Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2012, Az. 9 AZR 479/10

9. Senat | REWIS RS 2012, 8983

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell - Ermessensentscheidung


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 3. März 2010 - 4 Sa 552/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. März 2009 - 5 [X.]/08 - wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision und der Berufung zu tragen.

Tatbestand

1

[X.]er Kläger verlangt von der [X.], mit ihm einen Altersteilzeitarbeitsvertrag zu schließen.

2

[X.]ie Beklagte beschäftigt den am 7. September 1948 geborenen Kläger seit dem 1. Januar 1973 in der [X.] des [X.]. [X.]er Kläger ist dem [X.] in [X.] zugeordnet und arbeitet als technischer Angestellter in der [X.], die 13 Planstellen umfasst. [X.] richtete die Beklagte eine zusätzliche [X.] ein, die mit einem kw-Vermerk zum 31. August 2010 versehen ist. [X.]ie [X.] war dem Mitarbeiter [X.] zugeordnet, der im Jahr 2006 in die Freistellungsphase eines [X.] trat und mit Wirkung zum 1. September 2010 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagen ausschied. [X.]ie Planstelle, die dem Mitarbeiter [X.] ursprünglich zugewiesen war, ist mit einem Sperrvermerk versehen. Als allein verantwortlichem Techniker obliegt es dem Kläger, die Funktionsfähigkeit des sog. „[X.]“, eines internen Fernmeldenetzes der [X.], sicherzustellen.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet [X.] der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des [X.] Nr. 2 vom 30. Juni 2000 ([X.]) Anwendung. Auszugsweise sieht der [X.] folgende Regelungen vor:

        

„§ 2   

        

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

        

(1)     

[X.]er Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die

                 

a)    

das 55. Lebensjahr vollendet haben,

                 

b)    

eine Beschäftigungszeit (z. B. § 19 [X.]/[X.]-O) von fünf Jahren vollendet haben und

                 

c)    

innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem [X.]ritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben,

                 

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des [X.]ritten Buches Sozialgesetzbuch sein.

        

(2)     

Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. [X.]er Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

        

(3)     

[X.]er Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

        

…       

        
                          
        

§ 3     

        

Reduzierung und Verteilung der Arbeitszeit

        

(1)     

[X.]ie durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt die [X.]älfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit.

                 

...     

        

(2)     

[X.]ie während der Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu leistende Arbeit kann so verteilt werden, dass sie

                 

a)    

in der ersten [X.]älfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses geleistet und der Arbeitnehmer anschließend von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge nach Maßgabe der §§ 4 und 5 freigestellt wird (Blockmodell) oder

                 

b)    

durchgehend geleistet wird ([X.]).

        

(3)     

[X.]er Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass sein Wunsch nach einer bestimmten Verteilung der Arbeitszeit mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung erörtert wird.“

4

Mit Rundschreiben vom 28. Februar 2006 teilte das [X.]ministerium des Innern ([X.]) den Behörden seines Geschäftsbereichs mit, der Rechnungsprüfungsausschuss habe in seiner Sitzung vom 17. Februar 2006 beschlossen, die Bewilligung von Altersteilzeit für Beamte sei von bestimmten Personalabbaubereichen abgesehen nur noch im [X.] möglich. Mit Rundschreiben vom 8. März 2006 übertrug das [X.] diese Regelung auf Altersteilzeitarbeitsverträge mit Arbeitnehmern.

5

Mit Schreiben vom 15. April 2008 verlangte der Kläger ohne Erfolg von der [X.], das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Oktober 2008 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortzuführen. [X.]ie Arbeitsphase sollte vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2011, die Freistellungsphase vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2013 dauern.

6

[X.]er Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe einen tariflichen Anspruch auf Abschluss des begehrten [X.]. Finanzielle Erwägungen ließen die Verpflichtungen der [X.] aus dem [X.] unberührt.

7

[X.]er Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 15. April 2008, gerichtet auf die Vereinbarung von Altersteilzeitarbeit im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2011 sowie einer Freistellungsphase vom 1. April 2011 bis zum 30. September 2013, anzunehmen.

