Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.03.2011, Az. 2 B 37/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 8751

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Gegenstand

Berufungsbegründung; Antragserfordernis; Dienstunfall; Anerkennung durch Verwaltungsgericht


Gründe

1

Die [X.]eschwerde der [X.]eklagten bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.

2

1. Der Kläger erlitt am 9. Februar 2005 einen Auffahrunfall, der als Dienstunfall anerkannt wurde. [X.]ei dem Unfall zog er sich Verletzungen an der Halswirbelsäule zu. Diese war bereits bei einem bereits im November 2001 erlittenen privaten Auffahrunfall vorgeschädigt worden. Die [X.] und [X.] lehnte die Anerkennung der von dem Kläger über den [X.]raum von sechs Wochen nach dem Unfall hinaus geltend gemachten [X.]eschwerden als Folge des [X.] ab. Das [X.]erufungsgericht hat die [X.]eklagte verpflichtet, die von dem Kläger geltend gemachte Muskelfunktionsstörung im [X.]ereich der Halswirbelsäule mit Minderbelastbarkeit und [X.]ewegungseinschränkung auch für die [X.] nach dem 24. März 2005 als Folge des [X.] anzuerkennen.

3

2. [X.] der [X.]eklagten, das [X.]erufungsgericht habe erst in der mündlichen Verhandlung auf die Klarstellung des [X.]erufungsantrags des [X.] hingewirkt, rechtfertigt die Zulassung der Revision weder wegen einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2, § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 Nr. 1 [X.] noch wegen rechtsgrundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch wegen eines [X.] gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

4

Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen.

5

Die [X.]eklagte macht geltend, das [X.]erufungsurteil beruhe auf dem Rechtssatz, ein schriftsätzlich angekündigter [X.]erufungsantrag könne noch nach Ablauf der [X.]erufungsbegründungsfrist konkretisiert werden. Dieser stehe in Widerspruch zu dem Rechtssatz des [X.], ein "bestimmter Antrag" müsse innerhalb der [X.]erufungsbegründungsfrist gestellt worden sein, weshalb "eine nachträgliche Heilung" nicht möglich sei (Urteil vom 12. April 2005 - 6 A 10085/05 -).

6

Eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet aus. Die Vorschrift erfasst Abweichungen von Entscheidungen eines anderen Oberverwaltungsgerichts nicht.

7

Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des nach § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.]eamtStG fortgeltenden § 127 Nr. 1 [X.] erfüllt. Dieser Zulassungsgrund erfasst divergierende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte zu Fragen des [X.] (vgl. [X.]eschlüsse vom 30. Mai 1967 - [X.]VerwG 2 [X.] 32.67 - [X.]VerwGE 27, 155 <156 f.> = [X.] 230 § 127 [X.] Nr. 17 S. 25 f. und 24. März 1997 - [X.]VerwG 2 [X.] 33.97 - a.a.[X.] m.w.N.).

8

Ohne Erfolg bleibt auch die Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO,

ob ein im Sinne des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO "bestimmter Antrag" schon in der [X.]erufungsbegründungsschrift enthalten sein (und damit auch innerhalb der [X.]erufungsbegründungsfrist vorliegen) muss oder ob es ausreicht, wenn er das geltend gemachte [X.]egehren wenigstens im [X.] im Wege der Auslegung erkennen lässt und nach Fristablauf in sachdienlicher Weise näher klargestellt und präzisiert wird.

9

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen [X.]edeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss ([X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91 f.> = [X.] 310 § 132 Nr. 18 S. 22 VwGO). Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, da sie bereits durch die Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts geklärt ist.

§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO hebt die [X.]erufungsbegründung in den Rang einer Zulässigkeitsvoraussetzung. Der nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO bis zum Ablauf der [X.]erufungsbegründungsfrist zu stellende "bestimmte" Antrag ist gemäß § 124a Abs. 3 Satz 5 VwGO Voraussetzung für eine zulässige [X.]erufung. Dem [X.]erufungsantrag kommt somit nicht nur begründende, sondern durch die [X.]estimmung durch den Rechtsmittelführer auch begrenzende Wirkung zu; er hat jedenfalls im Verwaltungsprozess nicht lediglich vorläufige, ankündigende Wirkung (Urteil vom 17. Juli 2009 - [X.]VerwG 5 [X.] 25.08 - [X.] 436.511 § 74 [X.]/SG[X.] VIII Nr. 6 S. 3).

