Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.05.2017, Az. IX ZR 238/15

9. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11113

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Gegenstand

Rechtsanwaltsvertrag: Auskehrung einer für den Mandanten eingezogenen Forderung an einen Dritten entsprechend einer Weisung des Bevollmächtigten des Mandanten; Widerruf der Vollmacht des Hauptvertreters durch den Untervertreter; Wirksamkeit der Abtretung einer Forderung zur Sicherung mehrerer laufenden Schwankungen unterworfenen Forderungen


Leitsatz

1. Ein Rechtsanwalt, der entsprechend einer wirksamen Weisung des Bevollmächtigten seines Mandanten eine für diesen eingezogene Forderung an einen Dritten auskehrt, handelt nicht pflichtwidrig, wenn es an einem evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht fehlt.

2. Ein Untervertreter ist nicht berechtigt, namens des Vertretenen die dem Hauptvertreter erteilte Vollmacht zu widerrufen.

3. Die Abtretung einer Forderung ist mangels Bestimmtheit unwirksam, wenn sie zur Sicherung mehrerer laufenden Schwankungen unterworfener Forderungen erfolgt und der Drittschuldner nicht in zumutbarer Weise erkennen kann, wie hoch sich die gesicherten Forderungen belaufen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 18. November 2015 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des [X.] vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der den Streithelfern entstandenen Kosten fallen der Klägerin zur Last.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die m.              oHG, deren persönlich haftende Gesellschafter die Streithelfer zu 2 und 3 (nachfolgend: Streithelfer) sind, machte vor dem [X.] eine Forderung gegen die [X.] geltend. Diese Forderung trat die m.                      oHG an die Klägerin, die Schwiegermutter des Streithelfers zu 2 und Mutter der Streithelferin zu 3, ab. In der [X.] ist wörtlich ausgeführt:

"Die Firma [X.] und deren persönlich haftende Gesellschafter [X.] und M.            … treten hiermit folgende Forderungen ab:

1. Alle gegen die Firma [X.] in dem Rechtsstreit vor dem [X.] … geltend gemachten und ihnen zustehenden Ansprüche… an Frau K.            … in Höhe ihrer fortlaufenden Forderungen …"

2

Nachdem die m.                oHG vor dem [X.] ein der Klage teilweise stattgebendes Urteil erwirkt hatte, zahlte die [X.] auf Verlangen der Streithelfer den Verurteilungsbetrag in Höhe von 50.000 € nebst Zinsen, insgesamt 73.032,30 €, auf ein Konto der [X.]     . Die durch die Streithelfer vertretene m.             oHG beauftragte die beklagten Rechtsanwälte (nachfolgend: die Beklagten) namens der Klägerin, von der [X.]     die Auskehr des eingezogenen Betrages zu erwirken. Entsprechend einer Zahlungsaufforderung der Beklagten entrichtete die [X.]      den Zahlungsbetrag von 73.032,30 € auf ein Konto der Beklagten. Auf Verlangen der Streithelferin zu 3 überwiesen die Beklagten den Betrag auf ein Konto der [X.], deren Gesellschafter die Streithelfer sind.

3

Mit vorliegender Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil sie die ihr zustehende Forderung pflichtwidrig an die [X.] ausgezahlt hätten. Das [X.] hat der erstinstanzlich abgewiesenen Klage teilweise stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des die Klage vollständig abweisenden Ersturteils.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

6

Die Beklagten hätten gegenüber der Klägerin eine Pflichtverletzung begangen, weil sie den von der [X.]    erhaltenen Betrag nicht an die Klägerin, sondern an die [X.] weitergeleitet hätten. Es könne offen bleiben, wer den Beklagten das Mandat erteilt habe. Jedenfalls seien diese gehalten gewesen, die Interessen der Klägerin zu wahren und das erhaltene Geld ausschließlich an sie abzuführen. Die von der Klägerin der [X.] erteilte [X.] habe diese im Auße[X.]erhältnis berechtigt, die Forderung einzuziehen. Im Inne[X.]erhältnis sei jedoch ohne weiteres erkennbar gewesen, dass der Betrag materiell-rechtlich der Klägerin zustehe und auf ihr Konto zu bezahlen sei. Zudem hätten die Beklagten die der m.              oHG erteilte [X.] ausdrücklich im [X.] gegenüber der [X.]      widerrufen. Mithin habe die [X.] keine die Klägerin bindende Weisung erteilen können, die Zahlung an die [X.] auszukehren.

