Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 01.10.2018, Az. 2 BvR 1649/18

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2018, 3239

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Antragsgegner eines Teilungsversteigerungsverfahrens hat unmittelbar aus der Eigentumsgarantie einen Anspruch auf faire Verfahrensführung - Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bzgl eines Grundbuchberichtigungsanspruchs bei noch ausstehender fachgerichtlicher Klärung entscheidungserheblicher Fragen (hier: Wirksamkeit einer letzwilligen Verfügung)


Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1

Die [X.]beschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenden sich gegen zwei Entscheidungen des [X.], die einen von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Grundbuchberichtigungsanspruch zum Gegenstand haben.

2

1. Die Beschwerdeführerin verfolgt im Ausgangsverfahren im Wege der einstweiligen Verfügung einen Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs gegen das Miteigentum der Antragsgegner an einer Immobilie. Sie hat mit ihrem Lebensgefährten M., der am 13. Juni 2013 verstorben ist (im Folgenden: Erblasser), die [X.] in [X.] bewohnt. Die Immobilie stand im jeweils hälftigen Eigentum der Beschwerdeführerin und des Erblassers. Im handschriftlichen Testament des Erblassers vom 4. November 2009, über dessen Wirksamkeit Streit besteht, wurde die [X.] als Erbe eingesetzt. Der Beschwerdeführerin wurden mehrere Vermächtnisse aus dem Testament zugewendet. Hierzu gehört auch der hälftige Miteigentumsanteil des Erblassers an der [X.] in [X.]

3

Den Kindern des Erblassers, die im Ausgangsverfahren die Antragsgegner sind, wurde am 5. November 2013 ein Erbschein erteilt, wonach der Erblasser von ihnen jeweils zur Hälfte beerbt wurde. Aufgrund dieses Erbscheins wurden die Antragsgegner im Ausgangsverfahren in Erbengemeinschaft je zur Hälfte anstelle des Erblassers im Grundbuch eingetragen. Mit [X.] vom 13. Oktober 2014 haben die Antragsgegner die Anordnung der Teilungsversteigerung zur Aufhebung der Grundstückseigentümergemeinschaft an der in Rede stehenden Immobilie beantragt. Das [X.] beraumte den Termin zur Zwangsversteigerung auf den 18. Mai 2018 an. Der Termin wurde zwischenzeitlich aufgehoben, ohne dass das Verfahren eingestellt wurde. Die Beschwerdeführerin hat gegen die angeordnete Teilungsversteigerung [X.] beim [X.] erhoben, das die Teilungsversteigerung mit Beschluss vom 1. Februar 2016 - 33 O 1732/14 - gegen Sicherheitsleistung von 280.000 Euro einstweilen eingestellt und das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.] - 3 O 8/15 -, in welchem die Beschwerdeführerin von den Kindern als formell legitimierten Erben die Erfüllung des [X.] bezogen auf den hälftigen Miteigentumsanteil der in Rede stehenden Immobilie gerichtlich fordert, ausgesetzt hat.

4

Mit Urteil vom 26. April 2018 - 3 O 8/15 - hat das [X.] die Klage der Beschwerdeführerin auf Erfüllung des Vermächtnisses mit der Begründung abgewiesen, die Beklagten (Kinder des Erblassers) seien trotz Erbscheins materiell nicht Erben, sondern die [X.], sodass die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten abzuweisen sei. Daneben wurde der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen, wonach festgestellt werden sollte, dass die Beklagten nicht Erben des Erblassers geworden seien, da wegen doppelter Rechtshängigkeit ein Verstoß gegen § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vorliege.