Diesem Antragserfordernis ist genügt, wenn in der [X.]erufungsbegründung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der [X.]erufungsführer an der Durchführung des zugelassenen [X.]erufungsverfahrens festhalten will ([X.]eschlüsse vom 16. Dezember 2004 - [X.]VerwG 1 [X.] 59.04 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 28 S. 36 und vom 17. Mai 2006 - [X.]VerwG 1 [X.] 13.06 - [X.] 310 § 124a VwGO Nr. 32 S. 2). Es reicht aus, dass sich der Inhalt des [X.]erufungsantrages aus dem fristgerechten [X.]erufungsvorbringen ergibt (Urteil vom 9. März 2005 - [X.]VerwG 6 [X.] 8.04 - juris Rn. 16 m.w.N.).

In Einklang mit diesen Rechtsgrundsätzen hat das [X.]erufungsgericht ausgeführt, dass ein schriftsätzlich angekündigter Antrag den Streitgegenstand verbindlich bestimme, wenn er in Verbindung mit dem übrigen Vorbringen das Rechtsschutzziel eindeutig zum Ausdruck bringe, es hingegen an einer verbindlichen Antragstellung fehle, wenn noch ausräumbare Unklarheiten hinsichtlich des tatsächlich [X.]egehrten bestünden. Das [X.]erufungsgericht ist gerade nicht davon ausgegangen, es stehe dem Rechtsmittelführer generell frei, unklare Anträge erstmals in der [X.]erufungsverhandlung zu erläutern und erst dort sachdienliche Anträge zu stellen.

Soweit die [X.]eklagte geltend macht, der schriftsätzlich angekündigte [X.]erufungsantrag sei nicht bestimmt genug gewesen, um den Umfang und das Ziel der [X.]erufung eindeutig zu bestimmen, wendet sie sich gegen die Anwendung der dargestellten Rechtsgrundsätze im Einzelfall. Die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles ist indes nicht verallgemeinerungsfähig. Dass die [X.]eklagte ihre eigene, ihr naturgemäß günstigere fallbezogene Würdigung entgegensetzt, kann die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache nicht begründen.

Ebenso wenig zeigt die [X.]eschwerdebegründung einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.

Dies gilt zum einen für die Verfahrensrüge einer unzutreffenden Anwendung des § 124a Abs. 3 Satz 4, § 86 Abs. 3 VwGO.

Nach der fallbezogenen rechtlichen Würdigung des [X.]erufungsgerichts hat der schriftsätzlich angekündigte Antrag "das geltend gemachte [X.]egehren im [X.] im Wege der Auslegung erkennen" lassen. Das [X.]erufungsgericht durfte sich daher im Einklang mit der aus § 125 Abs. 1 Satz 1, § 86 Abs. 3 VwGO gründenden Pflicht, auf einen bestimmten und sachdienlichen Antrag hinzuwirken, in den Grenzen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO veranlasst sehen, den Kläger in der mündlichen [X.]erufungsverhandlung zur Präzisierung des - zur Konkretisierung des Rechtsschutzzieles - ausreichenden [X.]erufungsantrages anzuhalten.

Die sinngemäß erhobene Rüge, das [X.]erufungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen der [X.]eklagten zur Wahrung des [X.]estimmtheitsgrundsatzes auseinandergesetzt, begründet keinen Verstoß gegen das aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs.

Dies folgt bereits daraus, dass das [X.]erufungsgericht den entsprechenden Vortrag der [X.]eklagten durchaus berücksichtigt hat. Dass es ihm nicht gefolgt ist, rechtfertigt nicht den Schluss, es habe die Argumente der [X.]eklagten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.

3. [X.], das [X.]erufungsgericht habe dem Zusatzgutachten des Dr. med. [X.] einen Inhalt, eine [X.]edeutung und eine Tragweite beigemessen, die ihm nicht zukomme, und den Sinnzusammenhang mit dem Gutachten des Prof. Dr. med. [X.]. verkannt, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Mit diesem Vorbringen macht die [X.]eklagte einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend, der jedoch nicht vorliegt.

Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder [X.]eweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist ([X.]eschluss vom 18. November 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 63.08 - [X.] 235.1 § 17 [X.]DG Nr. 1 Rn. 27 m.w.N.; stRspr).

