Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.09.2023, Az. 29 W (pat) 506/20

29. Senat | REWIS RS 2023, 9844

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2019 227 960.7

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 20. September 2023 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und den Richter Posselt

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 28. August 2019 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für folgende Waren angemeldet worden:

4

Klasse 18: Freizeittaschen; Strandtaschen; Ledertaschen und Portemonnaies; Einkaufstaschen; Golftaschenanhänger aus Leder; [X.]; Dokumententaschen aus Leder; Gürteltaschen; Handtaschen; Clutches [Damenhandtaschen]; Gepäck, Taschen, Brieftaschen und andere Tragebehältnisse; Mehrzwecktaschen; Aktentaschen aus Leder; Beutel [Taschen] zum Tragen an der Taille; Sporttaschen; Modehandtaschen; Handtaschen aus Leder; Bauchtaschen; Taschen; Damenhandtaschen; Aktentaschen; Kulturtaschen, die ohne Inhalt angeboten werden; Brieftaschen; [X.] [Brieftaschen]; Schulranzen;

5

Klasse 25: Kurzärmelige T-Shirts; T-Shirts; Bedruckte T-Shirts; Freizeithemden; Hemden; Jeanshosen; Freizeithosen; Jogginghosen; Hosen; Strickmützen; Baskenmützen; Bommelmützen; Skimützen; Baseballmützen; Sportmützen; Golfmützen; Mützen; Gürtel; Ledergürtel [Bekleidungsstücke]; aus Leder hergestellte Gürtel;

6

Klasse 26: Gürtelschnallen; Gürtelschließen.

7

Mit Beschluss vom 21. Oktober 2019 hat die Markenstelle für Klasse 25 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gem. §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen.

8

Die angemeldete Marke stelle für die beanspruchten Waren lediglich eine beschreibende Sachaussage dar, nämlich, dass diese nicht dem Massengeschmack entsprächen. Aufgrund der Binnengroßschreibung sei ohne weiteres erkennbar, dass das Zeichen die getrennt lesbaren Begriffe „Against“ und „Mainstream“ beinhalte. Die dem Begriff „Mainstream“ vorangestellte Präposition „Against“ habe die Bedeutung von „gegen“. Hinsichtlich der beanspruchten Waren, die alle dem [X.] zuzurechnen seien, stelle der Ausdruck „Mainstream“ lediglich eine Beschaffenheitsangabe dar. Insbesondere im Bereich der Mode werde das Wort bereits seit Jahrzehnten zur Bezeichnung einer dem Massengeschmack entsprechenden modischen Stilrichtung verwendet. Das angemeldete Zeichen sei in Verbindung mit einschlägigen Produkten in der Fachpresse bereits nachweisbar. Den übersandten Fundstellen lasse sich entnehmen, dass Verbraucher sich mit ihrer Bekleidung vom Mainstream abheben wollten. Mit [X.]ick auf den sachbezogenen Informationsgehalt, den das angemeldete Zeichen in Bezug auf die in Rede stehenden Waren besitze, erwecke es nicht den Eindruck einer ungewöhnlichen Zusammenstellung. Auch ein eventuell vager, diffuser bzw. unscharfer Bedeutungsgehalt verhelfe der angemeldeten Marke nicht zur Schutzfähigkeit. Eine gewisse Allgemeinheit und Unschärfe der Bezeichnung könne gerade gewollt sein, um einen möglichst weiten Bereich abdecken zu können. An dieser Einschätzung ändere auch die Existenz von Voreintragungen identischer bzw. ähnlicher Marken nichts. Diese seien bei der Prüfung auf absolute Schutzhindernisse zwar zu berücksichtigen, entfalteten aber keine rechtlich bindende Wirkung.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem sinngemäßen Antrag

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 21. Oktober 2019 aufzuheben.

