Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2014, Az. II ZR 371/12

2. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8322

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Gegenstand

Sittenwidrigkeit eines vom Bevollmächtigten unter Vollmachtsmissbrauch und Einschaltung eines arglosen Untervertreters geschlossenen GmbH-Geschäftsanteilsübertragungsvertrages


Leitsatz

Ein Vertrag ist wegen sittenwidriger Kollusion nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum Nachteil des Vertretenen abzuschließen. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn der Vertreter einen arglosen Untervertreter einschaltet oder er aufgrund seiner Vertretungsmacht einen weiteren, arglosen (Mit)-Vertreter zu dem Geschäft veranlasst und so das Insichgeschäft verschleiert.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 11. Dezember 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 6.200 € an der [X.] zu 1, einer GmbH, beteiligt. Weitere Gesellschafter waren Ende 2008 der Beklagte zu 3, ihr mittlerweile geschiedener Ehemann, mit zwei Geschäftsanteilen von 12.350 € und 250 € (= zusammen 12.600 €) und die [X.], eine [X.] Gesellschaft des [X.], mit einem Geschäftsanteil von ebenfalls 6.200 €. Die [X.] ist, wie das Berufungsgericht in einem rechtskräftigen Teilurteil festgestellt hat, jedenfalls ein von der [X.] zu 1 abhängiges Unternehmen, möglicherweise auch eine 100%ige Tochtergesellschaft, so dass es sich insoweit um eigene Anteile der [X.] zu 1 handelt, aus denen Mitverwaltungsrechte nicht herzuleiten sind. Geschäftsführer der [X.] zu 1 war der Beklagte zu 3.

2

Im November 2008 trennte sich der Beklagte zu 3 von der Klägerin. Mit notariell beurkundetem [X.] und Abtretungsvertrag vom 5. Dezember 2008 übertrug der Beklagte zu 3 seine Geschäftsanteile an der [X.] zu 1 auf die [X.].

3

Am 9. Februar 2009 hielt die Klägerin unter Verzicht auf sämtliche Frist- und Formerfordernisse eine Gesellschafterversammlung der [X.] zu 1 ab, in der sie den [X.] zu 3 als Geschäftsführer abberief, die fristlose Kündigung seines Dienstvertrags beschloss und sich zur neuen Geschäftsführerin bestellte. Mit Schreiben vom 23. Februar 2009 informierte die Klägerin als neue Geschäftsführerin der [X.] zu 1 den [X.] zu 3 wie auch den Verwaltungsrat R.  der [X.] über die Abberufung des [X.] zu 3 und forderte beide auf, keine Rechtsgeschäfte mehr vorzunehmen, insbesondere Anteilsübertragungen zu unterlassen.

4

Am 3. März 2009 schloss die [X.] einen [X.] und Abtretungsvertrag zur Übertragung ihrer Geschäftsanteile an der [X.] zu 1 auf die Beklagte zu 2, eine Schwester des [X.] zu 3. Dabei wurden sowohl die Beklagte zu 2 als auch die [X.] von Rechtsanwältin [X.]  vertreten, die in derselben Rechtsanwaltskanzlei wie der Beklagte zu 3 tätig war, der ebenfalls Rechtsanwalt ist. Soweit sie die [X.] vertrat, handelte sie aufgrund einer von dem Verwaltungsrat [X.] am 21. Januar 2009 dem [X.] zu 3, Rechtsanwältin [X.]und einem weiteren in der Kanzlei des [X.] zu 3 tätigen Rechtsanwalt erteilten Vollmacht, die [X.] Recht unterliegen sollte. Die Bevollmächtigten waren von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und konnten im gleichen Umfang Untervollmachten erteilen. Von der [X.] zu 2 wurde Rechtsanwältin [X.] am 3. März 2009 per Telefax eine privatschriftliche Vollmacht erteilt.

5

Die Klägerin hat beantragt festzustellen, dass die Beklagte zu 2 nicht Gesellschafterin der GmbH geworden sei, sondern die [X.] weiterhin neben der Klägerin Gesellschafter sei. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwar möge der zeitliche Zusammenhang dafür sprechen, dass der Beklagte zu 3, obgleich er weder Gesellschafter noch Geschäftsführer war, mit der Anteilsübereignung an seine Schwester, die Beklagte zu 2, seinen Einfluss auf die Beklagte zu 1 und deren Tochtergesellschaft habe wahren wollen, so dass unterstellt werden könne, dass das Geschäft auf Veranlassung des [X.] zu 3 zustande gekommen sei. Daraus folge aber weder ein vorsätzlich die Klägerin schädigendes Verhalten des Verwaltungsrats [X.] noch der [X.] zu 2. [X.] , auf Grund derer Rechtsanwältin M.       vor dem Notar aufgetreten sei, stamme vom 21. Januar 2009, also aus der [X.] vor der Gesellschafterversammlung vom 9. Februar 2009. Zwar habe die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2009 die Abberufung des [X.] zu 3 als Geschäftsführer der [X.] zu 1 mitgeteilt. Für ihre Behauptung, dass es danach zu einem Kontakt zwischen dem Verwaltungsrat [X.]und dem [X.] zu 3 gekommen sei, bei dem der Verwaltungsrat [X.]von dem [X.] zu 3 dahingehend beeinflusst worden sei, die dem [X.] zu 3 und Rechtsanwältin M.     erteilte [X.] nicht zu widerrufen, habe die Klägerin keinen Beweis angeboten. Gleiches gelte für ihre Behauptung, die Beklagte zu 2 habe in Schädigungsabsicht gehandelt.