Das [X.]eschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass das [X.]erufungsgericht seine Überzeugung über die entscheidungserheblichen Aussagen der medizinischen Gutachten auf einer unzulänglichen Tatsachengrundlage gebildet, insbesondere Umstände, die es in seine Würdigung hätte einbeziehen müssen, übersehen hat. Das [X.]erufungsgericht hat sich sowohl mit dem fachunfallchirurgischen Gutachten des Prof. Dr. med. [X.]. als auch mit den beratungsärztlichen Stellungnahmen inhaltlich auseinandergesetzt und diese in seine rechtliche Würdigung einbezogen. Die gutachterliche Feststellung, eine substantielle Schädigung durch das Ereignis vom 9. Februar 2005 sei sicher auszuschließen, hat es als wahr unterstellt und zur [X.]egründung ausgeführt, es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Gutachter Prof. Dr. med. [X.]. den Kläger auf das nicht dem Fachgebiet der Unfallchirurgie zuzuordnende [X.]eschwerdebild einer Muskelfunktionsstörung hin untersucht habe. Die beratungsärztlichen Stellungnahmen würdigt es dahingehend, ihnen ließen sich keine weitergehenden oder eigenständigen [X.]ewertungen von Substanz zu der Kausalitätsfrage in [X.]ezug auf die Muskelfunktionsstörung entnehmen. Die Frage, ob diese Würdigungen zutreffend sind, ist dem sachlichen Recht zuzuordnen und entzieht sich daher einer [X.]eantwortung im vorliegenden [X.]eschwerdeverfahren.

[X.], das [X.]erufungsgericht habe der Diagnose einer "Muskelfunktionsstörung im [X.]ereich der Halswirbelsäule mit Minderbelastung und [X.]ewegungseinschränkung" [X.]edeutung beigemessen, obwohl der Gutachter Dr. med. [X.] diese außerhalb seines auf die Erstellung eines fachneurologischen bzw. fachneurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens beschränkten [X.] gestellt habe, könnte einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO allenfalls begründen, wenn Dr. med. [X.] als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin für die Stellung dieser - aus Sicht der [X.]eschwerde - dem Fachgebiet der Manuellen Medizin zuzuordnenden Diagnose nicht die erforderliche Fachkompetenz besessen hätte. Diese Kompetenz spricht ihm die [X.]eschwerde indes nicht ab, sondern mit dem Vortrag zumindest konkludent zu, die Muskelfunktionsstörung sei den Fachgebieten der Manuellen Medizin bzw. der Physikalischen und Rehabilitativen Medizin und der speziellen Schmerztherapie zuzuordnen. Das Vorbringen, die letztgenannten Fachgebiete gründeten auf alternativen [X.]ehandlungs- und Therapieformen, die erst in jüngerer [X.] Verbreitung gefunden hätten, vermag die Fachkompetenz des Zusatzgutachters nicht in Frage zu stellen. In Ansehung dessen lässt die Feststellung des [X.]erufungsgerichts, Dr. med. [X.] sei ein "auf das einschlägige Fachgebiet u.a. der manualen Medizin spezialisierter Facharzt", der seine Diagnose auf Grund einer manualmedizinischen Untersuchung getroffen habe, einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht erkennen. Gleiches gilt in [X.]ezug auf die Feststellung, [X.]edenken hinsichtlich der allgemeinen Fachkompetenz des Zusatzgutachters seien weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

Des Weiteren führt auch die Rüge, wegen der [X.]erührung eigener wirtschaftlicher Interessen als behandelnder Arzt bestünden Zweifel an der Neutralität des Dr. med. [X.], nicht zur Unverwertbarkeit seines Gutachtens. Ungeachtet des Umstandes, dass die [X.]eklagte Zweifel spätestens in der [X.]erufungsinstanz hätte geltend machen müssen (vgl. aber S. 29 des Urteilsumdrucks), rechtfertigt die Doppelfunktion des Dr. med. [X.] als Zusatzgutachter und den Kläger behandelnder Arzt für sich genommen Zweifel an der Unparteilichkeit seiner Person nicht. Mit der Empfehlung, die bisherige ambulante Therapie fortzuführen, geht nicht die Anregung einher, die Therapie in der von ihm geführten Einrichtung fortzuführen. Dass sich Dr. med. [X.] zugleich gegen eine neuerliche intensive Rehabilitation ausspricht und eine [X.]esserung des [X.]eschwerdebildes für nicht erzielbar hält, vermag entsprechende Zweifel ebenfalls nicht zu begründen. Denn die [X.]ehandlungsempfehlung wird ausdrücklich mit der Zielsetzung der Konservierung des erreichten [X.]ehandlungszustandes versehen.