Er verweist zur Begründung auf seinen Schriftsatz vom 14. Oktober 2019 im Verfahren vor dem [X.] und trägt zusätzlich Folgendes vor: im Widerspruch zur gängigen Rechtsprechung, auch der [X.], habe die Markenstelle sich auf den Kennzeichenbestandteil „Mainstream" konzentriert, jedoch nicht den zusammengesetzten Aussagegehalt gewürdigt. Vor allem habe sie die Anforderungen an die Unterscheidungskraft verkannt. Allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft begründe ein Eintragungshindernis. Da folglich ein großzügiger Maßstab anzulegen sei, genüge jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft, um das Schutzhindernis zu überwinden. Das [X.] ([X.]) habe daher die identische Marke zutreffend im Dezember 2020 eingetragen. Der [X.] lege in seinem Hinweis die Anforderungen an die Unterscheidungskraft unter Berücksichtigung [X.] und damit vereinheitlichter Rahmenbedingungen hingegen zu eng aus.

Der [X.] hat mit Hinweisen vom 1. April 2020 und 8. Februar 2022 weitere [X.] übermittelt und dargelegt, dass er den Beschluss der Markenstelle bei vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage für zutreffend erachte.

Der Anmelder ist während des Beschwerdeverfahrens verstorben. Mit Schreiben vom 25. Februar 2022 hat der [X.] darauf hingewiesen, dass das Verfahren mit dem Prozessbevollmächtigten fortgesetzt werden könne, sofern kein wirksamer Aussetzungsantrag gestellt werde. Ein solcher könne im Schriftsatz vom 24. Februar 2022 schon deshalb nicht gesehen werden, da dieser formunwirksam sei. Mit Hinweis vom 24. Mai 2023 hat der [X.] mitgeteilt, dass das Verfahren mangels formwirksamen Antrags auf Aussetzung mit dem Beschwerdeführer-vertreter fortgeführt wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Das Beschwerdeverfahren ist nicht gem. § 82 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 239 ZPO unterbrochen.

1. Es kann nach dem Tod des [X.] mit dem Prozessbevollmächtigten, durch den der Beschwerdeführer gem. § 82 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 246 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß vertreten war, fortgesetzt werden, da gem. § 86 ZPO die Prozessvollmacht durch den Tod des Vollmachtgebers nicht erlischt. Auf Antrag des [X.]n ist die Aussetzung des Verfahrens im Falle des Todes anzuordnen. Vorliegend hat der [X.] trotz mehrmaliger Hinweise des [X.]s keinen wirksamen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt. Ein solcher kann auch nicht im Schriftsatz vom 24. Februar 2022 gesehen werden, da dieser formunwirksam beim [X.] eingereicht wurde.

Seit 1. Januar 2022 besteht für Rechtsanwälte die Verpflichtung, Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach [X.]) bei Gericht einzureichen und diese gem. § 2 Abs. 2a [X.]/[X.] entweder mit der qualifizierten elektronischen oder mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur einer internationalen Organisation auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes gemäß der [X.] ([X.]) 910/2014 zu versehen. Diesen Anforderungen wird weder das vorab per Fax noch das auf dem Postweg übermittelte Schreiben des [X.]n vom 24. Februar 2022 gerecht. Mit Schreiben des [X.]s vom 2. März 2022 wurde der [X.] auf die Anforderungen der – nach wie vor – geltenden Fassung der [X.]/[X.] hingewiesen. Einen formwirksamen Antrag hat er nicht gestellt.

2. Verfahrensbeteiligte sind die Erben des Verstorbenen (vgl. u. a. [X.] in [X.], ZPO, 34. Auflage, § 246 Rn. 2, 2b; [X.] in [X.], ZPO, 42. Auflage, § 246 Rn. 2, 7; [X.] ZPO, Vorwerk/Wolf, 49. Edition, Stand 01.07.2023, § 246 Rn. 8 m. w. N.).

B. Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 [X.] wirksam eingelegte Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens [X.] steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke

innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2015, 1198 Rn. 59 f. - [X.]]; [X.] GRUR 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? II; [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] [X.], 932 – darferdas?; [X.], 934 – [X.]).

