Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2011, Az. V ZB 25/11

5. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4747

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Gegenstand

Zuschlagsbeschwerde: Verfahrensfehlerhafte Verkündung des Zuschlags bei drohender Verschleuderung des Grundbesitzes


Leitsatz

Ist die Verkündung des Zuschlags in dem Versteigerungstermin aufgrund einer drohenden Verschleuderung des Grundbesitzes als verfahrensfehlerhaft anzusehen, führt dies nur dann zu einem Erfolg der Zuschlagsbeschwerde, wenn der Zuschlag auf dem Verfahrensfehler beruht .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Schuldner gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 27. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert beträgt für die Gerichtskosten 42.000 € und für die anwaltliche Vertretung der Schuldner 160.000 €.

Gründe

I.

1

Im Juli 2006 ordnete das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 3 die Zwangsversteigerung des [X.] an und setzte den Verkehrswert im Oktober 2007 auf 160.000 € fest. In dem zweiten Versteigerungstermin versagte es den Zuschlag gemäß § 85a [X.]. Im Oktober 2010 verkauften die Schuldner das Grundstück mit notariellem Vertrag zum Preis von 50.000 € an einen Käufer, zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde. An dem sechsten Versteigerungstermin im November 2010 nahm der Käufer teil, ohne ein Gebot abzugeben. Für die Schuldner erschien niemand. Das Gebot des Meistbietenden betrug 42.000 €. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Vollstreckungsgericht dem Meistbietenden den Zuschlag in dem Versteigerungstermin erteilt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldner, mit der sie die einstweilige Einstellung des Verfahrens beantragt haben, hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wenden sie sich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

2

Das Beschwerdegericht meint, die sofortige Erteilung des Zuschlags in dem Versteigerungstermin sei zwar verfahrensfehlerhaft, weil das [X.] nur etwa 26 % des Verkehrswertes betrage und damit eine Verschleuderung des Grundbesitzes zu befürchten sei. Dies führe aber nicht ohne weiteres zu der Aufhebung des Zuschlags, weil er auch unter Berücksichtigung des [X.] zu erteilen gewesen sei. Der freihändige Verkauf sei wegen des [X.] nicht möglich gewesen, und die Gläubigerin müsse nicht einwilligen. Der in dem Termin anwesende Käufer sei offenbar nicht bereit gewesen, ein Gebot in Höhe des freihändig vereinbarten Kaufpreises von 50.000 € abzugeben. Das [X.] liege im Verhältnis zum Verkehrswert nur unwesentlich unter dem Kaufpreis. Schließlich sei unerheblich, dass der Käufer nach dem Vortrag der Schuldner zum Abschluss eines Mietvertrags mit den Schuldnern bereit gewesen sei. Die Notwendigkeit eines [X.] sei eine mit jedem Zwangsversteigerungsverfahren verbundene Härte.

III.

3

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Ein nach § 100 Abs. 1, 3 [X.] zu berücksichtigender Zuschlagsversagungsgrund liegt nicht vor. Die Rechtsbeschwerde stützt sich ohne Erfolg auf den Versagungsgrund gemäß § 83 Nr. 6 [X.] mit der Überlegung, infolge der verfahrensfehlerhaften Verkündung des Zuschlags im Versteigerungstermin seien die Schuldner an einer günstigeren Verwertung gehindert worden.

4

1. Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es den Zuschlag gemäß § 87 Abs. 1 [X.] in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin verkündet ([X.], Beschluss vom 30. Januar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1074, 1075). Die Kontrolle des [X.] beschränkt sich demzufolge auf Ermessensfehler.