Mit der Rüge, das [X.]erufungsgericht habe seine in § 86 Abs. 1 VwGO wurzelnde Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung dadurch verletzt, dass es Zweifel an der Fachkompetenz und/oder der Unparteilichkeit des Zusatzgutachters nicht zum Anlass genommen habe, im Rahmen einer [X.]eweisaufnahme gerichtlicherseits ein Sachverständigengutachten einzuholen, kann die [X.]eschwerde ebenfalls nicht durchdringen.

Über Art und Anzahl der einzuholenden Sachverständigengutachten hat das [X.] nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen (vgl. § 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO). Es kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auch auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen, die von einer [X.]ehörde im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden, stützen. Die [X.] eines weiteren Gutachtens ist in aller Regel nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das bereits vorliegende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare Widersprüche aufweist, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht, wenn ein anderer Sachverständiger über bessere Forschungsmittel verfügt oder wenn es sich um besonders schwierige (medizinische) Fragen handelt, die umstritten sind oder zu denen einander widersprechende Gutachten vorliegen (vgl. Urteil vom 6. Februar 1985 - [X.]VerwG 8 [X.] 15.84 - [X.]VerwGE 71, 38 <45> m.w.N.; [X.]eschluss vom 26. Februar 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 122.07 - NVwZ-RR 2008, 477 <479> stRspr).

Das [X.]erufungsgericht ist den Ausführungen des Zusatzgutachters Dr. med. [X.] gefolgt. Die [X.]eschwerde hat keinen Mangel dargelegt, der die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich gemacht hätte. Dr. med. [X.] hat sein Zusatzgutachten auf der Grundlage einer eigenen Untersuchung des [X.] gefertigt und dabei auch sonstige ihm überlassene ärztliche Stellungnahmen berücksichtigt. Hinsichtlich der Diagnose einer fortdauernden Muskelfunktionsstörung steht das Zusatzgutachten nicht in Widerspruch zu dem Gutachten des Prof. Dr. med. [X.].. Dieser hatte seine Feststellung, wesentliche Schäden seien aus dem Dienstunfall nicht mehr verblieben, ausdrücklich nur aus unfallchirurgischer Sicht getroffen und hinsichtlich der weitergehenden [X.]eurteilung auf das Zusatzgutachten verwiesen.

Zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führt auch nicht die Rüge, das [X.]erufungsgericht habe verkannt, dass das Zusatzgutachten die Wörter "richtungsgebende Verschlimmerung" nicht auf die Muskelfunktionsstörung, sondern ausschließlich auf die des Weiteren diagnostizierte depressive Anpassungsstörung nebst [X.]ewältigungsproblematik beziehe.

Damit wendet sich die [X.]eklagte gegen die aus ihrer Sicht fehlerhafte Würdigung des vorliegenden Tatsachenmaterials. Die [X.]eschwerde will aus den tatsächlichen Feststellungen andere Schlüsse ziehen, als das [X.]. Eine solche Rüge ist revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Sie kann einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich - so auch hier - nicht begründen ([X.]eschluss vom 26. Februar 2008 a.a.[X.] S. 480).

Entsprechendes gilt für das ebenfalls gerügte Verständnis des von dem Zusatzgutachter verwendeten [X.]egriffs "unverändert". Damit wendet sich die [X.]eschwerde gegen die Annahme des [X.]erufungsgerichts, es spreche vieles dafür, dass Dr. med. [X.] mit der Formulierung "Seitens der Halswirbelsäulenregion bestehe 'unverändert' eine Muskelfunktionsstörung im [X.]ereich der Halswirbelsäule mit Minderbelastung und [X.]ewegungseinschränkung" habe zum Ausdruck bringen wollen, dass die von ihm bei dem Kläger schon zeitnah nach dem Dienstunfall festgestellte Muskelfunktionsstörung bis zu dem Gutachtenzeitpunkt im November 2005 fortbestanden habe. Soweit die [X.]eklagte geltend macht, diese Auslegung sei unter [X.]erücksichtigung des Gesamtzusammenhangs unzutreffend und lasse die gebotene Aufteilung der Verursachungsanteile von Privat- und Dienstunfall im Sinne der Wesentlichkeitstheorie vermissen, knüpft sie erneut an die aus ihrer Sicht fehlerhafte Sachverhaltswürdigung an.

4. [X.], das [X.]erufungsgericht sei bei der Verpflichtung der [X.]eklagten, die von dem "Kläger geklagte Muskelfunktionsstörung im [X.]ereich der Halswirbelsäule mit Mindestbelastbarkeit und [X.]ewegungseinschränkung auch für die [X.] nach dem 24. März 2005 als Folge des [X.] vom 9. Februar 2005 anzuerkennen", zu Unrecht von dem Vorliegen der [X.] im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO ausgegangen, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Gleiches gilt für die Rüge, es habe die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 und 3 VwGO verletzt.

