Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2007, Az. III ZR 115/06

III. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3858

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 115/06 Verkündet am: 10. Mai 2007 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2007 durch die [X.] Dr. [X.], Dr. [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 21. April 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der beiden Revisionsverfahren, an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Der Kläger stürzte am Morgen des 14. Januar 2003 gegen 7.30 Uhr auf dem Gehweg der verkehrsberuhigten [X.] in [X.]. Nach seinem Vorbringen ist er im Bereich eines im Boden verlegten [X.] gefallen, weil an dieser Stelle Mosaiksteine aus dem Pflaster herausgerissen worden seien. Der Kläger nimmt deswegen die beklagte [X.] wegen einer Verlet-zung ihrer Verkehrssicherungspflicht auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 5.500 • sowie auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für seine weiteren materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch. 1 - 3 - Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des [X.] hat der erkennende Senat durch Urteil vom 2. Juni 2005 - [X.] (NJW 2005, 2454 = [X.], 1086) das erste Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach neuer mündlicher Verhandlung hat das [X.] die Berufung des [X.] wiederum zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen vom Senat zugelas-sene Revision. 2 Entscheidungsgründe Die Revision führt zur Aufhebung auch des zweiten Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsge-richts. 3 [X.] Das Berufungsgericht lässt es dahinstehen, ob der beklagten [X.] eine Amtspflichtverletzung zur Last fällt. Auch eine Beweisaufnahme zum strei-tigen Unfallhergang sei nicht veranlasst. Denn jedenfalls überwiege das [X.] des [X.] derart, dass demgegenüber ein etwaiges Verschulden von Bediensteten der [X.] zurücktrete. Zur angegebenen Tageszeit ge-gen 7.30 Uhr am 14. Januar seien nach der Beobachtung der Senatsmitglieder die Sichtverhältnisse in diesen Breiten trotz der herrschenden Dämmerung au-ßerordentlich gut gewesen. Auch in erheblicher Entfernung hätten einzelne Pflastersteine ohne jede Mühe genau wahrgenommen werden können. Selbst wenn das Wetter am 14. Januar 2003 trüber gewesen sein sollte, müsse der 4 - 4 - unmittelbare Nahbereich ohne weiteres gut sichtbar gewesen sein. Dass es dämmerig und keinesfalls dunkel gewesen sei, stehe nunmehr fest. Der Kläger habe seinen Vortrag in der Klageschrift, er sei bei Dunkelheit gestürzt, nicht mehr aufrecht erhalten. Er habe zudem in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle gewohnt und sei mit der Örtlichkeit bestens vertraut gewesen. Wenn wiederholt Mosaiksteine herausgerissen gewesen sein sollten, könne dies auch dem Klä-ger nicht verborgen geblieben sein. Es komme hinzu, dass der Kläger mit sei-nem Fuß in kompletter Länge in ein Loch getreten und dort gewissermaßen festgeklemmt gewesen sein wolle. Dann müsse ein so großes "Loch" aber für jeden auch nur einigermaßen aufmerksamen Fußgänger ohne weiteres er-kennbar gewesen sein. Ein Fußgänger, der trotz ihm bekannter Gefährlichkeit eines Fußwegs auch große Löcher, die sich noch dazu farblich deutlich von der Umgebung [X.], überhaupt nicht wahrnehme, habe nach Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge (§ 254 BGB) keinen Anspruch auf [X.]. I[X.] Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis nicht stand. 5 1. Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob auf Seiten der beklagten [X.] eine Amtspflichtverletzung gegeben ist, ist dies zugunsten des [X.] auch in der Revisionsinstanz zu unterstellen. 6 2. Die Feststellung eines Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB und die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist zwar grundsätzlich 7 - 5 - Aufgabe des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. nur [X.], Urteil vom 21. November 2006 - [X.]/05 - NJW 2007, 506 m.w.N.). Eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen Beteilig-ten im Rahmen des § 254 BGB kommt allerdings nur ausnahmsweise in [X.] ([X.], Urteil vom 21. Februar 1995 - [X.] - [X.], 583, 584). Daran gemessen ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht frei von [X.]. a) Entgegen der Revision ist zwar letztlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht sich ohne Beteiligung der Parteien durch private Beob-achtung Kenntnis von den "in diesen Breiten" am 14. Januar allgemein [X.] verschafft hat. Dabei handelt es sich um offenkun-dige (allgemeinkundige) Tatsachen im Sinne des § 291 ZPO. In dieser Bezie-hung darf der [X.] auch privates Wissen verwerten oder die notwendigen Tatsachengrundlagen gegebenenfalls selbst ermitteln (vgl. [X.], ZPO, 21. Aufl., § 291 Rn. 2 f., 7). Er muss dies allerdings, um den Parteien in-soweit rechtliches Gehör zu gewähren, vor oder in der mündlichen Verhandlung bekannt geben (vgl. [X.], aaO, Rn. 12). Dies gilt im Streitfall um so mehr, als das Berufungsgericht durch den Hinweis im Beschluss vom [X.] den Anschein erweckt hatte, es komme auf diesen Punkt nicht an, weil sich die Lichtverhältnisse am Unfalltag nicht genauer rekonstruieren ließen. Die Revision erhebt indes keine [X.], dass eine solche Information hier un-terblieben sei. 8 b) Auf der anderen Seite ist der Revision zuzugeben, dass das [X.] den Mitverantwortungsanteil des [X.] an dem Unfall jedenfalls 9 - 6 - zu hoch ansetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats braucht ein Fußgänger auf dem Gehweg einer Stadt die Augen nicht ständig nach unten zu richten. Wenn er Unebenheiten in der Pflasterung übersieht, ist ihm allein daraus der Vorwurf einer besonderen Unaufmerksamkeit nicht zu machen (Urteil vom 6. Februar 1969 - [X.] - [X.], 515, 516 f.). Die Umstände des hier zu entscheidenden Falles rechtfertigen keine an-dere Beurteilung. Insbesondere trifft es nicht zu, dass der Fußweg der [X.] als besondere - und vom Kläger daher erhöhte Aufmerksamkeit verlan-gende - Gefahrenstelle zu werten war, da dort wiederholt in nicht festgestellten Abständen und an möglicherweise unterschiedlichen Stellen Mosaiksteine her-ausgerissen worden sein sollen. Darüber hinaus rügt die Revision mit Recht, dass es ohne hinreichende Kenntnis der am Unfalltag herrschenden Wetterbe-dingungen für die - lediglich auf nachträglichen Beobachtungen an anderen [X.] beruhende - Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der unmittelbare Nahbereich müsse bei Dämmerung jedenfalls ohne weiteres gut sichtbar gewe-sen sein, an einer tragfähigen Grundlage fehlt. 10 II[X.] Aus diesen Gründen kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben und der Rechtsstreit [X.] an das [X.] - richt zurückzuverweisen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch. [X.] [X.] [X.]

Herrmann [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 5 O 2624/03-334- - [X.], Entscheidung vom 21.04.2006 - 6 U 36/04 -

Meta

III ZR 115/06

10.05.2007

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2007, Az. III ZR 115/06 (REWIS RS 2007, 3858)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3858

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