Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2006, Az. I ZB 17/06

I. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 78

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 17/06 vom 21. Dezember 2006 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja

Zugang des Abmahnschreibens ZPO § 93 Den [X.]n, der im [X.] auf die Klageerhebung hin eine straf-bewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat und geltend macht, ihm sei die Abmahnung des [X.] nicht zugegangen, trifft grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer dem Kläger die Prozesskosten auf-erlegenden Entscheidung nach § 93 ZPO. Im Rahmen der sekundären Darle-gungslast ist der Kläger lediglich gehalten, substantiiert darzulegen, dass das [X.] abgesandt worden ist. Kann nicht festgestellt werden, ob das [X.] dem [X.]n zugegangen ist oder nicht, ist für eine Kostenent-scheidung nach § 93 ZPO kein Raum. [X.], [X.]. v. 21. Dezember 2006 [X.] [X.] [X.] [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 21. Dezember 2006 durch [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der [X.]uss des 20. Zivilsenats des [X.] vom 2. Februar 2006 aufgehoben. Auf die sofortige Beschwerde des [X.] wird das [X.] der 2 a. Zivilkammer des [X.] vom 26. Oktober 2005 im Kostenpunkt abgeändert. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der [X.]. Der [X.] hat auch die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 4.500 • festge-setzt. Gründe: [X.] Der Kläger hat Klage auf Unterlassung bestimmter Handlungen, Aus-kunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Löschung eines Domain-Namens erhoben. Das [X.] hat Termin zur mündlichen [X.] - 3 - lung anberaumt und dem [X.]n eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt. Der [X.] hat die erhobenen Ansprüche innerhalb der ihm gesetzten Frist unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Er hat geltend gemacht, er habe keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, da ihn das von dem Kläger be-hauptete vorprozessuale Abmahnschreiben vom 25. Februar 2005 nicht erreicht habe. 2 Das [X.] hat dem Kläger durch [X.] vom 26. Oktober 2005 die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil ein Zugang seines vorprozes-sualen Abmahnschreibens vom 25. Februar 2005 nicht nachgewiesen sei. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des [X.] ist erfolglos geblieben. 3 Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag, dem [X.]n die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weiter. Der [X.] hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert. I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. 4 1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der [X.], der den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt habe, habe keine Veranlassung zur [X.] gegeben. Der Kläger habe den Zugang des Abmahnschreibens vom 25. Februar 2005 nicht nachweisen können. Aus der Absendung des Schreibens und der Tatsache, dass es nicht wieder an den Kläger bzw. seine Bevollmächtig-ten zurückgelangt sei, könne nicht auf einen Zugang beim [X.]n geschlossen werden. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 5 2. Entgegen der Auffassung des [X.] liegen die Vorausset-zungen für eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO nicht vor, weil im Streitfall 6 - 4 - davon auszugehen ist, dass der [X.] Veranlassung zur Klageerhebung gege-ben hat. - 5 - a) Es ist allerdings umstritten, ob der Abmahnende den Zugang des [X.]s beim Verletzer beweisen muss, oder ob es ausreicht, dass er die ordnungsgemäße Absendung eines den inhaltlichen Anforderungen genügenden Abmahnschreibens nachweist. 7 In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Abmahnende den tatsächlichen Zugang eines vorprozessualen Abmahnschreibens nicht zu beweisen hat, das [X.] eines solchen Schreibens vielmehr vom Verletzer zu tragen ist (vgl. [X.] WRP 1985, 360; [X.] WRP 1987, 43; [X.], 62; [X.] 1996, 42; OLG Stuttgart WRP 1996, 477; OLG Jena [X.] 1998, 110; [X.], 1146; [X.] WRP 2004, 970, unter Aufgabe von [X.], 1201; [X.] GRUR 2004, 887; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., [X.]