Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.08.2023, Az. VIII ZR 428/21

8. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 10455

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten als unzulässig zu verwerfen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin verpflichtete sich mit Vertrag vom 10. November 2016 gegenüber dem Beklagten, eine bestimmte Anzahl von Verstärkerplatten für Scharniere von Fahrzeugtüren (sogenannte Plates) an eine Auftraggeberin des Beklagten zu liefern. Nachdem die Lieferung erfolgt war, rügte der Beklagte, dass ein Teil der Plates mangelhafte Gewinde aufweise. Die Klägerin versprach Nacherfüllung, verlangte aber vorab die Bezahlung des anteiligen Preises (in Höhe von 4.387,56 €) für diejenigen gelieferten Plates, die nicht bemängelt wurden. Dem kam der Beklagte nach. Die Klägerin nahm die zugesagte Nacherfüllung indes - auch nachdem der Beklagte sie unter Fristsetzung dazu aufgefordert hatte - nicht vor. In der Folge erklärte der Beklagte den teilweisen Rücktritt vom Vertrag.

2

Die Klägerin hat sich auf den Standpunkt gestellt, die von ihr gelieferten Plates seien mangelfrei gewesen, und hat die Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 5.612,44 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Der Beklagte hat geltend gemacht, ihm seien infolge der Mangelhaftigkeit der Plates ein - bereits bezifferbarer - Schaden in Form entgangenen Gewinns aus dem Geschäft mit seiner Auftraggeberin in Höhe von 2.766,39 € entstanden sowie deshalb weitere Gewinne in fünfstelliger Größenordnung entgangen, weil es sich bei dem in Rede stehenden Auftrag um einen Testlauf gehandelt habe, dem eine jahrelange Produktionsserie habe folgen sollen. Er hat widerklagend außer der Zahlung des genannten Betrags nebst Zinsen sowie der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten die Feststellung begehrt, dass die Klägerin verpflichtet sei, ihm jeden Schaden zu ersetzen, der Folge des Unterlassens einer Nachbesserung derjenigen gelieferten Plates sei, die mangelhaft gewesen seien.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin - unter deren Abweisung im Übrigen - zur Zahlung von 1.437 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung der - noch nicht bezahlten und nach Meinung des Beklagten mangelhaften - Plates verurteilt. Die Berufung des Beklagten, mit der er sich gegen die Abweisung seiner [X.] und im Hinblick auf seine Zahlungswiderklage ausschließlich gegen die im Wege der Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgte Teilabweisung seines auf uneingeschränkte Verurteilung gerichteten [X.] gewendet hat, hat keinen Erfolg gehabt. Die Revision hat das [X.] nicht zugelassen. Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Beklagte sein zweitinstanzliches Begehren weiter.

II.

4

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Denn der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt 20.000 € nicht (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

5

a) Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO zu ermitteln (Senatsbeschlüsse vom 18. April 2023 - [X.], juris Rn. 9; vom 6. Dezember 2022 - [X.], juris Rn. 6; vom 12. Oktober 2021 - [X.], NJW 2022, 194 Rn. 15; vom 26. Januar 2021 - [X.], juris Rn. 8; jeweils mwN). Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden (Senatsbeschlüsse vom 18. April 2023 - [X.], aaO; vom 6. Dezember 2022 - [X.], aaO; vom 12. Oktober 2021 - [X.], aaO; vom 26. Januar 2021 - [X.], aaO; jeweils mwN). Als Grundlage hierfür dienen nur solche Tatsachen, die der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist dargelegt und glaubhaft gemacht hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2022 - [X.], aaO; vom 30. März 2021 - [X.], juris Rn. 4 mwN) oder die jedenfalls in Verbindung mit der Berufungsentscheidung offenkundig sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Dezember 2022 - [X.], aaO; vom 24. März 2022 - [X.], NJW 2022, 2195 Rn. 7).

