Bundessozialgericht, Urteil vom 04.03.2014, Az. B 1 KR 64/12 R

1. Senat | REWIS RS 2014, 7400

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Krankenversicherung - Beginn der Mitgliedschaft - Arbeitsunfähigkeit zu Beginn der Beschäftigung - Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis iSd § 186 Abs 1 SGB 5 - Gegenstand einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage - Ausgangs- und Überprüfungsentscheidung)


Leitsatz

Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung durch Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis wird, wer eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt tatsächlich aufnimmt oder ohne Aufnahme einer Beschäftigung zumindest einen Anspruch auf Arbeitsentgelt aus dem Beschäftigungsverhältnis erwirbt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. August 2012 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 29. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld ([X.]) für die Zeit vom 29.10. bis zum 23.11.2007.

2

Die 1973 geborene, bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Klägerin schloss am 17.10.2007 mit einem Einzelhandelsunternehmen einen befristeten Arbeitsvertrag über eine Vollzeitbeschäftigung (29.10. bis 31.12.2007). Die Klägerin befand sich ab dem 22.10.2007 in stationärer Behandlung und war nach ärztlicher Feststellung bis 23.11.2007 arbeitsunfähig. Die Klägerin nahm die Arbeit am 24.11.2007 auf. Die Beklagte lehnte die Gewährung von [X.] ab. Eine Versicherung mit Anspruch auf [X.] habe vor dem 24.11.2007 nicht bestanden (Ausgangsbescheid vom 11.1.2008, Überprüfungsbescheid vom 27.1.2009, Widerspruchsbescheide vom [X.] und [X.]). Mit ihrer gegen den als verfristet verworfenen Widerspruchsbescheid vom [X.] erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren aufrechterhalten. Gegen den weiteren, den Überprüfungsbescheid bestätigenden Widerspruchsbescheid hat die Klägerin ebenfalls Klage erhoben. Das [X.] hat die Sachen verbunden und die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 29.7.2011). Auf die Berufung der Klägerin hat das L[X.] nach Hinweis, die Gesamtentscheidung sei bereits Gegenstand der ersten Klage, und Rücknahme der zweiten Klage den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von [X.] vom 29.10. bis 23.11.2007 verurteilt: Maßgeblich für den Beginn der Mitgliedschaft mit Anspruch auf [X.] sei der vertraglich vereinbarte Beginn des Beschäftigungsverhältnisses (Urteil vom 14.8.2012).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 186 Abs 1 [X.]B V. Der Gesetzgeber des Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen habe mit der Neuregelung des § 186 Abs 1 [X.]B V zwar den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr von der tatsächlichen Aufnahme der Beschäftigung abhängig machen wollen, jedoch von einem bestehenden [X.]. Dem entspreche auch der Zweck des [X.], einen infolge Arbeitsunfähigkeit ([X.]) entfallenen [X.] abzusichern.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 14. August 2012 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 29. Juli 2011 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ist begründet. Der Senat ist prozessual an einer Entscheidung nicht gehindert (dazu 1.). Die Revision führt zur Aufhebung des [X.] und zur Wiederherstellung des klageabweisenden Gerichtsbescheids des [X.]. Das L[X.] hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung von [X.] für die [X.] vom 29.10. bis 23.11.2007 verurteilt. Denn die [X.]lägerin war nicht nur in der [X.] vom 22. bis 28.10.2007 als Familienversicherte nach § 10 [X.]B V ohne Anspruch auf [X.] versichert (vgl § 44 Abs 2 S 1 [X.] 1 [X.]B V). Sie erfüllte auch in der Folgezeit bis einschließlich 23.11.2007 nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.], weil sie vor dem 24.11.2007 nicht in das vereinbarte Beschäftigungsverhältnis eintrat, sondern ihren Status als Familienversicherte beibehielt (dazu 2.).

