Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2012, Az. IV ZB 2/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6188

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

BES[X.]HLUSS
IV ZB 2/12
vom

23. Mai 2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und [X.]

am 23. Mai 2012

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 20.
De-zember 2011 wird auf ihre Kosten verworfen.

[X.]: 4.000

Gründe:

[X.] Die Klägerin begehrt Neuberechnung ihrer Anwartschaft auf [X.] einer Betriebsrente aus der Zusatzversorgung bei der [X.].

Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde am 26.
Oktober 2011 das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts zugestellt. Hiergegen legten sie
mit Schriftsatz vom
28.November 2011 per Telefax Berufung ein. Die an das [X.]
adressierte
Berufungsschrift wurde an die Telefaxnummer des Amtsgerichts gesendet, ging dort am Montag, dem 28.
November 2011,
um 10.37 Uhr ein und wurde an das [X.] weitergeleitet.

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Mit Verfügung vom 30.
November 2011 hat das [X.] die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berufung dort am 29.
November 2011 eingegangen sei und Bedenken gegen
die Einhaltung der Beru-fungsfrist bestünden. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.
Dezember 2011 beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, falls das [X.] weiterhin von einer Versäu-mung
der
Berufungsfrist
ausgehe.

Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausge-führt: Die Berufung sei nicht fristgerecht eingelegt worden, weil der an das unzuständige Amtsgericht übermittelte [X.] bei dem [X.] erst am 29.
November 2011 und damit nach Fristablauf [X.] sei. Die Klägerin habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie an der Wahrung der Berufungsfrist ohne ihr Verschulden gehin-dert gewesen sei. Der Kausalzusammenhang zwischen der fehlerhaften Verwendung der Telefaxnummer des Amtsgerichts und dem Fristver-säumnis sei nicht deshalb unterbrochen, weil das Amtsgericht die Beru-fungsschrift nicht am selben Tag an das [X.] weitergeleitet habe. Dabei komme es nicht darauf an, dass sich das Amtsgericht und das [X.] in demselben Gebäudekomplex befänden. Im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs könne nicht erwartet werden, dass [X.] von der Poststelle ständig auf etwaige [X.] überprüft und gegebenenfalls Maßnahmen zur Weiterlei-tung an das zuständige Gericht veranlasst würden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
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I[X.] Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Sie ist zwar nach den §§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthaft, aber nicht im Übrigen gemäß §
574 Abs.
2 ZPO zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2, 2.
Alt. ZPO)
erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt nicht die Ver-fahrensgrundrechte der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-schutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).

Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht wegen Versäu-mung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen.

1.
Es hat zutreffend angenommen, das
bei ihm der [X.] erst am 29.
November 2011 -
und damit nach Fristablauf
-
eingegangen sei.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommt es für den rechtzeitigen Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes [X.] an, wann das zuständige Gericht die tatsächliche Verfügungsgewalt über das eingegangene Schriftstück erhalten hat ([X.], Beschlüsse vom 28.
Januar 2003
[X.], juris Rn.
7
m.w.N.; vom 18.
Februar 1997

[X.], NJW-RR 1997, 892
unter [X.]). Ein beim Faxgerät eines anderen Gerichts eingegangener Schriftsatz ist zum Zeitpunkt des [X.] noch nicht bei dem zuständigen Gericht angekommen ([X.], [X.] vom 28.
Januar 2003 aaO). Entscheidend ist, wann der [X.] nach Weiterleitung durch das zunächst angegangene Gericht tat-sächlich in die Verfügungsgewalt des zuständigen Gerichts gelangt (vgl. 6
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5
-

[X.], Beschluss vom 28.
Februar 1989 -
IX ZB 96/88, juris Rn.
5). Dies gilt auch dann, wenn der Schriftsatz an das zuständige Gericht adres-siert ist,
aber versehentlich an ein anderes Gericht per Telefax übermit-telt wird (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 28.
Januar 2003 aaO; vom 26.
Mai 1994 -
III ZB 35/93, NJW 1994, 2300). Wird ein Schriftsatz bei einer ge-meinsamen [X.] mehrerer Gerichte eingereicht, so ist er mit der Einreichung bei dem Gericht eingegangen, an das er adressiert ist. Nur
dieses Gericht erlangt mit dem Eingang des Schriftstücks die tatsächli-che Verfügungsgewalt (Senatsbeschluss vom 2.
März 2010
IV ZB 15/09, juris Rn.
6; [X.], Beschlüsse vom 27.
Juli 2000 -
III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730 unter [X.]; vom 18.
Februar 1997 aaO; vom 12.
Ok-tober 1995 -
VII ZR 8/95, NJW-RR 1996, 443 unter [X.]; vom 10.
Januar 1990
[X.]/89, NJW 1990, 990 unter [X.]; jeweils m.w.N.).