6

Entscheidend für die Bewertung der Beschwer einer Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht beziehungsweise - in den Fällen einer Berufungszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO - der Zeitpunkt, bis zu dem das Berufungsgericht Vortrag der Parteien bei seinem Beschluss berücksichtigen musste ([X.], Urteil vom 28. Juli 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1528 Rn. 13 mwN; Beschluss vom 14. Februar 2023 - [X.], juris Rn. 5), und zwar nach Maßgabe der dem Parteivorbringen zu diesem Zeitpunkt zugrundeliegenden tatsächlichen Angaben zum Wert (Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2021 - [X.], NJW 2022, 194 Rn. 15; vom 1. März 2016 - [X.], juris Rn. 2). Dem Beschwerdeführer ist es verwehrt, im [X.] die von ihm gemachten Angaben zu korrigieren, um die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu überschreiten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Mai 2013 - [X.], NJW-RR 2013, 1402 Rn. 3; vom 1. März 2016 - [X.], aaO; vom 19. Oktober 2017 - [X.], juris Rn. 5; vom 17. November 2020 - [X.], juris Rn. 5; vom 2. Dezember 2021 - [X.]/21, juris Rn. 5; jeweils mwN). Hat er insoweit keine verlässlichen oder vollständigen Angaben gemacht und hat das Berufungsgericht den Streitwert deshalb unter Zugrundelegung seiner unvollständigen Angaben geschätzt, so ist er ebenfalls gehindert, die diesem Streitwertbeschluss zugrundeliegenden Annahmen mit neuem Vortrag in Frage zu stellen, um den Wert der Beschwer zu erhöhen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Mai 2013 - [X.], aaO; vom 2. Dezember 2021 - [X.]/21, aaO).

7

b) Mit der Revision, deren Zulassung der Beklagte erstrebt, verlangt er einerseits die Beseitigung der im landgerichtlichen Urteil - hinsichtlich des ihm zuerkannten Zahlungsanspruchs - ausgesprochenen Zug-um-Zug-Verurteilung und verfolgt andererseits sein bislang erfolgloses Feststellungsbegehren weiter. Der sich daraus ergebende Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt den Betrag von 20.000 € entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht.

8

aa) Noch zutreffend geht die Nichtzulassungsbeschwerde davon aus, dass die Beschwer des Beklagten im Hinblick auf die Zug-um-Zug-Verurteilung, deren Beseitigung er erstrebt, mit (höchstens) 1.437 € zu bemessen ist.

9

Das Interesse einer Partei an der Beseitigung einer - mit einer Teilabweisung ihres [X.] auf uneingeschränkte Verurteilung verbundenen - Zug-um-Zug-Verurteilung bemisst sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, weshalb es grundsätzlich auf den Wert der zu erbringenden Gegenleistung ankommt (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 8. Mai 2007 - [X.], [X.], 395 unter 2 a; vom 7. April 2009 - [X.], NJW-RR 2010, 492 Rn. 2; siehe auch [X.], Beschluss vom 6. Juli 2010 - [X.], [X.], 1673 Rn. 8 ff. [zur Berufungsbeschwer]). Der Wert des [X.] ist nach der Rechtsprechung des [X.] allerdings stets durch den Wert des [X.] nach oben begrenzt (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 7. April 2009 - [X.], aaO; vom 2. Februar 2017 - [X.], juris Rn. 2; jeweils mwN; vgl. auch [X.], Beschluss vom 9. März 2017 - [X.], juris Rn. 6).

Danach scheidet insoweit eine Bewertung der Beschwer des Beklagten mit mehr als 1.437 € - wie auch die Nichtzulassungsbeschwerde erkennt - schon deshalb aus, weil die Klägerin (lediglich) zur Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von näher bezeichneten Plates, verurteilt worden ist.

bb) [X.] des Beklagten infolge der Abweisung seines daneben geltend gemachten Feststellungsbegehrens ist unter Zugrundelegung des insoweit maßgeblichen Vorbringens der Nichtzulassungsbeschwerde entgegen ihrer Auffassung nicht mit 19.600 €, sondern - wegen des bei einer positiven Feststellungsklage stets vorzunehmenden Abschlags von 20 Prozent - mit (nur) 15.680 € zu bemessen.