7

An der Wirksamkeit der Abtretung zugunsten der Klägerin bestünden keine Bedenken. Zwar müsse die Höhe der Forderung auch für den Drittschuldner ohne besondere Nachforschungen feststellbar sein. Hier sei zwischen [X.] und [X.] feststellbar, wie hoch die den Umfang der Abtretung bestimmenden Forderungen der Klägerin gegenüber der m.          oHG seien. Zudem sei die [X.] durch die Gestaltung der Vereinbarung insoweit geschützt, als sie auf jeden Fall befreiend an die [X.] habe leisten können. Die Abtretung sei nicht deswegen als unbestimmt unwirksam, weil eine Mehrzahl von Einzelforderungen zur Sicherung eines niedrigeren als des Gesamtbetrages abgetreten worden sei. Die [X.] sei nämlich durch das [X.] zur Zahlung einer einheitlichen Verbindlichkeit von 50.000 € und nicht zur Zahlung von mehreren Einzelforderungen verurteilt worden. Die Abtretung sei in Höhe von 38.250 € wirksam geworden, weil sich die Forderung der Klägerin lediglich auf diesen Betrag belaufe.

II.

8

Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.

9

1. Entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts tragen seine bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht die Annahme, dass den Beklagten eine Pflichtverletzung anzulasten ist, weil sie den von der [X.]      eingezogenen Geldbetrag entsprechend der Weisung der Streithelfer an die [X.] weitergeleitet haben. [X.] diese Weisung, wie das Berufungsgericht unterstellt, auf einer den [X.] von der Klägerin wirksam erteilten [X.], scheidet mangels durchgreifender Anhaltspunkte für einen Missbrauch der Vertretungsmacht eine Pflichtwidrigkeit der Beklagten aus.

a) Das Mandatsverhältnis ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt zwischen der durch die m.                 oHG vertretenen Klägerin und den Beklagten zustande gekommen. Die m.            oHG war von der Klägerin bevollmächtigt, in ihrem Namen mit den Beklagten einen Anwaltsdienstvertrag zu schließen.

aa) Ausweislich der Abtretungsurkunde wurden die Streithelfer von der Klägerin ermächtigt, die Forderungen der m.                 oHG gegen die [X.] im eigenen Namen einzuziehen und den betreffenden Rechtsstreit fortzuführen. Eine entsprechende Ermächtigung erteilte die Klägerin den [X.] und der m.                 oHG für "weitere eventuell anstehende Forderungen". Vor diesem Hintergrund war in Einklang mit der Würdigung des [X.] eine umfassende Ermächtigung der [X.] gewollt, die auch die hier geltend gemachte, ursprünglich von ihr vor dem [X.] verfolgte Forderung umfasst. Zugleich erteilte die Klägerin den [X.] und der [X.] eine "[X.]/Handlungsvollmacht". Mit dem Begriff der Handlungsvollmacht wird regelmäßig die Befugnis zur allgemeinen - umfassenden - Vertretung zum Ausdruck gebracht (vgl. [X.], Urteil vom 12. Mai 2011 - [X.], [X.], 1303 Rn. 25).

bb) Bei dieser Sachlage verbindet sich mit der Ermächtigung zum Forderungseinzug regelmäßig die Erteilung einer [X.] zur Einschaltung Dritter, um den Forderungseinzug sicherzustellen. Der Bevollmächtigte ist insbesondere zur Erteilung einer [X.] befugt, soweit es sich um Maßnahmen handelt, die er selbst nicht im Interesse des Vertretenen wahrnehmen kann (vgl. RGRK/[X.], [X.], 12. Aufl., § 167 Rn. 21). Im Streitfall bedurfte es der Einholung rechtlichen Rats, um den Forderungseinzug gegenüber der [X.]       zu bewerkstelligen. Mithin umfasste die Hauptvollmacht auch die Erteilung einer [X.] an die Beklagten. Die [X.] wurde den Beklagten zum Zwecke des [X.] im Interesse der Klägerin ersichtlich in der Weise erteilt, unmittelbar im Namen der ursprünglichen [X.]geberin, der Klägerin, zu handeln (vgl. [X.], Urteil vom 5. Mai 1960 - [X.], [X.]Z 32, 250, 253). Mithin wurden die Beklagten im Rahmen der Einziehung des [X.] gegenüber der [X.]     als wirksam bevollmächtigte Vertreter der Klägerin tätig.

