Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.06.2017, Az. 5 AZR 263/16

5. Senat | REWIS RS 2017, 8918

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Gegenstand

Annahmeverzug - tatsächliches Angebot - Unvermögen - Schadensersatz


Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2016 - 6 [X.] 1084/15 - aufgehoben.

2. Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.]ie [X.]arteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs, hilfsweise Schadensersatz.

2

[X.]ie Klägerin ist seit dem 1. Januar 2003 bei dem Beklagten beschäftigt. [X.] war zunächst eine Tätigkeit als „Altenpflegerin in der stationären [X.]flege“ vereinbart. Als solche arbeitete die Klägerin zunächst in dem vom Beklagten betriebenen [X.].

3

Aufgrund von Rückenbeschwerden erkrankte die Klägerin im Jahr 2007 für längere Zeit arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 4. Januar 2008 teilte sie dem Beklagten mit:

        

„[X.]erter [X.]err [X.],

        

hiermit möchte ich Sie informieren, dass ich bis zum 16.01.08 weiterhin noch arbeitsunfähig geschrieben bin. Im Abschlussgespräch meines Kuraufenthaltes wurde [X.] mitgeteilt, dass ich meine alte Tätigkeit im stationären Bereich nicht mehr ausführen darf. Jedoch eine Tätigkeit im teilstationären Bereich, z. [X.] zumutbar sein würde. [X.]a ich weiterhin sehr gerne für das [X.] arbeiten möchte, bitte ich Sie um eine Umsetzung.“

4

[X.]araufhin vereinbarten die [X.]arteien unter dem 28. März 2008 eine „2. Änderung zum Arbeitsvertrag“, in der es heißt:

        

„Frau [X.]ü wird bis zur Genesung von [X.] als [X.]flegefachkraft in der ambulanten [X.] umgesetzt.

        

Nach [X.]iedereintritt von [X.] endet die Umsetzung und Frau [X.]ü tritt ihre Tätigkeit im [X.]flegeheim wieder an.“

5

In der Folgezeit arbeitete die Klägerin im Team [X.] und war dort auch in der ambulanten [X.]flege von Bewohnern der Seniorenwohnanlage „[X.]“ eingesetzt.

6

Im Juli 2012 erkrankte die Klägerin erneut und war durchgehend bis zum 9. [X.]ezember 2013 arbeitsunfähig. Ohne Erfolg kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2012. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 teilte er der Klägerin mit:

        

„Sehr geehrte Frau [X.]ü,

        

am 24.10.2012 wird über Ihre Klage gegen die ausgesprochene Kündigung entschieden. Für den Fall, dass die Kammer in der Sache Ihrer Klage stattgibt, besteht das Arbeitsverhältnis über den 30.11.2012 fort.

        

Sie wurden mit der 2. Änderung zum Arbeitsvertrag vom 28.03.2008 in die ambulante [X.]flege, Team [X.], umgesetzt. Ein Verbleiben in diesem Team, aber auch an dem Standort [X.], ist aus meiner Sicht nicht möglich.

        

Insofern habe ich beim Betriebsrat im entsprechenden Anhörungsverfahren eine Umsetzung beantragt. [X.]ieser Umsetzung ist von Seiten des Betriebsrats zugestimmt worden.

        

Bitte melden Sie sich am Tag nach Ihrer [X.] um 09.00 Uhr bei unserer Einrichtungsleiterin Frau [X.]ü (…).“

7

Unter dem 6. Februar 2013 wandte sich die Klägerin an den Beklagten wie folgt:

        

„[X.]erter [X.]err [X.],

        

heute möchte ich Sie bezüglich meines Gesundheitszustands darüber informieren, dass ich meine Tätigkeit bzgl. der Grundpflege nicht mehr ausüben kann. Andere leichtere Tätigkeiten, wie die Behandlungspflege oder ein anderer Arbeitsplatz, für Bürotätigkeiten möglich wären.

