Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2007, Az. V ZB 136/06

V. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4614

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[X.]BESCHLUSS V ZB 136/06 vom 22. März 2007 in dem Zwangsversteigerungsverfahren

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 22. März 2007 durch den [X.] Richter Prof. Dr. [X.] und [X.] Lemke, [X.], [X.] und [X.] beschlossen: [X.] der Schuldnerin gegen den [X.]uss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 21. August 2006 wird [X.]. Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten des [X.] beträgt 75.000 •. Gründe: [X.] Die Gläubigerin betreibt seit Mai 2003 die Wiederversteigerung des im Rubrum genannten Grundstücks, nachdem die Schuldnerin es in einem früheren Versteigerungstermin durch Zuschlagsbeschluss erworben, das [X.] von 105.000 • jedoch nicht berichtigt hatte. 1 In dem [X.] wurde der Verkehrswert des [X.] festgesetzt. Im ersten Versteigerungstermin, in dem lediglich ein Gebot in Höhe von 50.000 • abgegeben wurde, wurde der Zuschlag gemäß § 85a [X.] versagt. Im zweiten Versteigerungstermin vom 18. Januar 2006 blie-ben die Beteiligten zu 3 und 4 mit einem Gebot von 75.000 • Meistbietende. Zur Entscheidung über den Zuschlag beraumte das Vollstreckungsgericht einen Ver-kündungstermin für den 2. Februar 2006 an. 2

- 3 -Die Schuldnerin beantragte unter Hinweis darauf, dass das [X.] % des Verkehrswerts des Grundstücks betrage, das Verfahren einstwei-len einzustellen. Sie berief sich darauf, dass ihr ein Angebot der [X.] aus M. vorliege, die das Grundstück freihändig für 250.000 • erwerben wolle. 3 Durch [X.]uss vom 2. Februar 2006 hat das Vollstreckungsgericht das Grundstück unter Zurückweisung des Einstellungsantrags der Schuldnerin den Beteiligten zu 3 und 4 zugeschlagen. Die gegen den Zuschlag gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren Antrag auf Versagung des Zuschlags weiter. 4 I[X.] Das Beschwerdegericht meint, der Zuschlag sei weder wegen sittenwidriger Verschleuderung des Grundstücks noch deshalb zu versagen, weil das Verfahren von dem Vollstreckungsgericht gemäß § 765a ZPO hätte eingestellt werden müs-sen. Dabei könne offen bleiben, ob ein krasses Missverhältnis zwischen dem Ver-kehrswert und dem [X.] bestehe. Jedenfalls fehlten konkrete [X.] dafür, dass in einem späteren Versteigerungstermin ein höherer Erlös zu erwarten sei. Auf die Möglichkeit eines freihändigen Verkaufs zu besseren Konditionen komme es nicht an. Im Übrigen habe die Schuldnerin auch keine [X.] nachgewiesen, denn bei den Schreiben der [X.] vom 30. Januar und 2. Juni 2006 handele es sich um völlig unverbindliche Mittei-lungen. 5 II[X.] [X.] ist statthaft (§ 96 [X.] i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die gegen die [X.]

- 4 -lung des Zuschlags gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist im [X.] zu Recht zurückgewiesen worden. 1. [X.] ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.], das annimmt, eine sittenwidrige Verschleuderung des Grundstücks könne unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten einen Zuschlagsversagungsgrund begründen, nämlich zum einen unmittelbar aus § 83 Nr. 6 [X.] und zum anderen, wenn das Verfahren von dem Vollstreckungsgericht aus diesem Grund gemäß § 765a ZPO einzustellen gewesen wäre. 7 Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt bei drohender sittenwidriger Verschleuderung eines Grundstücks als sonstiger Versagungsgrund im Sinne § 83 Nr. 6 [X.] nur in Betracht, dass dem Schuldner auf seinen vor der Zuschlagserteilung gestellten Antrag [X.] nach § 765a ZPO hätte gewährt werden müssen (Senat, [X.]Z 44, 138, 141; [X.], [X.]. v. 27. Juni 2003, [X.], NJW-RR 2003, 1648, 1649; Senat, [X.]. v. 9. März 2006, [X.], [X.], 697). Daneben gibt es keinen selbständigen, von Amts wegen zu berücksichtigenden Zuschlagsversagungsgrund der sittenwidrigen Verschleuderung gemäß § 83 Nr. 6 [X.] (zutreffend Alff, Rpfleger 2005, 44, 45). Andernfalls liefe das in § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO enthaltene - verfassungsrecht-lich nicht zu beanstandende (vgl. [X.] 61, 126, 137) - Antragserfordernis für die Gewährung von [X.] leer. 8 2. Das Beschwerdegericht hat aber zutreffend angenommen, dass ein [X.] nicht besteht, da der Schuldnerin auf ihren Antrag kein [X.] nach § 765a ZPO zu gewähren war. 9 Nach der Rechtsprechung des [X.] kann Vollstreckungs-schutz nach § 765a ZPO aufgrund eines krassen Missverhältnisses zwischen dem [X.] und dem Grundstückswert nur beansprucht werden, wenn Umstände vorliegen, die ein wesentlich höheres Gebot in einem neuen Termin 10