b) Die von der Klägerin erteilte umfassende Handlungsvollmacht begründet mangels entgegenstehender tatrichterlicher Feststellungen grundsätzlich die Befugnis des Vertreters, gegenüber den Beklagten eine bindende Anordnung über die Verwendung der von ihnen zugunsten der Klägerin eingezogenen Gelder zu treffen. Bei dieser Sachlage durften die Beklagten entsprechend der ihnen durch die Streithelfer erteilten Weisung den von der [X.]      eingezogenen Zahlungsbetrag an die R.         GmbH weiterleiten.

aa) Die den [X.] und der m.                 oHG von der Klägerin erteilte [X.] war nicht im Rahmen eines von den Beklagten an die [X.]       gerichteten Schreibens widerrufen worden (§ 167 Abs. 1, § 168 Abs. 1 Satz 3 [X.]).

(1) Die Beklagten waren als [X.] der [X.] nicht berechtigt, die dieser von der Klägerin erteilte [X.] zu widerrufen.

Eine [X.] kann, auch wenn es sich um eine Inne[X.]ollmacht handelt, durch Erklärung gegenüber dem Geschäftsgegner widerrufen werden (MünchKomm-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 168 Rn. 18). Der Widerruf bringt die [X.] ex nunc zum Erlöschen (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 168 Rn. 19). Eine [X.] kann einen geringeren oder gleichen, aber keinen weitergehenden Umfang als die Hauptvollmacht haben ([X.], Urteil vom 7. März 1990 - [X.], [X.], 610, 613; [X.]/Schilken, [X.], 2014, § 167 Rn. 67; Soergel/Leptien, [X.], 13. Aufl., § 167 Rn. 61; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 167 Rn. 64). Darum kann der [X.] kraft seiner umfassenderen Vertretungsbefugnis die [X.] des [X.]n widerrufen ([X.]/Schilken, aaO § 167 Rn. 69; Soergel/Leptien, [X.], 13. Aufl., § 167 Rn. 61; [X.]/[X.]/[X.], 2017, § 167 Rn. 36; NK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 167 Rn. 69; Frensch in [X.]/Wegen/Weinreich, [X.], 11. Aufl., § 167 Rn. 56). Umgekehrt ist jedoch der [X.], weil der Widerruf mit der Erteilung der [X.] korrespondiert (Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, [X.]), nicht befugt, die Hauptvollmacht seines [X.]gebers zu beenden. Bei dieser Sachlage konnte die [X.] der Streithelfer und der [X.] nicht durch das Schreiben der Beklagten an die [X.]      wirksam widerrufen werden.

(2) Zudem handelt es sich um einen auf das Verhältnis zur [X.]    beschränkten [X.]swiderruf, welcher die Befugnisse der Streithelfer und der [X.] gegenüber den Beklagten nicht berührte.

Ein Widerruf muss die [X.] nicht insgesamt beseitigen. Auch ein teilweiser Widerruf ist möglich, durch den die fortbestehende [X.] lediglich beschränkt wird ([X.]/Schilken, aaO § 168 Rn. 7; Soergel/Leptien, aaO § 168 Rn. 19). Insbesondere ist die Möglichkeit eines Teilwiderrufs der [X.] gegenüber einzelnen Dritten anerkannt ([X.]/Schilken, aaO; Soergel/Leptien, aaO). In dieser Weise verhält es sich im Streitfall, weil der Widerruf der [X.] nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich dazu diente, die [X.]     zur Zahlung zu bewegen. Bei dieser Sachlage sollte die [X.] der Streithelfer und der [X.] im Übrigen, insbesondere gegenüber den Beklagten, fortbestehen.