. 41 [X.]. 6b; [X.]., [X.], 654, 655; MünchKomm.UWG/[X.], § 12 [X.]. 25 f.; Fezer/Büscher, UWG, § 12 [X.]. 6; Melullis, Handbuch des [X.], 3. Aufl. [X.]. 793a; Harte/[X.], UWG, § 12 [X.]. 24 f.; Ekey in [X.], 2. Aufl., § 12 UWG [X.]. 44; [X.]/[X.], Der [X.], 5. Aufl., [X.]. 1 [X.]. 100 ff.; [X.]/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 75 [X.]. 30). Es wird insbesondere darauf [X.], dass es auch unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Rechtsschutz-gewährung unbillig und nicht zumutbar erscheine, dass der (jedenfalls auch) im Interesse des Rechtsverletzers tätig werdende Gläubiger die Kosten des Verfah-rens tragen solle, wenn er mit der Absendung der Abmahnung das für den Zugang seinerseits Erforderliche getan habe und der Schuldner den Zugang bestreite. 8 Nach anderer Ansicht obliegt es im [X.] grundsätzlich dem Verletz-ten, nicht nur die ordnungsgemäße Absendung eines Abmahnschreibens, sondern auch dessen Zugang nachzuweisen (vgl. [X.] WRP 1984, 230; KG WRP 9 - 6 - 1992, 716; [X.] NJWE-WettbR 1996, 256; [X.], 199; [X.] in Hefermehl/[X.]/[X.], Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 12 UWG [X.]. 1.32 ff.; [X.], UWG, 4. Aufl., § 12 [X.]. 12; [X.].UWG/[X.], Vor § 13C [X.]. 73; [X.], Unterlassungsanspruch und Un-terlassungsklage, [X.]). b) Im Rahmen dieser Kontroverse wird teilweise dem prozessrechtlichen Kontext nicht hinreichend Rechnung getragen, in dem sich die Frage der Beweis-last stellt. Denn die maßgebliche Frage lautet nicht, wer für den Zugang der Ab-mahnung die Beweislast trägt; sie lautet vielmehr, wer darzulegen und gegebe-nenfalls zu beweisen hat, ob der [X.] im Falle eines sofortigen [X.] Anlass zur Klage gegeben hat (§ 93 ZPO). Dass dies nicht der Kläger, [X.] allein der [X.] ist, ist im Prozessrecht allgemein anerkannt. 10 aa) Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene [X.] die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der [X.] aufgrund eines Anerkenntnisses in der Hauptsache unterliegt. Hiervon macht § 93 ZPO eine Ausnahme zugunsten des [X.]n, wenn dieser keine Veranlassung zur Klage gegeben und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt hat. In diesem Fall sind dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, obwohl er in der Hauptsache obsiegt hat. Ist nach einem sofortigen Anerkenntnis des [X.] streitig, ob er Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat, so trifft ihn die Beweislast für die fehlende Klageveranlassung (vgl. [X.], 62; [X.] 1996, 42; [X.] MDR 2004, 1078; Münch-Komm.ZPO/[X.], 2. Aufl., § 93 [X.]. 8; Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., § 93 [X.]. 2; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 93 [X.]. 16; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 93 [X.]. 4; [X.]/Lauterbach/[X.], ZPO, 65. Aufl., § 93 [X.]. 28; HK-ZPO/[X.], § 93 [X.]. 32). Denn nach den allgemeinen Beweislastre-geln muss diejenige [X.], die sich auf einen Ausnahmetatbestand zu ihren 11 - 7 - Gunsten beruft, dessen Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und [X.] beweisen (vgl. [X.], Urt. v. 18.7.2003 [X.] V ZR 431/02, NJW-RR 2003, 1432, 1434; [X.], 62; [X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., Vor § 284 [X.]. 17a; [X.]/[X.]/[X.] aaO Vorbem. § 284 [X.]. 24; HK-ZPO/[X.], § 286 [X.]. 58). Dementsprechend obliegt dem [X.]n die [X.] und Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 ZPO. 12 [X.]) Bei der Ausgestaltung der danach den [X.]n treffenden Darlegungs- und Beweislast ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vom [X.] darzulegenden und zu [X.] Umstand um eine negative Tatsache handelt (hier: kein Zugang des Abmahnschreibens des [X.] vom 25. Februar 2005). Dies führt indes nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern allenfalls zu einer sekundären Darlegungslast des [X.]