- 5 -erwarten lassen ([X.], [X.]. v. 27. Juni 2003, [X.], NJW-RR 2003, 1648, 1649; Senat, [X.]. v. 9. März 2006, [X.], [X.], 697). Solche Umstände waren hier im Zeitpunkt der [X.] nicht er-kennbar. a) Entgegen der Auffassung des [X.] folgt das allerdings nicht schon daraus, dass die Möglichkeit eines freihändigen Verkaufs bei der Ent-scheidung, ob durch den Zuschlag eine sittenwidrige Verschleuderung des [X.] droht, unbeachtlich wäre. [X.] ist immer dann zu gewähren, wenn ein krasses Missverhältnis von Grundstückswert und [X.] besteht und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in naher Zukunft ein höherer Erlös für das beschlagnahmte Grundstück erzielt werden kann, dass also eine bessere Verwertung des Grundstücks zu erwarten ist. Ob sich diese im Rahmen eines - wegen des mit der [X.]agnahme verbundenen relativen Veräußerungsverbots zugunsten der betreibende Gläubiger (§ 23 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. §§ 135, 136 BGB; § 19 Abs. 1 [X.]) de facto allerdings nur mit deren Zustimmung möglichen - freihändigen Verkaufs oder durch die Abhaltung eines weiteren Versteigerungstermins realisieren lässt, ist unerheblich. In der Rechtsprechung wird nur deshalb auf das zu erwartende Ergebnis eines folgenden Versteigerungstermins abgestellt, weil ein Interessent, der davon ausgehen kann, in einem weiteren Versteigerungstermin Meistbietender zu sein, in aller Regel kei-nen Anlass hat, das Grundstück statt dessen von dem Schuldner freihändig zu erwerben. Das schließt aber nicht aus, dass sich die begründete Erwartung einer besseren Verwertung des Grundstücks im Einzelfall auch einmal auf die Möglich-keit eines freihändigen Verkaufs gründet (ebenso [X.], 306, 307; [X.] Rpfleger 2001, 367, 368; [X.] [X.] 1995, 176). 11

- 6 -b) Das Beschwerdegericht hat aber im Ergebnis zutreffend angenommen, dass sich aus den Schreiben der B.
GmbH vom 30. Januar und 2. Juni 2006 keine Erwartung einer besseren Verwertung des Grundstücks ergab. 12 aa) Seine Annahme, das Schreiben vom 30. Januar 2006 enthalte nicht viel mehr als die Mitteilung, dass in Verkaufsverhandlungen eingetreten werden könne und gebe deshalb keinen Anlass für die Annahme, für das Grundstück sei kurzfris-tig ein wesentlich höherer Betrag als durch Erteilung des Zuschlags an die [X.] zu erzielen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 13 [X.]) Hinsichtlich des Schreibens vom 2. Juni 2006 rügt die Rechtsbe-schwerde zwar zu Recht, dass das Beschwerdegericht dessen Inhalt offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat. Denn es geht bei der Würdigung beider Schrei-ben der [X.] davon aus, dass diese das Objekt nicht besichtigt habe, ob-wohl sich aus dem genannten zweiten Schreiben das Gegenteil ergibt. 14 Der [X.]uss erweist sich insoweit aber aus einem anderen Grund als richtig. Auf das Schreiben vom 2. Juni 2006 kommt es nicht an, weil die Zu-schlagsbeschwerde, auch soweit der Zuschlagsbeschluss einen Antrag nach § 765a ZPO zurückweist, nicht auf neue Tatsachen gestützt werden kann (Senat, [X.]Z 44, 138, 143 f., [X.]. v. 24. November 2005, [X.], [X.], 813, 815). Eine zur Aufhebung des [X.] führende Gesetzesverlet-zung liegt nur vor, wenn der Versagungsgrund bei Verkündung des Zuschlags ge-geben war, wenn also das Vollstreckungsgericht auf den ihm unterbreiteten Sach-verhalt die gesetzlichen Vorschriften nicht oder nicht richtig angewendet hat (vgl. [X.], [X.], 18. Aufl., § 100 [X.]. 2.4). Bei Erteilung des Zuschlags am 2. Februar 2006 lag das Schreiben der B.

GmbH vom 2. Juni 2006 aber noch nicht vor und konnte von dem Vollstreckungsgericht demgemäß auch nicht [X.] werden. 15

- 7 -Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Senat bei einem mit Suizidab-sichten des Schuldners begründeten [X.]antrag nach § 765a ZPO im Hinblick auf den besonderen Schutzgehalt des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG eine Ausnahme von diesem Grundsatz anerkennt, wenn ärztliche [X.] ergeben, dass sich der Gesundheitszustand des Schuldners nach dem Zuschlag verschlechtert hat und deshalb eine akute Selbsttötungsgefahr besteht (Senat, [X.]. v. 24. November 2005, [X.], [X.], 813, 815). Ein ver-gleichbares Schutzbedürfnis der Schuldnerin besteht hier schon deshalb nicht, weil sie während des fast drei Jahre dauernden [X.]s ausreichend Gelegenheit hatte, sich um eine angemessene Verwertung des Grundstücks zu bemühen und es daher auch unter Berücksichtigung ihres Grund- 16

- 8 -rechts aus Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich ist, sie - dem Grundsatz des § 100 Abs. 1 [X.] entsprechend - auf die Geltendmachung im Zeitpunkt der [X.] bestehender Versagungsgründe zu [X.]. [X.] [X.][X.]: [X.], Entscheidung vom 02.02.2006 - 4 K 169/03 - [X.], Entscheidung vom 21.08.2006 - 2 T 46/06 -

Meta

V ZB 136/06

22.03.2007

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2007, Az. V ZB 136/06 (REWIS RS 2007, 4614)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4614

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