bb) Auf der Grundlage der mit Wirkung zur Klägerin gültigen [X.] durften die Beklagten der Weisung der Streithelferin zu 3 folgen, den bei der [X.]     eingezogenen Betrag auf ein Konto der [X.] zu transferieren.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] hat grundsätzlich der Vertretene das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht zu tragen (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juni 1999 - [X.], [X.], 1617, 1618; vom 9. Mai 2014 - [X.], [X.], 1964 Rn. 18; vom 14. Juni 2016 - [X.], [X.], 383 Rn. 21). Den Vertragspartner trifft keine Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Inne[X.]erhältnis gebunden ist, von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen ([X.], Urteil vom 1. Juni 2010 - [X.], [X.], 1218 Rn. 29; vom 14. Juni 2014, aaO). Etwas anderes gilt zum einen in dem - hier nicht gegebenen - Fall, dass der Vertreter kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des Vertretenen ein Geschäft abschließt. Ein solches Geschäft verstößt gegen die guten Sitten und ist nichtig (§ 138 [X.], vgl. [X.], Urteil vom 14. Juni 2000 - [X.], [X.], 2313, 2314; vom 28. Januar 2014 - [X.], [X.], 628 Rn. 10; vom 14. Juni 2016, aaO Rn. 22). Zum anderen ist der Vertretene gegen einen erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht im Verhältnis zum Vertragspartner dann geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege. Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs ([X.], Urteil vom 25. Oktober 1994 - [X.], [X.]Z 127, 239, 241; vom 1. Februar 2012 - [X.], [X.], 2020 Rn. 21; vom 9. Mai 2014 - [X.], [X.], 1964 Rn. 18; vom 14. Juni 2016, aaO). Die objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben, wenn sich nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage des [X.] bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt ([X.], Urteil vom 14. Juni 2016, aaO).

(2) Ein durch massive Verdachtsmomente zutage getretener evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht war für die Beklagten ersichtlich nicht gegeben. Die Klägerin hatte die Streithelfer und die m.                 oHG ausweislich der den Beklagten vorgelegten Urkunde mit dem Einzug der hier in Rede stehenden Forderung im Rahmen einer Inkasso- und Handlungsvollmacht beauftragt. Gleiches galt nach dem Inhalt der Urkunde für weitere an die Klägerin abgetretene Forderungen. Bei dieser Sachlage durften die Beklagten davon ausgehen, dass die Streithelferin zu 3 berechtigt war, über den Einzug der hier betroffenen Forderung frei zu disponieren. Der [X.]swiderruf durch die Beklagten ist insoweit nicht von Bedeutung, weil er lediglich durch den Zweck geleitet war, die [X.]      zur Zahlung zu veranlassen. Dem bloßen Hinweis der Abtretungsurkunde auf das Konto der Klägerin war nicht zu entnehmen, dass Zahlungen nur auf dieses Konto erfolgen durften, zumal der [X.] zunächst unbeanstandet von der Klägerin durch die [X.]      eingezogen worden war. Auch vor dem Hintergrund der nach außen fortbestehenden familiären Verbundenheit der Streithelfer zu der Klägerin war die Weisung, die Zahlung an die [X.] auszukehren, nicht als verdächtig zu bewerten. Anhaltspunkte für eine Rückfrage der Beklagten an die Klägerin waren folglich nicht gegeben.

c) Bislang fehlt es jedoch an abschließenden tatrichterlichen Feststellungen zur Reichweite der von der Klägerin der [X.] und den [X.] erteilten Vertretungsmacht. Einer Zurückverweisung zur Klärung dieser Frage bedarf es indessen nicht, weil die Klägerin - selbst wenn man eine Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen des [X.] unterstellt - keinen Schaden erlitten hat.