8

1. Im Revisionsverfahren fortwirkende prozessrechtliche Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor.

9

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage sind sowohl die Ausgangs- als auch die Überprüfungsentscheidung (§ 44 Abs 1 [X.]B X) über die Gewährung von [X.] (Bescheide vom 11.1.2008 und 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.]). Der vor Erlass des Widerspruchsbescheides ergangene Überprüfungsbescheid wurde in analoger Anwendung des § 86 [X.]G Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (vgl entsprechend B[X.] Urteil vom [X.] AY 11/07 R - Juris Rd[X.] 10; B[X.] Urteil vom 14.4.2011 - [X.] [X.] 12/09 R - Juris Rd[X.], in B[X.]E 108, 123 = [X.]-3500 § 82 [X.] nicht abgedruckt). Die Beklagte entschied im Widerspruchsverfahren auch über das Überprüfungsbegehren mit. Sie nahm nämlich im Widerspruchsbescheid vom [X.] hierauf Bezug und überprüfte in der Sache die Rechtmäßigkeit des [X.] vom 11.1.2008. Sie erfüllte damit auch insoweit die Sachurteilsvoraussetzung der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Es ist hierfür unerheblich, dass sie zusätzlich den Widerspruch unzutreffend in vollem Umfang als unzulässig zurückwies.

2. Die [X.]lägerin war in der [X.] vom 29.10. bis 23.11.2007 nicht als entgeltlich Beschäftigte mit Anspruch auf [X.] versichert. Das Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf [X.] hat (stRspr, vgl B[X.]E 111, 9 = [X.]-2500 § 192 [X.], Rd[X.] mwN). Gemäß § 44 Abs 1 S 1 [X.]B V (idF durch Art 1 Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen - [X.] <[X.]> - vom 20.12.1988, [X.] 2477, mWv 1.1.1989) haben "Versicherte" Anspruch auf [X.], wenn [X.]rankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf [X.]osten der [X.] stationär in einem [X.]rankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Dabei ist für den geltend gemachten [X.]-Anspruch an den jeweils in Betracht kommenden Entstehenstatbestand anzuknüpfen; das ist hier der maßgebliche Versicherungsstatus während der stationären [X.]rankenhausbehandlung. Wird [X.] während eines bestehenden entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses wegen [X.]rankenhausbehandlung gewährt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes grundsätzlich auf den Tag abzustellen, an dem die [X.]rankenhausbehandlung beginnt (§ 46 S 1 [X.] 1 [X.]B V). Geht es dagegen um einen [X.]-Anspruch wegen [X.] in ein Beschäftigungsverhältnis während bereits andauernder [X.]rankenhausbehandlung - wie hier bis 5.11.2007 - und sich anschließender ärztlich festgestellter [X.] - hier bis 23.11.2007 -, ist der [X.] in das Beschäftigungsverhältnis maßgeblich. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter beginnt nämlich hiermit (vgl § 186 Abs 1 [X.]B V, hier anzuwenden idF durch Art 3 [X.] zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen <[X.]> vom 6.4.1998, [X.] 688, rückwirkend in [X.] getreten zum [X.], vgl Art 12 Abs 1, Art 14 [X.]). Die [X.]lägerin wurde indes erst mit der tatsächlichen Aufnahme der Beschäftigung am 24.11.2007 versicherungspflichtig mit Anspruch auf [X.] (§ 5 Abs 1 [X.] 1 [X.]B V).