5

a) Aus dem mit dem Zuschlag verbundenen Eingriff in das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG folgt allerdings die Verpflichtung der Gerichte zur Wahrung von Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners und zu einer rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden fairen Verfahrensführung (vgl. nur [X.] 49, 220, 225). Bei einem niedrigen [X.], das einer Verschleuderung gleichkommt, kann das Vollstreckungsgericht verpflichtet sein, gemäß § 87 [X.] einen gesonderten Verkündungstermin anzuberaumen und dem Schuldner dadurch die Möglichkeit einzuräumen, um Rechtsschutz nachzusuchen. Maßgeblich sind insoweit die Umstände des Einzelfalls; allein die Abwesenheit des Schuldners im Versteigerungstermin reicht nicht aus ([X.], Beschluss vom 5. November 2004 - [X.], [X.], 136, 138; Beschluss vom 30. Januar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1074, 1075; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 87 Rn. 6; [X.], § 87 [X.] Rn. 17 ff.; [X.], [X.], 19. Aufl., § 87 Rn. 2.1 jeweils mwN; vgl. auch [X.], Rpfleger 1994, 429; für die [X.] vor Einführung des § 85a [X.] [X.] 46, 325, 333 ff.). In der Rechtsprechung des [X.] ist eine solche Pflicht des Vollstreckungsgerichts nach Einführung des § 85 a [X.] in einem besonders gelagerten Sachverhalt anerkannt worden, bei dem sich das [X.] auf 12 % des Verkehrswertes belief und die Vollstreckung wegen einer geringfügigen Forderung der öffentlichen Hand betrieben wurde ([X.], Beschluss vom 5. November 2004 aaO).

6

b) Hier hatte das Vollstreckungsgericht bei der Ermessensentscheidung einerseits einzubeziehen, dass ein Zuschlag in Höhe von 26 % des Verkehrswertes einer Verschleuderung des Grundbesitzes gleichkam. Auch waren die Schuldner im Termin nicht anwesend. Andererseits handelte es sich bereits um den sechsten Versteigerungstermin nach einer mehr als fünfjährigen Verfahrensdauer. Die Gläubigerin, deren Forderungen den Verkehrswert des Grundstücks überstiegen, beantragte die sofortige Erteilung des Zuschlags in Kenntnis des freihändig geschlossenen Kaufvertrags, während der anwesende Käufer kein Gebot abgab. Seine Zuschlagsentscheidung hat das Vollstreckungsgericht damit begründet, dass eine bessere Verwertungsmöglichkeit angesichts des bisherigen Verlaufs des [X.] nicht zu erwarten gewesen sei. Ob die sofortige Verkündung des Zuschlags angesichts dieser Gesamtumstände - wie das Beschwerdegericht meint -ermessensfehlerhaft war, ist zweifelhaft, kann im Ergebnis aber dahinstehen.

7

2. Selbst wenn nämlich ein solcher Verfahrensfehler unterstellt wird, führt er - wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt - nur dann zu der Versagung des Zuschlags, wenn der Zuschlag auf ihm beruht. Dies ist in der Rechtsprechung geklärt ([X.], Beschluss vom 5. November 2004 - [X.], [X.], 136, 138) und ergibt sich ohne weiteres aus der dienenden Funktion des Verfahrensrechts. Erfolg kann die Zuschlagsbeschwerde danach nur dann haben, wenn sich aus dem Beschwerdevorbringen ein Zuschlagsversagungsgrund ergibt, den die Schuldner bei einer Vertagung der Verkündung mit Erfolg geltend gemacht hätten. Daran fehlt es hier, weil der mit der Beschwerde gestellte [X.] gemäß § 765a ZPO nicht begründet und die Zwangsversteigerung nicht unzulässig im Sinne von § 83 Nr. 6 [X.], § 100 Abs. 1, 3 [X.] war.

8

a) Der Umstand, dass nur ein Viertel des Verkehrswertes erzielt worden ist, reicht für sich genommen nicht aus, um eine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu begründen. Das folgt schon aus der Bestimmung des § 85a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 [X.], nach der der Zuschlag auf ein [X.] unter der Hälfte des Verkehrswertes nur im ersten Termin zu versagen ist. Es müssen Umstände hinzutreten, die mit Wahrscheinlichkeit ein wesentlich höheres Gebot in einem Fortsetzungstermin erwarten lassen ([X.], Beschluss vom 27. Juni 2003 - [X.], NJW-RR 2003, 1648, 1649; Senat, Beschluss vom 16. Juli 2009 - [X.], juris Rn. 14; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 83 Rn. 25; [X.], [X.], 19. Aufl., [X.]. Rn. 55.3 jeweils mwN). Ein nur unerheblich höheres Gebot wäre nicht ausreichend, um das Erlöschen eines sicheren [X.]s zugunsten einer lediglich prognostizierten besseren Verwertung in Kauf zu nehmen. Nur mit dieser Einschränkung werden auch die schutzwürdigen Interessen des Gläubigers in angemessener Weise gewahrt.

