Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.01.2018, Az. I B 81/17

1. Senat | REWIS RS 2018, 15126

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Gegenstand

Feststellung von nach DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünften - Notwendige Beiladung zum Klageverfahren bei doppelstöckigen Personengesellschaften - keine Nachholung der Beiladung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde


Leitsatz

1. NV: Die gesonderten Feststellungen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO einerseits und gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO andererseits sind jeweils rechtlich selbständige Feststellungen, die zusammengefasst werden können, aber nicht müssen.

2. NV: Die inländischen Gesellschafter einer (Ober-)Personengesellschaft, die ihrerseits an einer ausländischen (Unter-) Personengesellschaft beteiligt ist, sind zu einem Klageverfahren der Obergesellschaft gegen einen Bescheid, mit dem eine Feststellung gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO in Bezug auf von der Untergesellschaft erzielte Einkünfte abgelehnt wird (negativer Feststellungsbescheid), notwendig beizuladen (Fortführung des Senatsurteils vom 11. Juli 2017 I R 34/14, juris).

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2017  11 K 411/13 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GbR, deren (sechs) Gesellschafter im Streitjahr (2010) im Inland wohnten. Die Klägerin gründete mit einer Kapitaleinlage von ... € in [X.] die [X.], deren Rechtsform nach den Feststellungen der Vorinstanz mit der einer inländischen Personengesellschaft vergleichbar ist. Die weitere Gesellschafterin der [X.] war eine [X.] Kapitalgesellschaft (Ltd.), die keine Kapitaleinlage zu leisten hatte. Geschäftsgegenstand der [X.] war der Handel mit Gold, Edelmetallen und anderen Metallen und Wertpapieren aller Art.

2

Am ... 2010 erwarb die [X.] Goldbarren für insgesamt ... €, die sie im Januar/Februar 2011 wieder veräußerte. In ihrem "profit and loss account" für 2010 erfasste die --nicht bilanzierende und in [X.] nicht bilanzierungspflichtige-- [X.] die Aufwendungen für den Erwerb des Goldes als Verlust und rechnete diesen in voller Höhe der Klägerin zu.

3

In ihrer Feststellungserklärung für 2010 erklärte die Klägerin negative, nach dem mit [X.] bestehenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ([X.]) steuerfreie Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... €, die dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen seien. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--)- erließ daraufhin einen negativen Feststellungsbescheid für 2010, demzufolge keine Feststellungen nach § 180 Abs. 5 der Abgabenordnung in der für das Streitjahr geltenden Fassung ([X.]) zu treffen seien, weil keine gewerblichen, nach [X.] steuerfreien Einkünfte vorlägen. Die Klägerin sei vermögensverwaltend tätig.

4

In dem anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin beantragt, den negativen Feststellungsbescheid aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, entsprechend der eingereichten Feststellungserklärung für den Feststellungszeitraum 2010 einen Feststellungsbescheid mit dem Inhalt zu erlassen, dass die Verluste aus der ausländischen Betriebsstätte der Klägerin in Höhe von ... € als im Rahmen des [X.] bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes zu berücksichtigende ausländische Verluste aus gewerblicher Tätigkeit festgestellt und den Gesellschaftern entsprechend deren Beteiligungsquoten zugeordnet werden.

5

Die Klage hatte keinen Erfolg; das Finanzgericht ([X.]) [X.] hat sie mit Urteil vom 6. Juli 2017  11 K 411/13 als unbegründet abgewiesen. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen kam das [X.] zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zwar über die Beteiligung an der [X.] negative gewerbliche Einkünfte erzielt, dass es sich dabei jedoch mangels im Streitjahr in [X.] vorhandener Betriebsstätte der [X.] nicht um Einkünfte gehandelt hat, die nach einem [X.] steuerfrei sind. Folglich unterläge der Verlust nicht nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Progressionsvorbehalt.

6

Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde, die Revision gegen das [X.]-Urteil zuzulassen.

7

Das [X.] beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Beschwerde erweist sich wegen [X.] als im Ergebnis begründet und führt gemäß § 116 Abs. 6 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

9

1. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) ist allerdings unbegründet. Die Klägerin macht geltend, das [X.] habe ihr Klagebegehren unzureichend ermittelt und infolgedessen nicht über den gesamten Verfahrensgegenstand entschieden, indem es die Klage als unbegründet abgewiesen habe, ohne darüber zu entscheiden, ob ein inländischer Verlust der Klägerin aus Gewerbebetrieb festzustellen sei. Das Klagebegehren sei rechtsschutzgewährend dahin auszulegen, dass die Klägerin, für den Fall, dass der Verlust keiner in [X.] belegenen Betriebsstätte zuzurechnen ist, beantragt, den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass ein inländischer Verlust aus Gewerbebetrieb festgestellt wird.