Zutreffend hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, weshalb ein großzügiger Maßstab anzulegen ist, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. [X.] – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Die Prüfung selbst, ob das erforderliche ([X.] an Unterscheidungskraft vorliegt, darf sich dabei aber nicht auf ein Mindestmaß beschränken, sondern muss streng, vollständig, eingehend und umfassend sein (vgl. [X.] GRUR 2019, 1194 Rn. 28 AS/[X.] – #darferdas? unter ausdrücklicher Bezugnahme auf [X.] [X.], 604 Rn. 59 – [X.]; [X.], Beschluss vom 20.06.2022, 29 W (pat) 22/21 – aktionaersforum).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143 Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] [X.], 376 Rn. 11 – [X.]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass – wie der Beschwerdeführer zutreffend feststellt - der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 15 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.], 872 Rn. 13 – [X.]).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] GRUR 2004, 674, Rn. [X.]; [X.] GRUR 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 11 -Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien -stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] [X.], 872 Rn. 21 - [X.]; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 -[X.]!). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] [X.], 1204 Rn. 16 - Düssel-dorfCongress; a. a. [X.] Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 23 - [X.]!). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] GRUR 2004, 146 Rn. 32 - [X.]; 674 Rn. 97 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 Rn. 38 - [X.]; [X.], 58 Rn. 21 - [X.]); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind.

Dabei sind an die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.] GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/[X.] [[X.] DAS [X.]]; a. a. [X.] Rn. 36 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rn. 33 und 34 – [X.] [[X.]]; [X.] a. a. [X.] Rn. 17 – for you). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Gleichwohl werden Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen schließen (vgl. [X.] a. a. [X.] Rn. 35 – [X.] [[X.]]; [X.] GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; [X.] GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Wortfolgen, die nach Art eines Slogans gebildet sind, wird der Verkehr daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. [X.], a. a. [X.] Rn. 35 – [X.]; [X.] GRUR 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft).

2. Den vorgenannten Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt das angemeldete Zeichen [X.] in Bezug auf die beanspruchten Waren nicht.

a. Die in Klasse 18 beanspruchten Taschen wenden sich ebenso wie die Bekleidungsstücke und Gürtel der Klasse 25 und die Gürtelschließen und -schnallen der Klasse 26 an den Endverbraucher, mithin an allgemeine Verkehrskreise.

b. Das angemeldete Zeichen stellt ausschließlich eine bekenntnishafte, werblich anpreisende Sachaussage dar.

Es besteht aus den Bestandteilen „Against“ und „Mainstream“, bei denen es sich um gebräuchliche und weit verbreitete Wörter der [X.] handelt, die teils bereits ins [X.] übernommen wurden. Die einzelnen Begriffe sind - nicht zuletzt wegen der Binnengroßschreibung – trotz der Zusammenschreibung problemlos erkennbar. Bei der unmittelbaren Zusammenschreibung einzelner Wörter handelt es sich um eine Orthografieabweichung, die in der Werbung üblich ist (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom [X.], 30 W (pat) 529/17 – [X.]; Beschluss vom 10.10.2017, 25 W (pat) 2/16 – findwhatyoulike; Beschluss vom 29.06.2017, 30 W (pat) 2/16 – [X.]; Beschluss vom 11.12.2013, 29 W (pat) 104/12 – edatasystems; Beschluss vom 03.09.2013, 33 W (pat) 511/13 – [X.]; Beschluss vom [X.], 26 W (pat) 122/09 – mykaraokeradio; Beschluss vom 15.10.2003, 29 W (pat) 192/01 – travelagain). An eine solche Zusammenschreibung von [X.] ist der Verkehr gewöhnt, denn sie wird in der beschreibenden Werbesprache seit langem und häufig verwendet, ohne dass der beschreibende Begriffsinhalt dadurch in den Hintergrund tritt.

Bei solchen aus mehreren Bestandteilen kombinierten Zeichen ist es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. [X.] GRUR 2004, 943 – SAT.2; [X.], 229 – BioID; [X.], Beschluss vom 10.09.2020, [X.]/20 – Lichtmiete).

aa. Das Wort „Against“ bedeutet „gegen; entgegen, wider“ (vgl. [X.], [X.], against).

bb. Unter dem Begriff „Mainstream“, der in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen ist und „breite Masse, Mitte“ bedeutet, wird – oft abwertend - die „vorherrschende gesellschaftspolitische, kulturelle, o. ä. Richtung“ verstanden (vgl. [X.] 1, [X.]. 16 ff. d. A.).

