvR 23/94, [X.]E 90, 241, 247 f.). Da es sich 18
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-
12
-
bei dem [X.], welches unter der Herrschaft des [X.] angetan wurde, um eine geschicht-lich erwiesene Tatsache handelt (vgl. [X.] [X.]O, S. 249; MüKoStGB/[X.] [X.]O, Rn. 77 mwN), kann deren Inabredestellen nicht dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen.
Bedeutung beansprucht das Grundrecht der Meinungsfreiheit -
wie unter 1.
a) dargelegt
-
allein bei der Auslegung der Äußerung und damit bei der Be-stimmung, ob überhaupt ein Leugnen gegeben ist.
bb) Die Vorschrift verstößt auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art.
103 Abs.
2 GG.
Vereinzelt in der Literatur geäußerte Bedenken in Bezug auf die Weite der Tathandlungen (vgl. die Nachweise bei MüKoStGB/[X.] [X.]O, Rn.
76 mwN; weitergehend [X.]/Kühl, StGB, 28. Aufl., §
130 Rn.
8a), verfangen nicht. Die sprachliche Fassung des Tatbestands ist hinreichend deutlich und begrenzt, um auslegungsfähig zu sein (vgl. auch [X.], Beschluss vom 4.
November 2009 -
1
BvR 2150/08, [X.], 47, 54 zu §
130 Abs.
4 StGB), die Vorschrift daher in der von der Rechtsprechung angewendeten restriktiven Auslegung (siehe oben Ziff. 1. a)) trennscharf zu handhaben.
Das sprachlich weit gefasste Merkmal des öffentlichen Friedens ist als ein Tatbestandsmerkmal zu verstehen, dessen Inhalt sich aus dem [X.] eigens bestimmt. Es hat lediglich die Funktion eines Korrektivs. Grundsätzlich begründet bereits die Verwirklichung der anderen Tatbestands-merkmale die Strafbarkeit, bei deren Erfüllung auch die Störung des öffentli-chen Friedens (bzw. die Eignung hierzu) -
wie dargelegt
-
vermutet werden kann. Eigenständige Bedeutung hat es daher nur in atypischen Situationen, 21
22
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24
-
13
-
wenn diese Vermutung auf Grund besonderer Umstände nicht trägt. Es handelt sich insoweit mithin nicht um ein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, son-dern um eine Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinen-der Fälle (vgl. [X.] [X.]O, [X.] zu §
130 Abs.
4 StGB).
cc) Nach der Rechtsprechung des [X.] für [X.] kann die Meinungsfreiheit gemäß Art.
10 Abs.
1 [X.] wegen des sich
aus
Art.
17 [X.] ergebenden Missbrauchsverbots nicht in Fällen geltend gemacht werden, in denen es um die Leugnung des [X.]s und damit zu-sammenhängende Fragen geht (vgl. [X.], Entscheidungen vom 13.
Dezem-ber 2005 -
7485/03, juris Rn.
49 mwN; vom 24.
Juni 2003 -
65831/01, NJW 2004, 3691, 3692 f.).
2. Die gegen die Angeklagte wegen dieser Tat verhängte [X.] kann indes keinen Bestand haben, weil sich die Strafrahmenwahl des Landge-richts als rechtsfehlerhaft erweist. Insoweit gilt:
Die [X.] hat ohne nähere Ausführungen den Strafrahmen des §
130 Abs.
3 StGB zur Anwendung gebracht und dabei nicht in den Blick ge-nommen, dass das Recht am Tatort mit Art.
261bis Abs.
4 [X.] StGB eine mildere Strafrahmenobergrenze (drei statt fünf Jahre Freiheitsstrafe) vorsieht. Die Anwendung des [X.] Strafrechts stellt sich im Rahmen des aktiven Personalitätsprinzips, das vorliegend als strafanwendungsrechtlicher Grundsatz verwirklicht wird (vgl. [X.]/[X.] [X.]O, §
7 Rn.
74), zwar als originäre Aufgabe der [X.] Gerichte und Strafverfolgungsbehörden und nicht etwa als -
stellvertretend wahrgenommene
-
Aufgabe der Tatortgerichte dar. Gleich-wohl kann das [X.] auch bei der Beurteilung von gemäß §
7 Abs.
2 Nr.
1 StGB nach dem Strafrecht der [X.] verfolgbaren Taten grundsätzlich zugunsten des [X.] berücksichtigt werden. Insbesondere muss 25
26
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das Tatgericht bei der Strafzumessung regelmäßig Rücksicht auf Art und Maß des [X.]s nehmen ([X.], Urteil vom 23.
Oktober 1996 -
5
StR 183/95, [X.]St 42, 275, 279 mwN).
Dies hat das [X.] nicht erkennbar bedacht. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die [X.] bei der gebotenen Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre, und hebt die verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf.
3. [X.] ge-mäß §
132a StGB
hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
a) Die [X.] hat hierzu festgestellt, die Angeklagte habe sich im Briefkopf eines Schriftsatzes, mit dem sie gegenüber dem [X.] Mün-chen II im Zwischenverfahren zu dem Anklagevorwurf der Volksverhetzung Stellung nahm, als Rechtsanwältin bezeichnet. Hinter der Bezeichnung brachte sie eine Fußnote an; der Fußnotentext am Ende der Seite lautete: "Seit 16.