2. Der Klägerin ist kein Schaden (§ 249 Abs. 1 [X.]) entstanden, weil die über die [X.]    eingezogene und sodann an die [X.] abgeführte Forderung nicht wirksam an sie abgetreten worden war (§ 398 [X.]).

a) Die Abtretung entbehrt zum einen der notwendigen Bestimmtheit, weil die m.       oHG eine Mehrzahl von gegen die [X.] gerichteten Forderungen lediglich teilweise an die Klägerin, nämlich in Höhe von deren Forderungen, abgetreten hatte, ohne dass erkennbar ist, auf welche konkreten Forderungen der [X.] sich die Abtretung erstreckt.

aa) Eine Abtretung ist nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Rechtsnatur der Abtretung, die ein dingliches Rechtsgeschäft ist. Die Abtretung bewirkt, dass das Gläubigerrecht an einer Forderung von dem bisherigen Gläubiger auf eine andere Person als neuen Gläubiger übergeht (§ 398 [X.]). Wie ein Gläubigerrecht nur an einer bestimmten oder mindestens bestimmbaren Forderung bestehen kann, so kann auch nur das Gläubigerrecht an einer bestimmten oder bestimmbaren Forderung Gegenstand der Abtretung sein. An dem Erfordernis der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit fehlt es, wenn von mehreren selbständigen Forderungen ein Teil abgetreten wird, ohne dass erkennbar ist, von welcher oder von welchen Forderungen ein Teil abgetreten werden soll ([X.], Urteil vom 7. Juni 2011 - [X.], NJW 2011, 2713 Rn. 6 mwN).

bb) In dieser Weise verhält es sich im Streitfall.

(1) Die [X.] hatte "alle gegen die Firma [X.] in dem Rechtsstreit vor dem [X.] geltend gemachten und ihnen zustehenden Ansprüche" an die Klägerin "in Höhe ihrer fortlaufenden Forderungen" abgetreten. Entgegen der Würdigung des Berufungsgerichts betraf die Abtretung nicht eine Einzelforderung, sondern eine sich aus einer Vielzahl von Forderungen zusammensetzende Gesamtforderung über zunächst 519.397,72 €. Die beklagte [X.] hatte insoweit auf der Grundlage eines den Bestand der einzelnen Forderungen nicht berührenden deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2015 - [X.], [X.], 1748 Rn. 13) [X.] über 50.000 € unstreitig gestellt. Nachdem das [X.] selbst [X.] über 41.553,11 € als berechtigt ansah, verurteilte es die [X.] entsprechend dem Anerkenntnis zur Zahlung von insgesamt 50.000 €, wobei die Verzinsung nach Maßgabe der Höhe der sieben Einzelforderungen gestaffelt wurde. Bei dieser Sachlage betrifft die Abtretung, soweit es um die "geltend gemachten und zustehenden Ansprüche" geht, eine Mehrzahl von Forderungen.

(2) Der Bestimmtheitsgrundsatz verbietet, aus der Gesamtsumme mehrerer Forderungen nur einen summenmäßig bestimmten Teil abzutreten ([X.], Urteil vom 7. Juni 2011 - [X.], NJW 2011, 2713 Rn. 7). In dieser Weise sind indessen die Klägerin und die [X.] verfahren, indem sie alle der m.        oHG gegen die [X.] zustehenden Forderungen an die Klägerin abgetreten und diese Abtretung im Umfang auf die "Höhe ihrer fortlaufenden Forderungen" eingeschränkt haben. [X.] wurden sämtliche Forderungen der m.            oHG gegen die [X.], zugleich wurde das Abtretungsvolumen durch die offenen Forderungen aus der Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der [X.] beschränkt. Vor diesem Hintergrund bleibt ungeklärt, welche Einzelforderungen von der Abtretung betroffen sind. Es ist nicht erkennbar, auf welchen Teil der Forderungen der m.              oHG sich die Abtretung bezieht, weil die abgetretenen Forderungen über 50.000 € den gesicherten Betrag von 38.250 € übersteigen (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Oktober 2009 - [X.], [X.] Rn. 2).

b) Die Abtretungsvereinbarung genügt zum anderen nicht dem Bestimmtheitserfordernis, weil sie auf die Höhe der "fortlaufenden Forderungen" der Klägerin gegen die [X.] beschränkt ist und darum für die [X.] als Drittschuldnerin der abgetretenen Forderungen der Umfang des Forderungsübergangs nicht erkennbar war.