cc. [X.] ist sprachüblich und grammatikalisch korrekt zusammengesetzt und wird von den angesprochenen Verkehrskreisen daher problemlos im Sinne von „gegen den Mainstream, wider die breite Masse“ verstanden. Eine über das bloße Wortverständnis hinausgehende Aussage zur betrieblichen Herkunft der Waren weist das Wortzeichen hingegen nicht auf.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass aus sprachlicher Sicht zwischen den Worten „Against“ und „Mainstream“ der Artikel „the“ notwendig wäre, hindert dessen Fehlen ein unmittelbares Verständnis der Aussage nicht. Eine Interpretation oder ein gedanklicher Zwischenschritt ist dazu nicht erforderlich. Denn der Verkehr ist an entsprechende plakative „Verkürzungen“ – gerade im Modebereich – gewöhnt. So existierten bereits vor dem Anmeldetag zahlreiche entsprechend gebildete [X.] sowie [X.] Formulierungen, wie z. B. „gegen Nazis, gegen Rassismus, gegen Tierquälerei, gegen Tierversuche, gegen Kinderarbeit“ oder „against racism“, „against animal testing“, „against fast fashion“ (vgl. die mit Hinweis vom 25. Februar 2022 als weitere [X.] übermittelten Anlagen, [X.]. 85 ff. d. A.).

Es gibt vielfache – vor dem Anmeldetag liegende – Nachweise, dass „Against (the) Mainstream“, also gegen die „Strömung“ oder „Massenkultur“ zu sein, ein Phänomen auf den unterschiedlichsten Gebieten ist; in der Politik ebenso wie in Wirtschaft, Naturschutz, Entwicklung und Literatur (vgl. [X.] 2, [X.]. 19 ff. d. A.). Ganz besonders deutlich zeigt sich dies jedoch in der Mode (vgl. [X.] 3, [X.]. 31 ff. sowie weitere Anlagen, [X.]. 48 ff. d. A.). „Mode gegen den Mainstream“ kann sich auf die Dokumentation der sexuellen Orientierung durch den Kleidungsstil beziehen, aber auch auf ein Lebensgefühl wie bei „[X.]utsgeschwister – Mode gegen den Mainstream…“. Die [X.] will nicht nur Mode verkaufen, sondern auch ein Lebensgefühl. Bekleidungsstücke von [X.]utsgeschwister zu tragen soll ein Bekenntnis zu Freiheit und Individualismus, zu Hedonismus und Weltoffenheit sein. Das Kleiden im Punk-Stil ist „Die Abkehr vom Materialismus und ein kleiner Protest gegen den Mainstream…“. Um sich „gegen den Mainstream“ zu stellen, werden individuelle Festival T-Shirts getragen, und [X.] gestaltete schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts „unkonventionelle Mode weitab vom Mainstream“.

c. Die beanspruchten Waren in den Klassen 18, 25 und 26 beziehen sich alle auf Produkte, die wie Taschen, Beutel, Portemonnaies, Taschenanhänger und Gürtel entweder modische Accessoires darstellen können oder als Bekleidungsstücke der Mode unterworfen sind. Sie können dem aktuellen Modestil entsprechen, aber auch „against (the) mainstream“ getragen werden, um damit zu zeigen, dass man gerade nicht zur breiten Masse, zum – negativ konnotierten – Mainstream gehört, sondern sich auf welche Weise auch immer davon abhebt. Das Publikum wird daher davon ausgehen, dass die angemeldeten Waren Eigenschaften aufweisen, also z. B. eine ungewöhnliche Gestaltung, Material, Form oder Aufdruck, der sie vom „Massengeschmack“ abhebt. Darüber hinaus vermag das angemeldete Zeichen beschreibend auf die Persönlichkeit des Trägers hinzuweisen. Es ist im Bereich der Modebranche weithin üblich, mit personenbezogenen Bezeichnungen zu werben (vgl. z. B. [X.], Beschluss vom 03.02.1998, 27 W (pat) 176/96 – [X.], Beschluss vom 04.08.1998, 27 W (pat) 062/97 – Identity). Dabei ist es üblich, dies auch durch entsprechende Statements auf den Produkten deutlich nach außen zu zeigen.