Dezember 2011 aus der Rechtsanwaltschaft der BRD ausgeschlossen we-gen sog. '[X.]-Leugnung' vor Gericht".
Das [X.] hat in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, die Ange-klagte habe damit die Berufsbezeichnung -
nach dem gegen sie ausgesproche-nen Berufsverbot zu Unrecht
-
geführt. Die Hinzufügung der Fußnote und des erläuternden Textes ändere daran nichts, denn der Bezeichnung als Rechtsan-walt komme gerade im Schriftverkehr mit Gerichten große Bedeutung zu: Mit der Eigenschaft als Rechtsanwalt sei eine besondere Stellung verbunden; eine Person, die sich zu Unrecht so bezeichne, könne insbesondere etwa von den
-
die Schriftsätze nicht lesenden
-
Beschäftigten auf der Geschäftsstelle oder im 28
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-
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-
Vertretungsfall auch von Richtern Auskünfte bekommen, die anderen Personen nicht erteilt würden.
b) Diese Feststellungen und Wertungen tragen die Verurteilung wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen nicht.
Es ist bereits fraglich, ob die Angeklagte durch die Verwendung der [X.] im Briefkopf diese hier tatsächlich in dem Sinne führte, dass sie sie für sich in Anspruch nahm (vgl. insoweit LK/[X.] [X.]O, §
132a Rn.
59; MüKoStGB/[X.] [X.]O, §
132a Rn.
26). Denn es entspricht allgemeiner Meinung, dass der Tatbestand mit Blick auf das von ihm geschützte Rechtsgut einschränkend ausgelegt werden muss. Die Vorschrift soll das Vertrauen der
Allgemeinheit in die tatbestandlich erfassten Amts-
und Berufsbezeichnung, Titel und Abzeichen schützen und Einzelne davor bewahren, sich einer ange-maßten Autorität gegenüberzusehen und hierdurch gegebenenfalls einen Schaden zu erleiden (vgl. BT-Drucks. 7/550, S.
361). Demgemäß verlangt die Rechtsprechung, dass das Führen der Bezeichnung in einer Art und Weise und unter Umständen geschehen muss, die die in Schutz genommenen Interessen der Allgemeinheit irgendwie berühren können ([X.], Beschlüsse vom 13.
Mai
1982 -
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StR 118/82, [X.]St 31, 61, 62 f.; vom 17.
November 2011 -
3
[X.], [X.], 700). Insofern sind alle Umstände des Einzelfalls zu be-rücksichtigen, insbesondere die Art und Häufigkeit der Verwendung sowie der Adressatenkreis der Äußerung.
Angesichts der nur einmaligen Verwendung auf einem Schriftsatz ge-genüber dem Gericht, [X.] jedenfalls aufgrund der Anklageschrift bereits Kenntnis davon hatten, dass der Angeklagten die Zulassung entzogen worden war, erscheint die Annahme einer Beeinträchtigung der geschützten Interessen auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des [X.]s in 32
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-
16
-
seiner rechtlichen Würdigung bereits bedenklich, zumal die Angeklagte durch die hinzugefügte Fußnote selbst auf das Erlöschen ihrer Zulassung hinwies und dadurch die Gefahr eines ihr irrtümlich entgegengebrachten Vertrauens mini-mierte.
Mit diesem Zusatz brachte sie zudem zum Ausdruck, dass sie die [X.] nicht für sich in Anspruch nehmen wollte. Damit scheidet bei der gegebenen Sachlage aber jedenfalls die Annahme aus, die Angeklagte ha-be den Missbrauch der Bezeichnung "Rechtsanwältin" vorsätzlich begangen, denn sie tat dies nicht, um damit ihr nicht zustehende Befugnisse oder erhöhtes Vertrauen in ihren Berufsstand zu erlangen (vgl. hierzu auch [X.], Beschluss vom 17. November 2011 -
3 [X.], [X.], 700).
Der [X.] schließt aus, dass in einer neuen Verhandlung weitere Fest-stellungen getroffen werden können, aufgrund derer eine Verwirklichung des subjektiven Tatbestands bejaht werden könnte, und spricht die Angeklagte [X.] insoweit frei (§ 354 Abs.
1 [X.]).
35
36
-
17
-
4. Nach dem Wegfall des Schuldspruchs wegen des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen wird das neue Tatgericht nur noch wegen der von der Angeklagten begangenen Volksverhetzung eine neue [X.] zuzumessen haben. Die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen werden von dem insoweit aufgezeigten Rechtsfehler (siehe oben
Ziff. 2) nicht betroffen und [X.] deshalb bestehen bleiben.
VRi[X.] [X.] ist [X.]
Ri[X.] [X.] ist
wegen Urlaubs gehindert
wegen Urlaubs gehindert
zu unterschreiben.
zu unterschreiben.

[X.]

Hubert

Gericke Tiemann
37

Meta

3 StR 449/15

03.05.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2016, Az. 3 StR 449/15 (REWIS RS 2016, 11906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11906

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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