Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2013, Az. VIII ZR 40/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8044

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 40/12
Verkündet am:

20. Februar 2013

Ermel

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
20. Februar 2013
durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterinnen [X.] und [X.] sowie [X.]
Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 26. Januar 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger kaufte von der Beklagten
am 14. September 2007 den Wallach "S.

"

Im
schriftlichen
Kaufvertrag heißt es
unter ande-rem:
"Beschreibung laut
Verkaufsanzeige, [X.] am Sprunggelenk links, sonst ohne gesundheitlichen Befund.
Die Verkäuferin legt Wert darauf, dass das Pferd in gute fördernde Hän-de kommt. Es soll mindestens bis zur
Klasse M auf Turnieren vorgestellt werden. Aktuell bereits A gesiegt."

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Im Frühjahr 2008 wurde bei dem Tier
eine Schädigung des linken hinte-ren Sprunggelenks (Arthritis) festgestellt, die seine weitere Verwendung als Dressurpferd in Frage stellte. Nach vergeblicher Fristsetzung zur Nacherfüllung erklärte der Kläger mit Schreiben vom 11. August 2008 den Rücktritt vom [X.]. Mit Schreiben vom 8. März 2010 stützte er den Rücktritt zusätzlich [X.], dass bei dem Tier bereits im Zeitpunkt der Übergabe eine Osteochondrose
vorgelegen habe, die seine Verwendung als Dressurpferd der Klasse [X.] ausschließe.
Der Kläger verlangt Zug um Zug gegen Rückgabe des Wallachs Rück-zahlung des Kaufpreises sowie Erstattung der ihm entstandenen Unterhal-tungskosten des Tieres, insgebst Zinsen und vorgerichtli-chen Anwaltskosten, ferner Feststellung des Annahmeverzugs und der Pflicht
der Beklagten, ihm die bis zur Rücknahme
des Pferdes entstehenden weiteren Unterhaltungskosten
zu erstatten. Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom Senat
zugelassenen Re-vision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

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Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht zu. Bezüglich der im Frühjahr 2008 festgestellten Schädigung des Sprunggelenks lasse sich nicht feststellen, dass diese Beeinträchtigung schon im Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen habe.
Soweit der Kläger den Rücktritt auf die Osteochondrose gestützt habe, könne offen bleiben, ob es sich dabei um eine -
nicht als Mangel zu qualifizie-rende -
bloße Abweichung von der physiologischen Norm oder um eine Erkran-kung handele. Ein hierauf gestützter Rücktritt sei jedenfalls deshalb ausge-schlossen, weil der
(unterstellte)
Mangel dem Kläger infolge grober Fahrlässig-keit unbekannt geblieben sei (§ 442 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Denn der Kläger habe die verkehrsübliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, indem er dem Verdacht, der sich einem sorgfältigen Käufer angesichts der Informationen über die "[X.] am Sprunggelenk links"
und die
Entfernung eines Chips aus einem Sprunggelenk
hätte aufdrängen müssen, nicht nachgegangen sei und keine weitere Aufklärung verlangt habe. Mit dem Hinweis der Beklagten, das Pferd sei "in Ordnung", habe sich der Kläger nicht
begnügen dürfen, zumal er es für die Teilnahme an Turnieren, also nicht nur im Freizeitbereich,
habe ein-setzen wollen. Der Kläger habe sich selbst als Pferdeliebhaber bezeichnet und die Absicht verfolgt, ein Sportpferd zum Zwecke des [X.] zu erwerben; es sei deshalb anzunehmen, dass er sich näher mit den hierfür er-forderlichen Eigenschaften eines Dressurpferdes beschäftigt und auch entspre-chende Kenntnisse erworben habe. Hätte der Kläger vor dem Ankauf eine tier-ärztliche Untersuchung oder die Vorlage tierärztlicher Unterlagen verlangt, wäre ihm die Osteochondrose
bekannt geworden.
Dem Kläger stehe auch aus §§ 812 ff.
[X.] kein Anspruch auf [X.] zu. Eine Nichtigkeit
des
Vertrages wegen [X.] (§
138 Abs. 2 [X.]) komme nicht in Betracht,
weil schon nicht ersichtlich sei, 6
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dass der Kläger unter Ausbeutung einer Zwangslage, seiner Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche zum Abschluss des Kaufvertrages gedrängt worden sei.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des [X.] auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach § 346 Abs. 1 [X.] in
Verbindung mit §
437 Nr. 2, §§ 440, 323 [X.] nicht verneint werden.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass das
Rückabwicklungsbegehren des [X.] nicht schon deswegen (aus ungerecht-fertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 [X.]) begründet ist, weil der [X.] wegen [X.] (§ 138 Abs. 2 [X.]) oder wegen Verstoßes
gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 [X.]) unwirksam wäre. Entgegen der Auffassung der Revision kommt eine Unwirksamkeit des Kaufvertrages nach §
138 Abs. 1 [X.] wegen eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nicht in Betracht. Die Frage, ob ein auffälliges
Missverhältnis vorliegt, ist durch einen Vergleich der von den [X.]en jeweils vertraglich geschuldeten Leistun-gen zu beantworten. Ergibt sich ein Missverhältnis erst daraus, dass eine [X.] ihre Leistung nicht mangelfrei erbracht hat, führt das nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrages, sondern zur Anwendung des Gewährleistungsrechts.
So liegt der Fall hier.
Denn der Kläger leitet das von ihm behauptete auffällige Missver-hältnis von Leistung und Gegenleistung daraus her, dass das Pferd "S.