Der erkennende Senat hat es bislang ausdrücklich offengelassen, ob es für den "Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis" für den Fall des Bestehens von [X.] bei [X.] ausreicht, dass ein Anspruch auf Arbeitsentgelt auch ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme entsteht (vgl B[X.] [X.]-2500 § 44 [X.] Rd[X.] 16; B[X.]E 98, 33 = [X.]-2500 § 47 [X.], Rd[X.]0; ebenso der 12. B[X.]-Senat zu einem Sachverhalt vor dem [X.], vgl B[X.]E 83, 186, 189 = [X.]-2500 § 186 [X.] S 21). Er ist für den Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis nach § 175 [X.]B III aF (entsprechend: § 216b [X.]B III) allerdings bereits davon ausgegangen, dass die Begründung der Pflichten zur Qualifizierung etc einerseits und Entgeltzahlung andererseits für den Beginn der Mitgliedschaft genügt, selbst wenn zunächst eine Freistellung von Arbeit vorgesehen ist (B[X.]E 98, 33 = [X.]-2500 § 47 [X.], Rd[X.]0). Er bejaht die Frage nunmehr für die [X.] ab [X.]: Der "Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis" zur Begründung einer Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt (§ 5 Abs 1 [X.] 1 [X.]B V) erfordert in diesem Sinne, dass ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis in Vollzug gesetzt wird. In ein Beschäftigungsverhältnis tritt ein, wer entweder eine entgeltliche Beschäftigung tatsächlich aufnimmt oder trotz Nichtaufnahme dennoch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt erwirbt, etwa weil er von der [X.] - gegebenenfalls auch einseitig durch den Arbeitgeber - freigestellt ist oder wegen [X.] einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat (vgl auch B[X.] [X.]-2400 § 7 [X.] Rd[X.] 18; vgl ebenso [X.] in [X.], Soziale [X.]rankenversicherung Pflegeversicherung, Stand September 2013, § 186 [X.]B V Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B V, Stand Februar 2014, [X.] § 186 Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.]ingreen, [X.]B V, 3. Aufl 2012, § 186 Rd[X.]; [X.] in [X.]asseler [X.]omm, [X.]B V, Stand [X.], § 186 Rd[X.] 10; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Zipperer, G[X.]V-[X.]omm [X.]B V, Stand November 2013, § 186 Rd[X.]; [X.] in [X.], Handbuch der [X.]rankenversicherung, [X.], 19. Aufl, Stand 1.1.2013, § 186 [X.]B V Rd[X.] 13; aA - einen bloßen Vertragsbeginn ausreichen lassend - [X.] in LP[X.] [X.]B V, 4. Aufl 2012, § 186 Rd[X.]). Der Wortlaut des § 186 Abs 1 [X.]B V idF des [X.] lässt diese Auslegung zu (dazu a). Sie folgt aus der Entstehungsgeschichte des § 186 Abs 1 [X.]B V idF des [X.] (dazu b) in Einklang mit der Regelungssystematik (dazu c) und dem Regelungszweck (dazu d). Der bloße Abschluss eines Arbeitsvertrages und der Eintritt des dort geregelten kalendermäßigen Beginns des Beschäftigungsverhältnisses ohne Begründung eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt - wie im Falle der [X.]lägerin (dazu e) - genügen dagegen nicht. Es bedarf hier im Übrigen keiner Vertiefung, wann die Pflichtmitgliedschaft einer Arbeitnehmerin wieder beginnt, die während eines unbezahlten Urlaubs geendet hatte, wenn der vereinbarten Arbeitsaufnahme das Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz entgegensteht (vgl dazu B[X.]E 83, 186, 189 ff = [X.]-2500 § 186 [X.] S 21 ff).

a) Der Wortlaut der Regelung, die auf den [X.] in das "Beschäftigungsverhältnis" abstellt, lässt es zu, hierfür ein Invollzugsetzen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses im dargelegten Sinne zu verlangen. Er knüpft nicht mehr - wie die zuvor geltende Fassung - in einem engeren Sinne an den [X.] in die "Beschäftigung" an. Der Typusbegriff der Beschäftigung (vgl zur Legaldefinition § 7 Abs 1 [X.]B IV; zur Verfassungsmäßigkeit vgl [X.] [X.]-2400 § 7 [X.]) setzt grundsätzlich die tatsächliche Erbringung von Arbeit auf der Grundlage eines Rechtsverhältnisses voraus, das die Verpflichtung hierzu begründet (vgl zB B[X.]E 103, 17 = [X.]-2400 § 7a [X.], Rd[X.] und zur Funktion Rd[X.] 15 f mwN; daran anknüpfend etwa B[X.] Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris Rd[X.], 15 = US[X.] 2009-72). Die durch Art 3 [X.] 3 [X.] geänderte Fassung sollte demgegenüber gerade Lebenssachverhalte einbeziehen, in denen keine tatsächliche Erbringung von Arbeit erfolgte, wohl aber der Bezug von Arbeitsentgelt während einer Freistellung (vgl sogleich zu b und etwa die parallele Erweiterung der Regelung in § 7 Abs 1a [X.]B IV durch das [X.] mit Blick auf die Zahlung von Arbeitsentgelt aus Wertguthaben).

