Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.05.2021, Az. 6 StR 15/21

6. Strafsenat | REWIS RS 2021, 6183

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Gegenstand

Strafprozess: Revisionsbeschränkung auf den Strafausspruch bei Tateinheit; rechtliche Bezeichnung der Tat in der Urteilsformel; Härteausgleich bei Gesamtstrafenbildung


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 17. September 2020

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der   besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit vorsätzlichem   Führen einer Schreckschusswaffe schuldig ist;

b)im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher“ besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat im tenorierten Umfang Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen überfiel der im Tatzeitpunkt (18. September 2016) nicht vorbestrafte, 21 Jahre alte Angeklagte gemeinsam mit einem Mittäter auf einem Weg zwei Passanten. Unter Vorhalt einer geladenen Schreckschusspistole, aus deren Lauf beim Abfeuern der [X.] nach vorn austritt, forderte der Angeklagte von einem der beiden Zeugen die Herausgabe von Handy und Geldbeutel. Währendessen drängte sein Mittäter den zweiten Geschädigten zur Seite und zog ihm Handy und Bargeld aus der Hosentasche, was der Zeuge aus Furcht um seine körperliche Unversehrtheit duldete. Der Angeklagte und sein Mittäter erbeuteten insgesamt 65 Euro Bargeld sowie die beiden Mobiltelefone im Gesamtwert von 200 Euro.

3

2. Die Revision erreicht ihr Ziel.

4

a) Die von der Staatsanwaltschaft in der Revisionsbegründung erklärte Beschränkung auf den Strafausspruch ist unwirksam, weil gleichzeitig die Ergänzung des Schuldspruchs um das [X.] begangene vorsätzliche Führen einer Schreckschusswaffe beantragt worden ist. Da bei Tateinheit die Revision nicht wirksam auf einzelne rechtliche Gesichtspunkte des Schuldspruchs beschränkt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Mai 2007 - 4 [X.], [X.], 702 mwN; [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 318 Rn. 13), erfasst das Rechtsmittel den gesamten Schuldspruch.

5

b) Es führt jedoch nur zu einer Schuldspruchänderung im begehrten Umfang.

6

Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub ist frei von [X.] zugunsten oder zulasten des Angeklagten (§ 301 [X.]).

7

Das [X.] hat mit seinem Schuldspruch jedoch den Unrechtsgehalt der von ihm rechtsfehlerfrei festgestellten Tat nicht ausgeschöpft und ist somit seiner Kognitionspflicht (§ 264 [X.]) nicht ausreichend nachgekommen. Nach den Feststellungen war auch eine Verurteilung wegen [X.]en Führens einer (Schreck-)Schusswaffe nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a [X.] auszusprechen. Zwar weist die Anklageschrift diesen Straftatbestand nicht aus; gleichwohl ist er von der Anklage im Sinne des § 264 [X.] aufgrund der Schilderung des ihr zugrundeliegenden Lebenssachverhalts erfasst.

8

§ 265 [X.] steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil der Senat ausschließen kann, dass sich der Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

9

Der Senat lässt zudem den Ausspruch der „gemeinschaftlichen“ Tatbegehung entfallen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Oktober 1977 - 2 StR 410/77, [X.]St 27, 287).

c) Die Schuldspruchänderung zieht hier die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. [X.] hätte er sachlich-rechtlicher Prüfung nicht standgehalten.

Das [X.] hat - für sich genommen rechtsfehlerfrei - den Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, weil es im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände festgestellt hat. [X.] hat es bei der konkreten Strafzumessung neben den bereits bei der [X.] genannten Umständen in rechtsfehlerhafter Weise berücksichtigt, dass der Angeklagte nach der hier gegenständlichen Tat durch das [X.]          am 28. November 2017 wegen Bedrohung in Tateinheit mit Erpressung (Tatzeit: 20. August 2017) und am 8. August 2018 wegen Betrugs durch Unterlassen in zwei Fällen (Datum der letzten Tat: 31. Juli 2017) jeweils zu Geldstrafen verurteilt wurde, aus denen das Amtsgericht am 18. März 2019 nachträglich eine - inzwischen vollständig vollstreckte - [X.] bildete. Das [X.] hat deshalb einen, indes nicht angezeigten, [X.] vorgenommen und sich dabei ausdrücklich in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des [X.] gesetzt. Nach dieser ist ein [X.] nicht veranlasst, wenn - wie hier - der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt ist und es sich bei der grundsätzlich einbeziehungsfähigen Strafe um eine bezahlte Geldstrafe handelt (vgl. [X.], Urteil vom 14. März 2012 - 2 StR 547/11, Rn. 22; Beschlüsse vom 28. Mai 2020 - 3 StR 99/19, Rn. 18; vom 23. November 2017 - 1 [X.]; vom 24. Februar 2011 - 4 [X.], Rn. 18).

Zur Begründung seiner Rechtsauffassung hat sich das [X.] auf einen Kammerbeschluss des [X.] (StraFo 2018, 106) berufen, der für den hiesigen Fall jedoch nicht einschlägig ist. Dessen Gegenstand war allein die Frage einer die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG berührenden Benachteiligung des Beschwerdeführers durch die rechtsfehlerhafte Versagung einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 460 [X.]) im Falle des Zusammentreffens von Freiheits- und beglichener Geldstrafe (aaO, 108). Eine solche Benachteiligung hielt das [X.] für gegeben, weil bei [X.] nachträglicher Gesamtstrafenbildung die bezahlte Geldstrafe von der Strafvollstreckungsbehörde gemäß § 51 Abs. 2 StGB obligatorisch auf die zu verbüßende Freiheitsstrafe hätte angerechnet werden müssen. Da demgegenüber im Zeitpunkt des hiesigen Urteils schon keine Gesamtstrafe mehr gebildet werden durfte, kam bereits im Ansatz eine Anrechnung der vollstreckten Geldstrafe nach § 51 Abs. 2 StGB nicht in Betracht.

Demnach bleibt es dabei, dass der Angeklagte durch die rechtlich nicht mehr mögliche Einbeziehung der Geldstrafen aus den beiden genannten Urteilen des Amtsgerichts I.         in eine Gesamtfreiheitsstrafe keinen ausgleichsbedürftigen Nachteil erlitten hat.

Da das [X.] den Umstand, dass eine Gesamtstrafenbildung mit der früheren Strafe ausschied, unmittelbar bei der Festsetzung der neuen Strafe berücksichtigt hat (vgl. zu den Möglichkeiten des [X.]s LK-StGB/[X.], 13. Aufl., § 46 Rn. 22), geht der Senat davon aus, dass die verhängte Strafe ohne den [X.] höher ausgefallen wäre. Eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a [X.] war ihm versagt, weil eine Korrektur des Schuldspruchs vorzunehmen war.

Der Strafausspruch war demnach aufzuheben. Die [X.] Feststellungen können bestehen bleiben und dürfen um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

Sander     

        

[X.]     

        

Feilcke

        

Tiemann     

        

Fritsche     

        

Meta

6 StR 15/21

05.05.2021

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Saarbrücken, 17. September 2020, Az: 4 KLs 14/20

§ 25 Abs 2 StGB, § 52 Abs 1 StGB, § 52 Abs 2 StGB, § 54 Abs 3 StGB, § 55 Abs 1 S 1 StGB, § 250 StGB, § 255 StGB, § 260 Abs 4 S 1 StPO, § 344 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.05.2021, Az. 6 StR 15/21 (REWIS RS 2021, 6183)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6183

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