Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.08.2018, Az. 5 StR 638/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2018, 4794

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Gegenstand

Unterschreitung der Mindeststrafe bei der Gesamtstrafenbildung


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] (Oder) vom 27. März 2017 wird verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Revisionsverfahrens und die hierdurch dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter [X.] im Übrigen wegen schweren [X.]s in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem schwerem [X.], unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

1. Gegenstand der Verurteilung sind durch den Angeklagten am 3./4. und am 4./5. Februar 2014 begangene Diebstähle von Kraftfahrzeugen der sogenannten „Sprinterklasse“. Der - auch einschlägig - in [X.] und [X.] massiv vorbestrafte Angeklagte war jeweils mit weiteren Bandenmitgliedern von [X.] nach [X.] eingereist und hatte jeweils ein Kraftfahrzeug der genannten Art im Wert von rund 27.000 € ([X.]) bzw. rund 20.000 € (Tat 2) entwendet und nach [X.] verbracht. Bei [X.] war die Entwendung zweier weiterer gleichartiger Kraftfahrzeuge gescheitert.

3

2. Das [X.] hat für [X.] eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und für Tat 2 eine solche von einem Jahr und zehn Monaten verhängt. Bei der Gesamtstrafenbildung hat es einen Härteausgleich vorgenommen. Der Angeklagte war mit Urteil des [X.] vom 18. November 2014 wegen etwa einen Monat nach den hier zu beurteilenden Taten begangener versuchter Hehlerei in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, weswegen die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung gegeben gewesen wären. Die Strafe sei durch den Angeklagten jedoch bereits vollständig verbüßt worden.

4

3. Das wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft deckt eingedenk des insoweit begrenzten revisionsgerichtlichen [X.] (st. Rspr., vgl. etwa [X.], Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, [X.]St 29, 319, 320; vom 24. Oktober 2017 - 1 [X.] Rn. 9, jeweils mwN) keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) auf.

5

a) Bei der konkreten Strafbemessung hat das [X.] zum Nachteil des Angeklagten unter anderem dessen einschlägige Vorstrafen berücksichtigt. In diesem Rahmen wird, wie die Beschwerdeführerin im Grundsatz zutreffend beanstandet, nicht ausdrücklich benannt, dass der Angeklagte wenige Monate vor den hiesigen Taten wegen mehrerer [X.] zu einer - nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftigen - einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt war. Jedoch kann der [X.] im Blick auf die eingehenden Ausführungen des [X.]s zu den beiden in [X.] verhängten Freiheitsstrafen unter Aufführung der Vollstreckungsdaten ([X.] bis 7) in Verbindung mit den Erwägungen zur Gesamtstrafe ([X.] f.) sowie dem Hinweis auf die „[X.]“ sowie die „erneute“ Bewährung im Rahmen der Aussetzungsentscheidung ([X.]) ausschließen, dass dem [X.] die Tatsache der raschen Rückfälligkeit sowie des Bewährungsbruchs bei der Strafbemessung aus dem Blick geraten sein könnte. Die Einzelstrafen sind nicht unvertretbar milde.

6

b) Die Bildung der Gesamtstrafe ist frei von [X.]. Zwar hat das [X.] mit der Festsetzung einer Gesamtstrafe von zwei Jahren, die der Einsatzstrafe entspricht, die Mindeststrafe des § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB unterschritten. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, dass eine solche Unterschreitung zulässig und sogar geboten ist, wenn nur auf diese Weise ein angemessener Härteausgleich erreicht werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 29. Juli 1982 - 4 StR 75/82, [X.]St 31, 102, 103 f.; Beschlüsse vom 7. November 1969 - 3 [X.]; vom 10. Januar 1980 - 4 [X.]). Nach diesen Grundsätzen ist das [X.] vorgegangen.

7

Die Generalstaatsanwaltschaft des [X.] macht geltend, in Anwendung der durch den [X.]sbeschluss vom 26. Januar 2010 (5 [X.], [X.], 387; ebenso [X.], Beschluss vom 28. September 2010 - 5 StR 343/10) entwickelten Grundsätze hätte eine fiktive Gesamtstrafe gebildet werden müssen, von der im Rahmen des Härteausgleichs nach dem sogenannten [X.] die bereits verbüßte Strafe hätte abgezogen werden müssen. Der [X.] hat jedoch bereits darauf hingewiesen, dass er an der den genannten Beschlüssen zugrunde liegenden Rechtsauffassung nicht festhält (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Juni 2018 - 5 [X.]/18).

8

c) Auch die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung hält rechtlicher Überprüfung stand.

9

aa) Die Strafkammer hat bei der von ihr angenommenen günstigen Kriminalprognose maßgebend darauf abgestellt, dass während der Haftzeit ein Kind des Angeklagten zur Welt gekommen ist, er die Mutter des Kindes mittlerweile geheiratet hat und in deren Betrieb arbeitet. Damit hat es maßgebend den Gedanken einer nach den Taten eingetretenen Stabilisierung der Lebensverhältnisse in Verbindung mit dem Zeitablauf gewichtet, was auch für die Wertung der „besonderen Umstände“ im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB von Rang ist (vgl. Schäfer/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 688 mwN). Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.

bb) Nach dem Gesamtzusammenhang der im angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen ist schließlich nicht zu besorgen, dass bei der Aussetzungsentscheidung ein unzutreffender rechtlicher Maßstab zum Begriff des „[X.]“ gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB zugrunde gelegt worden ist. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der Erwägung des angefochtenen Urteils, es sei angesichts „der objektiv erkennbaren Änderung seiner Lebensumstände ... geboten, dem Angeklagten eine Chance für eine (erneute) Bewährung einzuräumen“ ([X.]). Diese Formulierung belegt nicht, dass das [X.] sich nur von einer bloßen Hoffnung auf ein künftig straffreies Leben hat leiten lassen. Jede Strafaussetzung bietet dem Verurteilten nämlich nur die Chance der Bewährung; eine sichere Gewähr dafür, dass er sie auch nutzt, gibt es nicht (vgl. BayObLG, Urteil vom 11. Mai 1994 - 3 [X.] 18/94).

Mutzbauer     

        

König     

        

[X.]

        

Mosbacher     

        

Köhler     

        

Meta

5 StR 638/17

15.08.2018

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 27. März 2017, Az: 53 Ss 156/17

§ 54 Abs 1 S 2 StGB, § 55 Abs 1 S 1 StGB, § 56 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.08.2018, Az. 5 StR 638/17 (REWIS RS 2018, 4794)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4794

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1 StR 226/17

5 StR 478/09

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