Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.11.2010, Az. 2 C 32/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 1043

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Gegenstand

Beamter; Sonderurlaub für Teilnahme an einem Bezirkskongress der Zeugen Jehovas; zur Auslegung von § 7 Satz 1 Nr. 7 SUrlV; Anwendbarkeit der EGRL 78/2000


Leitsatz

Aus § 7 Satz 1 Nr. 7 der Sonderurlaubsverordnung des Bundes ergibt sich kein Anspruch auf Sonderurlaub für den Besuch eines Bezirkskongresses der Zeugen Jehovas.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Bundesbeamter. Er beantragte Sonderurlaub, um an einem Bezirkskongress der [X.] teilzunehmen. Nachdem er den Kongress vor der Entscheidung über seinen Antrag unter Inanspruchnahme von Erholungsurlaub besucht hatte, legte er eine Bescheinigung der [X.] vor, aus der sich ergab, dass er als Delegierter der Gemeinde [X.] teilgenommen habe. Der Bezirkskongress sei ein jährlich stattfindender regionaler Gottesdienst und das nach der [X.] zweitwichtigste religiöse Fest im Jahresverlauf.

2

Der Antrag wurde abgelehnt, der Widerspruch blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den beantragten Sonderurlaub zu gewähren. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Die Teilnahme von Beamten am [X.] und am [X.] (§ 7 Satz 1 Nr. 7 Fallgruppe 3 SUrlV) werde durch Sonderurlaub gefördert, weil es sich um von Laien organisierte Veranstaltungen mit großer Außenwirkung handle. Demgegenüber würden die Bezirkskongresse der [X.] von der [X.] selbst veranstaltet und hätten deshalb keine vergleichbare gesellschaftliche Bedeutung.

3

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des rechtlichen Gehörs, mangelnde Sachaufklärung sowie die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,

das Urteil des [X.] vom 19. Juni 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2008 zurückzuweisen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

5

Der Vertreter des [X.] beteiligt sich am Verfahren. Er verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis ohne Verstoß gegen [X.] Recht entschieden, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Sonderurlaub nicht zusteht. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus der Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen, Bundesbeamte, [X.]innen und [X.] des Bundes ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. November 2004 ([X.]) oder anderen Vorschriften des einfachen Rechts noch aus Verfassungsrecht oder dem Recht der Europäischen Union.

7

1. Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 7 [X.] kann Urlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden, wenn dienstliche Belange nicht entgegenstehen und einer der drei in der Vorschrift genannten Urlaubsgründe vorliegt. Danach kommt Sonderurlaub in Betracht für die Mitarbeit bei der Willensbildung der Verfassungs- oder Verwaltungsorgane öffentlich-rechtlich verfasster [X.]en (Fallgruppe 1), für die Teilnahme an Tagungen dieser [X.]en als Delegierter auf Anforderung der Kirchenleitung (Fallgruppe 2) sowie für den Besuch des [X.] oder des [X.] (Fallgruppe 3). Keine dieser Alternativen liegt hier vor:

8

Ein Anspruch nach der ersten Fallgruppe scheidet aus. Denn der Kläger ist nicht Mitglied eines Verfassungsorgans oder überörtlichen Verwaltungsgremiums der öffentlich-rechtlichen [X.] Zeugen. Auch ist ein Bezirkskongress dieser [X.] nicht als Sitzung eines derartigen Gremiums anzusehen, weil es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts um eine Veranstaltung für alle Mitglieder der [X.] handelt, deren Gegenstand sich nicht auf die Willensbildung innerhalb der internen Verwaltungsstruktur der [X.] beschränkt.

9

Der Kläger kann Sonderurlaub auch nicht unter Berufung auf die zweite Fallgruppe verlangen. Er hat zwar eine Bescheinigung vorgelegt, die ihn als Delegierten der Gemeinde [X.] bezeichnet, doch hat er die Behauptung, er sei Delegierter im Sinne des § 7 Satz 1 Nr. 7 [X.], nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht aufrecht erhalten. Hiervon abgesehen hat er weder behauptet noch hat das Berufungsgericht festgestellt, dass er auf Anforderung der obersten Kirchenleitung an dem Bezirkskongress teilgenommen hat. Deshalb kommt es auf die Frage, ob ein Delegierter stets gewählt oder durch Berufungsakt bestimmt sein muss, ebenso wenig an wie auf die weitere Frage, was unter einer Tagung im Sinne der zitierten Vorschrift zu verstehen ist.