        

…“    

8

Am 3. Juni 2013 fand ein sog. [X.] statt. In dem darüber erstellten [X.]rotokoll heißt es zur Vorstellung der Klägerin für die weitere Tätigkeit: „reine Behandlungspflege, nichts heben“. Nach Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit und eines sich anschließenden Urlaubs erschien die Klägerin am 31. Januar 2014 weisungsgemäß im [X.] und bot ihre Arbeitskraft an. Nach Klärung ihrer Einsatzmöglichkeiten schickte die [X.]ausleitung die Klägerin nach [X.]ause. Mit Schreiben vom 12. Februar 2014 wandte sich die Klägerin über ihre [X.] an den Beklagten wie folgt:

        

„Sehr geehrter [X.]err St,

        

in oben genannter Sache teile ich Ihnen mit, dass Frau [X.]ü ihre Arbeitskraft in dem ihr möglichen, eingeschränkten Umfang weiter anbietet.

        

(…)     

        

Frau [X.]ü hat sich bereits mehrfach bereit erklärt, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen, deren Anforderungen mit ihrer Leistungsfähigkeit vereinbar sind. (…)“

9

Am 3. April 2014 teilte die Betriebsärztin des Beklagten diesem mit:

        

„Sehr geehrter [X.]err [X.],

        

am 27.02.2014 führte ich in Ihrem Auftrag ein [X.]iedereingliederungsgespräch mit Frau [X.]ü durch. Nach ausführlichem Gespräch sowie Einsehen von medizinischen Unterlagen schließe ich [X.] meinen Kollegen von der [X.]eutschen Rentenversicherung an und kann für Frau [X.]ü nur leichte körperliche Tätigkeiten (wie Bürotätigkeit, Richten von Medikamenten, Beschäftigungstherapie für [X.]eimbewohner, Verbandwechsel, [X.]) empfehlen.

        

[X.]ie [X.]eutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See würde die Kosten für die notwendigen Umschulungsmaßnahmen übernehmen (zum [X.], [X.], [X.] kämen hier in Frage).“

Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 28. Februar 2014 das Arbeitsverhältnis der [X.]arteien personenbedingt zum 30. Juli 2014 gekündigt hatte, schlossen die [X.]arteien im Kündigungsschutzprozess am 11. Juni 2014 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie vereinbarten, das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Juni 2014 zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Seither arbeitet die Klägerin als Verwaltungskraft.

Mit der am 17. [X.]ezember 2014 eingereichten und dem Beklagten am 20. [X.]ezember 2014 zugestellten Klage hat die Klägerin Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Monate Februar bis Mai 2014, hilfsweise Schadensersatz verlangt. Sie sei zumindest für Tätigkeiten in der ambulanten Behandlungspflege, insbesondere in der Seniorenwohnanlage „[X.]“, leistungsfähig gewesen. Jedenfalls hätte sie der Beklagte auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umsetzen können. So wäre für sie die freie Stelle einer Teamleiterin in [X.] in Betracht gekommen, auch eine Beschäftigung in der Verwaltung sei nicht erst ab Juni, sondern schon seit Februar 2014 möglich gewesen.

[X.]ie Klägerin hat beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.221,68 Euro brutto nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf [X.]rozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

[X.]er Beklagte hat Klageabweisung beantragt. [X.]ie Klägerin sei gesundheitsbedingt weder in der stationären noch mit allen anfallenden Tätigkeiten in der ambulanten Altenpflege einsetzbar gewesen. Zu einer Umorganisation zu Lasten der anderen [X.]flegekräfte sei er nicht verpflichtet. [X.]ie Beschäftigungsmöglichkeit in der Verwaltung habe nicht schon seit Februar 2014 bestanden.

[X.]as Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. [X.]as [X.] hat ihr unter dem Gesichtspunkt der Vergütung wegen Annahmeverzugs stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Er hatte der Klägerin vor Einlegung der Revision mitgeteilt, ihr seien „in Erfüllung“ des Berufungsurteils mit der Gehaltszahlung März 2016 7.221,88 Euro brutto gezahlt worden.

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es nicht an der Beschwer des [X.]n.

