Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.02.2021, Az. 2 BvR 1038/20

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2021, 8322

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsbeschwerde in einer strafprozessualen Wiederaufnahmesache wegen Subsidiarität sowie mangels hinreichender Substantiierung unzulässig


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

1. Das [X.] verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 10. Mai 1995 wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. In derselben Entscheidung verurteilte das [X.] auch die mitangeklagte Täterin. Die beiden Angeklagten legten Berufung ein, die das [X.] mit Urteil vom 4. Dezember 1995 auf Grundlage eigener Feststellungen verwarf.

2

2. Mit Schriftsatz vom 23. April 2019 hat der Beschwerdeführer nach § 364b StPO die Beiordnung eines Verteidigers zur Vorbereitung eines [X.] beantragt. Er, der Beschwerdeführer, habe sich in der Tatzeit in Haft befunden. Daraus ergebe sich, dass er die Tat nicht begangen haben könne.

3

3. Das [X.] hat den Antrag mit Beschluss vom 12. Juni 2019 abgelehnt. Der Beschwerdeführer berufe sich auf Feststellungen des Berufungsurteils, die sein eigenes Verfahren nicht beträfen. Im Umfang der Feststellungen sei das Urteil des [X.] in Rechtskraft erwachsen.

4

4. Seine gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegte Beschwerde hat der Beschwerdeführer dahingehend begründet, das Urteil des [X.] sei nur im Tenor in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen sei es aber durch die Feststellungen des Berufungsgerichts "obsolet" geworden.

5

Das [X.] hat die Beschwerde mit hier angefochtenem Beschluss vom 3. Dezember 2019, dem Beschwerdeführer zugestellt am 6. Mai 2020, verworfen. Die Entscheidung des Amtsgerichts sei zu Recht und mit zutreffender Begründung ergangen. Ergänzend sei zu bemerken, dass die behauptete Inhaftierung keine neue Tatsache im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO sei. Im Urteil des [X.] vom 10. Mai 1995 seien "die Vorverurteilungen des Beschwerdeführers und damit auch seine Inhaftierung" ausdrücklich festgestellt worden.

6

Mit seiner am 9. Mai 2020 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, dass die angegriffene Entscheidung des [X.] willkürlich sei. Das Berufungsurteil habe auch ihn, den Beschwerdeführer, betroffen. Zudem seien im Urteil des [X.] vom 10. Mai 1995 keine [X.] festgestellt worden.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

8

1. Soweit der Beschwerdeführer rügt, das [X.] sei - durch Bezugnahme auf die vorangehende amtsgerichtliche Entscheidung - zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Berufungsurteil den Beschwerdeführer nicht betreffe, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht dem Grundsatz der Subsidiarität. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität soll der gerügte Grundrechtsverstoß nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden (vgl. [X.] 63, 77 <78>). Danach hat ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. [X.] 68, 384 <389>; 81, 22 <27>). Der Beschwerdeführer muss deshalb von den fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten in einer Weise Gebrauch machen, die gewährleistet, dass sich das Fachgericht mit seinem Vorbringen sachlich auseinandersetzt (vgl. [X.] 91, 93 <107>).

9

Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht, weil sich der Beschwerdeführer gegen die angefochtene Entscheidung nicht zunächst mit der Anhörungsrüge nach § 33a StPO gewandt hat. Dazu bestand aber deswegen Anlass, weil der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung konkret gerügt hatte, dass das Berufungsurteil auch ihm gegenüber ergangen sei. Diese Rüge erscheint mit Blick auf die Berufungsentscheidung, die der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde vorgelegt hat, nicht als von vornherein unbegründet. Gleichwohl ist das [X.] auf die erhobene Rüge nicht eingegangen, sondern hat lediglich auf die "zutreffende Begründung" des Amtsgerichts verwiesen. Aufgrund des Inhalts der Berufungsentscheidung bestand indes Anlass zu einer eingehenderen Auseinandersetzung mit der erhobenen Rüge. Weil das [X.] durch seinen Verweis auf die festgestellten [X.] eine möglicherweise selbstständig tragende eigene Begründung für seine Entscheidung gegeben hat, ist zwar fraglich, ob der Gehörsverstoß auch, wie § 33a StPO fordert, entscheidungserheblich war. Dies erscheint aber auch nicht ausgeschlossen, weil das [X.] das Verhältnis der Argumente zueinander nicht weiter beschrieben hat.

2. Soweit der Beschwerdeführer rügt, das [X.] sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das [X.] in seinem Urteil vom 10. Mai 1995 [X.] festgestellt habe, hat er die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten gemäß §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] allerdings nicht hinreichend substantiiert und schlüssig dargelegt. Es trifft zwar zu, dass das vorgelegte Urteil des [X.] ausdrücklich lediglich Ausführungen zu den im Bundeszentralregister eingetragenen Vorstrafen und - teilweise - zum [X.] sowie zur Erledigung der Vollstreckung enthält, nicht aber zu [X.]. Ob aus den Ausführungen des [X.] Rückschlüsse hinsichtlich der [X.] möglich sind, auf die sich das [X.] in der hier angefochtenen Entscheidung bezogen haben könnte, kann jedoch aufgrund des unzureichenden Vorbringens in der Verfassungsbeschwerde nicht abschließend geprüft werden. Der Beschwerdeführer teilt insbesondere nicht mit, in welcher Sache er sich zur Tatzeit in Haft befunden haben will. Zudem legt er den Entlassungsschein der Justizvollzugsanstalt nicht vor, auf den er in seinem Wiederaufnahmeantrag Bezug genommen hat. Es ist deswegen nicht vollständig nachvollziehbar, auf welcher Informationsgrundlage das [X.] seine Entscheidung getroffen hat (zur Vorlageobliegenheit hinsichtlich maßgeblicher Dokumente vgl. nur [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2017 - 2 BvR 2019/17 -, Rn. 10 m.w.N.).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1038/20

26.02.2021

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Ulm, 3. Dezember 2019, Az: 3 Qs 58/19, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 33a StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.02.2021, Az. 2 BvR 1038/20 (REWIS RS 2021, 8322)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8322

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2 BvR 2019/17

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