aa. Die in Klasse 18 beanspruchten Waren, wie z. B. Taschen aller Art, Beutel, Portemonnaies oder Taschenanhänger eignen sich als Träger von Meinungsäußerungen, Statements und sonstigen Botschaften, die ihre Wirkung nur entfalten können, wenn sie nach außen sichtbar auf den Waren aufgebracht sind (vgl. Anlagen [X.]. 63 ff. d. A.). Demgegenüber wurde weder vorgetragen, noch konnte auf andere Weise festgestellt werden, dass derartige „Botschaften an die Umwelt“ an verdeckter Stelle auf der Rück- oder Innenseite angebracht sind. Aus dem Wesen der Wortfolge „[X.]“ als Botschaft nach außen folgt indes gerade die Wahrscheinlichkeit der Verwendung an gut sichtbarer Stelle. Hierfür spricht auch, dass die deutlich herausgestellte Botschaft ein wesentliches Kriterium der Kaufentscheidung darstellt. Andere [X.] sind daher in diesem Fall nicht praktisch bedeutsam.

bb. Auch die in den Klassen 25 und 26 beanspruchten Waren, wie T-Shirts, Kopfbedeckungen, Bekleidungsstücke und Schals, aber auch Gürtel und Gürtelschnallen oder -schließen sind regelmäßig mit Statements und bekenntnishaften Aussagen versehen. Großflächig bzw. präsent aufgedruckte Begriffe sind dabei auf [X.], Hoodies und Caps besonders beliebt (für [X.] Dialektbegriffe vgl. [X.], Beschluss vom 07.06.2021, 29 W (pat) 1/19 – Grantler). Im in Klasse 25 maßgeblichen Bekleidungssektor, aber auch bei den hier außerdem relevanten Waren der Klasse 26 kommt allerdings neben der nach außen gerichteten, dekorativen Verwendung des Zeichens auf der Vorder- oder Rückseite eines T-Shirts, eines Pullovers oder einer Jacke, die – ausgehend von Art und Sinngehalt des [X.] – als praktisch bedeutsame und wahrscheinlichste Verwendungsform zu sehen sein dürfte, auch eine Verwendung auf dem eingenähten Etikett im Innern eines Kleidungsstückes, auf der [X.], als Anhänger o. Ä. in Betracht. Dies führt für sich genommen jedoch nicht ausnahmslos dazu, dass der Verkehr in dem Zeichen einen Herkunftshinweis sehen muss. Auch bei der Anbringung auf Etiketten kann die Beurteilung, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis ansieht, nach der Art des Zeichens variieren. Es muss stets im Einzelfall beurteilt werden, ob der Verkehr das Zeichen auch auf dem Etikett eines Kleidungsstücks, etc. als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der damit gekennzeichneten Waren wahrnehmen kann ([X.] GRUR 2020, 411 Rn. 17 – #darferdas? II; vgl. auch [X.], Beschluss vom 12.01.2022, 29 W (pat) 570/19 – [X.]; Beschluss vom [X.], 29 W (pat) 519/18 – [X.]; Beschluss vom 04.04.2019, 30 W (pat) 511/17 – reggae jam). Wegen des oben dargelegten Sinngehalts der angemeldeten Bezeichnung ist dies hier jedoch nicht der Fall. Die angesprochenen Verkehrskreise werden allein aus der Verwendung des allgemein verständlichen Slogans „[X.]“, der sich in die Reihe ähnlich gebildeter „Against…“ Wortfolgen (vgl. oben [X.]. 85 ff. d. A.) einfügt, auf dem Etikett eines Kleidungstückes, der Rückseite einer Gürtelschnalle, etc. nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließen. Vielmehr steht das in dem angemeldeten Wortzeichen zum Ausdruck kommende Bekenntnis dergestalt im Vordergrund, dass es im Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird.