Schließlich lässt sich ein Anspruch des [X.] auch nicht auf die dritte Fallgruppe der Vorschrift stützen. Sonderurlaub kann danach nur für die Teilnahme am [X.] und am [X.] gewährt werden. Dies schließt die Möglichkeit von Sonderurlaub für andere Veranstaltungen aus.

Für diese enge Auslegung sprechen Wortlaut und Zweck der Vorschrift. Die enumerative Aufzählung ist nach ihrem Wortlaut abschließend, weil sie nicht als beispielhaft oder in anderer Weise als ergänzungsoffen gekennzeichnet ist. Nichts anderes ergibt sich aus dem Zweck der Norm. § 7 [X.] verfolgt neben der Unterstützung fachlicher (Nr. 1 und 2) und staatspolitischer (Nr. 3) Fortbildung den Zweck, die Einbindung der Beamten in die Gesellschaft zu fördern. Ihre Tätigkeit als Jugendgruppenleiter (Nr. 4) sowie in politischen Parteien oder Selbsthilfeorganisationen (Nr. 5, 6) soll als erwünschtes gesellschaftliches Engagement ebenso unterstützt werden wie eine Betätigung im aktiven Sport oder in den Sportverbänden (Nr. 8, 9). Aus diesem [X.] folgt, dass auch § 7 Satz 1 Nr. 7 [X.] gesellschaftspolitisch erwünschtes Engagement fördert. Der Sonderurlaub dient ausschließlich dem Zweck, die dem allgemeinen Wohl dienende Funktion von [X.]en, die auch Voraussetzung für die Zuerkennung des Körperschaftsstatus ist, zu unterstützen (Urteil vom 13. November 1984 - BVerwG 2 [X.] 74.81 - [X.] 232 § 89 [X.] Nr. 11). Die Vorschrift verfolgt hingegen nicht das Ziel, die individuelle Glaubensbetätigung der Beamten zu fördern. Dies ergibt sich nicht nur aus der Beschränkung auf öffentlich-rechtlich verfasste [X.]en, sondern auch daraus, dass die Gewährung von Sonderurlaub für die Teilnahme an den Kirchentagen nicht auf [X.] oder [X.] Beamte beschränkt ist, sondern allen Beamten ungeachtet ihrer individuellen Glaubensüberzeugung offen steht. Auch die Verwaltungspraxis spricht nicht für eine erweiternde Auslegung der Vorschrift. Zwar besteht nach einem Rundschreiben des [X.] vom 4. März 2003 die Möglichkeit, Sonderurlaub über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch für die Teilnahme am [X.] zu gewähren. Mit dieser Handhabung wird jedoch - ohne dass es auf ihre Rechtmäßigkeit hier ankäme - die Beschränkung der dritten Fallgruppe auf Veranstaltungen von hervorgehobener gesellschaftlicher Bedeutung ebenso wenig verlassen wie die Möglichkeit einer Teilnahme unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit.

Es handelt sich schließlich bei der Erwähnung des [X.] und des [X.] auch nicht lediglich um einen Unterfall der zweiten Fallgruppe des § 7 Satz 1 Nr. 7 [X.] mit der Folge, dass der dort verwendete Begriff der Tagung einer erweiternden Auslegung zugänglich wäre. Denn nach Wortlaut und Normzweck enthält die Norm drei gleichgeordnete Gründe für die Gewährung von Sonderurlaub, deren dritter sich von den ersten beiden deutlich unterscheidet. Während die ersten beiden Gründe alle öffentlich-rechtlich verfassten [X.]en erfassen und nur solchen Beamten die Möglichkeit von Sonderurlaub einräumen, die in die Willensbildung und Organisation dieser [X.]en eingebunden sind, gibt die dritte Fallgruppe allen Beamten ungeachtet ihrer Konfessionszugehörigkeit die Möglichkeit von Sonderurlaub, begrenzt diese jedoch auf diejenigen Veranstaltungen, die der Verordnungsgeber allein wegen ihrer gesellschaftlichen Relevanz als hervorgehoben ansieht.

