Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2010, Az. V ZB 122/09

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7556

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Gegenstand

Wirksamkeit der Zustellung an einen unerlaubte Rechtsberatung betreibenden Bevollmächtigten und konstitutive Wirkung eines diesen vom Verfahren ausschließenden Beschlusses


Leitsatz

Zustellungen an einen gegen Art. 1 § 1 RBerG verstoßenden Bevollmächtigten sind bis zu dessen Zurückweisung durch das Gericht wirksam (vgl. nunmehr auch § 79 Abs. 3 Satz 2 ZPO); ein den Bevollmächtigten vom Verfahren ausschließender Beschluss wirkt konstitutiv und entfaltet keine Rückwirkung.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 8. Juli 2009 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 6.880.000 €.

Gründe

I.

1

[X.] hat die Zwangsversteigerung der im Rubrum näher bezeichneten Grundstücke der Schuldnerin angeordnet. Diese ist im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen unter ihrer früheren Firma, der [X.]. Die Vollstreckungstitel sind dem Bevollmächtigten der Schuldnerin, dem Assessoren [X.], zugestellt worden. Gestützt zunächst auf die Auffassung, sämtliche Zustellungen an diesen seien wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 des [X.]es ([X.]) unwirksam, hat das Vollstreckungsgericht den Versteigerungstermin aufgehoben und das Verfahren zur Nachholung ordnungsgemäßer Zustellungen einstweilen eingestellt.

2

Mit Beschluss vom 31. März 2009 hat es die Fortsetzung des Verfahrens mit der Begründung angeordnet, eine Überprüfung der Rechtslage habe ergeben, dass ein Verstoß gegen das [X.] nicht die Unwirksamkeit der Zustellungen zur Folge habe. Der Ausschluss eines Bevollmächtigten von dem weiteren Verfahren wirke nur für die Zukunft und lasse die Wirksamkeit davor liegender Prozesshandlungen und Zustellungen unberührt. Die gegen die Fortsetzung des Verfahrens gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Schuldnerin die Aufhebung des „gesamten Verfahrens“ erreichen.

II.

3

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Fortsetzung des [X.] ist nicht zu beanstanden.

4

1. Ein zur Aufhebung des Verfahrens führender [X.] im Sinne von § 28 Abs. 2 [X.] liegt nicht vor. Die an den Bevollmächtigten D. bewirkten Zustellungen sind wirksam. Der in Rede stehende Verstoß gegen Art. 1 § 1 [X.] führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

5

a) Für die – hier maßgebliche – Rechtslage nach dem [X.] entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Prozesshandlungen nicht ohne weiteres unbeachtlich sind, wenn der Bevollmächtigte gegen Art. 1 § 1 [X.] verstößt (vgl. [X.] NJW 2004, 1373, 1374; [X.], 275, 281). Ein den Bevollmächtigten vom Verfahren ausschließender Beschluss wirkt konstitutiv und entfaltet keine Rückwirkung ([X.], aaO; Rennen/[X.], [X.], 3. Aufl., Art. 1 § 1 [X.]. 199; jeweils m.w.[X.]). Für Zustellungen gilt nichts anders. Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber unter bewusster Fortschreibung dieser Rechtslage (vgl. BT-Drucks. 16/3655, [X.]) nunmehr für das seit dem 1. Juli 2008 geltende Recht eine ausdrückliche Regelung geschaffen hat, wonach nicht nach § 79 Abs. 2 ZPO zur Vertretung befugte Prozessbevollmächtigte zurückzuweisen sind, die bis dahin vorgenommenen Rechtshandlungen und Zustellungen aber wirksam bleiben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 u. 2 ZPO).

6

b) Dies schließt es allerdings nicht aus, dass eine Prozessvollmacht bei Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände gleichwohl unwirksam sein kann. Das hat dann zur Folge, dass auch die namens des Vertretenen vorgenommene Prozesshandlung keine Rechtswirkungen entfaltet. So hat der [X.] wiederholt entschieden, dass die prozessualen Grundsätzen unterstehende Vollstreckungsunterwerfung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO durch einen gegen Art. 1 § 1 [X.] verstoßenden Treuhänder im Hinblick auf die besonderen Gefahren unwirksam ist, die mit der Vollstreckungsunterwerfung verbunden sind (vgl. dazu etwa [X.], 283, 286 f. m.w.[X.]). Es erscheint nicht hinnehmbar, dass ein gegen Art. 1 § 1 [X.] verstoßender Bevollmächtigter zu Lasten des Vertretenen für den Vertretenen zwar keine materiellrechtliche Verpflichtung nach 780 BGB begründen kann (§ 134 BGB), er aber in der Lage sein soll, einen – ungleich gefährlicheren – Vollstreckungstitel zu schaffen ([X.], Urt. v. 29. Oktober 2003, [X.], NJW 2004, 841, 843). Damit sind Zustellungen in einem gerichtsförmigen Verfahren nicht zu vergleichen. Das gilt vorliegend umso mehr, als die Rechtsbeschwerde weder rügt noch darlegt, dass die Schuldnerin infolge der an [X.] bewirkten Zustellungen an einer effektiven Rechtsverteidigung gehindert worden ist. Das ist auch nicht ersichtlich.

7

2. Schließlich steht der Fortsetzung des Verfahrens nicht entgegen, dass die Gläubigerin entgegen dem die einstweilige Einstellung des Verfahrens anordnenden Beschluss nicht innerhalb der gewährten Frist von vier Monaten die Zustellung an die Schuldnerin selbst herbeigeführt hat. Es ist anerkannt, dass das Vollstreckungsgericht bei der Entscheidung der Frage, ob das Verfahren aufzuheben oder fortzusetzen ist, von einer Aufhebung absehen muss, wenn der [X.] zwar erst nach Fristablauf, aber noch vor der Entscheidung behoben wird (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.] u.a., [X.], 13. Aufl., § 28 [X.]. 45). Das gilt erst recht, wenn das Vollstreckungsgericht aufgrund erneuter Durchdringung der Rechtslage zu dem (zutreffenden) Schluss gelangt, dass ein [X.] nicht vorliegt.

III.

8

[X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, weil Streitigkeiten um die Anordnung, Einstellung, Aufhebung und Fortsetzung des Verfahrens regelmäßig kontradiktorisch ausgestaltet sind (vgl. Senat, [X.]Z 170, 378, 381).

[X.]                               Klein                                 [X.]

                    Czub                                [X.]

Meta

V ZB 122/09

15.04.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Potsdam, 8. Juli 2009, Az: 5 T 382/09, Beschluss

Art 1 § 1 RBerG, § 79 Abs 3 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.04.2010, Az. V ZB 122/09 (REWIS RS 2010, 7556)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7556

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZB 14/19

I ZB 8/17

V ZB 122/09

V ZB 121/09

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