b) Die Entstehungsgeschichte der Norm belegt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers für den "Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis" anstelle tatsächlicher Aufnahme entgeltlicher Tätigkeit auch der Erwerb von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt ohne Tätigkeitsaufnahme genügt. Der Gesetzgeber zielte mit den einschlägigen Änderungen des [X.] darauf ab, die Flexibilisierung der Arbeitszeit sozialversicherungsrechtlich durch neue Rahmenbedingungen zu fördern. Im Vordergrund stand dabei insbesondere, Arbeitszeitkonten-Modellen mit [X.] besser Rechnung zu tragen, ohne den Sozialversicherungsschutz der beteiligten Arbeitnehmer zu beseitigen (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] eines [X.], BT-Drucks 13/9741 S 8). Dementsprechend sah § 7 Abs 1a S 3 [X.]B IV aF (idF durch Art 1 [X.] 1 [X.]) vor, dass eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt während der [X.] der Freistellung auch dann besteht, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im [X.]punkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann (seit 1.1.2012: § 7 Abs 1a S 4 [X.]B IV idF durch Art 1 [X.] Buchst a Viertes Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 22.12.2011, [X.] 3057).

In diesem [X.] ist auch die Änderung des § 186 Abs 1 [X.]B V zu sehen. Nach der Begründung des [X.]-Entwurfs sollte durch die Ersetzung des Begriffs der "Beschäftigung" durch das "Beschäftigungsverhältnis" klargestellt werden, dass eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung (G[X.]V) auch dann zustande kommt, wenn der Arbeitnehmer zu Beginn des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung von der Arbeitsleistung freigestellt ist und daher die Beschäftigung erst zu einem späteren [X.]punkt aufnimmt. Die Mitgliedschaft beginnt - so die Begründung - in diesem Fall mit dem Tag, an dem das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis beginnt (vgl aaO, BT-Drucks 13/9741 [X.], zu Art 3 zu [X.] 3). Die angesprochene Freistellung beschränkt sich nicht allein auf Fälle eines Wertguthabens oder des [X.] der Erbringbarkeit der Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im [X.]punkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (§ 7 Abs 1a S 3 [X.]B IV aF). Es muss hierfür auch die Entstehung eines [X.]s bei einseitiger Freistellung durch den Arbeitgeber genügen. Die Gesetzesbegründung verdeutlicht darüber hinausgehend, dass eine Mitgliedschaft in der G[X.]V - ebenso wie die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung - auch dann beginnt, wenn die Beschäftigung wegen einer Erkrankung nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen [X.]punkt aufgenommen werden kann, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat. Die Gesetzesentwurfsbegründung grenzt die Regelung insoweit von der bisher geltenden Gesetzesbestimmung in der Auslegung der Rechtsprechung ab (vgl aaO, BT-Drucks 13/9741 [X.], zu Art 3 zu [X.] 3).