Die Frage, ob § 7 Satz 1 Nr. 7 [X.] verfassungsmäßig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Verfassungsmäßigkeit mag im Hinblick darauf zweifelhaft sein, dass in der dritten Fallgruppe durch die abschließende Benennung zweier Veranstaltungen alle vergleichbaren Veranstaltungen unabhängig davon ausgeschlossen sind, welcher [X.] sie nahestehen oder zuzurechnen sind. Eine Verfassungswidrigkeit würde jedoch lediglich zur Unwirksamkeit der Vorschrift, nicht aber dazu führen, ihr einen anderen Inhalt zu geben. Denn eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung ist im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut und den Normzweck ausgeschlossen (Urteile vom 28. April 2005 - BVerwG 2 [X.] 1.04 - BVerwGE 123, 308 <316> = [X.] 240 § 72a [X.] Nr. 1 S. 6, und vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 [X.] 22.07 - BVerwGE 131, 242 = [X.] 11 Art. 12 GG Nr. 265, jeweils Rn. 25 m.w.N. zur Rspr des [X.]). Auch einer Analogie ist § 7 Satz 1 Nr. 7 (dritte Fallgruppe) [X.] nicht zugänglich, da es an einer planwidrigen Lücke des Verordnungstexts fehlt.

2. Ein Anspruch des [X.] kann auch nicht aus anderen Vorschriften des einfachen Rechts abgeleitet werden. Sein Wunsch, an dem Bezirkskongress der [X.] teilzunehmen, stellt insbesondere keinen wichtigen persönlichen Grund im Sinne des § 12 Abs. 3 [X.] dar. Es spricht bereits [X.] dafür, dass § 7 Satz 1 Nr. 7 [X.] im Anwendungsbereich der Vorschrift abschließend ist. Im Übrigen ist der Wunsch des [X.] nach Teilnahme am Bezirkskongress der [X.] - auch unter Berücksichtigung seiner grundrechtlichen Verankerung in Art. 4 Abs. 1 GG - kein Fall der Unabweisbarkeit, wie er in den benannten Fällen des § 12 Abs. 3 [X.] geregelt ist (etwa: Geburt eines Kindes, Tod eines Angehörigen, Umzug, schwere Erkrankungen). Die Teilnahme an einer jährlich wiederkehrenden Veranstaltung ist mit den in § 12 Abs. 3 [X.] geregelten Fällen nach ihrem Gewicht nicht vergleichbar; dem Beamten wird deshalb zugemutet, ggf. Erholungsurlaub in Anspruch zu nehmen. Auch ein unmittelbar aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn abgeleiteter Anspruch scheidet aus, da die Sonderurlaubsverordnung die Fürsorgepflicht insoweit abschließend konkretisiert (vgl. Urteile vom 19. Juni 1997 - BVerwG 2 [X.] 28.96 - BVerwGE 105, 94 = [X.] 232.4 § 12 [X.] Nr. 1, und vom 13. November 1984, a.a.[X.]; vgl. auch [X.], Sonderurlaub, [X.] 1980, 22 <27>). Schließlich lässt sich ein Anspruch des [X.] - ungeachtet der Frage, ob eine Diskriminierung des [X.] überhaupt vorliegt - nicht auf das [X.] (AGG) vom 14. August 2006 ([X.]) stützen, da dieses über die geregelten Benachteiligungsverbote und Sekundäransprüche hinaus keine Ansprüche auf diskriminierungsfreie Einbeziehung in gesetzliche Ansprüche begründet, die anderen Gruppen gewährt werden.

3. Ein Anspruch des [X.] kann auch nicht unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet werden. Der Ausschluss von Sonderurlaub für die Teilnahme an den [X.] der [X.] stellt weder einen Gleichheitsverstoß noch eine Verletzung des Paritätsgebots oder des Gebots der weltanschaulichen und religiösen Neutralität des Staates dar.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, überlässt aber dem Normgeber grundsätzlich bis zur Grenze der evidenten Sachwidrigkeit die Auswahl der Differenzierungsmerkmale, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpfen möchte. Der Gestaltungsspielraum des [X.] verengt sich jedoch in dem Maße, in dem die von ihm gewählten Differenzierungskriterien sich personenbezogenen Merkmalen wie den in Art. 3 Abs. 3 GG erfassten annähern. Dasselbe kann gelten, wenn die vom Normgeber vorgenommene Unterscheidung sich im Anwendungsbereich anderer Grundrechte auswirkt. In diesen Fällen lassen sich Ungleichbehandlungen nicht schon damit rechtfertigen, dass ein einleuchtender sachlicher Grund für sie angeführt werden kann; vielmehr unterliegt der Normgeber einer strengen Bindung an [X.] ([X.], Beschluss vom 26. Januar 1993 - 1 BvL 38/92 u.a. - [X.]E 88, 87 <96>; Urteil vom 7. Dezember 1999 - 2 BvR 1533/94 -, [X.]E 101, 275 <291>). Zusätzlich ist die Entscheidung des [X.] in § 7 Satz 1 Nr. 7 [X.] an dem Grundsatz der weltanschaulichen und religiösen Neutralität des Staates sowie dem Grundsatz der Parität der Kirchen und Bekenntnisse zu messen, wonach der Staat zwar zwischen [X.]en unterscheiden, dabei aber nicht eine Bewertung von Glauben und Lehre einer [X.] vornehmen oder eine Privilegierung einzelner Bekenntnisse gegenüber anderen bewirken darf ([X.], Beschlüsse vom 16. Oktober 1968 - 1 BvR 241/66 - [X.]E 24, 236 <246>, und vom 12. Mai 2009 - 2 BvR 890/06 - [X.]E 123, 148 <178>; Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - [X.]E 108, 282 <300>).