5

Mit Beschluss vom 14. Mai 2018 - 3 O 103/18 - hat das [X.] den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin begehrte die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch von [X.] zu dem in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Grundbesitz [X.]. Die Beschwerdeführerin habe die Grundbuchunrichtigkeit nicht glaubhaft machen können, da sich aus dem Urteil des [X.] vom 26. April 2018 - 3 O 8/15 - nicht ergebe, dass der Erbschein vom 5. November 2013 materiell unrichtig und die Antragsgegner (Kinder des Erblassers) nicht Erben geworden seien. Der sofortigen Beschwerde der Beschwerdeführerin hat das [X.] mit Beschluss vom 17. Mai 2018 - 3 O 103/18 - nicht abgeholfen und dem [X.] die Akte zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt. Mit Beschluss vom 24. Mai 2018 - 19 W 30/18 - hat das [X.] die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Nach Ansicht des [X.] ist die Beschwerdeführerin zur Geltendmachung eines Grundbuchberichtigungsanspruchs (§ 894 BGB) nicht aktivlegitimiert. Ihr stehe weder ein dingliches Recht an dem hälftigen Miteigentumsanteil des Erblassers zu, noch beeinträchtige die Eintragung der Antragsgegner (Kinder des Erblassers) als (Mit-)Eigentümer des hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an der Immobilie ihre Eigentümerstellung an dem anderen Miteigentumsanteil. Einen Berichtigungsanspruch habe nur der wirkliche Rechtsinhaber. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge hat das [X.] mit Beschluss vom 26. Juni 2018 - 19 W 30/18 - zurückgewiesen. Nach Auffassung des [X.] hätte die Beschwerdeführerin davon ausgehen müssen, dass der Senat auch ihre Aktivlegitimation prüfen werde. Überdies sei die [X.] auch materiell nicht begründet, da die Beschwerdeführerin sich zu Unrecht auf § 1011 BGB berufe, denn die Beschwerdeführerin sei an der für die Antragsgegner eingetragenen Miteigentumshälfte gerade nicht mitberechtigt.

6

Im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt die Beschwerdeführerin, die Zwangsversteigerung wegen des Anspruchs auf Aufhebung der Gemeinschaft des im Grundbuch des [X.] eingetragenen in Rede stehenden Grundeigentums bis zur Entscheidung über die [X.]beschwerde der Beschwerdeführerin auszusetzen.

7

2. Mit ihrer [X.]beschwerde rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Verletzung ihrer Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.

8

Die [X.]beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 [X.]), weil sie unzulässig ist.

9

Die [X.]beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist unzulässig. Ihr steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen (§ 90 Abs. 2 [X.]).

1. Aus dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der [X.]beschwerde folgt, dass der Rechtsweg solange nicht erschöpft ist, als der Beschwerdeführer die Möglichkeit hat, im Verfahren vor den Gerichten des zuständigen [X.] die Beseitigung des Hoheitsaktes zu erreichen, dessen [X.] er geltend macht (vgl. [X.] 8, 222 <225 f.>). Der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität der [X.]beschwerde steht der Zulässigkeit in aller Regel entgegen, wenn für den Beschwerdeführer die Möglichkeit bestand oder besteht, den behaupteten [X.]verstoß anderweitig zu beseitigen oder außerhalb des eingeleiteten verfassungsgerichtlichen Verfahrens im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen (vgl. [X.] 76, 1 <39>; 78, 58 <68 f.>; 93, 165 <171>). Damit wird sichergestellt, dass der Vorrang gewahrt bleibt, der den Fachgerichten sowohl bei der Sachverhaltsermittlung als auch bei der Auslegung der einfachrechtlichen Vorschriften nach der gesetzlichen Kompetenzordnung und wegen der größeren Sachnähe gebührt (vgl. z.B. [X.] 9, 3 <7 f.>; 51, 386 <396>; 55, 244 <247>; 79, 1 <20>; stRspr). Der Grundsatz der Subsidiarität der [X.]beschwerde fordert ferner, dass die behauptete [X.] im jeweils mit dieser Beeinträchtigung zusammenhängenden sachnächsten Verfahren geltend zu machen ist (vgl. [X.] 112, 50 <60>; 129, 78 <92>; 131, 47 <56>; stRspr). Der Beschwerdeführer muss alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten [X.]verletzung zu erwirken (vgl. [X.] 84, 203 <208> m.w.N.). Der Grundsatz der Subsidiarität gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber ein bis ins Einzelne ausgestaltetes Rechtsschutzsystem zur Verfügung stellt, mittels dessen der Beschwerdeführer die von ihm in Anspruch genommene Rechtsposition hätte geltend machen können (vgl. [X.] 22, 287 <291>).