9

b) Diese Voraussetzung hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler verneint. Dabei kann dahinstehen, ob ein mögliches Gebot von 50.000 € im Verhältnis zu [X.] und Verkehrswert überhaupt ausreichend wäre, um die [X.] zu erreichen. Denn mit der Beschwerdebegründung haben die Schuldner lediglich auf die Verschleuderung des Grundbesitzes infolge des Zuschlags und auf den möglichen höheren Erlös aus dem freihändigen Verkauf hingewiesen. Sie haben ferner ausgeführt, die Gläubigerin habe mit Schreiben vom 27. September 2010, also vor dem Versteigerungstermin, ihr Einverständnis mit dem Verkauf zum Preis von 50.000 € erklärt. Dagegen haben sie nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Gläubigerin auch im [X.]punkt der Beschwerdebegründung noch mit diesem Verkauf einverstanden sei und sich bereit erklären werde, von dem Zwangsversteigerungsverfahren Abstand zu nehmen. Gegen eine solche Bereitschaft spricht schon der Umstand, dass die Gläubigerin in Kenntnis des freihändig geschlossenen Kaufvertrags die sofortige Erteilung des Zuschlags beantragt hat. Ebenso wenig haben die Schuldner konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Käufer entgegen seinem Verhalten in dem Versteigerungstermin in einem Fortsetzungstermin ein 42.000 € wesentlich übersteigendes Gebot abgeben werde.

c) Soweit sich die Schuldner darauf berufen, der Käufer habe nur deshalb kein Gebot abgegeben, weil er sich zunächst verbindlich mit ihnen darüber habe einigen wollen, dass er im Falle der Ersteigerung den vereinbarten Kaufpreis nicht zusätzlich zahlen müsse, ist dieser Vortrag erstmals mit der Rechtsbeschwerde erfolgt und damit unbeachtlich. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe gegen die Hinweispflicht verstoßen, indem es nicht auf Vortrag zu diesem Punkt hingewirkt habe. Ausweislich des Protokolls hat das Vollstreckungsgericht zu Beginn des Versteigerungstermins mitgeteilt, dass der Kaufvertrag nicht genehmigt worden und wegen Verstoßes gegen das [X.] unbeachtlich sei. Dass der Käufer dennoch kein Gebot abgab, ließ ohne weiteres den Schluss zu, dass er an seinen Erwerbsabsichten nicht festhielt. Es war Sache der Schuldner, in der Beschwerdebegründung darzutun, dass und warum trotz dieses Verhaltens in einem späteren Versteigerungstermin ein höheres Gebot des Käufers zu erwarten sei. Weil das Beschwerdegericht von einer solchen Bereitschaft des Käufers nicht ohne weiteren Vortrag ausgehen konnte, ist auch ohne Belang, dass dieser den Schuldnern vor dem Termin den Abschluss eines langfristigen Mietvertrags angeboten haben soll.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, [X.]Z 170, 378, 381 mwN). Der Gegenstandswert ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags zu bestimmen, der dem [X.] entspricht. Der Wert der anwaltlichen Vertretung richtet sich gemäß § 26 Nr. 2 RVG nach dem Verkehrswert des Grundstücks.

[X.]                                        Stresemann                                      Roth

                     Brückner                                          Weinland

Meta

V ZB 25/11

14.07.2011

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Lüneburg, 27. Dezember 2010, Az: 4 T 138/10, Beschluss

§ 83 Nr 6 ZVG, § 87 ZVG, § 100 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2011, Az. V ZB 25/11 (REWIS RS 2011, 4747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4747

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