Dies führt im vorliegenden Fall zu der Anwendung eines strengen [X.] für die vom Verordnungsgeber gewählte Differenzierung. Sonderurlaub nach § 7 Satz 1 Nr. 7 Fallgruppe 3 [X.] kann unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit der Beamten gewährt werden, jedoch nur für die in der Vorschrift genannten Veranstaltungen, die zwar von [X.] veranstaltet werden, aber der [X.] oder der [X.] nahe stehen. Dies führt dazu, dass nur [X.] oder [X.] Beamte, die in einem weiteren Sinne an Veranstaltungen ihrer eigenen Konfessionszugehörigkeit teilnehmen möchten, hierfür Sonderurlaub in Anspruch nehmen können, während Beamte, die sich zu der [X.] Zeugen bekennen, diese Möglichkeit nicht haben. Die Vorschrift führt weiter dazu, dass konfessionell ungebundene Beamte Sonderurlaub nur erhalten können, wenn sie sich für die Teilnahme an den der [X.] nahe stehenden Kirchentagen entscheiden, nicht aber dann, wenn sie an einem Bezirkskongress der [X.] teilnehmen wollen. Dies wirkt sich im Schutzbereich der Art. 3 Abs. 3, 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 GG aus. Denn der Kläger kann sein Bedürfnis, seinen Glauben zu betätigen und sich über die Positionen seiner Glaubensgemeinschaft zu informieren, nur unter Inanspruchnahme von Erholungsurlaub befriedigen. Demgegenüber können [X.] und [X.] Beamte für den Besuch dafür grundsätzlich geeigneter Veranstaltungen, die ihrer [X.] zumindest nahe stehen, Sonderurlaub erhalten.

Gemessen an dem Maßstab strenger Verhältnismäßigkeit ist die vom Normgeber vorgenommene Differenzierung nicht zu beanstanden. Der Normgeber muss nicht alle [X.]en schematisch gleich behandeln ([X.], Beschluss vom 4. Oktober 1965 - 1 BvR 498/62 - [X.]E 19, 129 <133 f.>; Urteil vom 13. Dezember 1983 - 2 BvL 13/82 u.a. - [X.]E 66, 1 <20, 24>; BVerwG, Urteile vom 13. November 1984, a.a.[X.], und vom 15. November 1990 - BVerwG 7 [X.] 9.89 - BVerwGE 87, 115 <127 f.> = [X.] 11 Art. 140 GG Nr. 47), sondern darf an bestehende Unterschiede zwischen ihnen anknüpfen, solange er damit nicht zugleich unmittelbar oder mittelbar Glaubensinhalte privilegiert oder benachteiligt. Ob und inwieweit eine unterschiedliche Behandlung der [X.]en zulässig ist, kann dabei nur im Hinblick auf die Eigenart des konkreten Sachzusammenhangs entschieden werden ([X.], Beschluss vom 28. April 1965 - 1 BvR 346/61 - [X.]E 19, 1 <8>).

Diesen Anforderungen wird der Ausschluss der [X.] der [X.] durch § 7 Satz 1 Nr. 7 Fallgruppe 3 [X.] gerecht, weil die Vorschrift in der gebotenen Auslegung eine staatskirchenrechtlich oder grundrechtlich unzulässige Einflussnahme auf Glaubensinhalte oder eine Förderung der Glaubensbetätigung zugunsten einzelner [X.]en nicht zulässt. Sie beschränkt die Gewährung von Sonderurlaub strikt auf Veranstaltungen, die wegen ihrer Größe, Struktur und inhaltlichen Ausrichtung hohe gesellschaftliche Bedeutung und erheblichen Einfluss auf die öffentliche Diskussion haben. Dies trifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf die [X.] der [X.] nicht zu; die verfassungsrechtliche Bewertung des Umstands, dass die Vorschrift vergleichbare Veranstaltungen anderer [X.]en von der Privilegierung durch die Möglichkeit von Sonderurlaub ausschließt, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Betrachtung.