1. Ein Rechtsmittelverfahren soll dem Rechtsmittelkläger Gelegenheit geben, eine ihm ungünstige vorinstanzliche Entscheidung durch Inanspruchnahme einer weiteren Instanz überprüfen zu lassen. Der Rechtsmittelkläger muss de[X.]alb bei der Einlegung und noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel beschwert sein. Bei einer zur Zahlung verurteilten Partei ist dies nicht (mehr) der Fall, wenn sie den [X.] nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil bezahlt, sondern den [X.] aus freien Stücken ohne Vorbehalt endgültig erfüllen will ([X.] 21. März 2012 - 5 [X.] - Rn. 11 f. mwN).

2. Eine das Fehlen oder den Wegfall der Beschwer bedingende vorbehaltlose Zahlung des [X.]n hat die Klägerin nicht dargetan. Für eine solche reicht es nicht aus, wenn - wie hier - eine noch nicht rechtskräftig verurteilte Partei vor Ablauf der Rechtsmittelfrist der Gegenseite Zahlung des ausgeurteilten Betrags „in Erfüllung des Urteils“ ankündigt. Dies allein rechtfertigt für den Zahlungsempfänger nicht den Schluss, der Zahlende wolle sich des möglichen Rechtsmittels begeben und den [X.] aus freien Stücken endgültig erfüllen.

II. Die Revision des [X.]n ist erfolgreich. Mit der Begründung des [X.] kann der Klage nicht stattgegeben werden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs. Ob und ggf. in welcher [X.]öhe die Klage unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes begründet ist, kann der Senat aufgrund der bi[X.]erigen Feststellungen des [X.] nicht entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.], § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

1. Die Klägerin hat für die streitgegenständlichen Monate Februar bis Mai 2014 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.

a) Allerdings scheitert der Annahmeverzug des [X.]n nicht am Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung durch die Klägerin.

aa) Nach § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Leistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) genügt (nur), wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche [X.]eranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen ([X.] 21. Oktober 2015 - 5 [X.] 843/14 - Rn. 19, [X.]E 153, 85). Dabei ist die Arbeitsleistung so anzubieten, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 Satz 1 [X.] ([X.] 19. Mai 2010 - 5 [X.] 162/09 - Rn. 14, [X.]E 134, 296; 24. September 2014 - 5 [X.] 611/12 - Rn. 37, [X.]E 149, 144).

bb) Die iSv. § 294 BGB von der Klägerin zu bewirkende Arbeitsleistung war zuletzt die mit der zweiten Änderung zum Arbeitsvertrag vom 28. März 2008 vereinbarte Tätigkeit als Pflegekraft in der ambulanten Pflege [X.].

(1) Die Voraussetzungen für ein Wiederaufleben der arbeitsvertraglich ursprünglich vereinbarten Tätigkeit als Altenpflegerin in der stationären Pflege lagen zum Zeitpunkt des Arbeitsantritts der Klägerin nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht vor. Die Beschäftigte O, die die Klägerin vertreten sollte, war nicht wieder eingetreten im Sinne der arbeitsvertraglichen Vereinbarung, sondern ausgeschieden.

(2) Die einseitige Rückumsetzung in das [X.], die der [X.] mit seinem Schreiben vom 17. Oktober 2012 anordnen wollte, war unwirksam. Mit der zweiten Änderung zum Arbeitsvertrag haben die Parteien eine konkret bestimmte Tätigkeit und deren Dauer vereinbart und iSd. § 106 Satz 1 [X.] „durch den Arbeitsvertrag (…) festgelegt“. Der [X.] konnte daher die Tätigkeit der Klägerin nicht mehr einseitig durch Weisung bestimmen. § 106 Satz 1 [X.] eröffnet dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht nur innerhalb, aber nicht außerhalb der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen.

cc) Tatsächlich angeboten hat die Klägerin am 31. Januar 2014 mit ihrem Erscheinen im [X.] nur die ursprünglich dort zu erbringende Arbeit als Altenpflegerin in der stationären Pflege.

(1) Das von § 294 BGB verlangte tatsächliche Angebot ist ein Realakt. Es bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich am Arbeitsort oder am Arbeitsplatz einfindet, um mit der Arbeitsleistung zu beginnen (vgl. nur [X.]/Preis 17. Aufl. § 615 BGB Rn. 17; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 615 BGB Rn. 18; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 615 BGB Rn. 27 f.).