Dem ist nicht beizupflichten. Dem Klageantrag ist ein hilfsweises Verpflichtungsbegehren in Bezug auf den Erlass eines Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen in Zusammenhang stehende Besteuerungsrundlagen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.] weder ausdrücklich noch konkludent nach den Grundsätzen der rechtsschutzgewährenden Auslegung zu entnehmen. Der ursprüngliche Feststellungsantrag der Klägerin gegenüber dem [X.], der angefochtene Bescheid, der erstinstanzliche Klageantrag und das [X.]-Urteil beziehen sich ausschließlich auf die gesonderte und einheitliche Feststellung von nach einem [X.] von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen und deshalb dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften i.S. von § 180 Abs. 5 Nr. 1 [X.]. Die gesonderten Feststellungen gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.] einerseits und gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 [X.] andererseits sind jeweils rechtlich selbständige Feststellungen, die zusammengefasst werden können, aber nicht müssen (Senatsbeschluss vom 4. April 2007 I R 110/05, [X.], 535, [X.], 521; Senatsurteil vom 24. Juli 2013 I R 57/11, [X.], 102, [X.], 633; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 180 [X.] Rz 102). Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine selbständige Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 [X.], deren Bestandskraft die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.] nicht hindern würde. Es besteht daher unter dem Gesichtspunkt der rechtsschutzgewährenden Auslegung kein Grund für die Annahme eines über den Wortlaut des Klageantrags hinausgehenden Hilfsbegehrens der Klägerin.

2. Das [X.] hat es jedoch [X.] unterlassen, die [X.]er der Klägerin nach § 60 Abs. 3 [X.]O (notwendig) beizuladen. Eine unterbliebene notwendige Beiladung stellt einen vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu prüfenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (z.B. Senatsurteil vom 11. Juli 2017 I R 34/14, juris).

a) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 [X.]O sind Dritte (notwendig) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für [X.], die nach § 48 [X.]O nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 [X.]O). Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 [X.]O Klagebefugten, müssen deshalb die übrigen Klagebefugten mit Ausnahme solcher, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sind, zum Verfahren beigeladen werden (z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 4. November 2003 VIII R 38/01, [X.], 1372, m.w.N.).

b) Nach der zu unmittelbar an ausländischen [X.]en beteiligten inländischen Mitunternehmern ergangenen Rechtsprechung des [X.] gilt § 48 [X.]O auch dann, wenn verfahrensgegenständlich die Feststellung der aus einer ausländischen Personengesellschaft erzielten und dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 [X.] ist. Danach ist grundsätzlich die ausländische Personengesellschaft (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O) klagebefugt; die Klagebefugnis der [X.]er ist an das Vorliegen einer der in § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 [X.]O genannten Tatbestände gebunden (Senatsurteil vom 18. August 2015 I R 42/14, [X.]/NV 2016, 164; [X.]-Urteil vom 19. Januar 2017 IV R 50/13, [X.]/NV 2017, 751).

c) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind bei einem negativen Feststellungsbescheid neben der [X.] nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O auch die [X.]er selbst klagebefugt (z.B. Senatsurteil vom 11. Juli 2017 I R 34/14, juris; [X.]-Urteil in [X.]/NV 2017, 751). Ein negativer Feststellungsbescheid liegt auch dann vor, wenn das [X.] --wie hier-- die Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 [X.] mit der Begründung ablehnt, es seien keine nach einem [X.] von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte gegeben (Senatsurteil vom 11. Juli 2017 I R 34/14, juris; [X.]-Urteil in [X.]/NV 2017, 751).

d) Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die im Streitfall gegebene Konstellation, dass die [X.]er nicht unmittelbar, sondern über eine weitere (Ober-)Personengesellschaft (hier: die Klägerin) an der ausländischen (Unter-)Personengesellschaft beteiligt sind und ausnahmsweise --weil kein anderer unbeschränkt Steuerpflichtiger [X.]er an der ausländischen [X.] beteiligt [X.] die die Untergesellschaft betreffenden Besteuerungsgrundlagen im Rahmen des Feststellungsverfahrens der [X.] festzustellen sind (s. hierzu Senatsurteil vom 9. Dezember 2010 I R 49/09, [X.]E 232, 145, [X.], 482) und die Behörde einen negativen Feststellungsbescheid erlassen hat. Denn gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG steht der mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte [X.]er dem unmittelbar beteiligten [X.]er gleich; er ist als Mitunternehmer des Betriebs der [X.] anzusehen, an der er mittelbar beteiligt ist, wenn er und die Personengesellschaften, die seine Beteiligung vermitteln, jeweils als Mitunternehmer der Betriebe der Personengesellschaften anzusehen sind, an denen sie unmittelbar beteiligt sind.

3. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 [X.]O kann der [X.] zwar eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 [X.]O im Revisionsverfahren mit heilender Wirkung für das finanzgerichtliche Verfahren nachholen, nicht hingegen auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ([X.]-Beschlüsse vom 8. Oktober 2002 III B 74/02, [X.]/NV 2003, 195; vom 21. Dezember 2011 IV B 101/10, [X.]/NV 2012, 598). Die Sache ist daher nach § 116 Abs. 6 [X.]O an die Vorinstanz zurückzuverweisen, ohne dass es auf die weiteren von der Klägerin vorgebrachten Zulassungsgründe ankommt.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I B 81/17

24.01.2018

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 6. Juli 2017, Az: 11 K 411/13, Urteil

§ 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO, § 180 Abs 5 Nr 1 AO, § 48 Abs 1 Nr 1 FGO, § 48 Abs 1 Nr 4 FGO, § 48 Abs 1 Nr 5 FGO, § 60 Abs 3 S 1 FGO, § 123 Abs 1 S 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.01.2018, Az. I B 81/17 (REWIS RS 2018, 15126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15126


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I B 81/17

Bundesfinanzhof, I B 81/17, 24.01.2018.


Az. 11 K 411/13

FG München, 11 K 411/13, 06.07.2017.


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