d. Bei solchen allgemein gebräuchlichen Redewendungen, die grundsätzlich von jedermann bzw. jedem Unternehmen verwendet werden können, fehlt regelmäßig die Eignung, eine Ware oder Dienstleistung als aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb stammend zu kennzeichnen ([X.] GRUR 2010, 640 f. Rn. 11 ff. – hey!; [X.], 211 – [X.] denn?; [X.], Beschluss vom [X.], 29 W (pat) 509/17 – [X.]; Beschluss vom 22.02.2012, 27 W (pat) 12/11 – Komm zum Punkt; Beschluss vom [X.], 30 W (pat) 33/08 – ... weil Nähe zählt; Beschluss vom 19.05.2004, 26 W (pat) 213/03 – Gut, dass es uns gibt!). Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme fern, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der angemeldeten Bezeichnung einen individuellen betrieblichen Herkunftshinweis sehen.

e. Dem Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft steht auch nicht entgegen, dass der Begriff in Bezug auf die beanspruchten Waren eher allgemein gehalten ist. Nicht jede begriffliche Unbestimmtheit begründet die erforderliche Unterscheidungskraft einer Marke. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch auszugehen sein, wenn das angemeldete Zeichen verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Dienstleistungen beschreibt ([X.] [X.], 872 Rn. 25 - [X.]; [X.], 569 Rn. 18 - [X.]). Für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist es ferner bereits ausreichend, wenn das angemeldete Zeichen in einer seiner Bedeutungen beschreibend ist (vgl. u. a. [X.] [X.], 569 – [X.]; [X.], 1204 – DüsseldorfCongress).

f. Für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist – anders als der Beschwerdeführer vorträgt - weder ein lexikalischer Nachweis erforderlich noch, dass die Angabe bereits im Verkehr geläufig ist oder verwendet wird. Auch ist es hierfür unerheblich, ob es sich um eine Wortneuschöpfung handelt und ob der Beschwerdeführer das Anmeldezeichen selbst erfunden hat (vgl. [X.] GRUR 2004, 146 Rn. 32 – [X.]; [X.] GRUR 2004, 680 Rn. 38 – [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 8 Rn. 222). Der Aspekt der „Neuheit“ bzw. „erfinderischen Tätigkeit“ spielt im Markenrecht – anders als im Patentrecht – keine Rolle, da es zur Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Zeichens lediglich auf die Unterscheidungskraft bzw. das Freihaltebedürfnis ankommt (vgl. [X.] [X.], 436, 439 – Feldenkrais; [X.], Beschluss vom 05.02.2020, 29 W (pat) 516/17 – Keramik komplett; Beschluss vom [X.], 25 W (pat) 76/17 – [X.]; Beschluss vom 30.04.2014, 29 W (pat) 113/11 – Schichtenmodell der Integration).

3. Die am 2. September 2019 - und damit nach dieser Anmeldung - beim [X.] ([X.]) angemeldete und am 20. Dezember 2019 eingetragene identische Marke stellt schon keine Voreintragung im eigentlichen Sinne dar. Eine nähere Abgrenzung dazu ist zudem mangels Begründung der Eintragungsentscheidung durch das [X.] nicht möglich. Nach ständiger Rechtsprechung sind zudem Voreintragungen nicht bindend. Denn auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darf nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden (vgl. [X.] GRUR 2009, 667 Rn. 18 – [X.] und [X.]; [X.] [X.], 569 Rn. 30 – [X.]).

4. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zudem freihaltungsbedürftig ist.

5. Soweit in den Ausführungen des Beschwerdeführervertreters, eine rechtsmittelfähige Entscheidung zu erlassen, eine Anregung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zu sehen sein sollte, fehlt es hierfür an den Voraussetzungen. Denn der Sachverhalt wirft keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des [X.] nicht erforderlich. Welche Verwendungsmöglichkeiten des Zeichens bei der Prüfung zu berücksichtigen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Die rechtlichen Grundsätze hierfür sind seit den Entscheidungen zu „#darferdas?“ durch den [X.] und den [X.] geklärt. Es ist ferner kein Zulassungsgrund, dass sich Entscheidungen des [X.]s und des [X.] widersprechen, da Divergenzen gegenüber der [X.] von Behörden den Tatbestand des § 83 Abs. 2 Nr. 2, der ausschließlich der Rechtsprechung dient, nicht erfüllen (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 83 Rn. 28).

Meta

29 W (pat) 506/20

20.09.2023

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.09.2023, Az. 29 W (pat) 506/20 (REWIS RS 2023, 9844)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9844

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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