Die [X.]eschwerde rügt ohne Erfolg, das [X.]erufungsgericht habe das Vorliegen der [X.] im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO zu Unrecht angenommen und damit diese verfahrensrechtliche Vorschrift fehlerhaft angewandt.

Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO sprechen die Gerichte bei [X.] die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der [X.]egriff der [X.] bringt zum Ausdruck, dass das Gericht verpflichtet ist, die auf der Grundlage seines [X.] entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände erschöpfend aufzuklären (Urteil vom 10. Februar 1998 - [X.]VerwG 9 [X.] 28.97 - [X.]VerwGE 106, 171 <172> = [X.] 310 § 113 VwGO Nr. 295 S. 31).

Dieser Pflicht hat das [X.]erufungsgericht entsprochen, indem es festgestellt hat, dass die Muskelfunktionsstörung vorliege und es keine tragfähige Grundlage dafür gebe, die Ursächlichkeit des [X.] für die Störung auf die [X.] bis zum 23. März 2005 zu begrenzen.

Die tatsächlichen Feststellungen des konkreten Einzelfalles geboten eine solche zeitliche [X.]eschränkung der Verpflichtung zur Anerkennung nicht. Eine solche wäre allenfalls in [X.]etracht zu nehmen gewesen, wenn bereits ein [X.]punkt, zu dem die Muskelfunktionsstörung als ausgeheilt anzusehen gewesen wäre, festgestanden hätte oder zumindest konkret absehbar gewesen wäre. Dies war indes ausweislich der Feststellungen des [X.]erufungsgerichts nicht der Fall. Ein solcher [X.]punkt ist weder seitens der [X.]eschwerde benannt worden noch anderweitig ersichtlich. Der in dem Gutachten des Unfallchirurgen Prof. Dr. med. [X.]. genannte [X.]raum einer sechswöchigen [X.]ehandlungsbedürftigkeit bezog sich ausschließlich auf die Diagnose der Verschlimmerung des [X.] durch eine leichte Distorsion, nicht hingegen auch auf die durch den Zusatzgutachter diagnostizierte Muskelfunktionsstörung.

Die verwaltungsgerichtliche Verpflichtung zur Anerkennung eines Körperschadens als Folge eines [X.] setzt notwendig voraus, dass der entsprechende körperliche Zustand fortbesteht. Endet dieser Zustand, so bewirkt dies eine erhebliche nachträgliche Änderung der zur [X.] der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Sach- oder Rechtslage, die die Rechtskraftwirkung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 121 VwGO enden lässt (Urteil vom 8. Mai 1958 - [X.]VerwG 1 [X.] 181.57 - [X.]VerwGE 6, 321 <322>; [X.]eschluss vom 23. September 1980 - [X.]VerwG 2 [X.] 52.80 - [X.] 232 § 79 [X.][X.]G Nr. 76 S. 23). Die zuständige Verwaltungsbehörde wäre im Falle einer Ausheilung der Muskelfunktionsstörung nicht durch die Rechtskraft des [X.]erufungsurteils gehindert, etwa den Abschluss der unfallbedingten Heilbehandlung festzustellen oder den [X.]raum der dienstunfallbedingten [X.]ehandlungsbedürftigkeit - gegebenenfalls auch auf einen zurückliegenden [X.]punkt - zu beschränken.

Soweit die [X.]eschwerde rügt, das [X.]erufungsgericht habe es unter Verletzung seiner Pflicht aus § 86 Abs. 1 und 3 VwGO unterlassen, den Sachverhalt im Hinblick auf das Vorliegen eines unfallbedingten irreversiblen Dauerschadens aufzuklären, vermag dies einen Verfahrensfehler ebenfalls nicht zu begründen. Die [X.]eklagte hat im [X.]erufungsverfahren keinen [X.]eweisantrag in [X.]ezug auf die Tatsache gestellt, dass es sich bei der Muskelfunktionsstörung des [X.] nicht um einen irreversiblen Dauerschaden handelt. Eine derartige Schlussfolgerung musste sich dem [X.]erufungsgericht auch nicht aufdrängen.

Meta

2 B 37/10

10.03.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 19. Februar 2010, Az: 1 A 15/08, Urteil

§ 124a Abs 3 S 4 VwGO, § 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 121 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.03.2011, Az. 2 B 37/10 (REWIS RS 2011, 8751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8751

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