Nach dem Vortrag des [X.] und den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei den [X.] der [X.] um Veranstaltungen, die wie Gottesdienste der religiösen Verehrung gewidmet sind. Nach der in das Verfahren eingeführten Bescheinigung von Jehovas Zeugen in Deutschland haben sie den [X.]harakter eines regionalen Gottesdienstes, der nach der Abendmahlsfeier das zweitwichtigste religiöse Fest der Glaubensgemeinschaft mit "überragender Bedeutung in ihrer Anbetung" darstellt. Sie zielen nach diesen Feststellungen auf die Festigung des individuellen Glaubens, geben Leitlinien für die religiöse Lebensführung und stärken als kollektives Glaubensereignis das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gläubigen über Gemeinde- und Landesgrenzen hinweg. Die Tatsache, dass auch die Öffentlichkeit zu den [X.] eingeladen ist, ändert an dem gottesdienstlichen [X.]harakter der Veranstaltung ebenso wenig wie der Umstand, dass die während der [X.] gehaltenen Predigten sich auch mit aktuellen Themen befassen mögen. Mit diesem Inhalt unterscheiden sie sich wesentlich von dem [X.] und dem [X.]. Zwar gehören die individuelle Glaubensbetätigung der Besucher und die Vermittlung kollektiver Glaubenserfahrung auch zu den Zielen dieser von § 7 Satz 1 Nr. 7 Fallgruppe 3 [X.] erfassten Veranstaltungen, doch weisen sie zugleich eine Doppelfunktion auf, die den [X.] der [X.] fehlt. Mit zumindest gleichem Gewicht sollen sie gesellschaftliche Breitenwirkung dadurch entfalten, dass aktuelle politische Themen aus [X.] Sicht und in Auseinandersetzung mit Positionen der Kirchen diskutiert werden. Indiz hierfür ist der Umstand, dass die Kirchentage von [X.] veranstaltet werden. Diese Funktion der Kirchentage tritt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegenüber ihren gottesdienstlichen Elementen stark in den Vordergrund und ist alleiniger Grund für die Förderung einer Teilnahme durch die Gewährung von Sonderurlaub. Dass auch die [X.] von sehr vielen Teilnehmern besucht werden - insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass zeit- und themengleich jeweils mehrere [X.] stattfinden -, ändert an ihrer inhaltlichen Ausrichtung nichts. Die konfessionsübergreifende grundrechtliche Funktion der Kirchentage ist ein hinreichender sachlicher Grund, der die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung rechtfertigt.

Die Rüge des [X.], das Berufungsgericht habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, dringt nicht durch. Das Berufungsgericht hat vielmehr den Vortrag des [X.] zu Inhalt und Bedeutung der [X.] der [X.] seiner Entscheidung zu Grunde gelegt und ihm die relevanten Angaben zum [X.] und zum [X.] entgegengesetzt; es ist nicht zu beanstanden, dass es sich dabei auf [X.] dieser beiden Veranstaltungen und die dadurch vermittelte Selbsteinschätzung der beiden Kirchentage gestützt hat. Im Übrigen hat der anwaltlich vertretene Kläger bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung keinen Beweisantrag gestellt und damit nicht zu erkennen gegeben, dass und ggf. inwiefern er die Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht für unzureichend hielt. Ebenso wenig ist der Vorwurf des [X.] begründet, das Berufungsgericht habe ihm das rechtliche Gehör verweigert. Die das Berufungsurteil tragenden Erwägungen sind in den Schriftsätzen der Verfahrensbeteiligten breit erörtert worden, so dass eine unzulässige Überraschungsentscheidung nicht vorliegt. Dass das Berufungsgericht den Vortrag des [X.] zur gesellschaftlichen Wirkung der [X.] und zur Organisationsform der Kirchentage anders gewürdigt hat als der Kläger, begründet eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör ebenfalls nicht.