(1) Die Nichtzulassungsbeschwerde führt zur diesbezüglichen Beschwer des Beklagten unter Heranziehung der Begründung des [X.]s für die - vom Berufungsgericht insoweit übernommene - Festsetzung des Streitwerts der [X.] auf 19.600 € aus, der dem Beklagten - aus seiner Sicht infolge einer Pflichtverletzung der Klägerin - entgangene Gewinnanteil habe 20 Prozent des Werts der Lieferung von weiteren 3.500 Satz Plates in Höhe von insgesamt 98.000 €, mithin 19.600 € betragen.

Ausgehend hiervon lässt die Nichtzulassungsbeschwerde außer [X.], dass sich der Streitwert - was auch die Vorinstanzen übersehen haben - für den diesbezüglichen Widerklageantrag und ebenso die vorliegend hiermit übereinstimmende Beschwer des Beklagten mit Blick darauf, dass dieser nicht eine Leistungsklage, sondern eine positive Feststellungsklage erhoben hat, unter Berücksichtigung eines Abschlags in Höhe von 20 Prozent bemisst (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 26. Januar 2021 - [X.], juris Rn. 20 mwN; vom 21. Februar 2017 - [X.], [X.], 2343 Rn. 12, 18). Es ergibt sich hier demnach hinsichtlich der - bisher erfolglosen - [X.] des Beklagten eine Beschwer von (nur) 15.680 €.

(2) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde andeutet, die Vorinstanzen hätten den mit der [X.] geltend gemachten, im [X.] ermittelten entgangenen Gewinn des Beklagten möglicherweise auch mit einem höheren Betrag ansetzen können, etwa weil die Auftraggeberin des Beklagten - den Angaben eines vom [X.] vernommenen Zeugen zufolge - über einen Zeitraum von zumindest zehn Jahren etwa 100 bis 125 Satz Plates pro Woche bei dem Beklagten habe bestellen wollen, ist dieses Vorbringen nach Maßgabe der oben aufgezeigten Rechtsprechungsgrundsätze für die hiesige Bemessung der Beschwer des Beklagten ohne Belang. Denn die Bewertung des von dem Beklagten mit seiner [X.] geltend gemachten entgangenen Gewinns durch das Berufungsgericht, das insoweit der Beurteilung durch das [X.] gefolgt ist, beruhte auf der in der [X.] gemachten Angabe des Beklagten, seine Auftraggeberin hätte im Fall der vertragsgemäßen Leistung durch die Klägerin "bis dato [weitere] 3.500 bis 4.000 Satz" Plates bei ihm bestellt; den hierauf entfallenden Gegenstandswert hat der Beklagte dort mit gut 12.000 € angegeben.

Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass er dem Umstand, dass das [X.] und ihm folgend das Berufungsgericht den behaupteten entgangenen Gewinn des Beklagten daraufhin unter Zugrundelegung eines (fiktiven) Auftragsvolumens von 3.500 Plates mit 19.600 € (20 % von 98.000 €) bemessen hat, in den Vorinstanzen entgegengetreten wäre.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Dr. Bünger     

      

Kosziol     

      

Wiegand

      

Dr. Matussek     

      

Messing     

      

Hinweis:

Das Verfahren ist aufgrund Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen worden.

Meta

VIII ZR 428/21

08.08.2023

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 4. November 2021, Az: 19 U 120/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.08.2023, Az. VIII ZR 428/21 (REWIS RS 2023, 10455)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10455

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 26/22 (Bundesgerichtshof)

Nichtzulassungsbeschwerde: Bemessung des Beschwerdewerts bei Klage gegen den Wohnungsmieter auf Duldung von Modernisierungs- und Instantsetzungsmaßnahmen


VIII ZR 33/22 (Bundesgerichtshof)

Nichtzulassungbeschwerde: Wert der Beschwer bei Verurteilung eines Wohnraummieters zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen sowie Instandsetzungsarbeiten


VIII ZR 30/22 (Bundesgerichtshof)

Nichtzulassungbeschwerde: Wert der Beschwer bei Verurteilung eines Wohnraummieters zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen sowie Instandsetzungsarbeiten


VIII ZR 36/22 (Bundesgerichtshof)

Nichtzulassungbeschwerde: Wert der Beschwer bei Verurteilung eines Wohnraummieters zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen sowie Instandsetzungsarbeiten


VIII ZR 22/23 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.