8

[X.]ie Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der von dem Kläger begehrten Vertragsänderung stünden dringende dienstliche Gründe iSd. § 2 Abs. 3 [X.] entgegen. [X.]ie Erfüllung der dem Kläger obliegenden Aufgaben sei in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht gewährleistet. [X.]ie Stelle des [X.] könne in diesem Zeitraum nicht nachbesetzt werden, da eine [X.] nicht zur Verfügung stehe. Sie könne auch nicht davon ausgehen, dass sie die Stelle des Mitarbeiters [X.] nachbesetzen könne. Bislang stünden dafür keine freien Mittel bereit. Im Übrigen dürfe die Bewilligung von Altersteilzeit nicht zu zusätzlichen finanziellen Belastungen des [X.]haushalts führen. Schließlich komme die von dem Kläger gewünschte Verteilung der Arbeitszeit im [X.]inblick auf das Rundschreiben des [X.] vom 8. März 2006 nicht in Betracht.

9

[X.]as Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. [X.]er Kläger verfolgt mit der Revision sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Das [X.] hat das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert. Die zulässige Klage ist begründet.

I. Die Beklagte ist verpflichtet, den von dem Kläger begehrten [X.] abzuschließen. Rechtsgrundlage sind § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 2 Buchst. a TV [X.]. § 315 Abs. 1 BGB. Dem Anspruch des [X.] stehen dringende dienstliche oder betriebliche Gründe nach § 2 Abs. 3 TV [X.] nicht entgegen. Die Weigerung der [X.], die Arbeitszeit gemäß dem Blockmodell zu verteilen, entspricht nicht billigem Ermessen (§ 3 Abs. 2 Buchst. a TV [X.]. § 315 Abs. 1 BGB). Dies rügt die Revision zu Recht.

1. Der Klageantrag, der auf die Annahme des von dem Kläger unter dem 15. April 2008 unterbreiteten Angebots gerichtet ist, ist nicht schon deshalb unbegründet, weil der Kläger mit ihm die rückwirkende Änderung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung vom 1. Oktober 2008 verlangt. Denn seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des [X.] vom 26. November 2001 ([X.] S. 3138) kommt die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung mit Rückwirkung in Betracht. Ein Vertragsangebot kann deshalb auch dann noch angenommen werden, wenn es auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist.Denn im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er hinsichtlich der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann (st. Rspr., vgl. [X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 26, [X.]E 126, 264). Soweit die Arbeitsvertragsparteien - wie im Streitfall - bereits Leistungen tatsächlich erbracht haben, die nach dem nunmehr geltenden Vertrag nicht oder nicht so geschuldet sind, sind diese rückabzuwickeln (vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 21, [X.]E 127, 214). Die steuer- und sozialversicherungsrechtlich erforderliche Neuordnung des Arbeitsverhältnisses der Parteien steht dem nicht entgegen (vgl. [X.] 23. Januar 2007 - 9 [X.] - Rn. 35 ff., [X.] Diakonisches Werk § 1 Nr. 14). Dies gilt auch in den Fällen, in denen zum Zeitpunkt, zu dem der [X.] zustande kommt, die Arbeitsphase bereits abgeschlossen ist und sich der Arbeitnehmer bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet (vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - aaO).

2. Die tariflichen Voraussetzungen, an die § 2 Abs. 2 TV [X.] einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines [X.]s knüpft, liegen im Streitfall vor.

a) Die Vorschriften des TV [X.] finden [X.] auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG). Der Kläger erfüllt die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 iVm. Abs. 1 TV [X.]. Zum begehrten Beginn der Altersteilzeit am 1. Oktober 2008 beschäftigte die Beklagte den Kläger, der das 60. Lebensjahr bereits vollendet hatte, über fünf Jahre. Der Kläger stand in dem [X.] vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nach dem [X.] III.

b) Dem Anspruch des [X.] stehen dringende dienstliche oder betriebliche Gründe iSd. § 2 Abs. 3 TV [X.] nicht entgegen.