Sowohl der 12. B[X.]-Senat als auch der sich dessen Rechtsprechung anschließende erkennende Senat hatten unter Geltung des § 186 Abs 1 [X.]B V in der vor dem [X.] geltenden Fassung (aufgrund des Art 1 [X.] mWv 1.1.1989) und zu dessen Vorgängervorschrift in der [X.] (§ 306 Abs 1 [X.]) entschieden, dass die Versicherungspflicht und die Mitgliedschaft nicht allein vom Bestehen eines Arbeitsvertrages und den dort getroffenen Vereinbarungen abhängen, sondern davon, dass die gesetzlichen Vorschriften über Versicherungspflicht und Mitgliedschaft erfüllt sind. Diese erforderten grundsätzlich den Eintritt in die versicherungspflichtige entgeltliche Beschäftigung durch die tatsächliche Aufnahme der Arbeit. Nicht hinreichend war danach hingegen die Entstehung eines [X.]s ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme, insbesondere bei [X.] (B[X.]E 75, 277, 279 und 282 = [X.]-2500 § 186 [X.] S 3 und 6 f; B[X.] [X.]-2500 § 186 [X.] 3 S 11 und 12 f; B[X.] Urteil vom 8.8.1995 - 1 R[X.] 28/94 - Juris Rd[X.] 17 f; B[X.] [X.]-2500 § 44 [X.] Rd[X.] 8 und 11; bestätigend B[X.]E 81, 231, 239 = [X.]-2500 § 5 [X.] 37 S 145 f - Aufgabe des missglückten Arbeitsversuchs; zu Sonderfällen in der älteren - nicht ausdrücklich aufgegebenen - Rspr, die kasuistisch Ausnahmen von der tatsächlichen Arbeitsaufnahme zuließ, vgl die Nachweise bei B[X.]E 75, 277, 281 = [X.]-2500 § 186 [X.] S 5 f; B[X.] [X.]-2500 § 186 [X.] 3 S 11 f; B[X.] Urteil vom 8.8.1995 - 1 R[X.] 28/94 - Juris Rd[X.] 17; B[X.] [X.]-2500 § 44 [X.] Rd[X.] 8; s ferner B[X.]E 98, 33 = [X.]-2500 § 47 [X.], Rd[X.] 16 f).

Nach der weiteren Gesetzesentwicklung ist dies allerdings inzwischen für die ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses ohne praktische Bedeutung, soweit keine abweichenden (tarif-)vertraglichen Regelungen bestehen. Bis zum [X.] hatten Angestellte schon ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses auch ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 616 BGB, § 63 HGB, § 133c [X.]), Arbeiter hingegen erst nach Arbeitsaufnahme (§ 1 Abs 1 S 1 Lohnfortzahlungsgesetz <[X.]>). Mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im [X.]rankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz <[X.]> vom [X.], [X.] 1014) hatten zunächst alle Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses. Seit 1.10.1996 gilt jedoch für alle Arbeitnehmer eine vierwöchige ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses als Voraussetzung dafür, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen kann (Wartefrist nach § 3 Abs 3 [X.] idF durch Art 3 [X.] 1 Buchst b Arbeitsrechtliches Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung - Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz - vom 25.9.1996, [X.] 1474; s nunmehr aber § 3a [X.] zur Entgeltfortzahlung bei Organspenden). Danach entsteht der Entgeltfortzahlungsanspruch auch dann, wenn die [X.] vom Beginn des Arbeitsverhältnisses an ununterbrochen bestanden hat (vgl [X.], 370, 376 ff = AP [X.] 10 zu § 3 [X.]).

Die Ausführungen in der Begründung des [X.]-Entwurfs stellen im Übrigen bei fehlendem Anspruch auf Arbeitsentgelt die bis dahin ergangene Rechtsprechung des 1. und des 12. Senats nicht in Frage, dass kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis allein durch den kalendermäßigen Beginn eines arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsverhältnisses begründet wird, sondern grundsätzlich der Eintritt in die Beschäftigung im Sinne einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme erforderlich ist. Der erkennende Senat geht danach weiterhin davon aus, dass der Arbeitnehmer für den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses die Arbeit tatsächlich aufgenommen haben muss, wenn kein [X.], insbesondere auch nicht als Entgeltfortzahlungsanspruch entstanden ist (zur [X.] bei Abschluss des Arbeitsvertrages vgl BAG AP [X.] 87 zu § 1 [X.]; zum Eintritt der [X.] vor und während einer Arbeitsschicht vgl [X.], 340, 342 f = AP [X.] 3 zu § 1 [X.]; [X.], 444, 447 ff = AP [X.] zu § 1 [X.]).