"
mit Rücksicht darauf, dass es entgegen den vertraglichen Vereinbarungen nicht als Turnierpferd für Dressuren bis Klasse M verwendet werden könne, nur ei-nen Bruchteil des vereinbarten Kaufpreises wert sei.
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2. Zutreffend geht das Berufungsgericht ferner davon aus, dass das Pferd "S.

"
bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet war, wenn es -
wie vom Kläger behauptet und vom Berufungsgericht unterstellt -
wegen einer schon bei Übergabe bestehenden
Osteochondrose
nicht als Dressurpferd geeignet war. Soweit es sich dabei entsprechend der Behauptung des [X.] um eine systemische Erkrankung handeln sollte, läge der Sachmangel darin, dass "S.

"
nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit ("ohne gesund-heitlichen Befund") aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 1 [X.]); anderenfalls fehlte
dem Tier nach dem revisionsrechtlich zu Grunde zu legenden Sachvortrag des Klä-gers zumindest
die Eignung
für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwen-dung (§ 434 Abs. 1
Satz 2
Nr. 1 [X.]) als Dressurpferd bis Klasse M.
3. Die
weitere
Annahme des Berufungsgerichts, die Haftung der Beklag-ten für den (unterstellten) Sachmangel sei jedenfalls deshalb
gemäß §
442 Abs.
1 Satz 2 [X.]
ausgeschlossen, weil er dem Kläger infolge grober Fahrläs-sigkeit unbekannt geblieben sei, ist jedoch von [X.] beeinflusst.
Das Berufungsgericht nimmt an, dass der Kläger die verkehrsübliche Sorgfalt in ungewöhnlich grober Weise verletzt
habe, weil die
Angaben der
Be-klagten zu der Chip-Entfernung bei "S.

"
Anlass geboten
hätten, gesund-heitliche Beeinträchtigungen in Erwägung zu ziehen; der Kläger hätte deshalb auf eine tierärztliche Ankaufsuntersuchung bestehen oder zumindest Einsicht in die [X.]sunterlagen
verlangen müssen. Als Pferdeliebhaber, der ein Dressurpferd für Turniere habe erwerben wollen, habe der Kläger auch über gewisse Sachkunde verfügt.
Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
Zwar obliegt die tatrichterliche Beurteilung, ob einer [X.] der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, der Nachprüfung durch das [X.] nur dahin, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt, 11
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bei der Beurteilung des Verschuldensgrads wesentliche Umstände außer [X.] gelassen oder gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschrif-ten verstoßen hat
(st.
Rspr., z.B. [X.], Urteil vom 22. September 2011 -
III ZR 186/10, NJW-RR 2012, 111
Rn. 8; vom 24. April 2012 -
XI [X.], [X.], 2422 Rn. 24, jeweils mwN).
Auch dieser eingeschränkten Nachprüfung hält die Beurteilung des Berufungsgerichts indessen nicht stand.
[X.] Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erfor-derlichen Sorgfalt voraus
([X.], Urteil vom 22. September 2011 -
III ZR 186/10, aaO).
Insoweit hat das Berufungsgericht verkannt, dass es dem Käufer im [X.] nicht als
Sorgfaltsverstoß angelastet werden kann,
wenn er sich
auf die Angaben des Verkäufers zum Kaufgegenstand verlässt und deshalb keine eigenen Nachforschungen anstellt. Zudem hat sich die Beklagte nicht auf den
allgemeinen Hinweis, dass das Pferd "in Ordnung"
sei, beschränkt; vielmehr ist im Kaufvertrag ausdrücklich festgehalten, dass das Pferd -
abgesehen von der "[X.]"
-
ohne gesundheitlichen Befund sei und für mittelschwere Dressurprü-fungen eingesetzt werden solle. Entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts kann
auch nicht ohne weiteres eine Sachkunde des [X.] unterstellt werden, die ihn hätte veranlassen müssen, zumindest bezüglich der [X.] ("Chipentfernung") näher nachzufragen.
Der vom Berufungsgericht [X.] Umstand, dass der Kläger ein Sportpferd für Turniere habe kaufen wollen und sich selbst als "Pferdeliebhaber"
bezeichnet habe, erlaubt keinen tragfähi-gen
Rückschluss auf
eine
nähere
Sachkenntnis
des [X.] im Hinblick auf
Erkrankungen des Bewegungsapparats bei
Pferden.
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III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen
Bestand ha-ben, es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht -
vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig -
den vom Kläger behaupteten Sachmangel des Tieres lediglich unterstellt und insoweit keine Feststellungen getroffen hat. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entschei-dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Dr. Frellesen
[X.]

[X.]
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.10.2010 -
16 [X.]/08 -

O[X.], Entscheidung vom 26.01.2012 -
1 U 1374/10 -

16

Meta

VIII ZR 40/12

20.02.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2013, Az. VIII ZR 40/12 (REWIS RS 2013, 8044)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8044

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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