8

Dass die Klägerin ihre Annahme einer Kollusion bzw. Sittenwidrigkeit daher im Wesentlichen auf ein Handeln des [X.] zu 3 stütze, welcher seine ahnungslose Mitarbeiterin Rechtsanwältin M.    gezielt als Werkzeug zur Durchsetzung seiner persönlichen Interessen eingesetzt habe, indem er sie angewiesen habe, den im Wesentlichen von ihm selbst entworfenen [X.] beurkunden zu lassen, führe - die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt - nicht zu einer Unwirksamkeit der [X.] zwischen der [X.] und der [X.] zu 2. Die Klägerin habe die Bösgläubigkeit der [X.]geber [X.]  und der [X.] zu 2 nicht unter Beweis gestellt. Daher komme weder eine Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB noch von § 166 Abs. 2 BGB in Betracht. Eine Zurechnung der möglichen Bösgläubigkeit des [X.] zu 3 analog § 166 Abs. 2 BGB komme nicht in Frage. Rechtsanwältin M.      habe aufgrund ihrer unmittelbar von dem Verwaltungsrat [X.]und der [X.] zu 2 erteilten [X.]en gehandelt. Der Beklagte zu 3 habe weder als Zwischenvertreter gehandelt noch sei er von Rechtsanwältin M.      vertreten worden, sondern sei ein an dem Rechtsgeschäft nicht beteiligter Dritter. Die Zurechnung seines möglicherweise bösgläubigen Wissens oder Willens komme daher nicht in Betracht.

9

II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Sittenwidrigkeit des Geschäftsanteilskaufvertrags bzw. der Geschäftsanteilsabtretung verneint und den [X.] zu 3 als unbeteiligten Dritten angesehen, weil Rechtsanwältin M.     aufgrund der ihr unmittelbar von dem Verwaltungsrat [X.]und der [X.] zu 2 erteilten [X.]en gehandelt habe. Nach dem Vortrag der Klägerin hat der Beklagte zu 3 den [X.] nicht nur entworfen, sondern Rechtsanwältin M.      auch veranlasst, von der durch die [X.] erteilten [X.] Gebrauch zu machen. Auch die [X.] seiner Schwester, der [X.] zu 2, soll der Beklagte zu 3 besorgt haben, seine Schwester als Erwerberin nur vorgeschoben haben und auch auf ihrer Seite den Erwerb veranlasst haben. Wird dieser Vortrag der Klägerin - wie revisionsrechtlich geboten - als zutreffend unterstellt, sind Geschäftsanteilskaufvertrag und Geschäftsanteilsübertragung wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

1. Wenn ein Vertreter kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des Vertretenen ein Geschäft abschließt, verstößt das Geschäft wegen einer sittenwidrigen Kollusion gegen die guten Sitten und ist nichtig (§ 138 BGB; vgl. [X.], Urteil vom 17. Mai 1988 - [X.], NJW 1989, 26 f.; Urteil vom 14. Juni 2000 - [X.], [X.], 2896, 2697). Aus diesem Grund ist auch ein Vertrag nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine [X.] missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum Nachteil des Vertretenen abzuschließen ([X.], Urteil vom 25. Februar 2002 - II ZR 374/00, [X.], 753; Urteil vom 13. September 2011 - [X.], [X.], 2005 Rn. 9). Ein Fall einer sittenwidrigen Kollusion liegt auch vor, wenn der Vertreter nicht selbst handelt, sondern einen arglosen [X.] einschaltet oder er aufgrund seiner Vertretungsmacht einen weiteren, arglosen ([X.] zu dem Geschäft veranlasst und so das Insichgeschäft verschleiert.