2. Die Beschwerdeführerin hat vor Erhebung der [X.]beschwerde noch nicht abschließend klären lassen, ob ihr überhaupt ein [X.] nach § 2174 BGB zusteht. Dies war auch nicht Streitgegenstand des Verfahrens vor dem [X.]. Die Wirksamkeit des [X.] vom 4. November 2009 ist vielmehr Gegenstand eines anderen rechtshängigen Verfahrens. Die Entscheidung des [X.] hindert die Beschwerdeführerin nicht, die von ihr behauptete Wirksamkeit des [X.] vom 4. November 2009 und den daraus resultierenden [X.] vor den Prozessgerichten geltend zu machen. Sie hat daher die bestehenden und zumutbaren Möglichkeiten, fachgerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, nicht ausgeschöpft.

3. Der Beschwerdeführerin entsteht mit der Verweisung auf den Rechtsweg auch kein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Ihren durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen kann vielmehr im Rahmen des - hier nicht entscheidungserheblichen - Teilungsversteigerungsverfahrens Rechnung getragen werden, das mit Beschluss des [X.] vom 1. Februar 2016 - 33 O 1732/14 - gegen Sicherheitsleistung von 280.000 Euro einstweilen bis zu einer Entscheidung im Verfahren - 3 O 8/15 - des [X.] eingestellt wurde.

Die Eigentumsgarantie ist Grundlage für die Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich (vgl. [X.] 42, 64 <76>). Ihr kommt von [X.] wegen die Aufgabe zu, dem Einzelnen eine Entfaltung und eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen (vgl. [X.] 42, 64 <76>; 46, 325 <334>; BVerfGK 15, 8 <12>; 19, 345 <349>). Diese Garantiefunktion beeinflusst nicht nur die Ausgestaltung des materiellen [X.], sondern wirkt auch auf das zugehörige Verfahrensrecht ein (vgl. [X.] 46, 325 <334>; 49, 220 <225>; 51, 150 <156>; BVerfGK 15, 8 <12 f.>; 19, 345 <349>). Demgemäß folgt bereits unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein Anspruch auf eine faire Verfahrensführung, der zu den wesentlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips gehört (vgl. [X.] 46, 325 <334 f.>; 51, 150 <156>; BVerfGK 15, 8 <13>; 19, 345 <349>). Dies gilt auch für die Durchführung einer Teilungsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft (vgl. §§ 180 ff. [X.]), bei der der Staat im Interesse des Antragstellers schwerwiegende Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum des Antragsgegners vornimmt (vgl. [X.] 46, 325 <335>; 49, 220 <225>; 51, 150 <156>; BVerfGK 15, 8 <13>; 19, 345 <350>). Die einschlägigen Verfahrensvorschriften über die Zulässigkeit der Teilungsversteigerung sowie Art und Umfang der Sicherheitsleistung sind daher im Lichte der verfassungsrechtlichen Gewährleistung von Art. 14 Abs. 1 GG anzuwenden, um auch die Belange des Antragsgegners im Rahmen der Teilungsversteigerung angemessen zu wahren.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1649/18

01.10.2018

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Stuttgart, 26. Juni 2018, Az: 19 W 30/18, Beschluss

Art 14 Abs 1 S 1 GG, § 90 Abs 2 BVerfGG, § 2174 BGB, § 771 ZPO, §§ 180ff ZVG, § 180 ZVG, § 181 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 01.10.2018, Az. 2 BvR 1649/18 (REWIS RS 2018, 3239)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3239

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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