aa) Die Abtretungsvereinbarung verknüpft den Umfang der Forderungsabtretung mit der zu sichernden Forderung, indem sie die Abtretung auf die "fortlaufenden Forderungen" der Klägerin begrenzt. Dadurch wird die Höhe der Abtretung ungewiss. Wie hoch die Forderung der Klägerin gegen die [X.] war, ließ sich aus der Abtretungsvereinbarung allein weder ersehen noch errechnen, sondern nur mit Hilfe sonstiger Unterlagen jeweils für den maßgeblichen Stichtag feststellen. Insoweit war die abgetretene Forderung ihrer Höhe nach lediglich zwischen den Parteien des [X.] bestimmbar. Die Wirkungen eines solchen [X.] erstrecken sich jedoch notwendig auf den Schuldner der abgetretenen Forderung. Es kann deswegen nicht genügen, dass sich aufgrund des Vertrags nur im Verhältnis zwischen Zedenten und Abtretungsempfänger ermitteln lässt, wer von ihnen wie viel vom Schuldner fordern kann. Vielmehr muss auch der Schuldner, mindestens in gewissen Grenzen, aus dem Abtretungsvertrag oder sonstigen ihm erkennbaren Umständen entnehmen können, wie eine nur teilweise abgetretene Forderung sich auf den Zedenten und Abtretungsempfänger aufteilt und wie viel er deshalb an jeden von beiden zu leisten hat ([X.], Urteil vom 22. September 1965 - [X.], NJW 1965, 2197 f; vom 12. Oktober 1999 - [X.], [X.], 2058, 2059 f; [X.], NJW-RR 1997, 1070, 1071).

bb) Diesen Mindestanforderungen ist im Streitfall nicht genügt, weil die [X.] als Drittschuldnerin weder aus der Abtretungsvereinbarung noch sonst in zumutbarer Weise erkennen konnte, in welcher Höhe die abgetretenen Forderungen der Klägerin und der m.          oHG zustanden. Insbesondere war die [X.] völlig im Unklaren darüber, wie hoch sich die "fortlaufenden Forderungen" der Klägerin gegen die [X.] beliefen. Es fehlte dabei jede Eingrenzung, welche einzelnen Forderungen der Klägerin die Höhe der abgetretenen Forderungen bestimmen sollten. Darum konnte die [X.] nicht ermessen, in welchem Umfang die Klägerin und die m.            oHG ihre Gläubigerin war. Diese Unsicherheit wurde nicht durch die von der Klägerin der m.                 oHG erteilte Einzugsermächtigung beseitigt. Die Einzugsermächtigung gab ihrem Inhalt nach der [X.] keinen Aufschluss über die auf beide Gläubiger entfallenden Forderungsanteile. Der Schuldner muss unabhängig von einer - zudem widerruflichen - Einzugsermächtigung wissen, wer in welcher Höhe Gläubiger einer gegen ihn gerichteten Forderung ist. Insbesondere bestand die Unsicherheit ungeachtet der Einzugsermächtigung fort, sofern sich die [X.] von der Verbindlichkeit gegenüber einer der [X.] aufgrund einer nach Kenntnis der Abtretung erlangten Forderung im Wege der Aufrechnung befreien konnte. In dieselbe Richtung weist die Rücksichtnahme auf die Interessen konkurrierender Gläubiger. Würde einem solchen die Abtretungsvereinbarung vorgelegt, so bliebe er in völliger Ungewissheit, in welcher Höhe die Forderung etwa noch seinem Zugriff unterliegt ([X.], Urteil vom 22. September 1965, aaO S. 2198).

c) Ohne Erfolg beruft sich die Revisionserwiderung darauf, die Abtretung sei nachträglich in ausreichend bestimmter Form vorgenommen worden. Für diese Schlussfolgerung fehlt es an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten.

III.

Auf die begründete Revision der Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), ist die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zurückzuweisen.

Grupp     

      

Gehrlein     

      

Lohmann

      

Schoppmeyer     

      

Meyberg     

      

                                            

Meta

IX ZR 238/15

11.05.2017

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 18. November 2015, Az: 2 U 693/13

§ 167 Abs 1 BGB, § 168 Abs 1 S 3 BGB, § 398 BGB, § 675 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.05.2017, Az. IX ZR 238/15 (REWIS RS 2017, 11113)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3373 WM2018,391 REWIS RS 2017, 11113

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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