(2) Dass die Klägerin bei dieser Gelegenheit zudem wörtlich (§ 295 BGB) die geschuldete Arbeitsleistung in der ambulanten Pflege im [X.] angeboten hätte, konnte sie nach den Senat bindender (§ 559 ZPO) Feststellung des [X.] nicht beweisen.

dd) Indes ist die Klägerin mit dem abgegebenen tatsächlichen Angebot der Weisung des [X.]n, sie solle sich nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit bei der Leiterin des [X.] melden, nachgekommen. De[X.]alb ist sie so zu stellen, als hätte sie die geschuldete Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten, § 242 BGB. Verlangt der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer eine bestimmte Arbeitsleistung und bietet der Arbeitnehmer diese an, widerspräche es den Grundsätzen von Treu und Glauben, dem Arbeitnehmer vorzuhalten, er habe nicht das objektiv Geschuldete angeboten.

b) Der [X.] geriet gleichwohl nicht in Annahmeverzug, weil die Klägerin im Streitzeitraum außerstande war, die geschuldete Leistung zu bewirken, § 297 BGB.

aa) Die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten [X.] vorliegen muss ([X.] 21. Oktober 2015 - 5 [X.] 843/14 - Rn. 22, [X.]E 153, 85, st. Rspr.). Fehlt sie, gerät der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug.

bb) Die Klägerin war nach ihrem Vorbringen im Streitzeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht nur außerstande, eine Arbeit als Altenpflegerin in der stationären Pflege zu erbringen, sondern auch, alle in der ambulanten Pflege im [X.] anfallenden Arbeiten zu verrichten. Letzteres hat das [X.] zwar offengelassen, die Klägerin hat dies indes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt.

cc) Leistungsfähig soll die Klägerin nach den bi[X.]erigen Feststellungen des [X.] für eine „Tätigkeit als Altenpflegerin in der Seniorenwohnanlage [X.]“ sein, allerdings - so die Klägerin selbst - nur in der reinen Behandlungs- und nicht in der Grundpflege. Unbeschadet der Frage, ob die Klägerin eine solche eingeschränkte Tätigkeit am 31. Januar 2014 oder danach überhaupt ordnungsgemäß angeboten hat, ist diese nicht die arbeitsvertraglich geschuldete und damit iSd. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung, sondern nur ein Teil davon.

2. Ob der Klägerin die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zusteht, weil der [X.] es schuldhaft unterlassen hat, der Klägerin ab dem 1. Februar 2014 eine andere, ihren gesundheitlichen Einschränkungen entsprechende Tätigkeit zuzuweisen (zu den Voraussetzungen im Einzelnen: [X.] 19. Mai 2010 - 5 [X.] 162/09 - Rn. 27 ff., [X.]E 134, 296; 27. Mai 2015 - 5 [X.] 88/14 - Rn. 26, [X.]E 152, 1) kann der Senat aufgrund der bi[X.]erigen Feststellungen des [X.] nicht entscheiden.

a) Die Klägerin stellt sich eine Beschäftigung in der ambulanten Behandlungspflege der Bewohner der Seniorenwohnanlage „[X.]“ vor. Ob es innerhalb des Teams W einen solchen Arbeitsplatz überhaupt gibt und er im Streitzeitraum frei oder unschwer frei zu machen gewesen wäre (vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 5 [X.] 162/09 - Rn. 30 f., [X.]E 134, 296), lässt sich den bi[X.]erigen Feststellungen des [X.] nicht entnehmen. Der Sachvortrag der Parteien gibt Anlass zu der Annahme, dass die Versorgung der Bewohner dieser Seniorenwohnanlage nur Teil der vom [X.] zu verrichtenden Aufgaben ist.