b) Die Berufungsschrift war zwar an das zuständige [X.] adressiert, gelangte aber in dessen Verfügungsgewalt noch nicht mit dem Eingang beim [X.] des Amtsgerichts.
Insoweit beruft sich die Klägerin ohne Erfolg auf die Einreichung bei einer gemeinsamen Posteingangsstelle. Auch wenn
wie die Beschwerde geltend macht

das Amtsgericht und das
[X.] eine gemeinsame [X.] für eingehende Schriftstücke,
einen einheitlichen Telefon-
und Telefaxan-schluss und eine zentrale Rufnummer haben, verfügt das Amtsgericht jedenfalls über eine eigene Telefaxnummer, die ihm nicht nur intern zu-geordnet ist, sondern im Schriftverkehr nach außen angegeben wird. Mit der Übermittlung der Berufungsschrift an die Telefaxnummer des [X.] hat daher nur dieses, nicht aber das [X.] die Verfü-gungsmacht über das Schriftstück erlangt.

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c) Eine
abweichende Regelung dergestalt, dass die Telefaxnum-mern des Amtsgerichts und des [X.]s einer gemeinsamen Tele-fax-
und Eingangsstelle
zugeordnet sind, bestand
anders als in dem der Entscheidung des [X.] vom 9.
Oktober 2007
NJW-RR 2008, 446) zugrunde liegenden Fall
-
nicht. Dort war in einer gemeinsamen Verfügung der Leiter der Justizbehörden
vorgegeben, dass die
[X.]e
des [X.]s und des [X.] zu einer gemeinsamen Post-
und Faxannahmestelle gehörten,
die als Ge-schäftsstelle sämtlicher angeschlossener Gerichte und Behörden gelte. Eine solche Bestimmung hat zur Folge, dass ein per Telefax übermittel-ter und an das zuständige Gericht adressierter Schriftsatz auch dann in die Verfügungsgewalt dieses Gerichts gelangt ist, wenn für die Übermitt-lung versehentlich die Telefaxnummer einer anderen in den Behörden-
und Gerichtsverbund einbezogenen Stelle gewählt worden ist ([X.] aaO 447). Dass eine entsprechende Verfügung für das hier zuständige [X.] und das Amtsgericht getroffen wurde, ist weder von der Be-schwerdeführerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

2.
Die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Berufungsgericht der Klägerin zutreffend versagt.
Sie hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie an der Wahrung der [X.] ihr Verschulden gehindert war. Die Ursächlichkeit eines daher anzu-nehmenden Verschuldens der Klägerin für die Fristversäumung entfällt nicht deshalb, weil das Amtsgericht die Berufungsschrift nicht am selben Tag an das [X.] weitergeleitet hat.

a) Wird ein fristgebundener Schriftsatz bei einem unzuständigen Gericht eingereicht, wirkt sich ein etwaiges Verschulden der [X.] oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht auf die Fristversäumung aus, wenn 12
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die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. Geht der [X.] gleichwohl nicht fristgerecht beim Rechtsmittelgericht ein, muss
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon gewährt wer-den, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht ([X.], Be-schlüsse
vom 27.
Juli 2000 aaO unter [X.] b bb; vom 12.
Oktober 1995 aaO unter [X.] b; jeweils m.w.N.; [X.]E 93, 99, 115). Ein unzuständi-ges Gericht ist allerdings nur verpflichtet, bei ihm eingereichte fristge-bundene Schriftsätze für ein Rechtsmittelverfahren im ordentlichen Ge-schäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten ([X.], Beschlüsse vom 17.
August 2011
-
XII [X.], NJW 2011, 3240 Rn.
23; vom 28.
Januar 2003 aaO Rn.
8; vom 26.
Oktober 2000
[X.], juris Rn.
6; jeweils m.w.N.; vom 27.
Juli 2000 aaO; vom 11.
Fe-bruar 1998
[X.], NJW 1998, 2291 unter [X.] c; vom 1.
Dezem-ber 1997
[X.], NJW 1998, 908 unter [X.]; [X.]E 93
aaO).

b) Hier hat
das Amtsgericht
den bei ihm eingegangenen [X.] umgehend an das [X.] weitergeleitet. Es war, auch wenn es sich in demselben Gebäudekomplex wie das [X.] befindet, nicht verpflichtet, den Schriftsatz so schnell weiterzuleiten, dass er noch am selben Tag bei dem [X.] einging. Im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs kann nicht erwartet werden,

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dass eingehende [X.] umgehend auf die zutreffende [X.] und die Verwendung der richtigen Telefaxnummer überprüft und gegebenenfalls sofort an das zuständige Gericht weitergeleitet werden.

[X.]
[X.]
[X.]

[X.]
Karczweski
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.10.2011 -
48 [X.] 2302/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 20.12.2011 -
1 [X.]/11 -

Meta

IV ZB 2/12

23.05.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.05.2012, Az. IV ZB 2/12 (REWIS RS 2012, 6188)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6188

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