c) Das Regelungssystem untermauert das aufgezeigte Auslegungsergebnis. Die Regelung des § 7 Abs 1a [X.]B IV belegt, dass das Bestehen eines [X.]s aufgrund wirksamen Arbeitsvertrages bei vereinbarter vorübergehender Freistellung vor der Arbeitsaufnahme für den Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses genügt. Dem entspricht es, für eine durch [X.] erzwungene "Freistellung" bei bestehendem Arbeitsentgeltfortzahlungsanspruch nichts anderes anzunehmen.

d) Es entspricht auch dem Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung, die Invollzugsetzung des Beschäftigungsverhältnisses schon dann zu bejahen, wenn eine [X.] die tatsächliche Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers verhindert, er aber bereits Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den Arbeitgeber hat. In diesem Fall gibt es keinen Grund, den Arbeitnehmer von den Leistungen der G[X.]V im Rahmen einer vom Arbeitgeber mitzufinanzierenden Pflichtversicherung auszuschließen und den Arbeitgeber von der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu entlasten. Der Arbeitnehmer ist in dieser Situation besonders schutzbedürftig. Es trägt andererseits den Interessen der Beitragszahler ausreichend Rechnung, dass im Rahmen der Entgeltfortzahlung auch Beiträge abzuführen sind. Es wäre zudem widersprüchlich, eine vom Arbeitgeber erzwungene anfängliche Freistellung mit Entgeltanspruch für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses ausreichen zu lassen, nicht hingegen dann, wenn eine Arbeitsaufnahme nur an der [X.] scheitert, aber gleichwohl ein [X.] besteht.

e) Der [X.]lägerin stand hier indes vor dem 24.11.2007 kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu. Sie erfüllte nicht die für den Entgeltfortzahlungsanspruch erforderliche Wartezeit von vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses bei ihrem neuen Arbeitgeber (§ 3 Abs 3 [X.]), sondern nahm bereits am 27. Tag des Arbeitsverhältnisses nach den den Senat bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des L[X.] die Arbeit auf.

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 1 KR 64/12 R

04.03.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Köln, 29. Juli 2011, Az: S 26 KR 25/09, Gerichtsbescheid

§ 7 Abs 1 SGB 4, § 7 Abs 1a S 3 SGB 4 vom 06.04.1998, § 7 Abs 1a S 3 SGB 4 vom 23.01.2006, § 7 Abs 1a S 3 SGB 4 vom 12.11.2009, § 7 Abs 1a S 4 SGB 4 vom 22.12.2011, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 44 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 20.12.1988, § 44 Abs 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 46 S 1 Nr 1 SGB 5, § 186 Abs 1 SGB 5 vom 20.12.1988, § 186 Abs 1 SGB 5 vom 06.04.1998, § 44 Abs 1 SGB 10, § 54 Abs 4 SGG, § 86 SGG, § 3 Abs 3 EntgFG vom 25.09.1996, § 306 Abs 1 RVO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 04.03.2014, Az. B 1 KR 64/12 R (REWIS RS 2014, 7400)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7400

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 19/11 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankengeld - Erhalt der Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter in der gesetzlichen Krankenversicherung - Erfüllung …


B 1 KR 68/12 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Arbeitslosigkeit - Arbeitsunfähigkeit - Auffangversicherung - nachgehender Versicherungsschutz - Änderung der Verhältnisse - …


B 1 KR 17/13 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankengeld - Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft als Beschäftigter über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses - …


B 1 KR 19/14 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - kein Anspruch auf Krankengeld bei fehlender erneuter ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf …


B 1 KR 37/14 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankengeldanspruch - Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus - ärztliche …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.