. Der [X.] kann sich zunächst auf die schlichte Behauptung der negativen Tatsache [X.] das Abmahnschreiben sei ihm nicht zugegangen [X.] beschränken. Nach dem auch im Prozessrecht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist der Klä-ger ausnahmsweise verpflichtet, dem einfachen Bestreiten mit eigenem qualifizier-ten Vortrag entgegenzutreten. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der Kläger die für einen substantiierten Vortrag notwendigen Informationen im [X.] besitzt oder sich diese jedenfalls leichter beschaffen kann als die darle-gungspflichtige [X.]. Im [X.] daran muss jedoch die darlegungspflichtige [X.] ihren Vortrag konkretisieren und detailliert [X.] gegebenenfalls unter Beweis-antritt [X.] auf das Bestreiten der Gegenpartei eingehen (vgl. [X.] 100, 190, 195; [X.], 62; Musielak/[X.] aaO § 138 [X.]. 10). Auf den Zugang des Abmahnschreibens bezogen bedeutet dies, dass der Kläger gehalten ist, die genauen Umstände der Absendung vorzutragen und [X.] unter Beweis zu stellen. Eine weitergehende Verpflichtung des [X.] [X.] et-wa dahingehend, dass er besondere Versendungsformen zu wählen habe, die - 8 - einen Nachweis des Zugangs ermöglichten [X.] kann aufgrund der sekundären Dar-legungslast dagegen nicht begründet werden. Damit wird dem [X.]n keine unzumutbare Belastung aufgebürdet. Er hat die Möglichkeit, die Tatsache, aus der sich ergibt, dass er keinen Anlass zur Klage gegeben hat [X.] etwa den Umstand, dass ihm kein Abmahnschreiben des [X.] zugegangen ist [X.] durch Benennung von Zeugen [X.] beispielsweise von Büroperso-nal [X.] unter Beweis zu stellen. Gelingt dem [X.]n dieser Beweis (§ 286 ZPO), ist grundsätzlich Raum für eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten (§ 93 ZPO). Denn das Risiko, dass ein abgesandtes Abmahnschreiben auf dem [X.] verlorengegangen ist, trägt grundsätzlich der Kläger. An den Nachweis der negativen Tatsache dürfen auch keine übertriebenen Anforderungen gestellt wer-den. Denn ein Missbrauch ist nicht nur auf Seiten des [X.]n denkbar, der zu Unrecht den Zugang einer Abmahnung bestreitet; er ist auch auf Seiten des [X.] nicht auszuschließen, der wahrheitswidrig die Absendung einer Abmahnung behauptet. Der Kläger wiederum kann das Risiko, dass dem [X.]n der [X.] gelingt, dadurch verringern, dass er eine besondere Versandform [X.] beispielsweise [X.] mit Rückschein [X.] wählt oder in Eilfällen das Abmahnschreiben mit ein-facher Post und parallel dazu noch per Telefax und/oder E-Mail übermittelt. Steht fest, dass die Abmahnung als Brief, als Telefax und als E-Mail abgesandt worden ist, erscheint das Bestreiten des Zugangs von vornherein in einem wenig glaub-haften Licht (§ 286 ZPO). 13 c) Im vorliegenden Fall hat der [X.] der ihm obliegenden Darlegungs-last nicht genügt. Er hat in seiner Klageerwiderung vom 15. Juni 2005 lediglich vorgebracht, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben zu haben, da ihm zu keinem Zeitpunkt eine Abmahnung des [X.] zugegangen sei. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 8. Juli 2005 unter Beweisantritt erwidert, die [X.] vom 25. Februar 2005 sei am selben Tag von einer Angestellten seiner Prozessbevollmächtigten in den Briefkasten des Postamts auf der [X.] in [X.] eingeworfen worden. Das Abmahnschreiben sei nicht wegen Unzu-stellbarkeit an seine Prozessbevollmächtigten zurückgelangt. Damit ist der Kläger der ihn treffenden (sekundären) Darlegungslast nachgekommen. Der [X.] hätte nunmehr Beweis dafür antreten müssen, dass ihm das Abmahnschreiben nicht zugegangen ist. Der [X.] ist jedoch diesen Beweis und damit den [X.] ihm obliegenden [X.] Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 ZPO schuldig geblieben mit der Folge, dass er nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. [X.] v. Ungern-Sternberg [X.]

Bergmann [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.10.2005 - 2a [X.]/05 - [X.], Entscheidung vom 02.02.2006 - [X.]/06 -

Meta

I ZB 17/06

21.12.2006

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2006, Az. I ZB 17/06 (REWIS RS 2006, 78)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 78

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