aa) Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines [X.]s ist in den Fällen ausgeschlossen, in denen die von dem Arbeitnehmer begehrte Vertragsänderung gewichtige Belange des Arbeitgebers in erheblichem Maße beeinträchtigt. Die Aufwendungen des Arbeitgebers, die typischerweise mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis verbunden sind, stellen für sich genommen im Regelfall keine dringenden dienstlichen oder betrieblichen Gründe dar (vgl. [X.] 23. Januar 2007 - 9 [X.] - Rn. 26, [X.]E 121, 55). Zu diesen typischen Aufwendungen gehören die finanziellen Lasten, die dem Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften mit jedem Altersteilzeitarbeitsverhältnis entstehen. Nicht ausgeschlossen ist, dass im Einzelfall eine unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung eintreten kann, die unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage den Arbeitgeber berechtigt, die Begründung eines [X.]s aus dringenden dienstlichen oder betrieblichen Gründen abzulehnen (vgl. [X.] 23. Januar 2007 - 9 [X.] - Rn. 26 f., aaO). Bei diesen Gründen iSv. § 2 Abs. 3 TV [X.] handelt es sich um eine negative Anspruchsvoraussetzung. Der Arbeitgeber hat deshalb die ihr zugrunde liegenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen ([X.] 13. Juli 2010 - 9 [X.] - Rn. 45, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 47 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 34).

bb) Die Beklagte hat dringende dienstliche oder betriebliche Gründe iSd. § 2 Abs. 3 TV [X.] nicht dargetan. Der Einwand der Beklagen, sie könne die Stelle des [X.] aus Gründen des [X.] erst nach dem Ende der Freistellungsphase besetzen, berechtigt sie nicht, das Änderungsangebot des [X.] abzulehnen.

(1) Es gehört zu den typischen Folgen eines [X.] im Blockmodell, dass dem Arbeitgeber die Arbeitskraft des Arbeitnehmers ab dem Zeitpunkt, ab dem der Arbeitnehmer in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eintritt, nicht mehr zur Verfügung steht. Besteht der [X.] fort, obliegt es dem Arbeitgeber, die [X.] an die geänderte Beschäftigungssituation anzupassen. In Ausübung der ihm zukommenden Organisationshoheit kann er darüber befinden, ob er das Arbeitsvolumen, das zuvor dem Altersteilzeit leistenden Arbeitnehmer zugewiesen war, auf die im Betrieb verbleibenden Mitarbeiter verteilt oder eine Ersatzkraft einstellt.

(2) Diese Grundsätze gelten auch für die Stellenbewirtschaftung im öffentlichen Dienst. Soweit die Beklagte durch den Abschluss des TV [X.] Schuldnerin tarifvertraglicher Ansprüche von Arbeitnehmern auf Altersteilzeit geworden ist, obliegt es ihr, ihre [X.] den eingegangenen Verpflichtungen anzupassen. Während Unternehmen der Privatwirtschaft ihren Bedarf an Arbeitskräften in der Regel unmittelbar aufgrund der Feststellung eines unternehmerischen Bedürfnisses an der Verrichtung bestimmter Arbeiten treffen, vollzieht sich die Personalbedarfsentscheidung eines Arbeitgebers öffentlichen Rechts wegen dessen Bindung an das Haushaltsrecht im Wege der Bereitstellung der zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Haushaltsmittel (vgl. [X.] 16. Januar 1987 - 7 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 55, 1). Die Kompetenz zur Feststellung des Haushaltsplans liegt nach Art. 110 Abs. 2 GG beim Gesetzgeber. Die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand ist grundlegender Teil der [X.] Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat (vgl. [X.] 30. Juni 2009 - 2 [X.] ua. - Rn. 252, [X.]E 123, 267).

(3) Mit dem Hinweis auf den Stellenplan ist kein dienstlicher oder betrieblicher Grund dargelegt, der den öffentlichen Arbeitgeber berechtigt, das Altersteilzeitverlangen eines Arbeitnehmers abzulehnen. Die Befugnis, gegenüber [X.] rechtlich bindende Verpflichtungen einzugehen, gehört zum Kernbereich der Haushaltsautonomie. Von dieser hat die Beklagte durch den Abschluss des TV [X.] Gebrauch gemacht. Sie hat sich dabei tarifvertraglich verpflichtet, den Beschäftigen unter den im TV [X.] genannten Voraussetzungen Altersteilzeit zu ermöglichen. An diesen tariflichen Zusagen muss sich die Beklagte festhalten lassen. Andernfalls stände es entgegen den Vorgaben des TV [X.] im Belieben der [X.], ob sie dem Wechsel eines Arbeitnehmers in die tarifvertraglich vorgesehene Altersteilzeit zustimmt (vgl. [X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.] - Rn. 58, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15). Sie hätte es in der Hand, dem personellen Status quo durch eine entsprechende Gestaltung des Haushaltsplans Dauer zu verleihen (vgl. zur parallelen Problematik im Befristungsrecht: [X.] 9. März 2011 - 7 [X.] - Rn. 33, [X.] § 14 Nr. 76). Das Interesse an einem unveränderten Stellenplan deckt sich mit dem Interesse an der [X.]. Dieses allein begründet indes keinen hinreichenden Grund, die von einem Arbeitnehmer gewünschte Altersteilzeit zu verweigern (vgl. zu § 3 Abs. 2 Buchst. a TV [X.]: [X.] 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 43, [X.] § 3 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 33).