2. Ein solcher Fall des kollusiven Zusammenwirkens liegt nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Klägerin vor. Danach hat der Beklagte zu 3 Rechtsanwältin M.     veranlasst, von ihrer [X.] für die [X.] mit dem Verkauf an die Schwester des [X.] zu 3 Gebrauch zu machen. Wenn Rechtsanwältin M.     nicht selbst bösgläubig war, wie das Berufungsgericht angenommen hat, musste aus ihrer Sicht das Ansinnen des [X.] zu 3 der [X.] als formeller Inhaberin der Geschäftsanteile zuzurechnen sein, wozu in erster Linie die dem [X.] zu 3 erteilte [X.] vom 21. Januar 2009 in Frage kommt. Der Beklagte zu 3 hat damit seine von der [X.] erteilte [X.] missbraucht. Die Klägerin als einzige stimmberechtigte Gesellschafterin und als Geschäftsführerin der [X.] zu 1 hatte sowohl den Verwaltungsrat der abhängigen [X.] als auch den [X.] zu 3 ausdrücklich angewiesen, [X.] zu unterlassen. Dass eine Veräußerung der Anteile nicht im Interesse der [X.] bzw. deren Muttergesellschaft war, war dem [X.] zu 3 damit bekannt.

Auch auf der [X.] hat der Beklagte zu 3 gehandelt. Rechtsanwältin M.    wurde der Auftrag, für die Beklagte zu 2 zu handeln, nach dem Vortrag der Klägerin vom [X.] zu 3 erteilt, der dabei offensichtlich für seine Schwester handelte, die sich schon aus diesem Grund die Kenntnis des [X.] zu 3 von seinem [X.]smissbrauch zurechnen lassen muss. Ein Fall des bewussten Missbrauchs liegt aber auch vor, wenn der Auftrag an Rechtsanwältin M.     wie die später erteilte schriftliche [X.] zwar von der arglosen [X.] zu 2 erteilt wurde, sie aber vom [X.] zu 3 als dem wirtschaftlichen Erwerber ohne eigenes Erwerbsinteresse nur vorgeschoben war und in seinem Auftrag handelte. Ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand der Vertretungsmacht konnte dann auf [X.] nicht entstehen.

3. Der Senat kann offenlassen, ob die Veräußerung von eigenen Geschäftsanteilen einer GmbH in die Vertretungskompetenz des Geschäftsführers fällt oder es dazu zusätzlich eines Gesellschafterbeschlusses bedarf (offen gelassen bei [X.], Urteil vom 22. September 2003 - [X.], [X.], 2116). Denn auch dann käme es auf dieselbe sittenwidrige Kollusion an. Im vorliegenden Fall hat nicht die Beklagte zu 1 eigene Geschäftsanteile veräußert, sondern ihre Tochtergesellschaft, die [X.], hat Anteile an ihrer Muttergesellschaft veräußert, die dieser als eigene zuzurechnen sind. Selbst wenn eine solche Geschäftsanteilsveräußerung und -abtretung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft bedürfte, wären auf die Veräußerung durch den [X.] oder rechtsgeschäftlichen Vertreter der Tochtergesellschaft die Regeln über die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen einer sittenwidrigen Kollusion bzw. den Missbrauch der Vertretungsmacht anzuwenden. Die Klägerin als einzige stimmberechtigte Gesellschafterin und Geschäftsführerin der [X.] zu 1 hat die Veräußerung der Anteile ausdrücklich untersagt. Da nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagte zu 3 als rechtsgeschäftlicher Vertreter die arglose Rechtsanwältin [X.] mit der Veräußerung beauftragt haben soll, kommt es auf das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses nicht an.

III. Das Berufungsurteil ist aufzuheben, damit das Berufungsgericht die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass auch dann, wenn die Beklagte zu 2 nicht vom [X.] zu 3 vorgeschoben wurde, sondern ein eigenes Erwerbsinteresse hatte, eine Unwirksamkeit der [X.] nach den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht in Frage kommt. Ein Missbrauch kann auch vorliegen, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in verdächtiger Weise Gebrauch macht und sich dem anderen Vertragsteil der begründete Verdacht eines Treueverstoßes aufdrängen musste ([X.], Urteil vom 25. März 1968 - [X.], [X.]Z 50, 112, 114; Urteil vom 31. Januar 1991 - [X.], [X.]Z 113, 315, 320; Urteil vom 2. Juli 2007 - [X.], [X.], 1942 Rn. 69; Urteil vom 1. Februar 2012 - [X.], [X.], 2020 Rn. 21). Die Klägerin hat vorgetragen, dass sich im Hinblick auf die zeitliche Abfolge, die ungewöhnlichen Umstände des Geschäfts, insbesondere die Eile und eine nicht nennenswerte Gegenleistung der [X.] zu 2 für die Übertragung der Anteile, sowie die Kenntnis der [X.] zu 2 von der Trennung und der damit verbundenen Auseinandersetzung der Eheleute der Verdacht eines Treueverstoßes des [X.] zu 3 aufdrängen musste.

Bergmann                      Strohn                      Reichart

                  Drescher                     Born

Meta

II ZR 371/12

28.01.2014

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 11. Dezember 2012, Az: 5 U 106/11, Urteil

§ 138 BGB, § 164 BGB, § 181 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2014, Az. II ZR 371/12 (REWIS RS 2014, 8322)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8322

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