aa) Geht es nicht um die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes, sondern darum, die Arbeitsplätze der im [X.] Beschäftigten insgesamt anders zuzuschneiden und für die Klägerin einen Arbeitsplatz zu schaffen, der - aus ihrer Sicht - nur „nicht-schwere“ Tätigkeiten in der Seniorenwohnanlage „[X.]“ umfasst, wäre der [X.] dazu aus § 241 Abs. 2 BGB nicht verpflichtet. Der Arbeitgeber muss zwar bei einer ermessengerechten Ausübung seines Weisungsrechts nicht nur auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen (so ausdrücklich § 106 Satz 3 [X.]), sondern im Rahmen des ihm Zumutbaren auch auf krankheitsbedingte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Er ist aber nicht verpflichtet, einen „leidensgerechten Arbeitsplatz“ erst zu schaffen. Denn es obliegt seiner unternehmerischen Entscheidung und Planung[X.]oheit, wie er den Betrieb und die zu verrichtende Arbeit organisiert und welche Arbeitsplätze er hierfür einrichtet. Die Planung der Arbeitsplätze unterliegt nur der Mitwirkung des Betriebsrats (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG), nicht aber der Arbeitsgerichte. Diese haben die planerischen Erwägungen des Arbeitgebers zu respektieren und nicht - wie es das [X.] letztlich unternimmt - durch eigene Organisationsvorstellungen zu ersetzen. Auch kündigungsrechtlich ist der Arbeitgeber als milderes Mittel gegenüber der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ggf. zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder zur Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, durch Umsetzung „freizumachenden“ Arbeitsplatz verpflichtet ([X.] 13. Mai 2015 - 2 [X.] 565/14 - Rn. 28 mwN; zur Anpassung des Arbeitsplatzes mit zumutbaren Anstrengungen bei behinderten Arbeitnehmern [X.]. [X.] 19. Dezember 2013 - 6 [X.] 190/12 - Rn. 54 ff., [X.]E 147, 60), nicht jedoch zur Schaffung eines eigens auf den eingeschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer zugeschnittenen Arbeitsplatzes.

bb) Anderes gölte indes, wenn den im [X.] beschäftigten Arbeitnehmern, deren Anzahl das [X.] nicht festgestellt hat, keine inhaltlich klar definierten Arbeitsplätze zugewiesen wären, sondern der [X.] anhand der jeweils ambulant zu versorgenden Patienten in gewissen Zeitabständen zB „Touren“ festlegt, nach denen bestimmte Arbeitnehmer bestimmte Patienten in bestimmter Reihenfolge zu versorgen haben. Schneidet der Arbeitgeber gleichsam die Arbeitsplätze immer wieder neu zu, gebietet § 241 Abs. 2 BGB, dabei jeweils im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen. Entscheidend wäre in einem solchen Falle, ob der [X.] im Streitzeitraum für den Einsatz der gesundheitlich beeinträchtigten Klägerin im arbeitsvertraglich vereinbarten zeitlichen Umfang ausreichend Patienten hatte, bei denen nur Behandlungspflege anfiel, und Patienten mit weiter gehenden Bedarf ohne nennenswerten zusätzlichen Aufwand von anderen Beschäftigten mitversorgt werden konnten.

b) Darüber hinaus hat sich die Klägerin auf am 1. Februar 2014 freie Arbeitsplätze außerhalb der Pflege bzw. ohne Pflegetätigkeiten berufen, auf denen sie aus ihrer Sicht hätte eingesetzt werden können. Dem ist das [X.] nicht nachgegangen. Das wird, war die Zuweisung einer sich auf Behandlungspflege beschränkenden Tätigkeit dem [X.]n nicht möglich oder zumutbar (dazu [X.] 19. Mai 2010 - 5 [X.] 162/09 - Rn. 29 ff., [X.]E 134, 296), im erneuten Berufungsverfahren nachzuholen sein.

        

    Koch    

        

    [X.]    

        

    Weber    

        

        

        

    Prinz    

        

    Felstehausen    

                 

Meta

5 AZR 263/16

28.06.2017

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Neuruppin, 7. Mai 2015, Az: 4 Ca 1363/14, Urteil

§ 294 BGB, § 242 BGB, § 297 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 106 S 1 GewO, § 106 S 3 GewO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.06.2017, Az. 5 AZR 263/16 (REWIS RS 2017, 8918)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3804 REWIS RS 2017, 8918

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Referenzen
Wird zitiert von

4 Sa 104/22

2 Sa 408/17

2 Sa 253/20

24 U 70/17

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