(4) Im Übrigen stützt die Beklagte ihre Behauptung, haushaltsrechtliche Vorgaben stünden einer zeitnahen Reorganisation der Personalstruktur und damit der notwendigen Aufrechterhaltung des [X.] entgegen, nicht auf im Einzelnen nachvollziehbares Tatsachenvorbringen. Namentlich trägt sie nicht vor, welche konkreten Umstände sie im [X.] zu der Prognose veranlassten, der Haushalt für das [X.] erlaube es nicht, den altersteilzeitbedingten [X.] durch personaltechnische Maßnahmen auszugleichen. Soweit sie geltend macht, sie könne nicht davon ausgehen, dass die Stelle des Mitarbeiters H nachbesetzt werde, da bislang keine freien Mittel zur Bewirtschaftung einer [X.], handelt es sich um eine vage Befürchtung, auf die der Kläger nicht sachgerecht erwidern kann.

(5) Die wirtschaftlichen Belastungen durch den TV [X.] hat die Beklagte - wie jede andere Tarifvertragspartei auch - zu tragen. Eine wirtschaftliche Überforderung liegt grundsätzlich erst dann vor, wenn die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] beschriebene [X.] überschritten ist (vgl. [X.] 18. Oktober 2011 - 9 [X.] - Rn. 24 ff.). Nach dieser Vorschrift muss für Erstattungsleistungen der Arbeitsverwaltung die freie Entscheidung des Arbeitgebers sichergestellt sein, ob er mit [X.] der Arbeitnehmer seines Betriebs Altersteilzeitarbeitsverträge schließt. Diese gesetzliche Regelung begrenzt über das Tatbestandsmerkmal „auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes“, das aufgrund des Verweises in § 2 Abs. 2 Satz 1 TV [X.] auf § 2 Abs. 1 TV [X.] auch für Arbeitnehmer rentennaher Jahrgänge gilt, sämtliche [X.] aus § 2 TV [X.] (vgl. [X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 35, [X.]E 126, 264). Die hierin liegende Quotierung dient ua. dazu, altersteilzeitbedingte finanzielle Mehraufwendungen des Arbeitgebers in Grenzen zu halten (vgl. [X.] 14. Oktober 2008 - 9 [X.] - Rn. 24, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 41 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 29). Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass in der Dienststelle, der der Kläger zugeordnet ist, die [X.] erfüllt ist.

3. Die über die Ablehnung des [X.] hinausgehende Entscheidung der [X.], die Arbeitszeit nicht im Blockmodell zu verteilen, widerspricht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 [X.], § 315 Abs. 1 BGB. Die Annahmeerklärung, die die Beklagte verweigert hat, ist durch den Senat zu ersetzen.

a) Der Arbeitnehmer hat nach §§ 2, 3 TV [X.] keinen Anspruch darauf, dass die Arbeitszeit während des [X.] seinen Wünschen entsprechend verteilt wird. Der Arbeitgeber hat vielmehr nach billigem Ermessen über die Verteilung der Arbeitszeit zu entscheiden (§ 315 Abs. 1 BGB). Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Ob die Entscheidung des Arbeitgebers der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese Sachentscheidung ist zwar wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den [X.] vorbehalten. Eine Entscheidung des [X.] ist jedoch geboten, wenn die Tatsachen, die die Ablehnung rechtfertigen sollen, feststehen und nur eine zustimmende Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht ([X.] 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 36 f., [X.] § 3 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 33).