Schließlich verletzen die dem Berufungsurteil zu Grunde liegenden Erwägungen auch die Neutralitätspflicht des Staates gegenüber religiösen Bekenntnissen nicht. Die Feststellung, dass der [X.] und der [X.] neben ihrer Funktion als Veranstaltungen der privaten Glaubensbetätigung maßgeblich auf die Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung zielen und dass dies auf die [X.] der [X.] nicht zutrifft, stellt mit der Abgrenzung von Gottesdienst und Kirchentag keine dem Staat verschlossene Bewertung von Glaubensinhalten dar. Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass es dem religiösen Selbstverständnis seiner [X.] widersprechen würde, in einer den Kirchentagen vergleichbaren Art und Weise auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken oder dass eine solche Einwirkung ausschließlich über die Veranstaltung von Gottesdiensten möglich und erforderlich wäre.

4. Schließlich kann der Kläger seinen Anspruch nicht auf § 7 [X.] i.V.m. der Richtlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ([X.] 303/16) stützen.

Der Geltungsbereich der Richtlinie ist eröffnet. Sie gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1c) u.a. für alle Personen in öffentlichen Bereichen in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Auch die Voraussetzungen für die Bewilligung von Erholungs- oder Sonderurlaub zählen zu den Beschäftigungsbedingungen, da die Richtlinie das Arbeitsrecht durch einen allgemeinen Rahmen möglichst vollständig erfassen und gegen Diskriminierung sichern soll (vgl. Art. 3 Abs. 1 der [X.]/[X.] und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen). Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie in die [X.] Rechtsordnung (Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/[X.]) ist verstrichen; auch eignet sich die in Rede stehende Vorschrift zur unmittelbaren Anwendung (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2010 - BVerwG 2 [X.] 52.09).

Es kann jedoch offen bleiben, ob die Richtlinie im Hinblick auf die Diskriminierung wegen der Religion hinreichend umgesetzt ist, denn die Vorenthaltung eines Anspruchs auf Sonderurlaub für die Teilnahme am Bezirkskongress der [X.] stellt jedenfalls keine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2a) der Richtlinie dar. Zwar werden Beamte, die an einem Bezirkskongress der [X.] teilnehmen wollen, gegenüber Beamten, die den [X.] oder den [X.] besuchen wollen, nachteilig behandelt. Diese nachteilige Behandlung mag auch "wegen" der Religion (Art. 1 der Richtlinie) erfolgen, weil zwar die Teilnahme an einem solchen Bezirkskongress nicht an eine bestimmte Konfessionszugehörigkeit gebunden ist, aber doch typischerweise eine Übereinstimmung zwischen Konfession und religiöse Ausrichtung des [X.]s bestehen wird. Diese Frage kann jedoch offen bleiben. Denn eine unmittelbare Diskriminierung liegt nach Art. 2 Abs. 2a) der Richtlinie 2000/78/[X.] nur vor, wenn eine Person gegenüber einer anderen nachteilig behandelt wird, obwohl sich beide in einer vergleichbaren Situation befinden; ob dies der Fall ist, muss von den Gerichten der Mitgliedstaaten geprüft werden ([X.], Urteil vom 1. April 2008 - Rs [X.]-267/06 [X.] - Slg. 2008 I - 1757 ). An dieser Vergleichbarkeit fehlt es im vorliegenden Fall. Die Situation von Beamten, die an einem Bezirkskongress der [X.] teilnehmen möchten, ist im Hinblick auf die zu prüfende Norm - § 7 Satz 1 Nr. 7 [X.] - aus den bereits genannten Gründen nicht vergleichbar mit der Situation von Beamten, die Sonderurlaub für einen der beiden in der Vorschrift genannten Kirchentage beantragen. Denn während das Sonderurlaubsrecht die Gewährung von Sonderurlaub ausschließlich für Veranstaltungen vorsieht, die wegen ihrer gesellschaftlichen Wirkung gefördert werden sollen, möchte der Kläger einen Anspruch auf Sonderurlaub für eine Veranstaltung durchsetzen, die auf die Ausübung und Bestätigung seines individuellen religiösen Bekenntnisses beschränkt ist.

Meta

2 C 32/09

25.11.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 19. Juni 2009, Az: 10 A 10042/09, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 4 Abs 1 GG, Art 140 GG, Art 139 WRV, § 7 S 1 Nr 7 SUrlV, § 12 Abs 3 SUrlV, Art 2 Abs 2a EGRL 78/2000, Art 16 EGRL 78/2000

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.11.2010, Az. 2 C 32/09 (REWIS RS 2010, 1043)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1043

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 1436/02

2 BvR 890/06

2 BvR 1533/94

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