b) Nur die Annahme des Angebots auf Abschluss eines [X.]s mit einer Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell entspricht im Streitfall der Billigkeit. Die erforderlichen Tatsachen sind festgestellt.

aa) Welche tatsächlichen Umstände in die Ermessensabwägung einzubeziehen sind, richtet sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand. Geht es um die Verteilung der Arbeitszeit, können alle sachlichen Gründe berücksichtigt werden, die sich auf die Lage der Arbeitszeit als solche beziehen. Das kann wegen der Aufgabenstellung des Arbeitnehmers im Einzelfall auch zu einem Vorrang des Teilzeitmodells führen ([X.] 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 42, [X.] § 3 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 33).

bb) Derartige Gründe hat die Beklagte nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des [X.]s (§ 559 Abs. 2 ZPO) in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen. Das Haushaltsrecht hinderte die Beklagte nicht, die bislang dem Kläger zugewiesenen Arbeitsaufgaben um- oder neuzuverteilen. Auch das Rundschreiben des [X.] steht dem Verteilungswunsch des [X.] nicht entgegen. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 17. August 2010 (- 9 [X.] - Rn. 44 ff., [X.] § 3 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 33) im Einzelnen dargelegt hat, steht dem öffentlichen Arbeitgeber nicht das Recht zu, eines der beiden tariflich vorgesehenen Arbeitszeitverteilungsmodelle gänzlich auszuschließen. Anderenfalls würde dem Arbeitnehmer das tariflich verbürgte Recht entzogen, dass der Arbeitgeber seine Entscheidung über die Verteilung der Arbeitszeit nach billigem Ermessen und damit unter Berücksichtigung der Belange des antragstellenden Arbeitnehmers trifft.

cc) Das Interesse des [X.] an der Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell überwiegt das Interesse der [X.], dass der Kläger seine Aufgaben als Techniker im Teilzeitmodell, dh. mit einer während der gesamten Altersteilzeit gleichmäßig abgesenkten Arbeitszeit, erfüllt. Mit dem Wunsch nach Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell bringt der Arbeitnehmer eine bestimmte Lebensplanung zum Ausdruck. Der Arbeitgeber ist im Gegenzug gehalten, Sachgründe gegen die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell vorzubringen. Genügt der Arbeitgeber seiner diesbezüglichen Darlegungslast nicht oder kann er die entgegenstehenden Gründe nicht beweisen, überwiegen die Belange des Arbeitnehmers (vgl. [X.] 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 48, [X.] § 3 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 33). Dem Wunsch des [X.], die Arbeitszeit nach dem Blockmodell zu verteilen, hat die Beklagte mit den genannten Argumenten keine sachlich berechtigten organisatorischen oder wirtschaftlichen Gründe entgegengehalten.

II. [X.] folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Klose    

        

    [X.]    

        

        

        

    Ropertz    

        

    Pielenz    

                 

Meta

9 AZR 479/10

21.02.2012

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Herne, 4. März 2009, Az: 5 Ca 2897/08, Urteil

§ 2 Abs 2 AltTZTV, § 2 Abs 3 AltTZTV, § 3 Abs 2 Buchst a AltTZTV, § 315 Abs 1 BGB, § 106 S 1 GewO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.02.2012, Az. 9 AZR 479/10 (REWIS RS 2012, 8983)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8983


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 AZR 479/10

Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 479/10, 21.02.2012.


Az. 5 Ca 2897/08

Arbeitsgericht Herne, 5 Ca 2897/08, 04.03.2009.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

9 AZR 414/09 (Bundesarbeitsgericht)

Altersteilzeit im öffentlichen Dienst - genereller Ausschluss des Blockmodells - Ermessensausübung


9 AZR 225/10 (Bundesarbeitsgericht)

Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell - Überschreiten der Überlastquote - arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz


9 AZR 401/09 (Bundesarbeitsgericht)

Altersteilzeit - Ausschluss des Blockmodells


9 AZR 155/09 (Bundesarbeitsgericht)

Altersteilzeit - Vertragsänderung mit Rückwirkung


9 AZR 19/10 (Bundesarbeitsgericht)

Altersteilzeit - Teilzeitmodell


Referenzen
Wird zitiert von

2 Sa 182/16

9 AZR 115/14

8 Sa 499/12

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.